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Blick in die Ferne

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23.09.2005
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Blick in die Ferne

Blick in die Ferne

Nebel, wie jeden Morgen sieht er in das triste Grau, als würde er darin etwas suchen.
Sein stummer Blick ist nie nach vorne gerichtet, wenn sich die nackten Füße durch den Sand graben. Stets beobachtet er die Vögel, beneidet sie sogar, und sieht auf das Wasser. Spricht mit den Wellen und versucht ihnen Geheimnisse zu entlocken. Alles redet durcheinander, sodass er nur Fetzen ferner Kulturen und Orte erfährt. Manchmal im entzückten Säuseln und andere Male in grollender Donnerstimme.
Oft nimmt er sich die Zeit und setzt sich in das nasse Gras. Konzentriert sich, aber zu aufgebracht sind sie, als das eine Welle der anderen den Vortritt lassen würde.
Auch der Wind ist ihm ein Fremder. Unverständlich aber mit wunderbar sonorer Stimme singt er vom Erlebten oder verabschiedet sich höhnisch auf das er diesen Ort ersuchen kann.
Selbst der Himmel sendet glühend züngelnde Fingerzeichen um ihm den Weg zu leiten.
Hinter dieser Wand aus feinsten Flüssigkeitströpfchen, vermutet er eine andere Welt. Weit entfernt, irgendwo da draußen laufen kleine Kinder Hand in Hand mit den Engeln, ist das Wasser unendlich klar und das Leben ohne Sorgen. Schon oft war er in dieser Welt, wenn er sich Nachts in sein Bett schlich und schnell die Augen schloss. Dann entschwand er dem Jetzt, erhob sich in seine Träume und spazierte auf der anderen Seite des Meeres.


Wenn er doch nur der Bruder des Aaron und der Mirjam wäre, die Wellen zum schweigen bringen und einfach hindurchgehen könnte.
Ein Träne rinnt an seiner Wange hinunter, verliert den Halt und zerschellt an einer Binsenquecke. Sie wird sich zu den zahlreichen anderen gesellen, die er an diesem Ort schon ließ.
„Bis morgen“ flüstert er gegen die erneut aufbrausende Geräuschfaust und geht.

 

hi,

jetzt hab' ich auch endlich mal was vollbracht.
das ist meine erste wirklich zu ende geschriebene geschichte. hoffe sie gefällt ein bisschen und ihr könnt mir ein paar verbesserungstipps geben.

mfg tobias

 

Hallo Custos,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de und Glückwunsch zur ersten beendigten Geschichte!

Es gibt nur sehr wenige wirklich kurze Geschichten, die ich mag. Ich finde, bei sehr kurzen Geschichten muss jedes Wort sitzen - leider habe ich das bei dir nicht so empfinden. Das Grundgefühl innerhalb deiner Geschichte war Sehnsucht, oder? Ich schätze dein Prot. ist sehr einsam, träumt sich seine eigene Welt. Er weiß natürlich, dass er diese Welt nie betreten wird und das macht ihn noch trauriger und einsamer. Immerhin sind das schon eine Menge Infos, die man aus dieser Geschichte herauslesen kann, ohne das du sie explizit erwähnst.
Mich würden Hintergründe interessieren. Wie wurde er zu dem, der er ist? Ich meine jetzt nicht, dass du seine Lebensgeschichte aufschreiben sollst, aber ein paar Sätzchen würden hier ganz gut tun, finde ich.
Insgesamt habe ich mich an deinem Stil etwas gestört. Er wirkt mir arg gewollt bzw. du versuchst damit zu beeindrucken, allerdings kann ich mit Wendungen wie

Unverständlich aber mit wunderbar sonorer Stimme singt er vom Erlebten oder verabschiedet sich höhnisch auf das er diesen Ort ersuchen kann.
nix anfangen. Zumal ich nicht genau verstehe, was du mit dem letzten Teil des Satzes sagen möchtest.
Ich finde einen einfachren Stil oft viel schöner.

LG
Bella

 

Hi custos!

Also als Einstieg war der Text schon ganz gut. Ich habe von erfahreneren Mitgliedern schon bedeutend schlechtere gesehen.

Mir hat er insgesamt schon gefallen, und das ist, wie Bella ganz richtig angeführt hat, bei so kurzen Texten nicht leicht. Die allermeisten von der Art, die ich bisher gelesen habe, wurden von mir mit glattem Verriss abgestraft.
Was die Hintergrundgeschichte angeht, so kommt es wohl auf das Publikum an. Wenn du die Geschichte in einer Anthologie mit dem Thema "Sehnsucht" oder eine Magazinrubrik für poetische Texte veröffentlichst, braucht es keine Hintergründe; das Gefühl der Sehnsucht ist das Entscheidende, und darauf ist der Leser auch eingestimmt. Bei einem Publikum, das eine konkrete Geschichte bevorzugt, ist der Hintergrund wichtig.
Von mir selbst kann ich sagen, dass mich die Abstraktheit nicht gestört hat. Andererseits bleibt mir der Inhalt so auch nicht lange im Gedächtnis, es ist ein "Appetithappen für Zwischendurch", nicht mehr.

Der Stil würde mich dann stören, wenn es ein längerer Text wäre. Aber die paar Zeilen hindurch kann ich das wehmütige Stimmungsbild und die getragene Sprache durchaus genießen.

Ich hätte auch einige Verbesserungsvorschläge:

Stets beobachtet er die Vögel, beneidet sie sogar,

Dieses Wort impliziert eine Steigerung zwischen den Verben. Aber beobachten und beneiden haben doch so direkt nichts miteinander zu tun, oder?
Besser, du widmest dem "Beneiden" einen eigenen Satz: "Stets beobachtet er die Vögel. Er beneidet sie für ..." ( ihre Freiheit/ihre Anmut/ihr sorgenfreies Leben )
Dir fällt schon was Besseres ein. ;)

Alles redet durcheinander, sodass er nur Fetzen ferner Kulturen und Orte erfährt.

Das ist ein schiefes Bild. Kann man Fetzen erfahren? :(
Und Fetzen von Kulturen und Orten ... Kann man diese denn zerfetzen?
Vorschlag: "... sodass er nur Satzfetzen hört und allenfalls eine Ahnung von den vielen fernen Kulturen und Orten bekommt."

Manchmal im entzückten Säuseln und andere Male in grollender Donnerstimme.

In entzücktem Säuseln, es sei denn, du schaffst einen konkreten Vergleich im selben Satz.
Manchmal und andere Male lassen sich schlecht in direkte Beziehung setzen. Ersteres bezeichnet die Häufigkeit, Letzteres ist eine zeitliche Zuordnung.
Auch wenn Wortwiederholungen selten gut kommen, hier kannst du zweimal "manchmal" einsetzen. Das geht als Anapher durch. ;)

aber zu aufgebracht sind sie, als dass

Unverständlich aber mit wunderbar sonorer Stimme singt er vom Erlebten oder verabschiedet sich höhnisch auf das er diesen Ort ersuchen kann.

Nur um Bellas Kommentar an dieser Stelle zu bekräftigen: Hier holpert es besonders stark. Was meinst du denn damit? Sagt der Wind "Ätsch, ich komme überall hin und du nicht?" Dann solltest du das in eine korrekte Formulierung packen.

Selbst der Himmel sendet glühend züngelnde Fingerzeichen, um ihm den Weg zu leiten.

Wieder ein schiefes Bild. "Züngelnde Fingerzeichen"? :confused: Du kannst eine Sache nicht gleichzeitig mit Fingern und Zungen vergleichen. Das Gezüngel kann weg, "glühende Fingerzeige" genügt völlig ( ja, so heißt es richtig :teach: ).
Und das heißt am Ende entweder "... um ihm den Weg zu zeigen" oder "... um ihn zu leiten", Letzteres eher nicht, weil der Prot ja noch nicht aufgebrochen ist.
Vergiss außerdem nicht, das Komma einzusetzen.

Hinter dieser Wand aus feinsten Flüssigkeitströpfchen, vermutet er eine andere Welt.

Das Kömmachen kann weg.

Schon oft war er in dieser Welt, wenn er sich Nachts in sein Bett schlich und schnell die Augen schloss.

Das Wort ist gut gewählt. :thumbsup: Aber wieso schließt er schnell die Augen?

Wenn er doch nur der Bruder des Aaron und der Mirjam wäre,

Äh, *hüstel* ich will ja nicht ungebildet erscheinen, aber wer waren die beiden doch gleich? :D

die Wellen zum Schweigen bringen

verliert den Halt und zerschellt an einer Binsenquecke.

Zerplatzt wäre angemessener. Zerschellen tun nur harte Gegenstände.
Ähm, ach ja, und was war doch gleich eine Binsenquecke? :shy:

„Bis morgen“ flüstert er gegen die erneut aufbrausende Geräuschfaust und geht.

Die Metapher passt nicht so recht. Die Meeresbrandung kann man manchmal so verbildlichen, aber das Meer ist der Ort, an dem seine Sehnsüchte Gestalt gewinnen. Eine Faust aber ist etwas, vor dem man in Deckung geht, das man meidet, und eine Faust braust nicht auf. Vielleicht wäre "anbrandende Kakophonie" besser.

Da ist mir beim nochmaligen Überlesen was aufgefallen:

Oft nimmt er sich die Zeit und setzt sich in das nasse Gras. Konzentriert sich, aber zu aufgebracht sind sie, als das eine Welle der anderen den Vortritt lassen würde.
Auch der Wind ist ihm ein Fremder. Unverständlich aber mit wunderbar sonorer Stimme singt er vom Erlebten oder verabschiedet sich höhnisch auf das er diesen Ort ersuchen kann.
Selbst der Himmel sendet glühend züngelnde Fingerzeichen um ihm den Weg zu leiten.

Wieso ist der Wind ihm ein Fremder, und inwiefern dient das dann Folgende dazu, dies zu verdeutlichen? Und warum fängt der nächste Satz mit "Selbst" an, was eine inhaltliche Kontinuität impliziert? Der Wind ist ihm fremd, aber leiten kann einen nur etwas, das Vertrautheit weckt.
Im ersten Satz nochmal das Fettgedruckte lesen. Wäre nicht besser "Zu aufgebracht sind die Wellen, als dass eine der anderen ..."?

Hoffe, das konnte dir weiterhelfen.

Ciao, Megabjörnie

 

hallo,

danke erstmal, das ihr euch die mühe gemacht habt euch mit meinem text zu befassen. ich dachte mir schon, dass es schwierig wird einen so kurzen text wirklich gut rüber zu bringen.
nun, ich hab' im vorfeld überlegt ob ich hintergrundinformationen zum protagonisten einwerfen sollte aber mir ging es mehr um den moment und dessen stimmung. ich wollte bilder malen und hab' wohl die falschen farben benutzt.

Schon oft war er in dieser Welt, wenn er sich Nachts in sein Bett schlich und schnell die Augen schloss.
du hast recht björnie hier fehlt erklärung. erst dachte ich mir, dass der mann neben der sehnsucht auch probleme in seiner ehe hat. er sollte möglichst jeden kontakt mit der frau meiden und deshalb so schnell wie möglich einschlafen. da ich das aber letztendlich raus gelassen habe fehlt da jetzt der hintergrund :hmm:
Der Bruder des Aaron und der Mirjam ist moses, der ja der legende nach das meer teilte.
Eine Binsenquecke ist eine grasart die gegen meersalz usw. imun ist und deshalb als eine der wenigen pflanzen auch an stränden wächst.
aufbrausende Geräuschfaust
verwendete ich weil er es nicht wagt auf die andere seite zu gehen und dieses nun durch das meer nachgesagt bekommt. das ganze soll dann auf ihn wie ein faustschlag wirken.
Wieso ist der Wind ihm ein Fremder,
weil er nicht versteht was der wind "sagt" aber er glaubt trotzdem zu verstehen was der wind meint und deshalb ist er ihm wieder ein vertrauter ;).
Unverständlich aber mit wunderbar sonorer Stimme singt er vom Erlebten oder verabschiedet sich höhnisch auf das er diesen Ort ersuchen kann.
da hat björnie schon recht. der wind ist ihm vorraus und sagt sozusagen "ätsch"
dem rest der verbesserungsvorschläge werde ich mich auch annehmen und versuchen die geschichte zu verbessern.

schade, dass es den eindruck erweckt ich würde mit meiner sprache beeindrucken wollen. lässt sich vielleicht einfach sagen, aber das war nicht meine absicht. mir ging es darum den moment darszustellen und das in einer wohlklingenden sprache. wenn ich daran gescheitert bin muss ich wohl noch üben.

mfg tobias

 

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