- Beitritt
- 24.04.2003
- Beiträge
- 1.444
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 12
Bei aller Steifheit
Als Peter Drenter erwachte und die Augen aufschlug, fand er sich an einem Ort wieder, den er nicht kannte.
Anschließend stellte Peter fest, dass er an einen Stuhl gefesselt war. Seinen Kopf hatte man an beiden Seiten fixiert. Nur geradeaus schauen; mehr war nicht drin.
Er kam nicht dazu, sich tiefgreifendere Gedanken über die Situation zu machen, denn ein Mann, dessen Gesicht bis unterhalb der Nase von einem Mundschutz verdeckt war, erschien in Peters Blickfeld, und verabreichte ihm ohne lange zu zögern eine Injektion in die rechte Armbeuge.
Einige Sekunden herrschte Stille.
"Sie werden sterben", sagte der Unbekannte dann so tonlos, wie ein Nachrichtensprecher, der die Lottozahlen vorliest.
Peter spürte Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete.
"Wer sind Sie ... was haben Sie mir da gerade gespritzt?"
Der Fremde überging das Gefragte und entfernte sich aus Peters Blickfeld. Hinter sich konnte Peter nun Geräusche ausmachen, die ihn verwirrten. Es klang so, als würde jemand eine Spülmaschine ausräumen.
Langsam kam die Panik.
"Was wollen Sie von mir?" - Keine Antwort.
Dann fiel Peter in einen langen, traumlosen Schlaf.
Als er wieder zu sich kam, war es dunkel. Kurz überlegte er, wo er war. Dann kehrte die Erinnerung zurück und mit ihr eine neue Angst: Ich bin blind, dachte Peter.
Es gab jetzt keine Geräusche mehr.
"Hilfe", krächzte er aus trockener Kehle. Nichts geschah.
"Bitte ... Hilfe!"
Etwas klackte dumpf. Ein Lichtschalter?
Die Finsternis blieb.
Peter hörte Schritte. Gedämpfte Schritte. Sie schienen nah, klangen aber auf merkwürdige Weise trotzdem weit entfernt. Wie durch Watte hindurch.
"Sie werden sterben", hörte Peter dieselbe Stimme wie vorhin. Seltsam wirkte sie, als hätte man den Schall leiser gedreht.
Ehe Peter etwas erwidern konnte, fuhr der unbekannte Mann fort: "Zur allgemeinen Erläuterung: Sie befinden sich in einem Gipsquader, der zwei Meter hoch, lang und breit ist. Er wurde in zwei Hälften hergestellt und anschließend zusammengefügt, nachdem ich Sie in den inneren Hohlraum gelegt hatte, der exakt Ihren Körpermaßen entspricht. Sie sind quasi ein in Bernstein gefangenes, urzeitliches Insekt, wenn Sie mir den Vergleich erlauben."
Der Mann nieste kräftig.
"Verdammter Schnupfen. Also: Es existieren drei Öffnungen. Zwei schmale Gänge, die von Ihren Ohren aus zu den Seitenwänden des Quaders führen, und ein etwas breiterer vor Mund und Nase, der Ihnen das Atmen ermöglicht. Wie Sie vermutlich bereits festgestellt haben, gibt es für Sie nicht den geringsten Spielraum. Sie sind vollkommen unbeweglich. Ich habe den Abguss für Ihren rechten Arm so gefertigt, dass dieser sich in einer ziemlich unbequemen Position befindet. Bald schon werden Sie einen Krampf bekommen."
Peters Blase entleerte sich. Aber das war gar nicht mal das Schlimmste.
"Ach ... und falls Sie mal scheißen müssen, bedenken Sie, dass es dafür eigentlich keinen Platz gibt, bei der Enge."
Sämtliche Gedanken versagten. Peter schluchzte und sofort bekam er Kopfschmerzen, weil er seinen Schädel nicht einen Zentimeter bewegen konnte.
"Wahaha .... harum!"
"Ach Herr Drenter. Es ist ein Experiment, nicht mehr. Völlige Fixierung. Keine Sorge. Sie werdens ja nicht überleben. Ich gehe jetzt."
Wieder das dumpfe Klicken. Dann nichts mehr.
Peter war allein.
Er überlegte, ob es möglich war, absichtlich die eigene Zunge zu verschlucken.
Nach einiger Zeit stellte er fest, dass es nicht möglich war.
Der Krampf im rechten Arm setzte ein.
Und nicht die geringste Bewegung.