- Beitritt
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Besuch
Zweimal Fünf ist Vollständigkeit.
Um mich herum schrecklicher Lärm. Eine johlende Menschenmasse. Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als alles angefangen hat.
Wir waren gerade dabei, eine Trainingseinheit für die Meisterschaftsvorrunde abzuschließen. „Hallo, Herr Trainer“, sagte plötzlich jemand hinter mir. Neugierig drehte ich mich um und sah einen kleinen, schmächtigen Kerl, der mir ins Gesicht starrte. „Ich will für Sie spielen!“ An jedem anderen Tag hätte ich mich umgedreht und wäre zur Kabine gegangen. Es gibt immer wieder irgendwelche Verrückte, die glauben, Fußball sei ihr Leben. Meistens sind es alles besser wissende Nervensägen, die sich zum Übertrainer berufen fühlen. Normalerweise geht man in den Umkleideraum, Schluss, aus. Normalerweise! Doch heute war so ein fieser, grauer Tag - obwohl die Sonne schien: Die Presse verfolgte mich ständig, gestern ein blamabel verlorenes Spiel und meine große Stürmerhoffnung, Alfredo Shotsna, war einfach nicht zum Training erschienen. Angeblich fühlte er negative Energien, die ihn am Spielen hindern. Meiner Meinung nach hatten diese Energien lange, lockige Haare, gnadenlos lange Beine und waren auch sonst von der Natur üppig ausgestattet.
Ich beginne abzuschweifen, wahrscheinlich will ich die Erinnerung an die Begegnung mit dem ‚Hallo, Herr Trainer’ Menschen verdrängen, was für eine blöde Anrede!
Langsam brachte er mich auf hundertachtzig. „Sooo, wie schön“, stichelte ich „welche Position wäre dem Herrn denn genehm?“ Inzwischen hatten sich die Spieler neugierig an uns heran gedrängt. Als wenn es offensichtlich wäre, sagte dieser Typ in einem verwunderten Tonfall „natürlich Stürmer - ich kann Tore schießen!“ Dieses ‚kann’ betonte das Männlein so provozierend, trotz seiner dünnen Stimme, dass wir alle einfach mit einigen spöttischen Bemerkungen reagieren mussten. OK - wir gingen auf das Spielfeld zurück, Sie kennen das - drei, gegen fünf Verteidiger - auf ein Tor. Der Unbekannte schoss das Tor. Ohne viel Einsatz. Sofort. Beim ersten Ballkontakt. Wir lachten uns halb tot: selbst der Torhüter. Zufall. Also noch einmal. „Herr Trainer?“ „Ja?“ „Ich kann nur fünf Tore für Sie schießen, eines ist schon vergeben.“ Damals begriff ich nicht und wir machten einen weiteren Versuch.
Er traf.
Sofort.
Das wär`s gewesen, aber ein besonders zäher Pressemann hatte alles mit seinem Teleobjektiv dokumentiert. Am nächsten Tag überschlugen sich die Pressemitteilungen. Der Kleine, er hieß Thor Indass, wurde nominiert. Nationalmannschaft. Erstaunlich, wie Fußballbürokraten in der Not das Unmögliche möglich machen. Der Fußballer war Mitglied in einem Kreisligaverein, doch nicht mehr aktiv. Einmal hatte unser Neuzugang fünf Tore in einem Spiel zustande gebracht, als seine Mannschaft bereits 4:0 zurücklag. Das war vor vierzig Jahren gewesen. Niemand durfte es wissen: Mein neuester Stürmer war siebenundfünfzig Jahre alt. Zum Glück sah der komische Typ wesentlich jünger aus …
Was soll ich sagen? Wir hatten uns bis ins Viertelfinale durchgebissen. Es stand in der 83ten Minute 1:1, ich wechselte ihn ein - der Stürmer drosch den Ball ins Netz, das Team hatte es geschafft! Im Halbfinale wurde es viel ernster. Zwei Stammspieler verletzt, 1:0 Rückstand, dann in der zweiundsiebzigsten die Rote Karte für Max Roht. Was sollte ich machen? Noch vier Minuten zu spielen. Ich schickte ihn auf das Spielfeld - Thor traf. Zwei - - mal.
Zehn Sekunden vor dem Abpfiff lagen wir in Führung, Sieger! Endspiel! Die Medien waren fassungslos, ich auch! Indass fabrizierte die Tore ohne jeglichen Körpereinsatz, einfach nach einem Ballkontakt. Der Ball drehte sich ins Netz, es schien, als ob das Leder dort einfach hingehören würde.
„Herr Trainer, es ist vorbei, das waren Fünf“, war alles, was der Kleine zu sagen hatte. Vor dem Endspiel wurde der öffentliche Druck immer größer, Thor sollte von Beginn an auf den Platz. Doch ich wusste, es war vorbei. Er meinte: „Ich bin jetzt leer, wie eine umgedrehte Flasche, leere Flasche.“ Mit ihm wäre unsere Spielstärke entsprechend einer Zehn-Personen-Mannschaft gewesen. Hätte ich mich nur nicht auf den zweiten Probeschuss eingelassen, damals beim Training!
Heute - Endspiel. 1:1 in der zweiundneunzigsten Minute, zwei Minuten Nachspielzeit. Eine Verlängerung stehen wir nicht durch.
Das Publikum grölt, schreit, stampft - Indass, Indass, Indass!!! Ich weiß, es hat keinen Zweck. Ich bringe ihn. Er trabt pflichtgemäß zum Strafraum, hebt den Arm, obwohl sich drei Gegenspieler um ihn scharen, ich sehe deutlich die Geste: Zeigefinger und Daumen bilden einen Kreis - eine Null - umgedrehte Flasche, denke ich. Ein Mitspieler missversteht das Signal, schießt volles Rohr auf den Kleinen, der schaut nur verdutzt - dann trifft ihn der Ball am Kopf und mein Stürmer geht zu Boden. Im Stadion ist es totenstill - bis die Lawine des Jubels losbricht, ihr Getöse donnert noch immer in meinen Ohren - der Ball torkelt über die Linie. Ein tosender Freudenschrei erfüllt die Arena, die Anzeigetafel leuchtet auf:
Torschützen:
Heartbol, Kevin 1:0 <58 min.>
Seitz, Ahbd 1:1 <92 min.>
Indass, Thor 1:2 <94 min.>
Mission completed
ready for take off
Macropodidae der recos-Monde
Sixalag 1
sind doch die besten Fußballer.