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Bitte warten
Beeil dich! Wie lang soll ich noch warten?
Was kann ich inzwischen erledigen? Meine Fingernägel reinigen? Nein, das ist unschicklich. Mein Lippenrot erneuern? Ja, das geht. Ich krame in meiner Tasche, eine Kinokarte kommt zum Vorschein.
Du bist hoffentlich bald da.
Warum habe ich mir diesen Schmachtfetzen angetan? Was habe ich mir davon versprochen? Gib schon zu, sage ich zu mir, du hast angenommen, es bietet sich eine Gelegenheit, Kurt von deinen schriftstellerischen Qualitäten zu überzeugen. Du bist reingefallen, dieser schleimige Kerl ist überhaupt nicht Lektor im Kobold-Verlag, sondern sitzt im Portierkasten.
Warum kehrst du um?
Als Kurt bei der Szene mit der Feuersbrunst einen Dildo aus der Tasche zog, hätte ich verschwinden sollen. Ich blieb sitzen. Ließ geschehen, dass er mich mit dem Ding bearbeitet, drehte und wendete mich stöhnend, kam als die Feuerwehrmänner ihren Spritzen auspackten.
Was treibst du so lange? Langsam reißt mir der Geduldsfaden!
Ich finde alles Mögliche in meiner Handtasche, jedoch der Lippenstift bleibt verschollen. Ein paar Münzen sind aus meiner Börse gerutscht, ein Kugelschreiber hat sich im Regenschirm verklemmt. Ein feuchtes Papiertaschentuch beherbergt Reste eines Mohnbrötchens. An einem Himbeerbonbonklumpen pappt ein Fetzen Papier.
Wenn Du nicht augenblicklich erscheinst, kannst du mir langsam aber sicher gestohlen bleiben.
Auf diesem Wisch teilt man mir „mit Bedauern“ mit, dass ich mit „sofortiger Wirkung“ beim Poetry Slam im Saal der Friedenau Hausverbot habe. Als ob ich darauf brennen würde, mich erneut in den Aufmarsch der Profilneurotiker einzureihen! Die Meisten kann man getrost weglassen und mir eine längere Redezeit einräumen. Habe ich etwas begonnen, bringe ich es auch zu Ende. Breitschultrige Herren, die mich mit Gewalt aus dem Rampenlicht zerren, schrecken mich nicht ab. Mich nicht.
Spute dich gefälligst, ich warte nicht gerne.
Meinen Lippenstift, wo habe ich ihn versteckt? Die Rechnung von Feinkost-Müller über satte einhundertfünfzig Euro sticht mir ins Auge. Eine Fehlinvestition ohnegleichen.
Ein fetter, alter und behaarter Affe hält bei „ Fliegende Letter“, einer renommierten Literaturzeitschrift, die Fäden in der Hand. Er wird im Impressum nicht erwähnt, Insider allerdings wissen, wo der Bader den Most holt. Der Kerl soll in dem Käseblatt die Veröffentlichung meiner Ballade vom greinenden Wombat lancieren.
Wenn Du nicht binnen fünf Minuten hier bist, gehe ich, definitiv!
Ich war selig, als er geruhte meine Einladung zum Essen anzunehmen. Er konnte nicht anders. Ich lauerte ihm beim Parkplatz auf, schwang mich in seiner Stammkneipe auf den Barhocker neben ihn. Besetzte sein Büro, nachdem ich seine Sekretärin in der Besenkammer eingesperrt hatte. Ich sprang in den eiskalten See, an dem er ab und an angelte, tauchte buchstäblich unmittelbar am Steg auf. Im Fußballstation, im Konzertsaal und in der gemischten Sauna rückte ich ihm auf die Pelle. Er drohte, mich anzuzeigen, eine einstweilige Verfügung zu erwirken.
Die Zeit ist verstrichen, wo bleibst du?
In einer Neumondnacht gelang es mir, den Widerspenstigen in eine Ecke des Parkhauses zu bugsieren. Er weigerte sich zunächst. Erst als ich ihn mit meinem Stilett kitzelte, stimmte er freudig zu, ein opulentes Mahl in meiner bescheidenen Behausung einzunehmen. Jetzt hat er reichlich Zeit zu bereuen, dass er mich versetzt hat. Im modrigen Keller der stillgelegten Brauerei kann er bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf Hilfe warten und mit den Ketten rasseln, in die ich ihn gelegt habe.
Es reicht! Ich nehme die Treppe, du dämlicher Fahrstuhl.