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Beckmanns Auferstehung
Das erste, woran Beckmann sich nach dem Schuss erinnerte, war die eigenartig leere Stille, die den Straßenlärm in die Diele saugte.
Du musst einen Notarzt rufen. Du musst nach Olaf sehen. Wiese ist bestimmt in der Wohnung.
Er stand regungslos, betrachtete den Toten wie ein abstraktes Kunstwerk, dessen Sinn sich nur langsam erschloss. Rainer Friedrich war mit erstaunt offenem Mund hintüber gekippt, als habe er sich nicht vorstellen können, dass er, Beckmann, feuern würde. Die offenen Hände in gespielter Ergebung über den Kopf gestreckt, der rote Fleck auf seiner Stirn ein Klecks Wasserfarbe, zuvor aufgemalt, da seine Niederlage abgesprochen war: Peng, du bist tot!
Ob er wohl Kinder hat?
In die Stille hinein wimmerte Olaf, doch Beckmann konnte den Blick nicht von dem Körper abwenden, aus dem unaufhörlich Blut heraussickerte, als sei Friedrichs Sterben noch nicht abgeschlossen. Das lange dunkelblonde Haar badete längst darin, an einem Wollstrang des Webteppichs zog die Flüssigkeit dunkel bis hin zur Waffe, die Friedrich im Fallen verloren hatte, eine Glock. Die Schweizer Polizei benutzt sie. Oder die österreichische? Seltsam, wie er das vergessen konnte.
Erst als die Küchentür ängstlich von innen geöffnet wurde, und Wiese im Gegenlicht auf seinen Schwager heruntersah, der ihn zu verstecken versucht hatte, fand Beckmann zu sich zurück, und mit einer Stimme, die sich erst wieder ans Sprechen gewöhnen musste, sagte er: „Maik Wiese, ich verhafte Sie wegen des Mordes an Ihrer Lebensgefährtin, Claudia Friedrich.“
„Wie konnte das passieren?"
Die Pfeiffer hatte ihn, entgegen ihrer Gewohnheit, im Drehstuhl Platz nehmen heißen, und lehnte selbst am Fensterbrett. Das Fenster wies auf einen sonnenblinden Innenhof hinaus. Wenn Beckmann blinzelte, schwamm die Luft.
Die Dienststellenleiterin räusperte sich noch einmal, als wolle sie ihn an ihre Gegenwart erinnern, und Beckmann zwang sich zu einer Antwort.
„Wir dachten, Friedrich würde uns helfen. Schließlich war sie seine Schwester.“ Was gab es noch zu erklären? Sie dachten, sie müssten Wiese vor seinem Schwager schützen. Ihn finden, bevor Friedrich, Wachmann bei der Rhein Metall, ihm mit seiner Dienstwaffe ein Loch ins Gehirn stanzte. Dachten, sie könnten Friedrich überzeugen, dass es besser war, wenn er ihnen verriete, was er über Wieses Verbleib wüsste.
Friedrich hatte geleugnet, Wiese gesehen zu haben. Die Arme vor der Brust verschränkt, auf den Ballen wippend dass die Hausschuhe tiefe Kuhlen in die Berberbrücke gruben, antwortete er kurz angebunden, als sei er in Eile, und das Gespräch hielte ihn auf. Dabei verrieten Dreitagebart und Trainingsanzug, dass er das Haus seit längerem nicht verlassen hatte. Sein Wartburg 1.3 in dritter Reihe zugeparkt und mit dem Sperrmüll des Nachbarn verräumt, erweckte auch nicht den Anschein, als habe er es demnächst vor.
Beckmann erinnerte sich vage an sein Unwohlsein, das Gefühl, etwas passe nicht in das Bild der kleinen, rechtwinklig sauberen Wohnung, ohne genau sagen zu können, was es war. Während er redete – nur das Gespräch nicht abreißen lassen, Friedrich war zu gewinnen – ging er in Gedanken den kurzen Weg zur der Wohnungstür mehrmals zurück. Eine Schramme hoch an der Wand, die letzte Woche noch nicht gewesen war, der handgeschnitzte röhrende Hirsch, in dessen Geweih die Schlüssel in veränderter Anordnung hingen, undenkbar in den autistisch geordneten Räumen. Und plötzlich, Beckmann noch in Gedanken bei den Schlüsseln, schoss Friedrich.
Beckmann ließ sich in die Hocke fallen, noch bevor Olaf aufschrie. Er nahm seine Größe mit einem Mal als Verletzlichkeit wahr wie eine unverbundene Wunde. Seine Muskeln zäh wie Bitumen. Die Zeit, bis Beckmann die Lederschlinge zur Seite genestelt hatte und den Griff der Waffe in der Hand spürte, dehnte sich ins Unendliche, und in die geweiteten Minuten hinein schoss Friedrich noch einmal. Beckmann fühlte sich wie aus dem Raum gefallen, ein Glasberg im Hagel, endlich der Finger am Abzug.
Er dachte immer, wenn jemand ihn angriffe, würde er ohne zu zögern schießen, doch nun kostete es ihn Überwindung abzudrücken, er zog durch, ohne richtig zu zielen. Friedrich fiel lautlos wie eine Lumpenpuppe, und Beckmann fragte sich: Was habe ich getan?
„Gut, das war’s dann.“ Die Pfeiffer rieb sich die Augen, wie immer, wenn sie unschlüssig war.
Beckmann registrierte, dass sie entzündet waren. Sie würde mit den Angehörigen sprechen müssen, den Polizeipräsidenten und die Presse informieren, Fragen erdulden, auf die es keine Antwort geben konnte und die sich gerade darum wie Blutegel festsaugten. Für einen kurzen Moment verspürte er das Bedürfnis, ihr Mut zuzusprechen, sie zu trösten, dann bückte die Pfeiffer sich weg, tauchte ins unterste Fach des Schreibtischs und reichte ein rosa Formular heraus.
„Das Protokoll benötige ich heute noch, das ist klar. Ansonsten nimm dir vorerst frei. Soll ich Carsten Bescheid geben?“
Beckmann schüttelte den Kopf, er kam sich dumm vor. „Ich melde mich bei ihm.“ Dabei war er nicht sicher, ob er überhaupt mit jemandem reden wollte, am wenigsten mit dem Polizeipsychologen.
Die Tür klemmte, er musste mehrmals kräftig ziehen, bis sie schloss, der Knall fuhr ihm in die Eingeweide. Der Luftzug saugte das Papier an und fächerte die Seiten auf, niemand hatte ihm in den fünfzehn Jahren seit der Ausbildung gesagt, wie er sich in so etwas einfinden sollte.
Lange saß er am Schreibtisch, gegenüber Olafs verwaistem Platz, starrte leer über das Papier hinweg auf den Staub, der wie weiße Mücken in der Luft tanzte. Bei jeder Handbewegung wirbelten die glitzernden Flusen auf, er scheuchte sie von Olafs Gummibaum, der sich zwischen Schreibtisch und Fenster presste. Eine Handbreit weiter links, und der Schuss wäre in die Brust gegangen. Das dürre Pflanzgerippe mit den wenigen sonnenverbrannten Blättern verspottet zu haben, kam Beckmann auf einmal wie ein Sakrileg vor.
Noch auf dem Besucherparkplatz vor dem Wohnblock stehend hatte Olaf die Balkonpflanzen im dritten Stock bewundert. Geranienwolken vor dem Balkon ganz links, daran erinnerte er sich, weiß, rosa und rot, ein marmoriertes Flimmern, und dazwischen, nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar, die Vorderpfote einer kuhfleckigen Katze.
Er versuchte, die Gedanken zu dem Formular zurück zu zwingen, auf dem er bisher nur Name und Dienststelle eingetragen hatte, und konnte doch nur an den langgestreckten, schwarzweißen Vorderlauf denken, der träumerisch zuckte, bevor er zwischen den Blüten verschwand.
Er faltete das Papier zweimal zusammen und steckte es in die hintere Hosentasche; obwohl die Pfeiffer geknickte Bögen hasste, oder vielleicht gerade deswegen. Sacht fuhr er mit dem rechten Mittelfinger über das leere Holster, die Pistole hatte er noch in Friedrichs Wohnung abgeben müssen.
Im Tresor im unteren Halbgeschoss, im Vorraum des Schießstandes, fand sich bestimmt die eine oder andere Waffe; nicht jeder hatte sich wie er einen Sicherheitsschrank zuhause einbauen lassen. Früher hatte er darauf verzichtet, die Heckler & Koch dennoch mitgenommen, dann war Noa eingezogen und mit ihr deren achtjährige Tochter, und Beckmann hatte diese mit viele anderen Bequemlichkeiten über Nacht aufgegeben.
Noch auf dem Absatz vor der Pforte zögerte er. Die Tür zum Schießstand war nur angelehnt, Beckmann meinte, den Schmauch riechen zu können, der sich wie ein Film über seine Haut legte. Seine Füße bewegten sich die Treppe hinunter wie vorprogrammiert, im Kopf wattige Leere.
„He Beckmann, alles fit?“ Carsten federte die Treppe herauf, zwei Stufen auf einmal nehmend, frisch geduscht, die Sporttasche geschultert. Er versetzte Beckmann einen jovialen Klaps auf die Schulter, der diesen aus dem Gleichgewicht brachte und gegen das Treppengeländer warf.
„Mensch, alles in Ordnung? Du bist doch sonst nicht so schwach auf den Beinen!“
„Alles klar.“
Die Luft um Carsten atmete synthetischen Moschusduft, der Sportraum hinter dem Schießstand spie eine Handvoll Kollegen von der Sitte aus, die zwischen Beckmann und dem Psychologen die Stufen hinaufdrängten. Carstens Blicke griffen nach seinem Gesicht, das zu entgleisen drohte.
Er weiß alles. Der Puls tobte durch die zugeschnürte Kehle, die Stufen gaben unter ihm nach, im letzten Moment ließ Beckmann sich mit dem Pulk die Treppe hinauf reißen und nach draußen spülen.
Was wolltest du am im Schießstand? An den Waffenschrank. Und dann?
Beckmann weigerte sich, den Gedanken zu Ende zu führen. Er zitterte immer noch so stark, dass der Autoschlüssel mehrmals zu Boden fiel, fühlte sich beobachtet, zwang sich, ruhig und langsam durch das Rolltor auf die Straße zu treten und irgendwohin zu gehen, Hauptsache er wirkte nicht ziellos.
In der Emmy-Noether-Straße holte ihn die Vierzehn ein, mit der Olaf immer nach Hause fuhr. Beckmann sprang auf, kurz bevor die Türen sich schlossen. Obwohl die Bahn nur von wenigen Schülern besetzt war, die trübe von der Hitze an den Scheiben fläzten, blieb er stehen. An eine Haltestande gelehnt, schloss er die Augen, fühlte dem Schweiß nach, der sich unterm Hemdkragen und in den Leisten sammelte und Stoff und Haut verklebte.
Heute Abend wolltest du mit Noa und Berit ins Freibad.
Bis zum Ostendplatz träumte er sich in eine türkisfarbene Wasserwelt, die ihn gütig einschloss, und in der alle Geräusche zu einem fernen Echo verdämmerten.
Olaf war bereits zu Hause, er trug den Arm in der Schlinge, das Hemd über den Verband hochgekrempelt.
„Nur eine Schramme“, sagte er, noch bevor Beckmann fragen konnte. „Diese Spinner wollten mich im Krankenhaus behalten, zur Beobachtung“, äffte er eine besorgte Krankenschwester nach. „Wozu, frag ich dich. Mir geht’s gut, und rumliegen kann ich auch zuhause.“
Er dirigierte Beckmann ins Wohnzimmer, goss Kaffee ein ohne zu fragen, und schob den Zucker so heftig über den Tisch, dass die Dose umfiel und die Hälfte verschüttete.
„Verdammte Scheiße aber auch!“
„Lass mal, ich feg das auf!“ Beckmann strich den Zucker in die hohle Hand und schüttete ihn in der Küche in die Spüle, weil er den Müll nicht fand. Als er zurückkehrte, hockte Olaf zusammengesunken auf der Couch, das Gesicht hochrot, und biss in die Faust. Doch kaum saß Beckmann ihm gegenüber, riss er den Kopf hoch und drückte das Kreuz durch.
„Ohne dich wäre ich platt, Mann! Ich schuld dir was. Wenn du mal Hilfe brauchst …“
„Lass gut sein. Ich bin nicht hier, um mir einen Orden abzuholen.“
Eine Weile brüteten sie aneinander vorbei, schließlich ertrug Beckmann das Sirren der Sprudelflasche nicht mehr, die Fliege, die wie irre gegen das Fenster klackerte, irgendwann abstürzen und zu einer Chitinhülle mit angewinkelten Beinen vertrocknen würde.
Nur um nicht an ihr zukünftiges Sterben zu denken, sagte er: „Ich versteh das nicht. Gut, Wiese war sein bester Freund, aber wenn einer deine eigene Schwester umbringt … was muss der ihm erzählt haben, dass Friedrich …“
„Das ist mir so was von scheißegal!“ Olaf sprang auf und fuchtelte mit dem unversehrten Arm in der Luft herum. „Das ist krank, diese ganze verdammte Brut ist einfach nur krank! Ich hab keinen Bock, mir vorzustellen, was in denen vorgeht. Das geht mir so was von am Arsch vorbei!“
„Schon gut, tut mir Leid“, sagte Beckmann leise. „Komm, setz dich wieder.“
Doch Olaf blieb am Fenster stehen, tat so, als sehe er hinaus in den handtuchschmalen Garten, in dem sich Meisen im Vogelbad balgten. Seine Schultern zuckten, und Beckmann fragte sich, ob er lachte oder weinte.
„Ich bin selbst schuld“, sagte Olaf schließlich mit brüchiger Stimme. „Ich hätte nicht nach links zeigen sollen, Lennart, auf diese scheiß Schlüssel und die scheiß Küchentür, ich wollte dich unbedingt drauf aufmerksam machen. Dass der mit dem Blechporscheanhänger fehlt, und dieses blöde Holzschild an der Küchentür mit Omas Haushaltsweisheiten hing schief. Aber als wir das erste Mal bei ihm waren, hat er die Flusen vom Flokati wieder aufgerichtet. Alle in eine Richtung gekämmt.“
Er lachte, viel zu laut, und nestelte so heftig am hochgekrempelten Hemdsärmel, dass die Naht krachte. „War klar, dass er das bemerken musste. Idiot, ich! Ich hätts dir auch draußen sagen können.“
„Mach dir keine Vorwürfe, Olaf. Woher solltest du wissen …“
„Wir sind Kriminaler, Mann! Wir werden scheiß verdammt fünf Jahre dafür ausgebildet, dass wir wissen!“
„Ist doch egal. Hauptsache, du lebst.“
Und ich habe einen Menschen umgebracht, Olaf, sag mir, wie ich damit leben soll.
Als habe der es gespürt, wand er sich weg.
„Claudia muss jeden Moment nach Hause kommen. Sie wird sich wundern, dass ich schon da bin.“
„Ja, für mich wird es auch langsam Zeit“, echote Beckmann tonlos, obwohl er nicht wusste wohin mit sich, und überhaupt.
Die Hitze hatte einen faulen Geruch angenommen, ein Gewitter, das sich zusammendrückte, ohne sich entladen zu wollen.
Berit schickte eine SMS, sie werde bei einer Freundin übernachten und vorher nicht mehr nach Hause kommen. Beckmann hatte seit längerem den Verdacht, sie fühlte sich mittlerweile zu groß für den „Familienkram“. An anderen Tagen hätte er sie angerufen, nach Name und Adresse der Freundin gefragt, und ob Noa Bescheid wisse, doch nun drückte er die Nachricht weg, zu müde, über gebrochene Vereinbarungen zu streiten. Nachdem Friedrich dazugekommen war, würde Noa ohnehin länger im Institut bleiben.
Die Pathologie atmete einen eigenen Dunst, der sich in die Kleider heftete und noch stundenlang, nachdem man sie verlassen hatte, im hintersten Winkel der Nase festsaß. Formalin und Kühlaggregate, eingefrorener Zerfall, das Innehalten des Todes, der sich unter den Mikroskopen ausstreckte und willig betrachten ließ.
Noa kam ihm vor der Flügeltür entgegen, die den Sektionsbereich von den Labors trennte. Das dicke schwarze Haar unter der Haube zu einem Knoten zusammengeschlungen, den Mundschutz unters Kinn geschoben, streifte sie die doppelte Lage Latexhandschuhe mit gleichgültigem Schmatzen in einen Mülleimer.
Die Tür schwang nach und schaufelte einen Schwall kalter Luft in den Vorraum, und mit ihr den Geruch verbrannten Knochenstaubs.
Noa hatte ihm einmal erzählt, bei manchen Toten habe sie das Gefühl, sie stünden hinter ihrem Rücken und versuchten, sie auf etwas hinzuweisen, während sie den Körper öffnete. Andere schienen noch ganz in sich selbst zu sein, wie Eingeschlossene, die erstaunt waren, dass ihrer Hülle die Nägel geschnitten, die Zahnzwischenräume gereinigt und die Haare gekämmt wurden.
Doch irgendwann verschwanden sie alle, meist noch bevor die Sektion beendet war, was Noa mit befundlosen Organen und Zellstoff füllte, war eine Hülle, die sie nur noch aus Respekt vor den Angehörigen behutsamer als nötig in den Sarg des Beerdigungsinstituts bettete.
So waren sie sich näher gekommen, auf dem Sommerfest der Polizei, als die Sekretärin über Zombies und Vampire dozierte, sich nach Noas Geschichte jedoch angewidert abwandte und die beiden allein ließ. Später liebten sie sich auf Noas Schlafsofa, sie saugte sich an ihm fest während er in sie kam, zwischen ihren gespannten Lippen und seiner schweißnassen Schulter entwichen fiepende Seufzer, die die nebenan schlafende Berit mit Sicherheit nicht weckten.
Als sie ihn wortlos umarmte, er die Nase in ihre Halskuhle presste, tief in ihr Parfüm hinein, das holzig und zitrisch jeden andern Geruch überdeckte, wünschte er, er könnte gerade jetzt ihre Haut spüren, ihren Mund austrinken, in ihr Trost finden.
„Ich hab davon gehört“, murmelte sie an seiner Haut, und als ob ihm etwas geschehen wäre, „es tut mir Leid, Lennart.“
Er war gekommen um zu fragen, ob er Friedrich noch einmal sehen könnte bevor sie ihn aufschnitten. Er hatte Abbitte leisten wollen, gehofft, der andere werde ihm jetzt, aus dem Tod heraus, noch verzeihen.
Doch nun konnte er nur noch an Olafs Gummibaum denken, mit welcher Hingabe er immer neue Pflegetricks ausprobierte, und daran, wie Noa am gestrigen Abend zwischen duschen und Zähne putzen gesagt hatte, noch fühle sie sich jung genug für ein zweites Kind.
„Kannst du Schluss machen? Ich brauch dich jetzt.“
Sie nickte wortlos, fuhr ihm durchs Haar, und er hoffte, sie würde sich später hingeben ohne zu fragen, und ihn für einen Moment vergessen lassen.
Später, nachdem Noa eingeschlafen war, setzte er sich ins Küchenfenster und versuchte, die Tiefe unter ihm abzuschätzen. Die späte Sonne blendete zwischen den Bäumen, deren Schatten wie Finger über die Hauswand strichen, ein steigender Wind raufte das Laub nach oben, in seiner Thermik warfen Mauerseglern sich entlang der Fassade über den Dachfirst, standen mehrere Sekunden reglos in der Luft, bevor sie seitlich wegkippten und sich schräg nach unten fallen ließen.
Beckmann verfolgte das Schauspiel bis es dunkel wurde, und als er das Fenster schloss weil er fror, spürte er tatsächlich so etwas wie Glück. Klein und flüchtig nur, doch es war da, und Beckmann dachte, dass das für den Augenblick vielleicht genug war.