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Briefe von der Front
Briefe von der Front
Regelmäßig klingelte es an Mrs. Parkson Tür und sie erhielt Post von ihrem Sohn, welcher vor kurzem erst wie viele in seinem Alter dem patriotischen Ruf gefolgt sind um Europa zu befreien.
5. Juni 1944
Hallo Mutter.
Ich schreibe dir heute einen Tag vor dem „großen Ereignis“ wie es alle nennen. Es ist jetzt gerade mal drei Uhr. Meine Kameraden und ich konnten die ganze Nacht nicht schlafen. Mussten andauernd daran denken wie es morgen sein würde. Harper spricht die ganze Zeit nur davon Hitler in den Arsch zu treten. Verzeih mir den Ausdruck Mutter. Ich muss jetzt Schluss machen. Der Kommandant hat uns gerade mittgeteilt, dass wir in 20 Minuten auf den Schiffen sein müssen. Ich habe davon gehört, wie sich einige der Offiziere über irgendwas mit Normandie unterhielten. Liegt irgendwo in Portugal glaube ich. Uns sagt ja keiner Bescheid, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Das wird ein Spaziergang. In wenigen Wochen werde ich wieder daheim sein Mutter. Grüß meine kleine Schwester recht herzlich von mir.
15. Juni 1944
.....das alles hier läuft nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. ....Das ist die Hölle.... Mörserfeuer Tag und Nacht. Ich halte es hier nicht mehr aus. Überall Blut an meinen Händen, an meinem Gesicht. Blut, fremdes Blut und überall Tote. Verzwiefelte Schreie von Verwundeten, Fleischfliegen überall und der abscheuliche Gestank von faulenden Körpern.... Kameraden, die wir nur noch Dank ihrer Marken und Uniformen erkennen können.... Was mache ich hier...will zurück.... Dieser Lärm.... Dieser unerträgliche Lärm....
17. Juni 1944
....Von unserer Einheit sind nur Harper, Kramer und ich übrig. Ich weiß das du jetzt bestimmt hysterisch durchs ganze Haus laufen wirst aber ich lebe noch Mutter. Ich lebe noch! Freu dich dafür, dass dein Sohn noch lebt. Und bete. Bete zu Gott für all die anderen, die es nicht geschafft haben. Keiner von uns weiß genau wie viele es sind, aber als ich gestern am Kommandozelt vorbei ging, hörte ich wie sie von mehreren 1000 sprachen. All diese Menschen.... alle Tot... Ihre Träume, Wünsche?
....Bin ich dieses mal zuversichtlich, dass der Weg nach Deutschland ein Spaziergang wird. Es kann hier kaum mehr Deutsche geben, so ruhig wie es hier ist. Muss jetzt Schluss machen. Wir ziehen morgen weiter. Ich melde mich wieder bei dir.
Dein dich liebender Sohn,
Michael
19. Juni 1944
Hallo Mutter. In den letzten Tagen habe ich viele schlimme Dinge gesehen. Fast täglich treffen wir auf andere Einheiten, welche sich uns anschließen, weil sich schon seit Tagen ziellos umher irren. Entschuldige meine zittrige Handschrift, aber die Schlaflosigkeit und der Drill setzen uns schwer zu......
....Mach dir keine Sorgen wegen der blutigen Fingerabdrücke auf dem Papier. Es ist nicht mein eigenes Blut. Wir sind hier das erste mal seit mehreren Tagen zum Schlafen gekommen. Sind hier in einem kleinen Dorf in Frankreich, mir ist leider der Name entfallen, aber die Leute hier sind sehr nett. Sie behandeln uns wie Götter. Möchte gar nicht wissen wie sehr sie unter den Krauts leiden mussten.... Habe Schokolade gegessen.....
25. Juli 1944
.....Harper ist tot...... Er starb heute Nacht in meinen Armen. Wir wurden von Deutschen überrascht. Sie kamen aus den Büschen und wir erlitten schwere Verluste. Harper hatte drei kleine Töchter. Andauernd erzählte er mir, wohin er mit ihnen fahren würde, wenn das alles vorbei ist. Was er noch machen wollte. ...Er bat mich andauernd mit ihm ein neues Haus zu bauen.... Habe ihm noch versprechen können, dass ich mich um seine Familie kümmere, bevor er...
28. August 1944
...... Die Tage werden langsam kürzer und die Nächte kälter. Es regnet schon seit einigen Tagen, habe eine leichte Erkältung.....ist das einzige gute an diesem Wetter, dass die Deutschen genauso wie wir in ihren Löchern bleiben...
..und täglich neue Gesichter. ..sehe sich schon gar nicht mehr an und habe aufgehört mich mit ihnen anzufreunden, weil ich sowieso weiß, dass die meisten von ihnen schon morgen nicht mehr....
Grüß meine kleine Schwester wieder von mir. Bin bald daheim...
10. September 1944
...Bin heute befördert worden, doch richtig freuen kann ich mich nicht... muss ständig an diesen Deutschen denken, den ich heute fand. Eine Granate hatte ihm das Bein weggerissen... lag da vor mir.... er bettelte mich an ihn zu erschießen... konnte es nicht...
Der Mann hatte ein Bild bei sich, das ihn mit seiner Frau und einem kleinen Baby zeigte.... Fand noch einen Brief.... Konnte mit meinem schlechten Deutsch nur wenig entziffern.. Wie sehr er sie liebt... und ihr Kind.... zum ersten Mal fühle ich Mitleid mit den Deutschen... Zweifle daran, dass sie solche Bestien sind, wie man uns glauben ließ...
13. September
......wir werden immer weniger.....die Nächte sind mittlerweile so kalt, dass wir alle an chronischer Erkältung leiden.....marschieren jetzt bald in Le Havre ein....haben uns mit mehreren anderen Einheiten getroffen. Haben auch Fahrzeuge und Panzer.....wird es dieses mal bestimmt ein Spaziergang, so viele wie wir sind......
15. September 1944
Als es dieses mal an der Tür klingelte, war es nicht der Postbote. Zwei Armeeoffiziere begrüßten Mrs. Parkson mit unter den Armen geklemmten Mützen.
„Mrs. Parkson?“
„Ja, das bin ich.“
„Es tut uns leid ihnen mitteilen zu müssen, dass....."
Ende