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Copywrite Auf einem Eisberg

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22.10.2011
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Auf einem Eisberg

Manche Nächte sirren in einem Ton, der sich tief in den Verstand gräbt. Ich schalte die Nachttischlampe an. Carla zuckt. Schweiß überzieht ihr Gesicht. Schön ist es – und fremd - wie eine von Firnis überzogene Maske. An der Schläfe pocht eine Ader. Ich will ihr über die Stirn streichen, sie beruhigen, doch kurz bevor ich die Falte zwischen ihren Augen berühre, ziehe ich die Hand zurück.
Leise stehle ich mich hinaus und fürchte, dass Carla im Schlaf spricht. Und mehr noch fürchte ich zu verstehen, was sie sagt.

Im Bad hängt mein Faschingskostüm. Eigentlich wollte ich im Bademantel zum Ball, ein Handtuch über der Schulter, aber Carla meinte, das kapiere niemand. Na gut, dann eben das alte, karierte Flanellnachthemd. Hauptsache, ich muss kein Pilot sein oder Pirat oder irgendein anderes Dicke-Eier-Gepose. Jetzt ist das Hemd mit Rotweinflecken übersät.
Ich dusche, mache Kaffee, decke den Tisch und schalte die Musikanlage ein. Alles wie immer am Wochenende. Muss ja weitergehen. Ich schneide Obst, verquirle Eier, hacke Lauchzwiebeln. Im Player läuft Every man is evil yes and every man's a liar. Ich drehe lauter. Ist das Sixteen Horsepower? Oder schon Woven Hand? Egal. Auf jeden Fall gute Musik. Nur der Text ist dümmlich. Obwohl, denke ich, manchmal passt er. Auf Frank zum Beispiel. Oder auf mich. Ich biege das Grün der Zwiebeln zu einem Bogen und schneide weiter. Aber wen belüge ich? Ein scharfer Schmerz reißt mich aus den Gedanken. Nur ein kleiner Schnitt. Ich werfe das Messer auf die Küchenplatte.
Als ich Geräusche aus dem Bad höre, stecke ich eine Kerze an. Ja, es soll weitergehen. So ein Leben gibt man doch nicht einfach auf. Und schon gar nicht wegen eines kleinen Faschingsflirts.
Carla zieht den Morgenmantel eng um sich, als sie hereinkommt. „Grad richtig“, sage ich. Meine Stimme klingt kratzig. Ich räuspere mich und setze erneut an. „Bissel weiß bist du halt nach der Tanzerei. Aber sonst. Geht doch.“ Endlich trägt die Stimme, auch wenn sie aufgesetzt klingt. Carla flüstert etwas und lässt sich auf einen Stuhl fallen, dann fasst sie sich an ihren Bauch.
Hastig greife ich nach einem Brötchen und beiße hinein. „Bin hungrig“, sage ich. Carla erhebt sich abrupt und schenkt sich Kaffee ein. Mit so heftigen Bewegungen, dass die Kanne scheppert. Sie setzt sich zurück an den Tisch, starrt vor sich hin, umschließt die Tasse mit beiden Händen, formt eine Halbkugel, ganz fest, ganz eng, als wäre die Tasse die einzige Wärmequelle in der Kälte. Dann führt sie die Handtassenkugel zum Mund und schlürft.
Ein neues Lied hat angefangen. Way down we go. Dieser Isländer, den sie jetzt überall spielen. Ich stelle mir vor, ich wäre mit Carla auf einem riesigen Eisberg. Dort gäbe es wenigstens keine Kinderwagen. Nur uns beide.
Die Lampe an der Decke summt. Ich schalte sie aus. Carla sitzt ganz still da, die Schultern hochgezogen, die Tasse immer noch am Mund. Ich mag keine Kinder, Carla. Ich habe dir das nie gesagt. Aber ich habe mich für dich gefreut, als du schwanger warst. Für uns.
„Hast du toll gemacht gestern Abend“, sage ich. „Einfach mal ausgehen nach der schweren Zeit. Die Hürde nehmen. Und Zack.“ Ich bemerke erst jetzt, dass das Messer wieder in meiner Hand liegt und ich zum Takt meiner Worte auf das Schneidbrett hacke. Es rutscht mir aus der Hand und fällt hinunter.
Carla schaut herüber, rollt mit den Augen und schlürft erneut von ihrem Kaffee.
„Doch, ich finde schon, das war …“ Wieder ist etwas falsch mit meiner Stimme, zu schnell, zu langsam, zu nervös, zu sicher, als hätte ich vergessen, wie man gut und richtig spricht. Ich massiere mir den Hals. „Gut. Ja. Gut war das. Man muss nur wollen.“ Dann trete ich ans Fenster und schaue hinaus. Ich presse den Vorhangstoff zwischen meinen Händen, verzwirbele ihn zu Wülsten. Als ich loslasse, bleiben Falten zurück.


Ich habe sie gesehen gestern Abend auf dem verdammten Maskenball. Sie und Frank an der Bar. Ich dachte erst, was für ein schönes, verliebtes Paar, der Pirat und die Frau mit dem Tüllhütchen. Erst, als sie sich küssten, erkannte ich die vertraute Neigung ihres Kopfes. Wie ein Schlag war das. Direkt ins Herz. Meine Frau und mein Freund. Ich starrte sie an. Die Küsse. Die Hände. Die Blicke. So ein inniges Verschmelzen. Ich wandte mich ab. Und gleichzeitig ertappte ich mich dabei, wie ich doch immer wieder zu den beiden hinstarrte. Dann drehte ich mich weg, endgültig, und hastete davon, mein dämliches Kostüm hochgerafft über die Waden, um nicht zu stolpern. Ein Trottel im Flanellnachthemd.
Die Nonne, mit der ich vorher getanzt hatte, hielt mich auf. „Deine Frau?“, sagte sie. Ich schwieg. Irgendwo dahinten im Raum war unser Tisch. Vielleicht saß Babs jetzt dort im Nixenkostüm und wartete auf ihren Frank. Ich hoffte nur, sie ginge ihn nicht suchen.
Die Nonne drückte meine Hand. „Die traut sich ja was, deine Olle. Machs ihr doch nach.“ Mit Schwung zog sie mich auf die Tanzfläche und presste sich an mich. Ihre Brüste, der Bauch - wie Kissen. Sie schob ein Bein hoch bis in meinen Schritt, warf den Kopf zurück und lachte. Ich griff in ihren Nacken und küsste sie, saugte an ihren Lippen, biss hinein in das zarte Fleisch. Sie schrie auf und schlug mir spielerisch an den Kopf. Am Rand der Tanzfläche stand ein süßes Straßenmädchen mit grellem Make-up und sah uns zu. Als sie meinen Blick auffing, lächelte sie. Ich zog sie hinein in unsere Umarmung, legte meine Arme um die Schultern beider Frauen und wirbelte sie im Kreis, küsste mal links, mal rechts, mal blond, mal braun, mal sündig, mal gottgeweiht. Ich genoss die Lippen, die Körper, die Schenkel, die Brüste, den wilden Taumel, bis mir schwindlig wurde. Heftig stieß ich die Frauen von mir, fast brutal. „Sack“, hörte ich noch. Und Gekicher. Dann taumelte ich davon.
Draußen fiel Schnee. Ich blieb stehen und zwischen Ballbesuchern, Taxis und Rauchern breitete ich die Arme aus und öffnete den Mund. Ich war ein Baum, ich war Äste, ich trank Frost.
Ein Zombie rempelte mich an. „Hier Alter. Besser als Schnee saufen.“ Er drückte mir eine Flasche Wodka in die Hand und einen Schirm, dann rülpste er und stieg in ein Taxi. Ich kehrte zurück in den Saal.

Nur drei Straßen weiter war es, im Sabrosa. Carla lästerte normalerweise über meinen Hang zu gutem Essen und Feinschmeckerlokalen. Wölbt den Bauch und leert den Beutel, sagte sie immer. Aber heute hatte sie mich unbedingt hier treffen wollen. Sie saß schon am Tisch, als ich reinkam, und winkte mir zu. Vor ihr stand eine Flasche. „Champagner“, sagte sie und schenkte mir ein Glas ein. Sie selbst trank Mineralwasser. Ich hob mein Glas. „Wie kommts?“ Carla trank einen Schluck, ein Tropfen perlte über ihre Unterlippe. Sie kicherte, dann kramte sie in ihrer Handtasche. „Voila“, sagte sie und hielt einen weißen Umschlag in der Hand. Sie wedelte ihn vor meinem Gesicht hin und her, dann hob sie ihn hoch über den Kopf wie einen Siegerpokal. „Trommelwirbel“, rief sie und betonte jeden einzelnen Konsonanten, dazu klopfte sie mit den Fingerknöcheln der anderen Hand auf den Tisch. Mit einer dramatischen Geste riss sie den Umschlag auf und zog ein Ultraschallbild heraus.
„Siehst du“, sagte sie und wies mit dem Finger auf eine Stelle. „Unser Baby.“ Ihre Stimme klang hoch und silbrig. Ich sah nur einen Punkt.
Und dann redete Carla. Über Augenfarbe und Namen und Strampelhöschen und Elternzeit und wohin wir ziehen würden. Ihre Augen strahlten, als ob helle Lampen in ihrem Inneren leuchteten.
„Ich freue mich“, sagte ich.
„Jetzt freu dich doch mal richtig.“
„Aber das tu ich doch.“
Sie hob ihr Glas. „Jetzt sind wir endlich ganz.“
„Aber wir sind doch schon ganz.“
„Ach du immer“, sagte sie, „du weißt genau, was ich meine.“
Ja - das wusste ich - und dachte an Empfängnisvögeln und an die Enttäuschungen, wenn es nicht geklappt hatte, und an Tränen und Gespräche, die sich um Kinder drehten und, wenn sie beendet waren, von neuem begannen, und ich dachte daran, dass ich mir gar nicht sicher war, ob ich jetzt schon ein Kind wollte. Oder überhaupt. Aber Carlas Augen strahlten.
„Jetzt haben wir endlich eine Zukunft.“
Ich legte meine Hand auf ihre. „Alles, was du willst“, sagte ich.

Es ging ganz schnell. Als ich nach der Notoperation zu ihr durfte, lag sie noch in einem Überwachungszimmer. Schwestern huschten durch den Raum, die Türen standen offen, so dass jeder von draußen reinschauen konnte. Neben Carlas Bett lag eine Frau im OP-Hemd, die leise schnarchte. Carla hatte den Kopf zur Wand gedreht. Ihre Augen waren geschlossen. Ich ergriff ihre Hand. Sie war kalt und leblos. Ich streichelte ihre Finger. Jeden einzelnen. Als sie mich endlich anschaute, war ihr Blick leer. „Alles weg“, sagte sie.
„Ja“, antwortete ich und wusste nicht weiter.

Irgendwann kam der Herbst. Und ein Frühjahr und wieder ein Herbst.
„Wollen wir nicht mal wieder zum Markt gehen?“
„Ich habe zu tun.“
„Komm Carla, du musst doch mal vor die Tür. So kann das doch nicht weitergehen. Frische Luft, ein Glas Wein. Blauer Himmel und bunte Blätter. Das hast du doch früher so geliebt.“ Carla saß vor ihrem Laptop, irgendwelche Kalkulationen. Sie klappte den Rechner zu, als sie meinen Blick sah. Ich setzte mich neben sie und legte vorsichtig die Hand auf ihre Schulter. Carla drehte sich zur Seite, so dass meine Hand abrutschte.
„Ach Carla, Schatz.“
Sie schüttelte den Kopf. „Jetzt frag doch nicht immer.“
„Aber was ist denn nur?“
„Was mit mir ist, fragst du?“ Es klang höhnisch.
„Jetzt sei doch nicht so.“
„Ich soll nicht so sein? Wie soll ich denn sein? Wie soll man sein, wenn einem ein Kind aus dem Leib geschnitten wird?“
Hilflosigkeit überkam mich. Wie eine schwere Welle. Was sollte man darauf antworten? Dass ich das auch nicht wusste? Dass es keine richtige Antwort gab?
„Komm Carla, lass uns trotzdem los. Wir können über den Dammweg zum Markt.“
„Den Dammweg? Warum den Dammweg?“ Carla lachte.
„Du sagst doch immer, du kannst keine Frauen mit Kinderwagen sehen. Der Dammweg ist eng.“
Carla schaute mich an, Ungläubigkeit lag in ihrem Blick. Und noch etwas anderes.
„Das sagst du doch immer.“
Und dann wusste ich, was in dem Blick lag, es war Verachtung. Carla stand auf und ging hinaus. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Ich war müde.


Wann haben die Nächte begonnen zu sirren? War es, als Carla im Krankenhaus lag oder erst danach? Oder schon vorher? Ich reibe mir über die Augen. So müde. Wir leben. Jeder für sich. Zwei Hälften, die kein Ganzes sind.
Das Leuchten in Carlas Augen ist erloschen. Nur gestern Nacht, als sie bei Frank saß, da ist es wieder aufgeflammt.
Herzensprojekt hatte sie ihr Baby genannt.
Nein, Carla, ich mag keine Kinder. Und noch weniger Kinder, die sterben. Und am wenigsten mag ich Herzensprojekte.
Noch einmal reibe ich mir über die Augen. Das Grau draußen verschwimmt zu Linien und Mustern. Im Player laufen mittlerweile die Stones. Our love was like the water, that splashes on a stone.
Ich drehe mich um und schaue Carla an. Da sitzt sie. Den Oberkörper aufgerichtet. Die Sommersprossen heben sich von ihrem blassen Gesicht ab. Erwartungsvoll schaut sie mich an. Als hinge alles von diesem einen Moment ab. Alles. Sie ist so wunderschön. Selbst jetzt.
„Achim“, sagt sie. „Welche Augenfarbe habe ich?“
Ich zögere. “Graublau“, sage ich leise.
„Aha.“ Carla wendet sich ab und schaut hinaus. Ihre Hände liegen immer noch um die Tasse, bilden eine warme Kugel. Oder einen runden, kleinen Bauch.
Und dann weiß ich es. Was wird aus einem Mann, dessen Frau nur glücklich sein kann, wenn sie ein Kind hat? Die den Verlust zelebriert wie einen Gottesdienst und will, dass der Mann der Messdiener ist? Er macht sich zum Affen. Zu einem riesigen, unbeholfenen Affen.
Ich stehe auf und schalte den Player aus. Draußen beginnt es wieder zu schneien. Schwere Flocken, die den Pfad zur Straße zudecken. „Kennst du denn meine Augenfarbe?“, frage ich.

 

Da sieht mans wieder. Hätteste man besser eine Vier gekriegt, dann könntest du heute Grammatik. :D

 

Liebe maria.meerhaba
das gibts doch nicht, wenn ich nicht zufällig nochmal eine Antwort an peregrina geschreiben hätte, niemals hätte ich gesehen, dass du was zu der Geschichte geschrieben hast. Bitte entschuldige, dass ich erst jetzt antworte.

Da ist eine gewisse Hektik im Text, der mich schwer durchatmen lässt. Ich musste schnell lesen, die vielen kurzen Sätze erlauben etwas anderes nicht und irgendwie … also die Unsicherheit des Typen, das hast du gut beschrieben.
Das war mir ehrlich gesagt weder aufgefallen noch hatte ich das bewusst so gemacht. Aber jetzt, wo du das sagst, fällt es mir auch auf. Und ja, ich finde auch, das passt zu Stimmung und der Situation des Mannes.

Ich habe sie gesehen gestern Abend auf dem verdammten Maskenball.
Sollten da nicht Beistriche sein, so kleine Pausen? Fände ich schöner, like that: Ich habe sie gesehen, gestern Abend, auf dem verdammten Maskenball. Ich finde es halt nur schöner.
Ja, du hast recht. Gerade im Zusammenhang mit dem, was du vorher gesagt hast. Also grammatikalisch müssen die nicht hin. Aber man kann den Satz trotzdem so strukturieren. Dann wirkt er atemloser. Und betonter. Dankeschön.

es fällt mir schwer, aber ich glaube, das liegt wirklich nur an dem Jetlag. Keine Ahnung. Der Text hat etwas melancholisches und ich mag es. Der Klang ist toll, die Atmosphäre da, die Figuren leben, der Verlust echt herb, der Text funktioniert, ist gut, gefällt mir. Ich kann nur nichts mehr dazu sagen, also nichts Konstruktives und ich glaube wirklich, das liegt nur am Jetlag. Auf alle Fälle: Du hast hier etwas tolles abgeliefert und ich habe es zu lesen genossen.
Das will ich einfach mal so stehen lassen. So direkt und zum Reinziehen. Weil man manchmal Lob braucht und weil ich das jetzt einfach mal schamlos genieße. Dank dir und deinem Jetlag.
:kuss:

Liebe Grüße an dich und ich hoffe, der Jetlag setzt dir nicht mehr zu.
Novak

 

Liebe Novak,

er ist mir beim Lesen nahe gekommen, dein Protagonist. Er vermeidet die eine echte Konfrontation mit seiner Frau, überhäuft sie stattdessen mit einer Fürsorglichkeit, die an Bevormundung grenzt und verliert dabei ihre Achtung und seine Selbstachtung. Die herrlich absurden Szenen auf dem Maskenball treiben das Ganze auf die Spitze, entlarven das Spiel und die Geschichte setzt ein an dem Punkt, wo er trotzdem immer noch krampfhaft versucht, zu überspielen, was schon lange kaputt ist. Wunderbar finde ich, dass ich mit ihm mitfühle und gleichzeitig sie verstehe, warum sie so genervt von ihm ist. Das hast du absolut virtuos gemacht.

„Hast du toll gemacht gestern Abend“, sage ich. „Einfach mal ausgehen nach der schweren Zeit. Die Hürde nehmen. Und Zack.“ Ich bemerke erst jetzt, dass das Messer wieder in meiner Hand liegt und ich zum Takt meiner Worte auf das Schneidbrett hacke. Es rutscht mir aus der Hand und fällt hinunter.
Carla schaut herüber, rollt mit den Augen und schlürft erneut von ihrem Kaffee.

Es tut weh, wie er sich verleugnet. Eine furchtbare Situation. Eigentlich habe ich das Gefühl, dass er sie noch liebt und mit den falschen Mitteln um sie kämpft, während sie nur noch aus Mitleid bei ihm bleibt, weil man jemanden, der sich so anstrengt, nicht einfach verlässt. Dazu passt das Kinderthema. Sie würde ihm reichen, er ihr nicht. Super mit dem Gehacke auf dem Schneidbrett. Wieviel unterschwellige Wut da ist, bei ihm äussert sie sich so, bei ihr bricht sie aus allen Poren.

Ich mag keine Kinder, Carla. Ich habe dir das nie gesagt. Aber ich habe mich für dich gefreut, als du schwanger warst. Für uns.

„Jetzt haben wir endlich eine Zukunft.“
Ich legte meine Hand auf ihre. „Alles, was du willst“, sagte ich.

Er verleugnet sich schon lange. Er ist gar nicht greifbar für sie. Dazu passt er als Nachtgespenst im langen Hemd. Später gibt es so einen Kampf um die moralische Oberhoheit, wer mehr Recht hat sich leid zu tun.

Carla drehte sich zur Seite, so dass meine Hand abrutschte.

Wunderbar diese kleinen Gesten, die so viel erzählen. Auch hier:

„Aha.“ Carla wendet sich ab und schaut hinaus. Ihre Hände liegen immer noch um die Tasse, bilden eine warme Kugel. Oder einen runden, kleinen Bauch.

Schön, dieses Spiel mit der Tasse, auch schon vorher.

„Aha.“ Carla wendet sich ab und schaut hinaus. Ihre Hände liegen immer noch um die Tasse, bilden eine warme Kugel. Oder einen runden, kleinen Bauch.
Und dann weiß ich es. Was wird aus einem Mann, dessen Frau nur glücklich sein kann, wenn sie ein Kind hat? Die den Verlust zelebriert wie einen Gottesdienst und will, dass der Mann der Messdiener ist? Er macht sich zum Affen. Zu einem riesigen, unbeholfenen Affen.
Ich stehe auf und schalte den Player aus. Draußen beginnt es wieder zu schneien. Schwere Flocken, die den Pfad zur Straße zudecken. „Kennst du denn meine Augenfarbe?“, frage ich.

Möglicherweise würde es auch ohne das Fettgedruckte funktionieren. Es ist für mich ein Happyend, jedenfalls ermannt er sich, was Hoffnung gibt. Und während er vorher ganz viel denkt, leidet und immer nur reagiert, kommt er hier ins Handeln. (Toll, dass er den Player ausschaltet) Wenn das Fettgedruckte wegfällt wird das vielleicht noch deutlicher. Aber ich bin nicht sicher. Es würde rausfallen, weil du uns ja ansonsten sehr an seinen Gedanken teilhaben lässt.

Das ist auch ein Text, bei dem das Kinderthema oder besser Kinderlosigkeitsthema für Spannungen sorgt. Während es bei meiner Geschichte so grummelnd im Untergrund schmort, steht es hier ganz groß im Raum und verdeckt alle anderen Probleme dieser Beziehung. Würdest du das auch so sehen?

Ich finde dir ist ein sehr lebensechter Text gelungen, Novak.

Einen schönen Wochenstart wünscht Chutney

 

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