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Aus dem Fenster

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03.06.2008
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Aus dem Fenster

Als er von tosendem Lärm geweckt wurde, fand er sich in einem kleinen Raum wieder. Trotzdem er wegen des plötzlichen Geräuschs aus tiefem Schlaf gerissen wurde, war er sofort bei vollem Bewusstsein. Mit klarem Blick suchte er die Decke ab, wusste jedoch nicht was er dort zu finden glaubte. Das Grau des nackten Betons überwog bei Weitem die wenigen Stellen, an denen der Putz noch nicht abgeblättert war und man konnte erkennen, dass die Wand ursprünglich weiß gewesen war. ,Wie Schade, dass der Raum so verkommen ist.’ ,dachte er sich, als er weiter die Decke entlang sah. Er wusste zwar, dass das Zimmer schon immer renovierungswürdig war, so stark wie heute war es ihm jedoch noch nie aufgefallen. Er richtete sich in seinem Bett auf und inspizierte das restliche Zimmer. Auch die übrigen Wände waren in einem desolaten Zustand und er überlegte, ob er vielleicht deshalb in den nächsten Tagen mit dem Vermieter sprechen solle.

Der fleckige Grauton der Wände wurde zusätzlich dadurch verstärkt, dass vor dem einzigen Fenster des Raumes alte, vergilbte Vorhänge hingen, deren Farbton dem des freigelegten Betons nahe kam. Wegen der Undurchdringbarkeit der Vorhänge konnte er weder mit Sicherheit sagen, welches Wetter draußen herrschte, noch wie spät es war. Er besaß keine Uhr, sondern folgte immer seinem Gespür, das ihn heute im Stich ließ. Grade als er im Begriff war aufzustehen, um die Vorhänge bei Seite zu ziehen, erweckte der neben dem Fenster aufgestellte Schreibtisch seine Aufmerksamkeit. Ein konzentrierter Blick wanderte über unzählige Schriften und Unterlagen, die nicht nur über dem Tisch, sondern auch weit darüber hinaus verteilt lagen. Er war fassungslos. ,Habe ich nicht erst gestern alle meine Unterlagen geordnet? Soll die stundenlange Arbeit umsonst gewesen sein? Schuf ich womöglich mehr Unordnung als Ordnung?’ Resignierend saß er mit gekrümmten Rücken in seinem Bett, als er seinen ursprünglichen Gedanken wieder fasste und beschloss aufzustehen, um die Vorhänge aufzuschieben.
Er stakste in seinem Schlafrock zum Fenster, dabei immer darauf bedacht, nicht auf die herumliegenden Blätter zu treten, um die Unordnung nicht weiter zu steigern. Seine Füße sogen unfreiwillig die Kälte des Bodens auf. Er lüftete die Vorhänge, darauf hoffend, einige Lichtstrahlen erblicken zu können. Wider aller Erwartungen versperrte ihm der Regen an der Scheibe die freie Sicht. Die Tropfen liefen herab, wie ein nie enden wollender Strom, der in einem weit entfernten Gletscher seinen Ursprung hatte.

Er wollte sehen, was draußen geschah. Er eröffnete die Fensterflügel und überblickte von seiner im 2. Stock gelegenen Wohnung einen Teil der wolkenverhangenen Stadt. Für einen Moment glaubte er, ein Sonnenstrahl würde durch die dicke Wolkenschicht brechen, doch im nächsten Augenblick vernahm er das zornige Grollen eines nahenden Gewitters. Auf der ihm gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte er auf einem Plakat die Ankündigung eines Zirkusses. Dies musste das Getöse gewesen sein, dass ihn aufgeweckt hatte. ,So gerne wollte ich den Zirkus vorbeiziehen sehen!’, dachte er voller Bedauern. ,Nun habe ich ihn schon wieder verpasst.’
Er erinnerte sich daran, dass der neben dem Plakat stehende Kirschbaum in den Frühjahrsmonaten eine herrliche Blütenpracht geboten hatte, die er von seinem Fenster aus wochenlang bewundern konnte. Nun hingen nur noch vereinzelt eingerollte, braunzertrocknete Blätter an den ansonsten kahlen Zweigen. Ein Windstoß glitt über sein Gesicht und bahnte sich seinen Weg zum Kirschbaum hin, wo eines der welken Blätter hinab in den Rinnstein des Gehwegs glitt. Wie ein kleines Boot steuerte es auf den Fluten und wurde stetig weiter getragen. Er verlor es erst aus dem Blick, als das Blatt zwischen den drohenden Gitterstäben in die Dunkelheit eines unterirdischen Abflussschachtes verschwand.

Er sehnte sich nach der Frische des Gewitters. Er lehnte sich weit aus dem Fenster, um nicht die stickige Luft seines Zimmers einzuatmen und tat einige tiefe Atemzüge. Der Regen prasselte auf seinen Kopf, während er wieder den Wind spürte. Sein Blick sank nach unten auf den Fußweg. Noch einmal holte er tief Luft. Er ließ seinen Blick über das Pflaster schweifen, dann fixierte er die einzelnen Steine. Für einen kurzen Augenblick konnte er die Ameisen auf dem Unkraut zwischen den Steinen sehen.
Er atmete aus.

 

Hi Johannisbär,

willkommen auf KG.de.
Witzig, dachte ich, nachdem ich deine Geschichte gelesen hatte. Nicht, weil die Geschichte etwa unbeabsichtigt witzig ist, sondern weil ich kurz zuvor apfelstrudels Geschichte Nachtstadtmenschen
gelesen hatte. Hier wie da fehlt eindeutig Handlung. Beide Geschichten transportieren Stimmungen. Hat mir dies in Apfelstrudels Geschichte noch gut gefallen, will hier der Funke einfach nicht überspringen. Ich kann dir noch nicht einmal genau sagen, warum es hier nicht funktioniert. Mir ist das Beschreiben dieses Zimmers einfach zu ... ja, was eigentlich? Zu öde vielleicht? Da fehlt eindeutig "Action". Das Aufstehen, zum Fenster gehen und Hinausschauen ist mir einfach zu wenig.

Ansonsten sind mir noch einige Tempusfehler aufgefallen (oder wäre "Temipfehler" die korrekte Bezeichnung? Weiß ich jetzt nicht), diesbezüglich könntest du den Text noch einmal überarbeiten. Beispiel

Das Grau des nackten Betons überwog bei Weitem die wenigen Stellen, an denen der Putz noch nicht abgeblättert war und man konnte erkennen, dass die Wand ursprünglich weiß war.
...dass die Wand ursprünglich weiß gewesen war.

Kein Tempusfehler, aber auch zu überarbeiten:

Er schweifte mit seinem Blick über das Pflaster, dann fixierte er die einzelnen Steine.
Er ließ seinen Blick über das Pflaster schweifen...
wobei ich den Blick lieber wandern lassen würde, aber das ist Geschmackssache.

Gruß
George

 

Hallo George,
erst einmal vielen Dank für die Anmerkungen, hab die zwei Sachen gleich geändert. Letzteres ist, wie du schon selbst meintest, einfach Geschmackssache.
Was diese Sterilität angeht, die du in meiner Geschichte bemängelts, so ist diese durchaus beabsichtigt. Ich habe die Geschichte auch weniger unter Aspekten der Unterhaltung verfasst, sondern eher nach dem Vorbild der "echten", alten Kurzgeschichten, die sich in der Handlung sehr beschränken.
Würde dich gerne dazu einladen die Geschichte nochmals zu lesen und die eigentliche Geschichte zwischen den Zeilen zu lesen. Ich selbst fand sowas immer sehr spannend, wie z.B. bei dem Klassiker "Das Brot".
Viele Grüße, Johannisbär

 

Hallo Johannisbär,
ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind:

Trotzdem er wegen des plötzlichen Geräuschs aus tiefem Schlaf gerissen wurde, war er sofort bei vollem Bewusstsein.
Zu kompliziert: Trotzdem er wegen wirkt "irgendwie" falsch. Stärker wäre einfach nur: Er war sofort bei vollem Bewusstsein. ...
um die Vorhänge bei Seite zu ziehen
zur Seite zu ziehen
um die Vorhänge aufzuschieben.
gehe davon aus, dass díe Vorhänge aus einem leichten Material sind
Vorhänge öffnen?
Er lüftete die Vorhänge
lüften verstehe ich als Luft hineinlassen/bzw. etwas in die frischen Luft hängen..
lupfen/anheben?
Mir kommt die Geschichte ebenfalls sehr "steril" vor. Das mag vor allem an den vielen "Funktionswörtern" liegen. Bsp: Der oben zitierte Satz "Trotzdem er wegen" später im Text: "jedoch" usw. Die saugen richtig das Leben aus den Sätzen.
Das andere ist, dass mir zu wenig passiert. Nicht "actionmäßig" sondern ich erfahre nichts über den Prot. außer das er aufwacht, das Zimmer unordentlich ist und er dann irgendwann es schafft den Vorhang zu öffnen.
Lieber Gruß,
Bambule

 

Hallo Bär,

Als er von tosendem Lärm geweckt wurde, fand er sich in einem kleinen Raum wieder. Trotzdem er wegen des plötzlichen Geräuschs aus tiefem Schlaf gerissen wurde, war er sofort bei vollem Bewusstsein.

„geweckt wurde“ und „gerissen wurde“ fand ich wegen der gewählten Passivform unschön, zumal als Einstieg in die Geschichte. Zuerst wollte ich die Passivform kritisieren, aber nachdem ich die Geschichte (aufgrund deines Hinweises, zwischen den Zeilen zu lesen) zum zweiten Mal gelesen habe, lasse ich es. Du willst damit die aufgezwungene passive Haltung deines Protagonisten zeigen, insofern passt das schon irgendwie – aber auch nur irgendwie. Ich muss mich Bambules Kritik anschließen: es wirkt kompliziert, auch wegen der inhaltlichen Wiederholung, und auch wenn ich jetzt nicht genau sagen kann, wie man es besser machen könnte ... , es wirkt einfach unelegant gelöst.

doch im nächsten Augenblick vernahm er das zornige Grollen eines nahenden Gewitters. Auf der ihm gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte er auf einem Plakat die Ankündigung eines Zirkusses. Dies musste das Getöse gewesen sein, dass ihn aufgeweckt hatte.

Das liest sich merkwürdig. Du schiebst einen Satz ein, der mir die Information über das Zirkusplakat gibt. Der Satz wirkt auf mich deplaziert, da man sich fragen könnte, warum denn das Plakat das Getöse verursacht haben könnte. Hier beziehe ich den Satz einfach auf den vorangegangenen.

Inhaltlich: Wenn da etwas zwischen den Zeilen steht, ist es mir entgangen. Die Geschichte transportiert eine Stimmung, aber mehr auch nicht. Worauf du hinaus willst, vermag ich nicht zu erkennen, auch beim zweiten oder dritten Lesen nicht. Die Handlung ist – in beabsichtigter Weise, wie du schreibst - sehr beschränkt, die Charakterisierung deines Protagonisten ist es leider auch. Insofern konnte ich deiner Geschichte nicht viel abgewinnen.

Gruß, Stefan

 

Hallo johannisbär,

leider erging es mir mit deinem Text recht ähnlich wie george.
Habe beim Lesen immer auf den clou gehofft, bis zuletzt. Der kam aber nicht. Dachte, vielleicht ist das Zimmer letztlich eine Gefängniszelle, weil du auch das Aufziehen der Vorhänge soweit hinaus zögerst. Aber dann bleibt alles bei einer Art Stimmungsbild, das ohne Handlung genügen will.
Es gibt "Bilder" dieser Art, die das auch tatsächlich schaffen. Hier finde ich das allerdings nicht so richtig gelungen.
Der Prot scheint ein graues, recht trübes Dasein zu fristen. Er freut sich auf den Zirkus, der wohl für Leben/ Veränderung spricht. Er verpasst ihn, es bleibt also alles grau.
Die Aussage finde ich an sich ganz gut, zumindest könnte daraus was werden, aber insgesamt bleibt mir das zu dünn transportiert. In meinen Augen hätte es mehr Reflektion seitens des Prots gebraucht, um das ganze näher an den Leser zu bringen. Dadurch wäre der prot generell näher beim Leser gewesen. Dergestalt ist dein Text nichts Halbes und nichts Ganzes. Er schwebt irgendwo im leeren Raum. Der sollte aber gefüllt sein ;)


grüßlichst
weltenläufer

 

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