Hi custos!
Also als Einstieg war der Text schon ganz gut. Ich habe von erfahreneren Mitgliedern schon bedeutend schlechtere gesehen.
Mir hat er insgesamt schon gefallen, und das ist, wie Bella ganz richtig angeführt hat, bei so kurzen Texten nicht leicht. Die allermeisten von der Art, die ich bisher gelesen habe, wurden von mir mit glattem Verriss abgestraft.
Was die Hintergrundgeschichte angeht, so kommt es wohl auf das Publikum an. Wenn du die Geschichte in einer Anthologie mit dem Thema "Sehnsucht" oder eine Magazinrubrik für poetische Texte veröffentlichst, braucht es keine Hintergründe; das Gefühl der Sehnsucht ist das Entscheidende, und darauf ist der Leser auch eingestimmt. Bei einem Publikum, das eine konkrete Geschichte bevorzugt, ist der Hintergrund wichtig.
Von mir selbst kann ich sagen, dass mich die Abstraktheit nicht gestört hat. Andererseits bleibt mir der Inhalt so auch nicht lange im Gedächtnis, es ist ein "Appetithappen für Zwischendurch", nicht mehr.
Der Stil würde mich dann stören, wenn es ein längerer Text wäre. Aber die paar Zeilen hindurch kann ich das wehmütige Stimmungsbild und die getragene Sprache durchaus genießen.
Ich hätte auch einige Verbesserungsvorschläge:
Stets beobachtet er die Vögel, beneidet sie sogar,
Dieses Wort impliziert eine Steigerung zwischen den Verben. Aber
beobachten und
beneiden haben doch so direkt nichts miteinander zu tun, oder?
Besser, du widmest dem "Beneiden" einen eigenen Satz: "Stets beobachtet er die Vögel. Er beneidet sie für ..."
( ihre Freiheit/ihre Anmut/ihr sorgenfreies Leben )
Dir fällt schon was Besseres ein.
Alles redet durcheinander, sodass er nur Fetzen ferner Kulturen und Orte erfährt.
Das ist ein schiefes Bild. Kann man Fetzen erfahren?
Und Fetzen von Kulturen und Orten ... Kann man diese denn zerfetzen?
Vorschlag: "... sodass er nur Satzfetzen hört und allenfalls eine Ahnung von den vielen fernen Kulturen und Orten bekommt."
Manchmal im entzückten Säuseln und andere Male in grollender Donnerstimme.
I
n entzückte
m Säuseln, es sei denn, du schaffst einen konkreten Vergleich im selben Satz.
Manchmal und
andere Male lassen sich schlecht in direkte Beziehung setzen. Ersteres bezeichnet die Häufigkeit, Letzteres ist eine zeitliche Zuordnung.
Auch wenn Wortwiederholungen selten gut kommen, hier kannst du zweimal "manchmal" einsetzen. Das geht als Anapher durch.
aber zu aufgebracht sind sie, als dass
Unverständlich aber mit wunderbar sonorer Stimme singt er vom Erlebten oder verabschiedet sich höhnisch auf das er diesen Ort ersuchen kann.
Nur um Bellas Kommentar an dieser Stelle zu bekräftigen: Hier holpert es besonders stark. Was meinst du denn damit? Sagt der Wind "Ätsch, ich komme überall hin und du nicht?" Dann solltest du das in eine korrekte Formulierung packen.
Selbst der Himmel sendet glühend züngelnde Fingerzeichen, um ihm den Weg zu leiten.
Wieder ein schiefes Bild. "Züngelnde Fingerzeichen"?

Du kannst eine Sache nicht gleichzeitig mit Fingern und Zungen vergleichen. Das Gezüngel kann weg, "glühende Fingerzei
ge" genügt völlig ( ja, so heißt es richtig

).
Und das heißt am Ende entweder "... um ihm den Weg zu
zeigen" oder "... um
ihn zu leiten", Letzteres eher nicht, weil der Prot ja noch nicht aufgebrochen ist.
Vergiss außerdem nicht, das Komma einzusetzen.
Hinter dieser Wand aus feinsten Flüssigkeitströpfchen, vermutet er eine andere Welt.
Das Kömmachen kann weg.
Schon oft war er in dieser Welt, wenn er sich Nachts in sein Bett schlich und schnell die Augen schloss.
Das Wort ist gut gewählt.

Aber wieso schließt er
schnell die Augen?
Wenn er doch nur der Bruder des Aaron und der Mirjam wäre,
Äh, *hüstel* ich will ja nicht ungebildet erscheinen, aber wer waren die beiden doch gleich?
die Wellen zum Schweigen bringen
verliert den Halt und zerschellt an einer Binsenquecke.
Zerplatzt wäre angemessener. Zerschellen tun nur harte Gegenstände.
Ähm, ach ja, und was war doch gleich eine Binsenquecke?
„Bis morgen“ flüstert er gegen die erneut aufbrausende Geräuschfaust und geht.
Die Metapher passt nicht so recht. Die Meeresbrandung kann man manchmal so verbildlichen, aber das Meer ist der Ort, an dem seine Sehnsüchte Gestalt gewinnen. Eine Faust aber ist etwas, vor dem man in Deckung geht, das man meidet, und eine Faust braust nicht auf. Vielleicht wäre "anbrandende Kakophonie" besser.
Da ist mir beim nochmaligen Überlesen was aufgefallen:
Oft nimmt er sich die Zeit und setzt sich in das nasse Gras. Konzentriert sich, aber zu aufgebracht sind sie, als das eine Welle der anderen den Vortritt lassen würde.
Auch der Wind ist ihm ein Fremder. Unverständlich aber mit wunderbar sonorer Stimme singt er vom Erlebten oder verabschiedet sich höhnisch auf das er diesen Ort ersuchen kann.
Selbst der Himmel sendet glühend züngelnde Fingerzeichen um ihm den Weg zu leiten.
Wieso ist der Wind ihm ein Fremder, und inwiefern dient das dann Folgende dazu, dies zu verdeutlichen? Und warum fängt der nächste Satz mit "Selbst" an, was eine inhaltliche Kontinuität impliziert? Der Wind ist ihm fremd, aber leiten kann einen nur etwas, das Vertrautheit weckt.
Im ersten Satz nochmal das Fettgedruckte lesen. Wäre nicht besser "Zu aufgebracht sind die Wellen, als dass eine der anderen ..."?
Hoffe, das konnte dir weiterhelfen.
Ciao, Megabjörnie