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Bedauerlicher Irrtum
„Aus der kriegen wir nichts mehr raus!“, sagte der Größere.
Kein Wunder, sie hatten mich völlig ausgequetscht.
„Was machen wir denn jetzt mit ihr? Die stinkt doch, wenn wir sie liegen lassen, und dann fallen wir bei der Madre in Ungnade.“
Ich ahnte Fürchterliches. Er warf mich auf den Boden, trat auf mich ein, bis mir die Luft ausging. Ich stöhnte. Ungerührt packte er mich und steckte mich mit etwas Mühe in etwas Dunkles. Etwa ein Container? Es war so eng, und ein unangenehmer Geruch hüllte mich ein. Die hatten mich doch tatsächlich zu Müll gepackt! Ich versuchte, mich unauffällig umzusehen, doch ich erkannte nur Verpackungen. Doch wirklich leer konnten sie nicht sein; Lebensmittelreste verschiedener Gärstadien verpesteten die Luft.
Da, bekannte Umrisse! Hatten sie ihn auch hier herein gesteckt? Er wirkte ziemlich ramponiert, doch ich entzifferte den Schriftzug. M-a-r-k-u-s. Tatsächlich, diese Schweine! Vorsichtig versuchte ich, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Autsch! Ein verdammter Dosendeckel! Diese Enge hier!
„Markus, kannst du noch?“
Ein Stöhnen als Antwort.
„Halte durch!“
„Was werden die mit uns machen?“ Pure Angst in seiner Stimme.
„Die werden versuchen, uns irgendwie zu entsorgen ... " Ich bemühte mich, nicht resigniert zu klingen. Ich wollte irgendwas sagen, was Hoffnung machte, von Aussicht auf Rettung oder so, aber in meinem lädierten Zustand fiel mir nichts ein. Ich wollte nur schaffen, die Nacht zu überleben.
Mitten in meinen Gedanken wurde der ganze Container erschüttert. Anscheinend wurden wir über einige Treppenstufen geschleift; Stufe um Stufe rumsten wir hinunter, vermutlich von dem Hof zur Straße. Vielleicht war das unsere Chance!
„Markus?“ Ich nahm nur seinen feinen Duft wahr; ansonsten schien er weggetreten. Und ich konnte mich nicht bewegen. Die Dose klemmte anscheinend die Abdeckung etwas hoch, so dass ab und zu ein frischerer Lufthauch den Gestank im Inneren ausdünnte. Wenigstens etwas!
Ein Gedanke ließ mir keine Ruhe, seit sie mich hier herein gestopft hatten. Thermische Verwertung! Was, wenn wir sofort und unbesehen ins Feuer geworfen wurden? Ein Bild der Hölle: Lodernde Flammen, unerträgliche Hitze, Auflösung in Sekunden ... Ich hoffte nur, dass diese Gemeinde vorbildhaft entsorgte! An diesem Gedanken hielt ich mich fest, bevor auch ich mein Bewusstsein verlor ...
Ich wurde wach, als grobe Hände uns packten und ins Dunkle warfen. Eine Klappe schien uns zusammenzudrücken, so dass fast die letzte Luft entwich. Dazu eine rumpelnde Bewegung, die uns erschütterte. „Durchhalten“, flüsterte ich, ob für Markus oder mich war mir nicht klar. Es ging eine Weile so, bis endlich wieder Licht erschien. Gleichzeitig kamen wir in Bewegung, rutschten an einer Halde von Plastikbergen vorbei in ein Gebäude. Ich bemühte mich zu erkennen, wohin dieses Band unter uns führte, da riss der scharfe Arm einer Maschine einen Sack neben uns auf, direkt an mir vorbei.
Ich hörte eine fremde Sprache, und zwei Frauen, Mund und Nase durch ein Tuch gegen den Gestank geschützt, unterhielten sich, während sie einzelne Gegenstände vom Band nahmen. Sie griffen an mir vorbei, nahmen mich nicht wahr. Hilfe! Erkennt ihr mich nicht? Ich versuchte, sie anzuschreien, doch kein Laut drang zu ihnen durch.
Sie konnten mich doch nicht übersehen haben! Auf unserem Weg wurden jetzt Kronkorken angesaugt, dann etwas später Tüten weggeblasen. Ich musste hier weg, wollte ich nicht in einem der riesigen Würfel unter uns enden, in dem das Plastik gepresst und gesammelt anscheinend auf den Abtransport wartete. Warum half mir keiner? War ich denn unsichtbar?
Ich verstand die Welt nicht mehr. Da sah ich Markus neben mir, schrie ihm zu: „Sie helfen uns nicht! Warum rettet mich denn keiner?“
„Gib es auf!“, war seine Antwort. „Hier interessiert niemanden, dass du eine Pfandflasche bist!“
Ein Duft von Kaffee war das letzte von ihm, als er weggewirbelt wurde.