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Buona Pasqua!
Ach, was war ich aufgeregt heute! Erst seit zwei Tagen ist es klar, dass es mit Josefa geklappt hat, dass wir wirklich ein Paar geworden sind. Endlich mal ein Mädel, dass nicht nur mit mir reden will, sich nicht nur über ihren verständnislosen Freund beklagt. O cara mia!
Erst habe ich es gar nicht kapiert, als sie mir in die Augen sah und mich ganz ernst anguckte. Die Ponysträhne rutschte über die eine Seite, so dass ich nur noch ein Auge sah, grün mit goldenen Sprenkeln. Sie lächelte, ihr Mund öffnete sich, und ihre Zähne blitzten im Sonnenschein. Alle regelmäßig, blendend weiß, wie aus einer Werbung. Wie schön sie war!
Dann kam ihr Gesicht immer näher an meins, und ihre Lippen fanden meine. Ganz zart erst, nur gehaucht, so dass ich mir gar nicht sicher war, ob sie mich überhaupt berührt hatten. Dann etwas intensiver, ihre Lippen spielten mit meinen, ihre Zunge schlüpfte in meinen Mund ... Ach, wie lange hatte ich nicht mehr geküsst! Vorsichtig, um nicht zu gierig zu wirken, erwiderte ich ihre Zärtlichkeit.
Das soll erst zwei Tage her sein? Ich verstehe es immer noch nicht. Endlich habe ich mal wieder eine Freundin, dazu bildhübsch, mit der ich sogar angeben kann. Ich verschlinge alles, was mit ihr und ihrer Kultur zu tun hat, lerne sogar etwas Italienisch! Und sie ist eine geduldige Lehrerin, bringt mir die Eigenarten ihrer Sprache näher.
„Weißt du, was wir für Viel Glück sagen? In bocca al lupo! Das heißt wörtlich: In den Rachen des Wolfes! Sie lacht, und ich versuche, es mir zu merken.
Und was heißt „Osterhase“? frage ich neugierig und halte ihr einen kleinen aus Schokolade entgegen.
„Typisch deutsch, genau wie das Eiersuchen!“ Josefa lacht wieder. „Aber wir tun es gern.“
Begeistert nimmt sie das Häschen und beißt ihm den Kopf ab.
Und gestern hat sie mich zu ihrer Familie eingeladen.
„Morgen ist doch Ostern!“, meinte sie fröhlich, „da willst du doch sicher nicht allein sein.“ Natürlich wusste sie, dass meine Eltern weit weg wohnen. Und ihre Familie hält zusammen; das hat bestimmt nicht nur mit ihrer italienischen Abstammung zu tun. „Komm doch mit, dann lernen meine Eltern dich kennen.“
Ostern. Das mag ich nicht! Hoffentlich müssen wir da keine Eier essen. Als kleines Kind mochte ich Eier gern, egal in welchem Zustand. Festgekochte bunte Ostereier waren mir genauso lieb, wie wachsweiche, deren Eigelb köstlich auf der Zunge vergeht. Oder fast rohe, wo das Eiweiß noch etwas glibbert ... Ich konnte da nicht genug von bekommen.
In den Ferien hatten wir damals frische von einem Bauerhof. Doch als ich meins köpfte, begrüßte mich nicht ein leckerer Dotter. Ein gräuliches Etwas saß darin, zusammengekrümmt mit vornüber gebeugtem Köpfchen, die fast vollständig ausgebildeten Federn verbacken mit dem geronnenen Eiweiß. Sprachlos blieb ich davor sitzen, bis mein Vater mein Entsetzen bemerkte und mich von dem Ding befreite. Seitdem rühre ich kein Ei mehr an.
Aber für Josefa und ihre Familie würde ich es noch mal versuchen. Wenn es denn sein müsste! Sie hat mir von ihrem Haus erzählt, von dem Garten, in dem sie mit ihrer Schwester Häschen und Nester sucht, auch jetzt noch, mit ihren siebzehn Jahren! „Natürlich weiß ich, dass es keinen Osterhasen gibt“, hat sie mir ins Ohr gehaucht, „es ist nur ein Spiel“.
Ich habe mir die Worte gut eingeprägt und die Familie mit "Buona Pasqua!" statt mit "Frohe Ostern!" begrüßt. Und jetzt stehe ich im Garten, und weil ich ihr Gast bin, soll ich mit ihnen suchen. Wie damals, als meine Mutter noch Süßigkeiten für uns versteckt hat! Ich gebe es ja zu, das macht wirklich Spaß. Und irgendwie habe ich es vermisst! Ich krieche durch die Büsche, und siehe da: ein knallrotes Ei. Ah, aus Schokolade. Ich lache erleichtert. Und dahinten, leuchtet da vielleicht ein Nest?
Ich laufe über die Wiese, aber Josefa kommt mir von rechts zuvor. „Ti amo, caro“, lacht sie , „aber entschuldige, ich habe es zuerst gesehen.“ Bei meinen Brüdern habe ich immer gekämpft, um die meisten Eier zu kriegen. Aber wenn ich sie so sehe, ist mir gewinnen nicht mehr wichtig. Ihre grünen Augen leuchten, ihre Zähne blitzen in der Sonne. Ganz vorsichtig hebt sie ein winziges braunes Kaninchen auf den Arm, mit blauen Augen und weichem Fell. Es ist kaum größer als ihre Hand. Dass man es überhaupt schon von der Mutter trennen konnte? Ich will gerade meine Hand ausstrecken, um es auch zu streicheln, mit ihr zusammen das kleine Wesen halten, als wäre es ein gemeinsames Kind.
Sie kommt mir zuvor. Das Genick knackt, als sie ihm den Kopf abbeißt.