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Blutfehde Derkodan

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12.06.2005
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Blutfehde Derkodan

Den Finger an der Abschusssehne, die Augen starr auf die Schattengestalt gerichtet, deren einzige Sorge es zu sein schien, rasch den schutzbietenden Türvorsprung zu erreichen, spürte Contrajo kaum mehr den herabprasselnden Regen, der seinen Mantel schwarzem Blei gleich auf seinen Schultern lasten ließ.
Sein Puls war ruhig und seine Hände hielten den Bogen sicher; erschreckend sicher, merkte er doch, wie der spärliche Rest seines Gewissen sich noch immer gegen seine Gefühle wehrte. Doch es war die Gier nach Vergeltung, die seine Vernunft wie eine graue Klaue umschloss.
Contrajo kniff die Augen enger zusammen. Da geschah es, dass die Regenschleier mit Mal auseinander rissen und im Licht eines Blitzes erkannte er das Gesicht des Mannes. Zu spät hob dieser den Blick zum Wehrgang. Das letzte, was er sehen sollte, war nur ein Schatten vor einem Himmel aus brodelnder Dunkelheit.

Der Donner schlug herab und untermalte den todbringenden Treffer.
Mit stummer Miene sah Contrajo sein Ziel zusammenbrechen und zugleich legte sich ein lindernder Schatten aus Genugtuung über die Rachsucht, die ihn bis hierher getrieben hatte.

„Contrajo, der Sanftmütige!“ erklang es da unvermittelt hinter ihm und der Schütze fuhr erschrocken herum, um sogleich in das breite, spöttische Grinsen einer jungen Frau blicken zu müssen. „Contrajo, der Friedsame. Der Gütige. Die Stimme eures Gewissens!“ Sie kostete den Moment wahrhaft aus, während eine heimtückische Schadenfreude in ihren Augen funkelte. „Und jetzt steht er hier!“
Von plötzlichen Unbehagen erfüllt, zog Contrajo sich die schwarze Kapuze tiefer ins Gesicht.
„Als Rachengel!“
Die Wut übermannte ihn mit einer Stärke, wie er es selten erlebt hatte. Grob packte er das Handgelenk der Frau und warf ihr unter dem Rand seiner Kapuze einen langen, vernichtenden Blick zu. „Halt den Mund, Ladiene! Sie werden uns noch entdecken!“
Sie machte eine Kopfbewegung zu der Leiche im Hof und sagte regelrecht sanft: „Keine Sorge. Dafür hast du schon gesorgt.“
Contrajo rang sich ein unwilliges Grollen ab und stieß ihre Hand fort, ehe er sich seinen Bogen grob über die Schulter legte. Seine Kleider waren inzwischen völlig durchnässt und klebten wie eine zweite, kalte Haut.
Er hätte sie bemerken müssen! Er hätte ahnen müssen, dass sie seine vorgetäuschte Ruhe durchschauen und ihm folgen würde!

Das einzige, was er nun wollte, war auf dem schnellsten Wege von hier zu verschwinden, bevor diese Bastarde den Toten fanden!
Er wandte sich zum Gehen. Wenn er...
„Wegen Dhurio, richtig?“
Contrajos Körper verkrampfte sich, als er den Namen seines Bruders hörte. Den Namen seines toten Bruders.
Ermordet.
Auf den feuchten Steinen des Wehrgangs glänzte sein dunkles Spiegelbild im Licht eines Blitzes.
Gerächt.
„Es ist Vergangenheit“, erklärte er tonlos und hätte er nicht dieses leise Nagen an seinem verwundeten Herzen gespürt, er hätte sich mit dieser Antwort in sein altes Leben zurückgezogen, ohne dem Ganzen je wieder einen einzigen Gedanken zu widmen.
„Natürlich“, grinste Ladiene wissend und folgte ihm, als er den Wehrgang entlang ging, den Blick in die Ferne gerichtet. Leichthin fuhr sie fort: „Du wirst es einfach vergessen. So wie Silbano den Mord an seinen Eltern vergessen hat. So wie Elijanna über den Foltertod ihres Mannes hinweggekommen ist.“ Plötzlich wurde ihre Stimme schneidend. „Oder so wie ich vergessen habe, wie sie meiner kleinen Schwester vor meinen Augen die Kehle durchschnitten!“

Nun blickte Contrajo zu ihr zurück. Er sah den Zorn und den nie erloschenen Hass in ihren Augen brennen. Im Schein der Blitze fiel ihm wieder auf, wie ausgezehrt und schmal das Gesicht der jungen Frau wirkte und um wie viel älter sie ihr Groll machte.
Das letzte Stück zum nächsten Wehrturm gingen sie schweigend nebeneinander her. Dort angelangt, trat Contrajo unter den Schutz des schmalen Vordachs, lehnte sich gegen die kalten Mauersteine und blickte zu Ladiene herüber. „Ich lasse mich da nicht mit reinziehen“, sagte er ihr entschlossen ins Gesicht.
Sie lachte nur kurz und erwiderte mit undeutbarer Miene: „Du steckst schon mittendrin, glaub mir.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe meinen Bruder gerächt. Das war alles, was ich wollte.“
„Und deine Rache hast du bekommen?“ Es stand mehr als diese bloße Frage in ihren Augen.
Contrajo zögerte und nickte schließlich wider besseren Wissens, denn alles andere hätte bedeutet, sich eingestehen zu müssen, dass Ladiene ihn richtig einschätzte. Dass er nicht aufhören würde, ehe er den wahren Mörder seines Bruders zur Rechenschaft gezogen hatte, und dass es auch damit nicht enden würde...
Die bittere Realität war: Wollte man jeden einzelnen ermordeten Verwandten rächen, müsste man weit mehr als ein Menschenleben damit zubringen. Die Blutfehde Derkodan war ein Teufelskreis aus Mord und Rache innerhalb der mächtigsten von den alten Familien. Niemand konnte mehr mit Bestimmtheit sagen, weswegen oder wann genau dieser schleichende Krieg in all seiner Grausamkeit ausgebrochen war. Doch auf jeder der beiden Seiten war man sich einig, dass man selbst – nur man selbst - das Recht auf den ehrwürdigen Namen Derkodan besaß.
Es war hoffnungslos, zu glauben, der angewachsene Hass könne irgendwann getilgt werden. Er konnte es nicht. Nicht jetzt und nicht in Zukunft!
Darum hatte Contrajo nach besten Kräften versucht, sich dem Sog der Blutfehde zu entziehen...
Was es ihm gebracht hatte?
Er musste sich nur umsehen, dann wusste er es.
„Mach dir nichts vor“, ergriff Ladiene das Wort. „Du konntest dich lange raushalten, aber das ist jetzt vorbei.“ Sie lächelte grimmig. „Willkommen im Krieg.“

 

Hoffe mal, der Start ist mir geglückt :-]

Bisschen was zur Story:
Vorweg gesagt: Die Blutfehde Derkodan war eigentlich als ein viel größeres Projekt geplant
...
Aber auf dem Gebiet der Kurzgeschichten hab ich sowieso Nachholbedarf :-] Wer seit Ewigkeiten der Meinung war, so ne Story müsste mindestens 30-40 Seiten haben,
(damit es zwischendurch Pausen für die ärgsten Bedürfnisse geben kann)
der kommt bei 1-2 Seiten recht arg ins Schwitzen...
Nun gut, ich will hier nicht endlos rumquasseln!
Lest es und wenn ihr Bock habt, bewertet es.

Oh Mann... hehehe... jetzt bin ich offiziell zum Abschuss freigegeben...

 

Na dann wollen wir mal ...

Nein ernsthaft: Deine Story hat mir gut gefallen. Die ersten paar Sätze ließen Böses ahnen: Zu langatmig für meinen Geschmack, zu tief geschachtelt, aber dann bist Du anscheinend warm geworden und die Geschichte gewann an Fahrt.

Nun, es ist ein kleines, feines Stimmungsbild, das grob den epischen Rahmen erahnen lässt, den Du im Kopf hast. Wenn Du den ganzen Roman in der Dichte durchhalten könntest, würde es bestimmt etwas werden. :thumbsup:

Fehler habe ich keine gefunden.

 

Hallo Reddayk, herzlich willkommen auf kg.de!

Als ich den Titel gesehen habe, dachte ich auch, dass es ein epischer Roman von 200 Seiten Länge sein müsste. Schön, dass es das nicht ist, denn viel mehr gibt das Thema auch nicht her - Blutfehden sind meistens blutig und langweilig.
Das Stimmungsbild ist dir gut geglückt, wenn auch der Anfang etwas langatmig erscheint. Auch finde ich, dass die Rolle der Frau nicht ganz klar wird - gehört sie zu den Guten oder zu den Bösen?

weiter so und viel Spaß noch!

gruß
vita
:bounce:

 

@ Naut
Hey! Krass konkreter Dank, Alter! :-]
Du willst was Actionreiches? *Notizzettel an Hirnhaut tacker*
Das tief Verschachtelte kann ich erklären!! Is eigentlich nicht so mein Stil - hatte dann ja auch bald nen Rückfall! Problem war:
Ich hatte keine Ahnung, wie anspruchsvoll ich's machen sollte. Die Horrorszenarien hinter meiner Stirn beförderten euch alle zu Deutschlehrern.
Es freut mich auf jeden Fall total, dass es dir gefällt! :-]

@ vita
Tja, die Sache mit Ladiene. hehehe :-]
Tatsächlich ist der Schreckmoment von Contrajo im ersten Augenblick so ausgelegt, dass er auch einem Feind gegenüberstehen könnte. Aber spätestens, als sie die Ermordung ihrer Schwester erwähnt und mit ihm rumschlendert...
*zuck*
Okay, Gedankenblitz. Thx für die Anregung *gg* (ist nicht schlimm, wenn das jetzt keiner schnallt)
... Ich hatte Ladiene als Verbündete im Sinn, aber man weiß ja nicht, was sich dahinter alles so verbergen kann *unheilvolle Musik aufdreh*
Aber das würde wieder in eine Geschichte viel zu großen Ausmaßen ausarten.
Und die will ich euch ja nicht antun. hehehe
Bitte erwähne nie mehr epische Romane! Ich leide immer noch unter meinem letzten!

---
PS: Ich hasse Deutschlehrer

 

Reddayk schrieb:
[...] Problem war:
Ich hatte keine Ahnung, wie anspruchsvoll ich's machen sollte. Die Horrorszenarien hinter meiner Stirn beförderten euch alle zu Deutschlehrern.
Es freut mich auf jeden Fall total, dass es dir gefällt! :-]
So wie Du das schreibst, gewinne ich den Eindruck, Deutschlehrer seien so etwas wie Werwölfe oder Grippeinfizierte. ;) Manche sind doch ganz nett!
Aber egal: Anspruchsvoll schreiben heißt nicht 58 Sätze in einen zu schachteln. Nichts gegen ein kleines stimmungsvolles Panorama gerade am Anfang - aber dann darf's ruhig etwas an Geschwindigkeit zulegen. Hast Du ja dann auch hinbekommen. Action oder nicht ist mir eigentlich Wurst, hauptsache man pennt nicht beim Lesen ein. Interessante Dialoge wirken da Wunder.
Und die Frau kam wirklich ein bisschen ambivalent 'rüber, so nach dem Motto: Et tu, Brutus?

 
Zuletzt bearbeitet:

Naut schrieb:
So wie Du das schreibst, gewinne ich den Eindruck, Deutschlehrer seien so etwas wie Werwölfe oder Grippeinfizierte. ;) Manche sind doch ganz nett!

Zugegeben, vielleicht habe ich etwas dick aufgetragen. Aber ich bin ein gezeichnetes Kind. Der letzten Deutschlehrer, dem ich mit einer Fantasy-Story kam...
Aber ich erspare mir hier unschöne Einzelheiten.

Naut schrieb:
Anspruchsvoll schreiben heißt nicht 58 Sätze in einen zu schachteln.

Da erzählst du mir nun nichts Neues, Naut. Im Eifer des Gefechts neigt man bloß leider zu Übertreibungen.

 

Hallo Reddayk und auch ein herzliches Willkommen auf kg.de von mir!

Ich muss mich den anderen anschliessen, was den Anfang betrifft, er ist ein bisschen zu schwülstig geraten. Nicht, weil ich Dramatik schlecht finden würde (das gehört doch irgendwie zu Fantasy :D ), aber mE war es eine geballte Ladung zuviel. Ich persönlich schätze subtilere Dramatik, leise, aber wirksam, nur ist das schwer zu realisieren (selber kann ich das also auch nicht).

Trotzdem, ansonsten hat mir dein Erstlingswerk gefallen. Rache ist zwar ein altes Thema, aber ich finde, du hast es gut verarbeitet und die Geschichte nicht in epische Längen gezogen, das braucht es nämlich gar nicht. Die originellste Idee war es zwar nicht, doch deine Sprache gefällt mir sehr.

Wie vita hätte ich gerne etwas mehr über Ladiene und ihre Beziehung zu Contrajo erfahren, ein wenig konkreter, weshalb er so auf sie reagiert, da sie doch offensichtlich derselben Familie angehören. (Ich vermute, weil im "Krieg" ist, aber ist das der einzige Grund?)

Liebe Grüsse
sirwen

 
Zuletzt bearbeitet:

@ sirwen

Thx für die Begrüßung! Aber pass bloß auf, wenn ich hier mal richtig loslege. hehehe
Ich werde mich in den nächsten Tagen auf jeden Fall noch mal extra kritisch hinter den Anfang klemmen.
Dabei stehen jetzt an oberster Stelle auf meiner Todo-List: Schachtelsätze und Schwulst vermeiden, mir mal was Anspruchsvolleres für euch einfallen lassen... *g* Richtig, Herr Lehrer? (Danke, Reddayk! Setzen, SECHS!)

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Hier also die neue Fassung. Zum verbesserten Anfang kamen mehrere Versionen in Frage, bin aber inzwischen zu dem Ergebnis gekommen, dass man diesen Start braucht, um die nötige Stimmungstiefe aufzubauen. Mit kurzen Sätzen wurde das Ganze schrecklich nichtssagend.
Deshalb hab ich bloß einige überflüssige Formulierungen rausgestrichen und am sonstigen Text noch etwas rumgefeilt.

 

Hi Reddayk,

auch von mir ein herzliches, wenn auch verspätetes Willkommen auf kg.de

Zu deiner Geschichte:
Tja, viel bliebt nicht zu sagen, ich kenne die ursprüngliche Version nicht, aber so ist sie kurz, prägnant und stimmungsvoll. Ein schönes Bild, sehr gut, dass du es nicht auf mehr ausgewalzt hast, denn ich denke, dann würde das Rachemotiv allein ziemlich fade.
Schön fand ich die Ambivalenz deines Protagonisten, der sich nicht in den Krieg ziehen lassen wollte und nun dennoch darin steckt. Gut geschildert.

Hm... mir als Bogenschützin fällt natürlich die Anfangsszene deswegen unangenehm auf, weil man im Regen nicht Bogen schießt. Vor allem nicht mit den Bögen aus früherer Zeit, dann geht nämlich die Sehne fratze. Außerdem ist es ziemlich schwer, so etwas zu treffen. :klug: Aber na ja, das fällt wahrscheinlich eh niemand anderem auf.

Ein schöner Einstand, mehr davon ;)

Liebe grüße,

Ronja

:cat:

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Ronja

*Hand aufs Herz* Für den Tipp mit dem Bogen hast du was gut bei mir! Ich kann's jetzt leider nicht mehr aus dem Zusammenhang streichen, aber für die Zukunft merk ich's mir auf jeden Fall!

Gruß, Reddayk :smokin:

 

:thumbsup: Die Überarbeitung ist gelungen, der zähe Beginn ist Vergangenheit.

Kleinigkeit:

dass die Regenschleier mit Mal auseinander rissen und im Licht eines Blitzes erkannte er das Gesicht des Mannes.

 

Hi Reddayk,

hab natürlich gleich mal Deine Story gelesen und geb jetzt mal meinen Senf dazu:

Ich finde, du bekommst die Atmosphäre gut hin, und auch die Spannung zwischen den Protagonisten. Ich interpretiere das so, dass sie ihn verachtet, weil er nicht früher in die Fede eingestiegen ist, wie es seine Pflicht gewesen wäre, und er sich vor ihr schämt, dass er doch von seinen Prinzipien abgefallen ist.
Gefällt mir!

Liebe Grüße
ardandwen

 

:D Thx ardanwen!

Kompliment! Du schätzt Ladiene absolut richtig ein! :) (Hab mir bei ihr echt Mühe gegeben. Frauen so darzustellen, ist manchmal recht knifflig) Aber wie's scheint, hab ich's gut hinbekommen! :rotfl:
Aus den Infos im Text lässt sich schon deuten, dass Contrajo sich in gewisser Form schämt. Aber ich würde es nicht als Weisheits letzter Schluss stehen lassen ;)

Find ich klasse, dass dir auch die Atmosphäre gefällt. Ich habe es gern ein bisschen dunkler,
:-] hehehe

Gruß, Reddayk

 

Hey,

also die hat mir mal richtig gut gefallen. Man ist super in den Charakter reingekommen, die Atmosphäre war gut dargestellt und die Geschichte abgerundet. Das Thema war natürlich nicht neu, aber was solls?! Es hat unterhalten.
Mist, ich kann überhaupt nicht rummeckern. Ernsthaft. Von mir gibs ein :thumbsup:

 

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