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Apfelkuchen

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03.02.2009
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Apfelkuchen

Der Nachgeschmack von Apfelkuchen

Ich liege auf dem kalten Küchenboden. Mit zusammengekniffenen Augen schiele ich auf mein Blatt Papier, weil der warme Ofen an dem ich liege so viel Wärme ausstrahlt, dass sich mein linkes Auge anstrengen muss, um nicht zu blinzeln. Eigentlich warte ich nur darauf, dass der Kuchen fertig wird, den ich früher immer mit meiner Oma, dann mit meiner Mutter und am Ende immer nur alleine für die ganze Familie gebacken habe. Heute backe ich den Kuchen für mich selbst. Nicht weil ich Lust habe ihn zu essen, sondern weil ich etwas gebraucht habe, was mich an früher erinnert, und um mich endlich wieder wohlfühlen zu können, mich von allem abzulenken.
Die letzten Tage habe ich vieles getan um mich besser zu fühlen. Ich habe Dinge gemacht, die sinnvoll sind und die ich auf meiner endlosen Liste des Fertig-werden-Wollens abhaken konnte. So wie es eigentlich immer ist. Ich habe gearbeitet und meinen Kleiderschrank ausgeräumt. Ich habe meine angefangenen Bücher zuende gelesen und bin jeden Tag joggen gewesen...
Aber all das hat es nur noch schlimmer gemacht. Es füllt mich nicht aus, weil ich weiß, dass es mich auch vorher nicht ausgefüllt hat und dass ich joggen gehen kann bis ich blau werde, bevor ich das Gefühl bekomme endlich am Ziel zu sein. Es füllt mich genauso wenig aus hier auf den Fliesen zu liegen und wie in meiner Kindheit Briefe zu schreiben, weil ich nicht sehnsüchtig darauf warte mir die Finger am viel zu heißen Kuchen verbrennen zu können und nicht wie früher an nichts anderes denke als an diesen banalen Kuchen.
Früher hat mir genau das gereicht um glücklich zu sein. Vielleicht war ich noch nicht einmal glücklich. Aber es war alles so einfach und ich war mir sicher, dass es einfach bleiben könnte. Und irgendwie ist es das auch geblieben, aber eben nicht das Gleiche. Ich möchte wie früher morgens von alleine wach werden und ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, den ganzen Morgen damit verschwenden im Garten zu spielen, ohne zu wissen, dass es überhaupt möglich ist, seine Zeit zu verschwenden. Ich möchte wirklich kein Kind mehr sein, auch wenn die letzten Zeilen danach klingen. Aber ich hasse es, wie sehr immer alles was ich tue einen Sinn haben muss, dass alles nur ein weiterer Punkt auf meiner unendlichen To-do-Liste ist. Und wenn es ein Apfelkuchen ist, der gebacken werden muss um die letzten Eier im Kühlschrank zu verbrauchen, oder um die kurze Auszeit zu nehmen, die mir zwischen Wäsche waschen und einkaufen gehen zusteht.
Ich trauere nicht um die "gute alte Zeit" oder die "Unbeschwertheit" der Kinder, über die die Großmutter im Schaukelstuhl staunt. Ich suche den Grund dafür, warum es mich so unglücklich macht, endlich tun zu dürfen was ich möchte, haben zu können was ich will, und sinnvolles zu tun wenn ich es kann. Ich kann mir nicht erklären, warum ich mich nicht darüber freuen kann Zeit zu haben einen Kuchen zu backen, ganz für mich alleine, in meiner eigenen Wohnung, zu meiner Lieblingsmusik. Ich kann einfach nicht verstehen, warum ich nicht aufhören kann daran zu denken, dass es bloß eine Pause ist von dem was ich noch zu erledigen habe, dass ich besser ein weiteres Buch lesen könnte, anstatt Dinge zu Papier zu bringe,n die keiner lesen wird oder die mir nicht weiterhelfen, weil sie ganz genauso schon in meinem Kopf geschrieben standen. Ich kann mir nicht erklären was es heißt Kind oder was es heißt erwachsen zu sein. Ich weiß nicht was davon ich eher bin oder was davon ich eher sein möchte. Manchmal kann ich mir die Welt erklären, manchmal habe ich keine Ahnung was das Wort "Welt" überhaupt bedeuten soll. Aber ich weiß, dass ich es nicht länger ertrage, wenn ich mich nicht mehr in die frühere Zeit flüchten kann, obwohl mich die jetzige überfordert, und dass ich den Kuchen lieber mit meiner Oma und meiner Mutter zusammen gebacken hätte, weil ich sie beide vermisse.

 

Hallo ladylay,

für mich liest sich Dein Text nach der große Leere, die entsteht, wenn man Menschen verliert, die einen wichtigen Platz im eigenen Leben eingenommen haben, nach Erinnerungen, die sich bei Geruch oder Geschmack bestimmter Dinge einstellen, nach Ritualen die man aufrecht erhält, um ihnen näher zu sein.
Aber sie liest sich für mich auch sehr nach Tagebuch, als wenn Du ich in einem Moment hingesetzt hättest, um zu verarbeiten. Darin besteht für mich der Hauptkritikpunkt, es will auf mich mehr wirken wie Hilfe zur Selbsthilfe, denn eine Geschichte.

Das erste was man tun könnte, um sich von diesem Eindruck abzuwenden, ist ein Erzähler in der dritten Person. Jemand der sozusagen von außen auf das Geschehen schaut.

Es füllt mich genauso wenig aus hier auf den Fliesen zu liegen ...

Solche Sätze sind Feststellungen. Der Leser möchte aber gern miterleben, dabei sein. Deshalb solltest Du Worte für diese Leere finden, die die Person und ihr Verhalten darin beschreiben. Das sie beispielsweise versucht, Briefe zu schreiben, diese aber nicht zu Ende bringt, wegen der inneren Unruhe, wie ihr der Duft aus dem Ofen in die Nase kriecht und sie für einen kurzen Moment sehr glücklich macht, sie ablenkt und nicht weiterschreiben lässt.

Früher hat mir genau das gereicht um glücklich zu sein ... Aber es war alles so einfach und ich war mir sicher, dass es einfach bleiben könnte.

Zeig Deine Protagonistin doch an einem Tag in ihrer Kindheit. Als Rückblende.

Satzanfänge wie diese:

Ich trauere nicht ...
Ich kann mir nicht erklären ...
Ich suche den Grund dafür ...
Ich kann einfach nicht verstehen ...
Ich weiß nicht was davon ich eher bin ...
Aber ich weiß, dass ich es nicht länger ertrage ... weil ich sie beide vermisse.

da kann ich nur Anteil nehmen. Es ist wie vorgeschrieben, was ich zu denken und zu fühlen habe. Und eine gute Kurzgeschichte, leitet mich eben in ein Gefühl, ohne das ich es mitbekomme. Eine Situation, die Handlung, der Konflikt, die Figuren vermögen es mich zu berühren.

Du hast hier die Form der Kurzgeschichte nur ganz kurz angetippt mit der Idee, sie einen Kuchen backen zu lassen, mit den Ausführungen, was sie alles tut, um dieses Loch zu stopfen. Aber auch in diesen Momenten schwächelt sie, da Du es lediglich erwähnst, anstatt den Leser mitzunehmen und ihm zu ermöglichen, mit ihr durch den trostlosen Tag zu gehen, ihm all das zu zeigen.

Und gönne dem Text doch noch ein paar Kommata. Darüber wäre der Leser sicher sehr dankbar.

Ich hoffe ich bin Dir nicht zu Nahe getreten mit meinen Worten. Aber hier geht es ja darum Kurzgeschichten zu schreiben und dies sind eben so meine Gedanken, woran Du aus meiner Sicht an diesem Text arbeiten müsstest.

Lieben Gruß Fliege

 

Ja, ein paar Kommas würden den Text sicherlich nicht schaden, ansonsten konnte man es aber gut und flüssig lesen. Mir gefielen diese Gedanken, von wegen to-do-liste, und alles muss ein Sinn haben, und wieso eigentlich wenn man als Kind einfach nur spielen konnte?
Für mich klingt diese Person vor allem einsam. Sie liegt da alleine, und liest allein, und kocht für sich... Von einer anderen Person, die kommen könnte, ein Freund, oder eine Freundin, ist nicht einmal die Rede.
Eventuell könntest du mehr daraus machen, aber womöglich ist das nicht deine Absicht, und für dich ist der Text damit abgeschlossen, was ich auch verstehen könnte.

mfg,

JuJu

 

Hej,
vielen Dank erstmal für die Kommentare!
Mit Kommas hab ichs nicht so tut mir leid ;) werde mich aber nochmal dran setzen...

@ Fliege: dein Hauptkritikpunkt ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ich glaube eigentlich nicht, dass es DIE Form einer Kurzgeschichte gibt. Warum kann es nicht ein Tagebuchausschnitt sein? Ich habe den Text mit genau dem Vorhaben geschrieben, diese Selbstreflexion darzustellen.
Deine Ideen finde ich auch ganz schön (Rückblende/Erzähler), aber dann würde es ja eine ganz neue Geschichte werden....
Mir ist schon klar, dass viele Sätze "bloß" Feststellungen sind, aber in dieser Form, als Brief/Tagebuch in dem die Gedanken festgehalten werden, finde ich das schon passend -weil darum geht es ja eigentlich.
Ich mag meinen Text eigentlich nicht so gerne erklären, aber im Prinzip wollte ich eben in kurzer Form eine bestimmte Situation darstellen, bestimmte Gefühle hervorrufen, eine Stimmung schaffen. Ich dachte eigentlich, dass es gerade auch durch solche Feststellungen genauso möglich ist sich in die Situation hineinversetzen zu können....nicht als erzählte Geschichte, sondern mehr so als Stimmungsbild...

Vielleicht gibt es ja noch andere Meinungen dazu.
Lg, ladylay

 

Hallo ladylay,

Ich glaube eigentlich nicht, dass es DIE Form einer Kurzgeschichte gibt. Warum kann es nicht ein Tagebuchausschnitt sein? Ich habe den Text mit genau dem Vorhaben geschrieben, diese Selbstreflexion darzustellen.

Klar gibt es die Form des Tagebuchromans und sicher kann man auch eine Kurzgeschichte in dieser Form schreiben. Aber auch für diese Art der Darstellung gilt das ABC des Schreibens. Schaffe Figuren, eine Handlung, einen Konflikt!
Und da gehen unsere Vorstellungen von Kurzgeschichte sicher auseinander. Weil, Dein Text will auf mich nicht wie ein Stimmungsbild wirken, sondern wie die Zeilen von jemanden der in Selbstmitleid und Melancholie schwimmt - und das interessiert mich als Leser halt sehr wenig. Irgendwer ist traurig, weil er Personen verloren hat - tja, passiert überall und immerzu. Es bewegt mich nichts.
Deshalb auch meine vielen Vorschläge - die sicher daraus eine ganz andere Geschichte machen würden - aus meinem Verständnis eine viel bessere, weil sie mich erreichen würde. Du hast ja einige Ansätze drin, die (für mich) so leider im Nirwana der Beliebigkeit verschwinden.

Ich hoffe, ich konnte mich hier irgendwie verständlich machen.

Vielleicht gibt es ja noch andere Meinungen dazu.

Sehr wahrscheinlich sogar ;).

In diesem Sinne Fliege

 

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