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Blitzlichter

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21.03.2003
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Blitzlichter

Blitzlichter

Lise ist gerade vom Einkaufen zurückgekommen.
Plötzlich klingelt es.
Aber Lise braucht eine Weile, bis sie durch den Flur die Wohnungstür erreicht.
Der Arzt meint, sie habe Wasser in den Beinen.
„Für ihr Alter, Frau Müller, ist das nichts Ungewöhnliches“, sagte der Arzt. Er hatte ihr Tabletten dagegen verschrieben, die Lise täglich einnimmt. Trotzdem ist das viele Treppensteigen im Mietshaus eine Qual, und sie merkt, wie es ihr Tag für Tag schwerer fällt.

Lise öffnet die Tür.
Vor ihr steht ein junger Mann in einem blauen Arbeitsanzug.
Er hält einen schwarzen Koffer in der Hand.
„Ich bin von der Hausverwaltung“, sagt der Mann.
„Ich bin beauftragt, ihre Wohnung auszumessen.“
Lise hatte schon lange nicht mehr mit der Hausverwaltung zu tun gehabt. Das letzte Mal vor zehn Jahren, glaubt sie, da war ein Rohrbruch im Bad gewesen.

Lise bittet den jungen Mann höflich herein.
Der Mann erklärt ihr, dass alle Wohnungen des Hauses neu vermessen werden müssten. Mit einem neuentwickelten Messgerät, sagt er, mit einem sogenannten Elektrolumineszenzapparat.
Lise schaut ihn ungläubig an.
„Das ist eine Art Kamera“, erklärt er. „Ein elektromagnetischer Photonen-Rezeptor.“
Jetzt öffnet er den schwarzen Koffer, holt ein Gerät heraus, das fast so aussieht wie ihr alter Fotoapparat.
„Mit dieser Kamera werde ich jetzt ihre Wohnung ausmessen“, sagt er, „aber vorher müssen sie alle Reflektoren wegräumen, denn die Kamera ist extrem lichtempfindlich.“
Lise weiß nicht, was er mit diesen Reflektoren meint. Sie bittet ihn um eine Erklärung.
„Alle hellen Silberstücke sind Reflektoren“, erklärt er. Dazu zählten Silbermünzen, Silberschmuck, und natürlich auch alle Geldscheine.
Für die Aufnahmen müssten alle Reflektoren kurz in der Toilette deponiert werden, sonst könnte das Messverfahren erheblich gestört werden.
„Auch die Geldscheine?“ fragt Lise verwundert.
„Gerade die Geldscheine“, sagt der Mann, „Geldscheine haben nämlich einen hellen Silberstreifen – aber das wissen sie doch, oder?“
Lise nickt. Natürlich weiß sie das.

Sofort holt Lise ihren Schmuck aus dem Schrank, sucht ihre Verstecke nach Geldscheinen ab, bis sie ein ganzes Bündel zusammen hat. Dann trägt sie alles in die Toilette, legt ihre Wertsachen auf die Kloschüssel.

Der Mann bittet sie, sich bequem im Wohnzimmer hinzusetzen.
Er werde jetzt Fotos in allen Räumen machen, sagt er, das ginge ganz flott, aber vorher müsse man natürlich die Rollläden runterlassen, das Licht ausmachen.
Der freundliche Mann von der Hausverwaltung hilft ihr dabei, die Jalousien zu schließen.
Alle Lichter in der Wohnung werden gelöscht.
„Setzen sie sich ruhig“, sagt er, „den Rest mache ich alleine.“

Lise sitzt in der Dunkelheit auf ihrem Kanapee. Hört Schritte durchs Zimmer gehen.
Plötzlich ein grelles Blitzlicht.
Lise erschrickt.
Im Nachhellen sieht sie die Schwarzweißfotos an der Wand. Bilder von Erich, ihrem Mann, der viel zu früh von ihr gegangen ist.
Dann ist es wieder dunkel.

Das nächste Blitzlicht kommt woanders her. Aus dem Flur wahrscheinlich.
Lise sieht kurz die Umrisse ihrer Möbel, das Gemälde von ihrem Haus in Königsberg. Das Haus hatte sie nach dem Krieg verlassen müssen, es war ein schönes Haus gewesen, eine richtige Villa. Und jetzt, im dunkeln, sieht sie wieder alles vor sich: das kleine Türmchen auf dem Dach, die Veranda, der blühende Garten.

Das dritte Blitzlicht flammt auf.
Lise erschrickt wieder, weiß selbst nicht, warum. Vielleicht hatte sie an eine Explosion gedacht, an Bomben. Aber sie ist ja immer noch in ihrer Wohnung. In Sicherheit.

„Ich werde jetzt Aufnahmen in ihrer Küche machen“, sagt eine Stimme.
Lise hört, wie sich die Wohnzimmertür schließt, das Geräusch ist ihr gut vertraut.
Danach sieht Lise kein Blitzlicht mehr.
Nur schwarze Stille.

Der Mann bleibt aber sehr lange in der Küche, denkt sie nach einer Weile.
„Hallo?“, ruft sie in die Dunkelheit.
„Sind sie fertig?“
Aber sie hört keine Antwort.
Lise macht das Licht an.
Vorsichtig schleicht sie zur Wohnzimmertür, schiebt die Tür auf, schaut in den dunklen Flur.
Lise hat Angst. Spürt, wie ihre Beine zittern.
Und erst als sie ganz sicher ist, dass niemand mehr in ihrer Wohnung ist, öffnet sie die Toilettentür.
Lise kann es nicht fassen: Das Silber, das Geld, alles ist weg.

Sofort ruft sie die Polizei an, wählt die 110.
„Ein Diebstahl“, sagt sie, „kommen sie schnell!“
Lise ist so aufgeregt, dass ihr beinahe der Telefonhörer aus der Hand fällt, während sie ihre Adresse mitteilt. Als sie auflegt, bleibt sie noch eine Weile auf dem Stuhl sitzen, beruhigt sich erst mal.
Danach geht sie zum Fenster, zieht die Jalousien wieder hoch.
Ein Polizeiauto kommt mit Blaulicht angerauscht.
Vom Fenster aus sieht sie, dass der Wagen direkt vor dem Hauseingang hält. Zwei Polizisten steigen aus und klingeln bei ihr.
Lise geht zur Wohnungstür, so schnell sie kann.

Die Polizisten sind freundlich zu ihr. Aufgeregt erzählt die alte Frau von dem Ereignis, dabei bringt sie einiges durcheinander, wiederholt sich ständig.
Zwar hatte sie die ganze Vermessungsangelegenheit nicht verstanden, auch die Sache mit dem komischen Apparat nicht - aber irgendwie versucht Lise zu erklären, oder wenigstens zu schildern, was geschehen war. Und sie gibt ihr bestes dabei.

Während Lise redet, bemerkt sie, dass der jüngere Polizist leicht schmunzelt.
Der ältere Polizist fragt sie dann nach Vorname, Nachname, Geburtsdatum.
„Annelise Müller, zehnter Januar, 1919“, antwortet Lise.
Der ältere Polizist kritzelt etwas auf einen Block und der jüngere überprüft sein Handy.
„Geboren in Königsberg“, fügt sie noch hinzu.
„Wir werden der Sache nachgehen“, sagt der Polizist und steckt den Notizblock wieder ein.
Zum Abschied lüften beide noch ihre Dienstmützen

Vom Fenster aus sieht Lise die Polizisten zu ihrem Wagen gehen.
Sie scheinen belustigt zu sein.
Lise sieht, wie der eine dem anderen einen Vogel zeigt. Der andere sagt etwas, und beide lachen.

Der Polizeiwagen fährt ohne Blaulicht davon.

Wolf W. 2003

 
Zuletzt bearbeitet:

Heyho kleiner Wolf.
Deine Geschichte wirkt mir zu berichtend, daher zu absehbar. Natürlich tut die alte Frau einem ein wenig Leid ob ihrer Naivität. Warum sie sich jedoch so naiv verhält erfährt man nicht. Es wäre wohl interessant gewesen, näher auf ihr Seelenleben einzugehen (auch zum Schluss), doch das tut der Text nicht, bis auf die kurzen Erinnerungen an Rohrbrüche und KÖnigsberg.
So bleibt eine absehbare Handlung mit dem Charme einer "Nepper, Schlepper, Bauernfänger"-Sendung. Das die Polizisten sie nicht für voll nehmen ist nicht unbedingt der Wendepunkt, der mich jetzt aus den Socken hauen würde, zumal ich mal annehme, dass auch Polizisten nur Menschen sind und sich nicht unbedingt derartig offen über die Protagonisten lustig machen (vielleicht gibt´s, wie immer, Ausnahmen).
Fazit: Berührt mich nicht, da durchschnittliche Handlung und allzu "robuste" Umsetzung.
MfG,
...para

Paar Fehlerchen, z.B. "Liese geht zur Wohnungstür, so schnell sie kann." = "Lise"

 

Hallo kleiner Wolf,

mich hat Deine Geschichte leider nicht richtig begeistert. Das mag an den kurzen und machmal abgehackten Sätzen liegen. Ich hätte mir ab und an eine weniger sachliche Sprache und dafür ein paar Ausschmückungen gewünscht.
Die Gefühle des Prots bleiben für mich auch etwas blass. Wie hat Lise sich gefühlt, als sie einen fremden Mann in ihre Wohnung gelassen hat? Wie ging´s ihr, als sie im dunklen Wohnzimmer saß? Darüber hätte ich gern mehr gelesen.
Dann hätte ich es glaube ich auch nicht so schlimm gefunden, dass das Ende der Geschichte vom 2. Absatz an klar ist.

Ein paar Fehler sind mir noch aufgefallen:

Lise war gerade vom Einkaufen zurückgekommen.
Lise ist gerade vom Einkaufen zurückgekommen.
Lise weiss nicht, was er mit diesen Reflektoren meint.
Natürlich weiss sie das.
Lise erschrickt wieder, weiss selbst nicht, warum.
weiß
Der Mann bittet sie, sich bequem im Wohnzimmer hinzusetzten.
hinzusetzen

Liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo zusammen!
Vielen Dank euch beiden fürs Lesen, für das ehrliche Feedback!

@paranova:
Du meintest, dass die Geschichte zu "berichtet" wirkt und das Ende auch "absehbar" sei.
Dazu muss ich folgendes sagen: die Geschichte hat sich in Grundzügen tatsächlich so ereignet! Das habe ich aus einem SPIEGEL-Artikel entnommen (leider hab ich die Ausgabe nicht aufgehoben, ist auch schon einige Jahre her).
Also, diese "Masche" scheint wirklich jemand durchgezogen zu haben, auch mit Erfolg. Trotzdem glaube ich nicht, dass die Geschädigten - (bevorzugt ältere Personen, laut Artikel) - dass sie "naive" Leute waren. Vielleicht hat sich der Täter ja gut verkauft, und die 'moderne Technik' mag ältere Menschen beeindruckt haben - Und dass Lise ebenfalls mißtrauisch reagiert, wollte ich auch im Text andeuten, aber das kommt wohl nicht klar genug heraus...

Aber nun zur Geschichte:
Ich wollte keinen reinen 'Bericht' schreiben, der sich dann wie ein langweiliger Polizeibericht liest - ein wenig ausschmücken wollte ich das Ganze schon, aber trotzdem irgendwie sachlich, objektiv bleiben. Vielleicht könnte ich ihr Seelenleben noch mehr schildern, da magst du Recht haben...
Zu den Polizisten wollte ich noch sagen: dieser Abschnitt ist von mir frei erfunden.
Ich glaube nicht, dass sich Polizisten über Geschädigte offen lustig machen, das bestimmt nicht, und so wollte ich das auch nicht darstellen.
Aber wäre ich Polizist - ich hätte das der Frau nicht abgenommen.
Wahrscheinlich hätte ich die Sache als phantasievolle Verwirrtheit einer alten Frau abgetan, und den Fall gleich zu den Akten gelegt, weil mir die Tat zu unglaubwürdig erschiene (Bin ja zum Glück kein Kriminalist geworden :D )

MfG,
Wolf


@Juschi:
Auch du hast dir mehr Gefühlsbeschreibungen gewünscht.
Meine Absicht war es, die Gefühle der Prot., nämlich: Argwohn, Ängste, Verwirrung und Empörung - eben nur anzudeuten.
Ich finde es nämlich schön, wenn Gefühle im Leser selbst entstehen.
Vielleicht funktioniert die Geschichte nicht richtig, das mag sein. Aber mich hat der kurze SPIEGEL-Artikel irgendwie berührt, als ich ihn damals las, obwohl alles sehr knapp und sachlich geschrieben war...

MfG,
Wolf

 

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