Blutdurst
Ich verspüre diesen Appetit. Diesen immensen Durst. Nichts kann ihn mir nehmen, außer ihm nachzugeben. Diesem Drang. Ich muss einfach Blut haben.
Doch wie soll ich dran kommen? Klar, nimm ein Messer, ritz dir die Haut auf und dann trink.
Ich möchte mich aber nicht schneiden. Nein, das möchte ich nicht. Aber wie soll ich sonst an mein Blut kommen. Mich beißen funktioniert nicht. Ich kriege höchstens Abdrücke hin. Wie soll ich meinen Durst stillen. Er wird immer mächtiger. Größer. Obsessiver. Ich will Blut, und zwar jetzt. Ich will mich aber nicht schneiden. Gefangen in der Ambivalenz. Wie üblich. Beide Wünsche gleich stark. Aber es wird nach einer Seite kippen, irgendwann. Welche Seite wird es sein. Ich lecke mir wie ein Alki die Lippen beim Gedanken an Blut.
Nun ist es klar. Der Durst gewinnt. Mehr wie in Trance, als bewusst handelnd, geh ich auf den Schrank zu und hole das Messer. Das Messer, das nur diesem einen Zweck dient - meine Haut zu öffnen. Wie zeremoniell setze ich mich auf den Boden auf meine Fersen. Das Messer liegt gut in meiner Hand. Ich streichle die Klinge zärtlich, nehme Kontakt zu ihr auf. Dann führe ich sie mit Druck über meinen Unterarm. Eine winzige Ritzung nur. Oberflächlich - aber blutend. Sanft liebkosend schließen sich meine Lippen um die Wunde. Meine Zunge leckt vor Gier. Endlich. Der Geschmack dieser magischen Flüssigkeit in meinem Mund. Ein Wohlgefühl bereitet sich in meinem ganzen Körper aus. Entspannung. Endlich Ruhe. Ich sauge um noch mehr zu bekommen. Tröpfchenweise rinnt das warme Nass über meine Zunge. Jeder Tropfen ein Segen. Eine Befriedigung, wie es sie sonst nicht gibt. Ich will mehr, mehr, mehr. Ich ritze noch eine Stelle auf. Das gleiche Prozedere. Dieser metallische Geschmack in meinem Mund. Die Wärme des roten Nass.
Irgendwann ist der Durst gestillt. Ich höre auf zu saugen und zu lecken. Mein Arm ist um ein paar Narben reicher. Die bei der Masse der übrigen Narben allerdings kaum auffallen.
Wann wird es wieder soweit sein?
Dorilys Selene Anaxander