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Ausgang

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20.10.2006
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Ausgang

Tränen rennen über mein Gesicht, stürzen sich zu Boden. Sterben.
Ein leichter Windhauch tätschelt meinen haarlosen Kopf. Ich blicke mich um.
Die Wohnung ist verdreckt. Neben dem sperrangelweit geöffneten Fenster stapeln sich unzählige Papierklümpchen.

Ich hatte zu oft versucht, meine Gedanken festzuhalten. Entschuldigungen, Analysen, Vorhersagen, Blickpunkte, Philosophie, Kunst. Die Ablenkung durch’s Zeichnen versprach erst recht keinen Erfolg. Schwarze Seiten. Von oben bis unten. Das Nichts dargestellt.
Ich hatte einen Dreck darin wiedererkannt. Aber so stellte ich mir vor, wie „es“ wohl sein würde.
Als die leeren Bierflaschen auf dem Plastiktisch auf und ab hüpften, bemerkte ich die Trommeln. Meine Finger waren Werkzeuge. Musik!
Schnell hatte ich eine Band zusammengestellt. Auftritte in allen möglichen Läden. Na gut, die Schwulenbar würde ich lieber wieder vergessen. Es lohnte sich aber, wir waren berühmt! Wir leckten den Schweiß von Mädchen, die in warmen Honig getunkt wurden. Jeden Tag erlebte ich nur als Sekundenbruchteil. Das war es. Das reine Leben. Das richtige! Einfach fantastisch!

Nur Hirngespinste! Visionen, nicht mehr.

Langsam bin ich aufgestanden. In den letzten drei Tagen hatte ich vielleicht eine oder zwei Stunden geschlafen. Jetzt denke ich, ich wäre nie wach gewesen. Immerhin geht es mir nicht schlechter als sonst.
Sofa, Kühlschrank, Couch, Küche. So viel zu tun!

Mein Verstand schaltete sich aus...
Als ich wieder da war, klebten die verschiedensten Käsesorten an mir. Alter, ranziger Käse, der nach schalem Bier roch. Mit einem Kater zog ich mich an der Spüle hoch und meine Augen fixierten ein jämmerliches Stück Erbrochenes. Blutbefleckt. Geradezu unscheinbar.

Mein Gott, was ist nur aus mir geworden.

Ich suchte mein Telefon. Eine odysseehafte Reise begann. Ob es Stunden oder Tage dauerte, kann ich nicht mehr sagen. Aber ich hatte Gewissheit. Hier gab es nie irgendeinen kommunikativen Weg.
Ich musste raus.

„Vielleicht zieh’ ich mir einfach Springer an und latte den nächsten Schwarzen zusammen!“

Barfuß schlurfte ich die 50 Meter zur Dorfschenke.

Bin ich überhaupt weggegangen?

Auf jeden Fall saß ich auf dem Sofa und hatte einen Plan. Ein krüppeliger alter Penner erzählte etwas in einer schäbigen Bar von Nachkriegsliteratur. Trümmer, Angst, Verzweiflung. Da wollte ich nicht hin! Mein Kampf hatte schon begonnen, aber die Schlacht war noch nicht vorbei!
Alle Waffen, die ich aufbringen konnte, nahm ich mit. Ich machte mich auf den Weg zum Schützengraben; den Tropf hinter mir herziehend.

Tränen rennen über mein Gesicht.
Fallen zu Grunde. Sind tot.

 

Kuhl, echt kuhl! Check ich vom Zusammenhang her nicht ganz, aber bin ja hier auch in der Rubrik "seltsam"...

Mach weiter so *gg*!
Dein namenlosER

 

Danke danke für deine Meinung...ich fühle mich geehrt^^...

Wenigstens einer, der meine Geschichte wohl gelesen hat :D...

 

Also zuerst dachte ich, du wirst den Text in alle Stücke reißen, aber das ist ja dann doch noch ganz glimpflich ausgegangen^^.

So:

hä? und schwach.

Das stimmt wohl, mal sehen, was ich da einbringen könnte.

Mit dem "kein Telefon" wollte ich nur seine Einsamkeit ausdrücken, wahrscheinlich viel zu übertrieben. Muss ich mir auch was Neues überlegen.

Hm...mit den Tränen. Das ist schwierig...
Also ich sag ma, wobei es mir ging:es geht darum, dass der Prot "Ausgang" aus dem Krankenhaus hat. Klingt eher anders das Wort, ja.
Er hat wohl Krebs..."haarloser Kopf", "Tropf"...

Aber er weiß auch, dass er sterben wird und besäuft (und was weiß ich noch was alles) maßlos und weiß nicht mehr, wo und wann er genau ist. Er weiß aber, dass er nicht doof im Krankenhaus krepieren will...aber er sieht auch kein Sinn mehr im Leben, deswegen versucht er im "Schützengraben" noch irgendwas Nützliches am Ende seines Lebens zu machen, da er sich schon als tot akzeptiert und es nur noch als Frage der Zeit ansieht, bis er stirbt (ob Suizid oder durch die Krankheit). Das ist nun Interpretationsspielraum, was er tut...

Naja, könnte man am Ende echt anders machen...zumindest die Tränen...die nicht nochmal wiederholen...ich überleg mal...

Ich wäre erfreut, wenn du nochmal was dazu sagst, ob du den Text mit der Intention schlimmer findest, oder besser...wie auch immer...und was du beim Lesen dachtest (intentionsmäßig)...ich bin gespannt...danke auf jeden Fall für deine Kritik und Meinung...freut mich, dass dir viel gefallen hat...

 

Vergessen zu sagen: "Schützengraben" steht halt für das Sterben beim "sinnvollen Tun" (ob Krieg sinnvoll ist, will ich jetzt nicht diskutieren). In meiner Bedeutung tut er was unter Einsatz seines Lebens. Na gut...wie auch immer...

 

Hallo.

Ich muss ganz klar sagen: Sehr starke Geschichte. Wirklich gelungen.

Mir gefällt auch der Anfang und das Ende richtig gut. Am Anfang sind die Tränen am Sterben und quälen sich sozusagen zum Boden und am Ende ist es praktisch schon vorbei. Durch die wenigen Worte super beschrieben.

Nur bei einem kann ich überhaupt nicht zustimmen, nämlich bei deiner eigenen Interpretation. Ich finde in dem Text keinen einzigen Hinweis, dass der Typ im Krankenhaus ist, und: Bei mir ist es zumindest so, dass wenn ich irgendwo jemanden beschrieben sehe, der einen haarlosen Kopf hat, ist für mich meist die Frage, möchte der Autor uns einen Einblick in die Welt eines Krebskranken, eines Normalmenschens oder gar eines Nazis geben. Bei mir deutet der ganze Text auf die gescheiterte Existenz eines Nazis hin und ich erkenne nicht den Krebskranken.

Nichtsdestotrotz: Die Unordnung in der Wohnung gepaart mit der Leere in seinem Kopf und dem fehlenden Sinn ergibt ein wie ich finde sehr authentisches Bild und mir gefällt auch die Odyssee zum Telefon sehr gut. Irgendwo scheint er sich ja tatsächlich zu bemühen, sein Leben irgendwie noch zu retten und entgegen der früheren Verwahrlosung doch noch den Hauch eines Kontaktes zu suchen.

Außerdem träumt er ja noch. Und das ja auch irgendwie detailliert. Er scheint also schon konkrete Vorstellungen zu besitzen.

Ja, noch ganz kurz:

aber die Schlacht vor noch nicht vorbei!

Ich gehe nicht davon aus, dass das Absicht war ;)

Grüße der Ignorant

P.S:

„Vielleicht zieh’ ich mir einfach Springer an und latte den nächsten Schwarzen zusammen!“

Barfuß schlurfte ich die 50 Meter zur Dorfschenke.


Diese zwei Zeilen sind so interpretationsgeballt. Der Schwarze könnte die Projektion des nichts sein. "Barfuß" bedeutet in dem Falle so viel, Umentscheidung, Irgendwo Direktheit, Nacktheit...

Und auch der Typ mit der Nachkriegsliteratur, der von genau dem Krieg gebrochen zu sein scheint: Stark.

 

Hi!

Sehr, sehr gute Geschichte. Dafür muss man Lob aussprechen. :thumbsup:

Sie wird zum Ende hin immer konfuser, was meiner Meinung nach sehr zu begrüßen ist, und lässt ein weites Spektrum an Interpretationen zu.

Deine Intention ist allerdings wirklich gar nicht wiederzufinden. Obwohl ich den Charakter auch nicht für einen Nazi oder soetwas gehalten habe, eher als eine "einfache" gescheiterte Existenz.

Beste Grüße

Nothlia

 

Wow...danke danke erstmal für euer Lob!
Ich freue mich maßlos!

Allerdings ist es ja für mich schlecht, wenn ich das nicht zur Geltung bringen konnte, was ich vorhatte. Aber dafür wohl eine Menge anderer Intentionen verwirklichen konnte (auch durch den Titel wahrscheinlich). Aber das ist für mich persönlich viel besser^^. Waren ja auch nur meine bescheidenen Gedanken mit dem Krebskranken...

@Nachtschatten: Für Sofa, Kühlschrank...hab ich noch nichts Neues...mal sehen, ob das noch was wird.

Mit dem Telefon lass ich und auch das Ende, wenn es dir wohl auch nicht gefallen wird. Schade, aber ich hab's mir noch öfter durchgelesen und finde es doch ganz gut...

@LI: Danke für die Rechtschreibfehlerbemerkung.

Jo, das wars...

 

@ Nachtschatten: Willst du gar nichts mehr hinzufügen bzw. Verbesserungsvorschläge erwähnen. Vor Allem Sofa, Kühlschrank,... da kann ich mich nicht festlegen.

 

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