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Charkow

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06.02.2002
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Charkow

Überarbeitung ganz unten (Beitrag 13)

Wir stürzen vor wie Blut aus Arterien, und an unserem Kragen spiegelt sich schwarzes Entsetzen, das wir abermals donnernd nach Charkow tragen.
Wir haben genug gesehen für Hundert Jahre, so dass sich unsere Augen müde verkriechen in zerbrechlichen Schädeln, stahlbehelmt und überspannt mit gegerbter Haut, in deren Gräben und Furchen sich der Dreck unseres Handelns ansammelt. Ein Mann aus Böhmen und Motoren von Maybach treiben uns voran. Der Weltenbrand illuminiert unseren Weg wie mit feierlichen Fackeln, wenn zum Totentanz geladen wird.
Sticht uns das Licht der Erkenntnis, die aufgehende Sonne nie erreichen zu werden, zu sehr in die Seelen, brechen wir es tapfer durch das Prisma unserer Ideologie: Unsere Ehre heißt Treue. Während uns Ares mit Feuerstürmen und Stahlgewittern umtobt, geben wir ein Stück Verstand für den ertaubten Rest Leben, ohne zu wissen, ob es der nächste Morgen nimmt.
In manchen Blicken spiegelt sich der Horizont, während andere stumpf werden und die Vergänglichkeit sie feucht empfängt. Schon längst sind wir keine Heroen mehr, denn es gibt keine Angst mehr zu überwinden.
Einzige Hoffnung birgt der Gedanke, in unserem Rücken die Liebsten zu wissen, es grüßt für sie die blutrote Abendsonne.
Und du, Marianne, bist es auch, weshalb ich das einzig freundliche Stück Metall hier am Finger trage.
Doch im Innern weiß ich längst um mein Ende in dieser feindlichen Erde unseres neuen Lebensraumes, über die der Tod walzt, heult und umherschwirrt, sie immer wieder rastlos umpflügend, um seine Ernte einzufahren.
Hätte ich gewusst, dass du unterdessen den Apfel feilbotest und fremde Frucht empfingst, es hätte nichts an alledem geändert.

 

Hi,
am Anfang dachte ich, die Geschichte würde nur die Schrecken einer Schlacht beschreiben, weshalb ich ihr als Geschichte nicht so wohlwollend gegenüberstand. Doch jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass der Krieg nur ein Teil der Geschichte ist. Es geht doch vielmehr um einen Mann, dem die Frau fremdgegangen ist, doch der inzwischen keine Liebe für irgendetwas mehr empfinden kann.
Vorallem, dass so viel Raum für die Phantasie bleibt und die Geschichte trotzdem fertig ist, meinen Respekt hast du.

 

Hallo Paranova,

gut gelungen ist die vorandrängende Sprache, sie passt zu der seelischen Gespanntheit des Protagonisten und den zur Eroberung vorandrängenden Motoren. Über allem schwebt der Hauch der Sinnlosigkeit aufgrund von Vergänglichkeit und Überheblichkeit.
Gut getroffen hast Du den Zusammenhang von Geschichte und Lebensgeschichte, dadurch wird Dein Text zur Geschichte.
Habe ich das richtig verstanden - selbst die Untreue der Frau hätte ihn die Hoffnung, die er durch das Wissen um „ die Liebsten“ „in unserem Rücken“ erfährt, nicht aufgeben lassen?

Bei der Spiegelung spielst Du wohl auf `Kragenspiegel´ an?
Hat mir gut gefallen!

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo PM, Arthuriel und Wolto!
Freut mich, dass ihr meinen Text kommentiert habt.
Und wie immer hat Woltochinon den Durchblick! Es handelt sich tatsächlich um den Kragenspiegel.
Und erstens hätte es den von ihm angesprochenen Punkt nicht geändert, noch etwas an den Umständen, unter denen der Protagonist zu überleben versucht.
Viele Grüße,
...para

 

Hallo Paranova

Eine gut geschriebene Geschichte über die Schlacht bei Charkow. Sprachlich authentisch vielleicht an einigen Stellen etwas zu komplex, aber das ist Ansichtssache. Du verwendest eine Menge Metaphern und umschreibst bildlich, das gefällt mir. An einigen Stellen ist es jedoch etwas zu dicht, bzw zu undeutlich, was auch an der Länge einiger Sätze liegen kann. Da würde ich dann mal nachhaken. Eine weitere Sache wäre die Verwendung des Bindewortes "und". Sofern nicht stilistisch würde ich empfehlen in der Anzahl zu kürzen. Zuoft verwendet wirkt "und" im Stil mMn ungeschickt.
Von der Formatierung her könntest du auch Absätze einkürzen, was das Gesamtbild vom Text positiv verändern könnte, aber auch das ist Geschmackssache.

Viele Grüße
Frederik

 

Hallo Fred,
freue mich über deinen Kommentar. Ich habe einen oder zwei Sätze gekürzt, die meisten jedoch intakt gelassen, weil sie zu trennen schwierig ist. Drei oder vier "und" wurden gestrichen, so dass es nun im vernünftigen Rahmen liegen sollte.
Die Absätze finde ich bei der Kürze des Textes schon in Ordnung, deshalb wurde nur einer gestrichen.
...para

 

In der Kürze liegt die Würze. Meine Rede. :) Sanft, ruhig und doch kraftvoll, das ist mein Eindruck. Gefiel mir.

 

Ich steh nicht so sehr auf diese umständliche Sprache und so viele Fremdwörter wie "illuminieren" und "Heroe". Das liest sich gekünstelt, wirkt nicht authentisch, zu bemüht. Sicher, hast viel drin, einiges eingepackt. Aber diese Sprache raubt mir den Lesespaß.

 

Ich kann mich mit der Sprache auch nicht so recht anfreunden. Obwohl ich einige Ausdrücke für durchaus gelungen halte und man merkt, dass du sorgfältig gearbeitet hast.
Der Inhalt läßt mich aber enttäuschender zurück. Etwas mehr Tiefe könnte bei so ernsten Themen nicht schaden. So bleibt eher der Eindruck, die Geschichte sei unfertig, zu kurz, zu gepackt.

 
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Charkow- Überarbeitung

Wir stürzen vor wie Blut aus Arterien, und an unseren Kragen spiegelt sich schwarzes Entsetzen, das wir abermals donnernd nach Charkow tragen. Längst sind wir keine Helden mehr; Angst und Freude liegen hinter uns. In die Gräben unsrer Haut duckt sich der Dreck; zäh überspannt sie die stahlbehelmten, zerbrechlichen Schädel, in denen unsere Augen Deckung suchen: Sie haben genug gesehen für tausend Jahre.
Sticht uns das Licht der Erkenntnis, die aufgehende Sonne nie erreichen zu werden, zu sehr in die Seelen, brechen wir es tapfer durch das Prisma unserer Ideologie: Unsere Ehre heißt Treue. So leuchtet der Weltenbrand den Weg, wenn zum Totentanz geladen wird, und Ares lacht Feuersturm und Stahlgewitter. Wer die bestimmt, die bis zum Ende bleiben, hat kein Gesicht. Den Verstand nimmt oft der nächste Morgen.
Immer noch ein Trupp Hoffnung, tief versprengt. Sehnsucht nach Erinnerungen, dort bei der Abendsonne, in unserem Rücken. Ein Stück Metall hier, es belagert meinen Finger, taugt nicht zum Töten. Doch ich weiß um mein Ende im neuen Lebensraum, über den der Tod walzt, heult und schwirrt, immer wieder rastlos umpflügend. Erbarmungslos erntend. Wir jagen ihm entgegen und richten den Blick ins Endlose. Die Erkenntnis, dass sie nicht wartet, was hätte sie an alledem geändert.

 

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