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Apothekengeschichte
„Guten Tag“, der Mann schüttelt den Regen von seinem Regenschirm und zieht ihn zusammen. Die Pfütze mit einem Lächeln bedenkend geht er zum Tresen der kleinen Apotheke. Zwei junge Frauen mustern ihn aufmerksam. „Entschuldigen sie bitte, aber ich brauche ein Gesicht.“. Die Frau an die er sich wendet knickt kurz höflich ein und schaut zu ihm auf. „Natürlich. Ein Bestimmtes?“. Sie legt den Kopf schief. Er erinnert sich an Hühner, wenn sie in die Sonne schauen.
„Tja.“, überlegt er und kratzt sich am Kinn. Die andere junge Frau verschwindet wieder in den Raum mit den 1000 Aufziehschränken und zieht Schubladen auf und schließt sie wieder. „Gerade bei dem Wetter hab ich Probleme mit meinem Gesicht. Es…“, wieder überlegt er. „… kühlt irgendwie aus, wenn sie verstehen, was ich meine.“
„Mhm.“, bestätigt sie anteilnehmend. „Möchten sie denn ein männliches oder ein weibliches Gesicht?“. Er lacht kurz auf. „ Ein männliches natürlich und unauffällig sollte es sein.“. Das Eis ist gebrochen, der Kunde hat gelacht.
„Ich kann ihnen ja mal einige Gesichter zeigen. Die empfundene Kälte liegt bei ihrem jetzigen Gesicht wohl an der mangelnden Durchblutung. Darf ich mal?“ Sie beugt sich etwas vor, um sein Gesicht abzutasten. Er beugt sich auch vor und lässt sich sein Gesicht abtasten. „Ja, gerade hier immer so.“ , verzieht er sein Gesicht, als sie eine Stelle ertastet hat, die nach seiner Ansicht immer als erstes auskühlt. „Verstehe.“, bestätigt sie fachkundig, „Und hier wahrscheinlich auch, oder?“, ertastet sie weitere Schwachstellen. „Ja, genau.“, gibt er sich überrascht beeindruckt.
Sie lässt sein Gesicht los und geht zu einer verschlossenen blau beleuchteten Glasvitrine. Mit einer Plastikkarte entsichert sie das elektronische Schloss und die runde Milchglasscheibe surrt auf. „Möchten sie wieder einen ähnlichen Teint für ihr Gesicht haben?“, fragt sie, ihm den Rücken zuwendend. Er mustert verlegen seine Schirmspitze, weil er sich dafür schämt, dass er sich umdrehenden Frauen immer auf den Arsch starrt.
„Was meinen sie?“, fragt er nach. „Den gleichen Teint. Möchten sie für ihr Gesicht wieder den gleichen Teint haben?“, wiederholt sie ihre Frage und dreht sich noch mal kundenfreundlich zu ihm hin, während sie mit den Händen weiter nach dem richtigen Gesicht tastet. „Öhm, etwas heller bitte. Und vielleicht weniger Bartwuchs.“, fällt es ihm ein, als er sich wieder am Kinn kratzt.
Sie bringt ihm sein neues Gesicht, er bezahlt, setzt es auf und geht in den Regen hinaus.