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Cello

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03.12.2002
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Cello

„Klick.“
Der Mechanismus setzte sich in Gang und die Tür verschloss sich selbst.
„Klick.“
Das Geräusch hallte in meinem Kopf nach. Es war nicht nur die Tür, die sich hinter mir schloss, sondern auch ein Teil meines Lebens.
Viele hatten mir ihr Beileid ausgesprochen, doch es konnte mich nicht trösten und als ich meine Freunde und Verwandten sah, wie sie sich begannen zu langweilen und wie sie nur daran dachten möglichst schnell nach Hause zu kommen, da verlor ich ein weiteres Stück Glauben an das Leben. Ich ging, ohne mich zu verabschieden und ließ die Trauergäste zurück. Bald würden sie merken, dass ich nicht mehr da war und dann würden auch sie gehen. Zufrieden, dass sie diesen, für sie müßigen Tag, endlich beenden konnten.
Für mich war es nicht nur ein Tag. Es war eine Ewigkeit und jeder Tag würde wie dieser sein.

Unsere Wohnung war leer. Sie war still und alles darin erschien mir leblos. Ich blickte mich um, sah die Schränke, die sie immer wieder umgeräumt hatte. Sah die Vorhänge, die sie über Wochen ausgesucht hatte und ich sah den Spiegel, den sie erst vor ein paar Tagen gekauft hatte und darin einen Mann, dessen Augen so leer wie die Wohnung waren. Ich sah mich an und spürte, wie etwas brach. Eine Träne lief meine Wange herunter und ich fühlte die warme, feuchte Spur, die sie hinter sich herzog. Dann brach die Lethargie und die Trauer und Verzweiflung drangen an die Oberfläche. Ich versuchte dagegen anzukämpfen, doch die Gefühle waren zu stark. Ich hatte meine Frau beerdigt. Sie würde nie mehr wieder kommen. Sie war tot.

Meine Beine zitterten und ich hatte das Gefühl jeden Moment zu fallen. Es war mehr die Angst vor einem Fall, einem Fall ins Bodenlose. Würde ich stürzen; ich könnte nie wieder aufstehen und so wankte ich ins Wohnzimmer und ließ mich auf dem alten Ledersessel nieder, wo sie immer gesessen hatte. Neben mir stand ihr Cello. Sie hatte jeden Abend darauf gespielt und wenn die Töne wie Wasser durch das Haus flossen, spürte ich immer ein unbestimmtes Glück in mir. Ihr Leben war die Musik. Sie sagte immer, dass man sie nicht nur hören müsse, sondern man müsse sie leben. Es wären nicht eine bloße Abfolgen von Tönen, sondern es wäre das Leben und alles was damit in Verbindung steht. Ich hätte sehr viel darum gegeben, nur noch einmal zuhören zu können.
Meine Finger glitten über die kalten Saiten und ich erlebte, wie die unterschiedlichsten Gefühle zu etwas in mir heranwuchsen, dass ich noch nie gespürt hatte. Erst war da die Trauer; der Schmerz um den Verlust eines geliebten Menschen. Dann spürte ich die Liebe, als ich ihr Bild vor mir sah und mir einbildete, sie stände direkt neben mir. Die Liebe wandelte sich in Wut, denn die erneute Erkenntnis des Verlustes war zu stark. Aus Wut wurde Hass. Hass auf das Leben. Hass auf mich. Hass auf sie. Wie konnte sie nur gehen. Wie konnte sie mich nur allein lassen. Ich wünschte mir, ich hätte mehr getan. Ich wünschte, ich hätte ihr jeden Tag gesagt, wie sehr ich sie liebte, wie wichtig sie mir war. Ich hätte sie einfach jeden Tag in den Arm nehmen sollen und...
Dort stand das Cello. Einen kurzen Augenblick lang wollte ich es zerstören. Es verbrennen. Es einfach aus meinem Kopf verbannen. Doch ich nahm es zu mir herüber, legte den Bogen auf die Seiten und zog ihn darüber. Der Ton drang mir tief ins Ohr und ich spürte die sanften Schwingungen in meinem Körper. Der Ton breitete sich aus. Wuchs heran zu einer Melodie und ich begann zu lächeln. Ich spielte das Instrument nicht. Sie tat es.
Die Jahre danach waren beherrscht von der immerwährenden Einsamkeit, aber abends verbreitete das Cello seinen Klang und ich blieb am Leben. Nur für wenige Minuten, doch ich lebte.

 

Hey morti,

ich schon wieder. Ich hoffe, Du bist nicht allzu enttäuscht ;)

Ich glaube, von allen Geschichten, die ich von Dir gelesen habe, hat diese mir an besten gefallen.
Ich denke, es geht vielen Menschen wie Deinem Erzähler. Wut und Hass gehören eben zur Trauer dazu und ich glaube, dass auch viele etwas, was sie so sehr an den Menschen erinnert, zerstören, oder einfach nicht mehr sehen wollen. Hätte Dein Erzähler das Cello zuerstört oder weggeschaft, anstatt darauf zu spielen, hätte er es später bereut. Weiß ich aus eigener Erfahrung.

Bei diesen zwei Sätzen hättest Du vielleicht am Ende besser Fragezeichen setzen sollen (nur ein kleiner Vorschlag):

Wie konnte sie nur gehen. Wie konnte sie mich nur allein lassen.

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo morti.
Die Geschichte gefällt mir gut, vom Inhalt her.
Die Trauer eines Mannes, der seine Frau verloren hat.
Die unterschiedlichen Gefühle und das Cello, was unausweichlich mit seiner toten Frau zusammengehört.
Das einzige, was mich stört, sind die Rechtschreib- oder Tippfehler.
Ich zähle mal ein paar Beispiele auf, kannst du ja dann vielleicht verbessern :)

Ich ging, ohne mich zu verabschieden und lies die Trauergäste zurück.
ließ

Bald würden sie merken, dass ich nicht mehr da bin und dann würden auch sie gehen.
... dass ich nicht mehr da war und dann...

Sah die Vorhänge, die sie über Wochen ausgesucht hatte und ich sah den Spiegel, den sie erst vor ein paar Wochen gekauft hatte
Mir gefällt die Wiederholung von 'Wochen' nicht so. Schreib doch vielleicht beim zweiten Mal 'Tage' oder so.

und lies mich auf dem alten Ledersessel nieder, wo sie immer saß.
... und ließ mich auf dem alten Ledersessel nieder, wo sie immer gesessen hatte
Das ist auch bei den weiteren Sätzen der Fall. Du sprichst ja von ihr und sie ist schon tot, also muss die Vorvergangenheit verwendet werden. (also auch 'hatte jeden Abend darauf gespielt', 'Töne waren geflossen', 'ich hatte immer gespürt', 'war die Musik gewesen', 'hatte immer gesagt' usw.)

wie die unterschiedlichsten Gefühle in mir heranwuchsen zu etwas, dass ich noch nie gespürt hatte.
...wie die unterschiedlichsten Gefühle in mir zu etwas heranwuchsen, dass ich noch nie gespürt hatte...

Doch ich nahm es zu mir herüber, legten den Bogen
legte

aber abends verbreitete das Cello seinen Klang und ich blieb am Leben. Nur für wenige Minuten, aber ich lebte.
Finde ich schön, den Schluss. Allerdings würde ich das zweite 'aber' durch ein 'doch' ersetzen. Dann ist die Wortwiederholung weg.

Insgesamt eine schöne Geschichte :)

 

soooo
@gori: nein, nicht enttäuscht. wenn man sowas wie stammleser hat, dann heißt das doch, dass man irgendwas richtig macht, oder?
also danke ;)

@fliegenbein
und danke dir für die verbesserungen. ich hab sie mal in die tat umgesetzt. freut mich, dass dir die geschichte ansonsten gefallen hat.
man liest sich

Grüße...
morti

 

Hey morti!

ich kannte die Geschichte ja schon, bevor du sie online gestellt hast,aber ich dachte ich schreib dir hier trotzdem nochmal was drunter:

Ich finde die Geschichte wirklich gelungen und die Idee mit dem Cello finde ich wirklich gut.
Mit einem Instrument kann man Gefühle ausdrücken, man verbindet Erinnerungen und man entflieht vielleicht mit der Musik einen Moment der Wirklichkeit und ich denke, dass ist auch der Grund, warum uns ein Instrument soviel geben kann...

Also in dem Sinne:
Weiter so, ich lese gerne deine Geschichten :-)

LG, Princessa

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Blackwood!
sicherlich nimm ich dir das nicht übel. Im Gegenteil. Ich bin für jede Kritik und für jeden Vorschlag mehr als dankbar, denn nur so lernt man und dafür sind wir schließlich hier!
Ich werde noch einmal drüber gucken.
Und das die Geschichter simpel und linear daherkommt ist durchaus gewollt, da es einerseites von Anfang an nur ein kurzer Text werden sollte und da weitschweifende Beschreibungen oder Nebenhandlungen wohl die von mir gewollte Atmo zerstört hätten. (ähhh, hoffe mal, dass ist mir auch gelungen ;) )

Dank dir und Nein; ich spiele kein Cello, aber es ist für mich eins der kraftvollsten Instrumente, da es in der Lage ist Emotionen in Töne umzusetzen. Ich hatte einige Instrumente im Sinn, als ich die Idee für diese story hatte, aber das Cello schien mir einfach am geeignetsten.

Hi Prinzesschen...
ein Dank geht auch an dich. Dafür, dass du dich dieser paar gemalten Laute angenommen und schließlich für gut befunden hast!


Liebe Grüße...
morti

 

Hallo morti,

es ist eine ansprechende Idee, Trauer ohne spektakuläre Hintergründe (Unfall, Mord etc.) zu beschreiben, etwas Alltägliches findet statt, doch für den Betroffenen ist es eine Extremsituation. Die warmen Klänge des Cellos bilden eine Brücke über das Leid hinweg zum Leben, ein schönes Symbol.

Bearbeitungsvorschläge:

Dieser Satz ist mir zu lang, wirkt deshalb etwas zu ‚atemlos’, gemessen an der Stimmung.

„Viele hatten mir ihr Beileid ausgesprochen, doch es konnte mich nicht trösten und als ich meine Freunde und Verwandten sah, wie sie sich begannen zu langweilen und wie sie nur daran dachten möglichst schnell nach Hause zu kommen, da verlor ich ein weiteres Stück Glauben an das Leben.“

„Ich sah mich an und spürte, wie etwas brach. Eine Träne lief meine Wange herunter und ich fühlte die warme, feuchte Spur, die sie hinter sich herzog. Dann brach die Lethargie“

- Wiederholung „brach“.

„Sie hatte jeden Abend darauf gespielt und wenn die Töne wie Wasser durch das Haus flossen“

- Wenn Wasser durch mein Haus fließt, es sei denn in den Wasserleitungen, dann halte ich das für (zer-)störend, deshalb ist der Vergleich ungünstig, es soll doch etwas Positives ausgedrückt werden.--

„Ich wünschte, ich hätte ihr jeden Tag gesagt, wie sehr ich sie liebte, wie wichtig sie mir war.“

- Das kann man nur unterstreichen - carpe diem!

LG,

tschüß... Woltochinon

 

hi morti,

Viele hatten mir ihr Beileid ausgesprochen, doch es konnte mich nicht trösten und als ich meine Freunde und Verwandten sah, wie sie sich begannen zu langweilen und wie sie nur daran dachten möglichst schnell nach Hause zu kommen, da verlor ich ein weiteres Stück Glauben an das Leben.

Was bitte sind das für Freunde? Dieser Einstieg macht viel von deiner Geschichte kaputt. Warum schreibst du das, ohne später darauf einzugehen, wieso sie so unbeteiligt waren? In einer solchen dramatischen Situation sind Freunde so ziemlich das Wichtigste, was man braucht.

Du hast in schönen Worten geschrieben, aber inhaltlich bin ich nicht so ganz eins mit der äußeren Form: Man erfährt kein Wort über die Todesursache, die den Blickwinkel des Prot auch besser verstehen lassen würde. So kommt er mir sehr unreflektiert vor: Er spürt Hass, bemitleidet sich selber...aber warum?

Lieber Gruß
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bernadette,

genau kann ich dir nicht mehr sagen, warum ich die kg in dieser Form niedergeschrieben habe. Ich weiß noch, dass ich sie zu diesem Zeitpunkt aus einer Laune heraus geschrieben habe, ohne viel Wert auf die eigentliche Geschichte zu legen. Vielmehr wollte ich die Gefühlswelt des Prots beschreiben, ohne wirklich auf dessen Hintergründe einzugehen, damit das Gefühl für jeden Leser fassbar ist.
Gelungen ist mir das nicht wirklich. Das sehe ich nach nochmaliger Lektüre genauso.
Dennoch danke für das herauskramen dieser etwas älteren (obwohl erst ein Jahr alt) Geschichte. Seltsam wie schnell sich manche Dinge ändern. In dieser Art würde ich heute nichts mehr schreiben. Ich würde es lediglich als Teil einer längeren Geschichte verwenden und selbst da wahrscheinlich in einer anderen Form. Aber vielleicht mache ich das ja noch und poliere das Cello nochmals auf. Man sagt ja, dass die alten Instrumente eigentlich am besten klingen ;)

Obwohl ich immer noch sagen muss, dass eine Reflexion der Gefühle ohne Hintergrund interessant ist...mal schaun...Ich denke es geht einfach um den Ausdruck, nicht so sehr um das, was sich im Hintergrund, bzw. davor abspielt.

Einen ganz lieben Gruß...
morti

 

Nein, hat mir nicht gefallen. Sollte vermutlich berühren, hat es nicht. Einen Grund dafür sehe ich darin, daß Du in diesem Text die Gefühle benennst, anstatt sie zu in Bilder umzusetzen. Ein, wie ich denke, sehr deutliches Beispiel für dieses "tell, don't show" habe ich in die folgende Liste von Detailanmerkungen gepackt:

  • Sie war still und alles darin erschien mir leblos. - Nach RR nicht mehr zwingend, m.E. mit Komma aber besser lesbar: "still, und"
  • Dann brach die Lethargie und die Trauer und Verzweiflung drangen an die Oberfläche. Ich versuchte dagegen anzukämpfen, doch die Gefühle waren zu stark. - Hier das oben schon versprochene Beispiel. Ich hoffe, Du siehst, was ich meine. Zudem: Komma nach "Lethargie" (Nach RR wiederum nicht zwingend).
  • Ich hätte sehr viel darum gegeben, nur noch einmal zuhören zu können. - Das ist mir zu explizit und zu pathetisch.
  • zu etwas in mir heranwuchsen, dass ich noch nie gespürt hatte. - "das ich", ich würde aber "was ich" präferieren

 

hallo cbrucher,

hmm, eigenartig, dass alte texte von mir wieder zum vorschein kommen. du hast recht. diese kg sollte berühren und es ist eigentlich schade, dass sie das bei dir nicht geschafft hat. scheinbar wird die geschichte ganz unterschiedlich aufgenommen. aber wie ich es bereits oben erwähnt habe, würde ich eine kg dieser art wahrscheinlich nicht mehr schreiben.
vielleicht gefallen dir ja andere kg´s von mir besser ;)

einen lieben gruß...
morti

 

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