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Anna erzählt

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03.03.2009
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Anna erzählt

Wie Anna von ihrer Beziehung erzählt: Sie war beim Sport, im Fitnessstudio, ein Kickboxkurs. Sie hatte auf ihren Freund gewartet, der am Abend zuvor ein Hähnchen zerlegt und mit Zitronen und Koreander mariniert hatte. Es war jedoch schon zu spät gewesen, um es noch zuzubereiten, also sagte er: lass es uns morgen abend machen, und hatte den Topf mit dem Huhn auf ihren Balkon gestellt; es war Mitte Februar, und noch ziemlich kalt draußen. Dann waren sie ins Bett gegangen, hatten gelesen und waren schließlich eingeschlafen. Sie war erwacht, als er sich am Morgen an sie geschmiegt hatte; er war sichtlich erregt, machte aber keine weiteren Anstalten, und weil sie selbst nur schwer die Initiative ergreifen konnte, stand sie irgendwann auf, und begann am Schreibtisch zu arbeiten. Da war es schon elf Uhr morgens. Eine halbe Stunde später kam er aus dem Schlafzimmer, zog sich an, fragte nach einer Tüte für seine Bücher, und sie gab ihm einen Leinenbeutel. In der Tür sagte sie ihm, er solle keinesfalls wichsen, er müsse sich für sie aufheben. Er schien sich jedoch schon darauf gefreut zu haben, denn er machte ein entsprechendes Gesicht, und fragte, indem er verständnislos den Kopf schüttelte, warum sie ihn dann eben nicht „gemolken“ hätte. Ich dachte, du wärst nicht in der Stimmung. Ich melke dich heute Abend, okay? Du darfst nicht wichsen!! Sie sagte dies mit ihrer Kleinmädchenstimme, aber sehr nachdrücklich, und schmiegte sich dabei an ihn und küsste seinen Hals. Er war sehr viel größer als sie. Lächelnd versprach er sein bestes und ging; sie arbeitete den Tag über.
Am Abend hatte er noch immer nicht angerufen, aber eine email geschickt. Sie begann mit der Feststellung, dass sie sich schon lange keine emails mehr geschickt hätten, nur telefoniert: sie sollten sich wieder öfters schreiben. Schreib mir mal wieder! Er erzählte von dem Roman, den er sich vom Bücherstapel genommen hatte, der neben ihrem Bett aufgetürmt war. Er habe den ganzen darin Tag gelesen, so dass ihm ganz schwummrig sei im Kopf, und wie schnell die Zeit vergangen ist beim lesen. Jetzt fühle er sich sehr schlecht, wegen dem Roman, der sei sehr deprimierend, auf eine seltsame, monotone Weise geschrieben; jedoch irgendwie sehr gut. Er könne jetzt gar nicht anders als auch irgendwie so zu schreiben.
Er habe gar keinen Hunger, was schade sei wegen dem Huhn: alles war in langen, naiv wirkenden Sätzen fast ohne Kommas gehalten, und er schloss mit der Frage, ob sie noch arbeite und schon Hunger habe. Anna las die email um halb acht, und war verletzt von der distanzierten Weise, in der er sich ausdrückte, und von der Tatsache, dass er seine Zuneigung, und den Wunsch, sie zu sehen, nicht einmal halbherzig geäußert hatte, denn er hatte sie ja nur aufgefordert, ihm zurückzuschreiben. Sie antwortete nicht und fuhr ins Fitnessstudio. Die Kickbox-Gymnastik hatte schon begonnen, sie wärmte sich auf und machte mit, obwohl sie erschöpft war. Nach dem Training fand sie einen Anruf auf ihrem Handy, er war von ihm; sie rief zurück:
„Hallo?“
„Hi ich bins.“
„Ah hey. Na?“
„Du hattest angerufen?“
„Ähm, ja, - - das siehst du doch. Warum fragst du das?“
„Naja, du hattest angerufen, und ich will halt nur wissen, naja, was gibt’s denn?“
„Was es gibt?? - - Naja! - ich wollte dich halt anrufen - - !“

 

Hallo Basileus,

zunächst HERZLICH WILLKOMMEN auf kurzgeschichten.de !

Ich hoffe, du wirst dich hier wohl fühlen und das auch noch, nachdem du meine Kritik gelesen hast. ;)

Ich habe die Geschichte eigentlich gerne gelesen, dein Schreibstil ist recht flüssig und die Art wie du die Dinge darstellst, hat irgendwie ihren Reiz. Eine Beziehung, in der sich beide wie Singles benehmen.

Aber, am Ende der Geschichte gesellte sich die Frage dazu, was genau du eigentlich mitteilen wolltest. Es geht nur um diese besondere Art nebeneinander zu leben? Dieser kleine Ausschnitt aus dem Leben einer Beziehung wirkt so als habest du am Ende selbst nicht mehr gewusst, wieso und warum oder aber die Lust verloren, weiter zu schreiben.
Es endet vermutlich mittendrin.

Der Titel gibt auch nicht den geringsten Hinweis, ist eher als einfaltslos zu bezeichnen.
Der Anfang deiner Geschichte wirkt als hätte davor noch Erklärendes gestanden, aber dass du das weggelassen hast. Es klingt holprig, wenn du als Einleitungssatz schreibst: "Wie Anna von ihrer Beziehung erzählt".

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo lakita,
Danke für deine Kritik! Eigentlich wollte ich nur wissen: wie kann so eine Situation entstehn wie das Telefonat am Ende, ein Problem aus dem nichts, denn es passiert ja nichts schlimmes eigentlich. Es ist ein Versuch, darum auch der Einleitungssatz, es soll halt aussehen wie eine Versuchsbeschreibung.
Es ist sonst auch nichts weiter dahinter; drum auch kein Titel der noch billig Raum öffnen würde für weitergehende Interpretationen. Ich hätte gar keinen eingegeben wenn es nicht nötig wäre.

Liebe Grüße!

 

Hallo Basileus,

wie so eine Situation entstehen kann, dass ist dir recht gut gelungen, das darzustellen.
Ok, es passiert nichts Schlimmes, aber es passiert dennoch sehr viel in dieser Geschichte.

Es sieht aber nicht aus wie die Beschreibung eines Versuchs. Dazu müsste es anders formuliert werden. Vielleicht auch mit einer kleinen Einleitung versehen werden, dass Anna, aus deren Sicht du ja schilderst, mit einer Bekannten oder Freundin redet und im Gespräch versucht, herauszufinden, weshalb es solch ein Telefonat gab.

Bei der Titelwahl, insoweit möchte ich einen Irrtum, den ich bei dir zu erkennen vermeine, beseitigen, geht es nicht um das billige Eröffnen von weitergehenden Interpretationen.
Der Titel hat die Funktion, den Leser anzuziehen, ihm, ohne ihn zu betrügen, vielleicht ein bisschen Vorgabe über den folgenden Text zu geben und vielleicht sogar noch, den Text abzurunden, zu begleiten, quasi mit einem Motto zu versehen, ohne die Neugierde des Lesers schon beantwortet zu haben.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo Basileus,

auch von mir ein herzliches Willkommen auf kg.de

Mir geht es ähnlich wie Lakita. Dein Schreibstil ist flüssig, gut zu lesen.
Aber für meinen Geschmack endet die Geschichte wo sie eigentlich erst beginnt. Ich kann in dem Telefonat kein Problem erkennen. Was ich erkenne, ist eine Prota, die sich nicht traut, ihre Gefühle zu äußern, statt dessen aber genau dies von ihrem Gegenüber erwartet. Insofern spannend, denn die Erwartungshaltung ist ja allzu oft der Knackpunkt in Beziehungen. Aber zu diesem Konflikt führt deine Geschichte irgendwie nicht, sondern bleibt mittendrin stecken.

Vielleicht schreibst du sie noch weiter, was nicht heißen soll, dass du noch ellenlang was anführen musst. Vielleicht einfach nur das Telefonat zu Ende führen?
Möglicherweise habe ich aber auch deine Erklärung, die du Lakita gegeben hast nicht verstanden. Was meinst du mit Versuchsbeschreibung?

Was den Titel anbetrifft, kann ich nur raten, da sehr viel Gehirnschmalz drauf zu verwenden. Du willst ja, dass deine Geschichte gelesen wird und der Titel ist das Lockmittel den Leser hineinzuziehen, ohne schon alles zu verraten. Bei soviel Angebot wie hier, wirst du sonst links liegen gelassen und das wäre schade.

Liebe Grüße
Katinka

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke für eure Anregungen!
Allein: mit Versuch meinte ich: versuchen, wie ein Konflikt (bei mir ist es das Telefonat), entstehen kann, obwohl keiner von beiden absichtlich einen Konflikt provoziert, also mit minimalsten Mitteln. Dabei interessiert mich weniger der Konflikt an sich (und sehr schwerwiegend ist er ja auch nicht), sondern ganz allgemein: wie Konflikte entstehen können. Darum ist das Telefonat das Ende.
"Versuchsbeschreibung" soll nicht heißen, dass ich eine Geschichte über einen Versuch schreiben will, den irgendein Protagonist oder der Erzähler durchführt, sondern dass die Geschichte Produkt eines Versuchs ist, den ich durchführe, indem ich denke und schreibe.

Liebe Grüße

 

Hallo Basileus,
ich denke, da liegt ganz viel Sprengstoff in deinem Versuch. Die beiden scheinen doch Probleme zu haben, in ihrer Beziehung eine tiefere Ebene zu erreichen. Durch bewusst vulgär-flapsige Kommentare wird dies verschleiert. Je häufiger das geschieht, desto 'sprachloser' wird das Ganze und gipfelt in diesem nichtssagenden Telefonat. Wie wäre es, wenn Anna wirklich erzählen würde? Oder beide wechselseitig? Vielleicht bekämen die Figuren dann mehr Tiefe. Lohnenswertes Thema!
LG,
Jutta
LG,
Jutta

 
Zuletzt bearbeitet:

Klar und gut. Mir fehlt nichts. Ich beginne zu glauben, dass du deinen Stil doch bändigen kannst.
Ach und "er war sehr viel größer als sie", finde ich sehr schön!
Ich freue mich auf neue Erzählungen von dir!
Maria

 

Liebe Maria,
Dankesehr! Und ich freue mich auf überhaupt mal eine Geschichte von dir!

Lieber Kurzgeschichtler,
Erstmal danke! Ich muss zugeben, dass der Text plötzlich so da stand und ich fand alles recht treffend; die Darstellung der email würde den Lesefluss stören glaube ich, ich finde es nämlich deshalb so reizvoll, weil es so in einem runtergeht. Und die Anführungszeichen, naja, man könnte schon welche machen, aber so gehts doch auch oder?

Liebe Grüße

 

Hallo Basileus,

mir hat der Text auch gefallen. Alles ist so unaufgeregt und unaufregend, aber hin und wieder doch liebevoll. Da steckt viel Beziehungswahrheit drin. Die e-mail fand ich gut. Sie sagte mir was. Den Anruf fand ich doof, der war mir zu abgedroschen.

Kleinvieh:

Koreander
Koriander, is mir aber eigentlich egal, weil's eh pfui ist

Lächelnd versprach er sein Bestes

und wie schnell die Zeit vergangen sei beim Lesen.

Er habe den ganzen darin Tag gelesen
siehst Du selbst.

Ich bin mir uneins ob ich Formatierung und Interpunktion moegen soll. Schon so'n bisschen, aber anstrengend ist es auch.

lg
feirefiz

 

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