Was ist neu

Couchtag

Mitglied
Beitritt
16.02.2004
Beiträge
16
Zuletzt bearbeitet:

Couchtag

Gute alte Zeit

Gute alte Zeit


Es gibt Tage, an denen ich von der Arbeit nach Hause komme ins Bett gehe und sofort einschlafe, und es gibt Tage, an denen liege ich abends Stunde um Stunde wach und denke traurig an die Zeit, an denen ich bis spät in die Abendstunden mit Freunden durch die Gegend gezogen bin. Wir waren die Idioten, die niemand haben wollte. Wir waren nicht gut in der Schule, wurden verprügelt und ausgelacht. Nur unsere Eltern hatten so tolle Tipps wie „Ignoriert sie, irgendwann verlieren sie die Lust, daran euch zu ärgern.“ Es ist schwer jemanden zu ignorieren, der mit einem Stock auf einen eindrischt. Wir hatten die letzte Rolle im Theater des Lebens gefunden. Aber sie war uns auf den Leib geschnitten.

Wir haben zusammengehalten. Wir waren unsere besten Freunde und haben immer alles gemeinsam gemacht, so wie man es in der Schule aus dem pädagogisch wertvollen Schulmaterialien herausfiltern kann. Einmal wollten wir uns an einem rächen. Haben ihm abends nach seinem Fußballtraining aufgelauert. Wir konnten keinen Ball geradeaus spielen, aber wir wussten aus unserer Erfahrung wo wir hintreten mussten, damit es richtig weh tut. Jörg wurde von einem Anwohner ins Krankenhaus gefahren, der ihn dort liegend nach über einer Stunde gefunden hatte. Seine Eltern stellten Strafanzeige.
Wir bekamen Hausarrest, Taschengeld gestrichen und einen tollen Vortrag „Das bringt doch auch nichts, warum vertragt ihr euch nicht einfach?“ Wir mussten ihm Schokolade ins Krankenhaus bringen und uns bei seinen Eltern entschuldigen. Er ist nach vier Tagen gestorben. An inneren Blutungen hat es geheißen.

Ich sehe uns noch heute vor mir, wie wir um ihn stolz im Kreis standen. Wir hatten Jörg zu dritt soweit gebracht, dass er sein eigenes Blut erbrechen musste.

Ich habe meine Freunde nach einiger Zeit nicht mehr gesehen. Unsere Eltern hatten uns verboten uns zu treffen. Wir hatten uns auch nichts mehr zu sagen. Heute muss ich nachdenken, um mich an ihre Namen zu erinnern. Ich habe Jahre gebraucht, um das zu verarbeiten. Jörgs Mutter hatte uns Mörder genannt, dabei waren wir doch erst 11.


Gestern, als ich meinen zehn Jahre alten Sohn bei meiner geschiedenen Ehefrau besucht habe, erzählte er mir, dass er von zwei älteren Jungs verprügelt worden ist. Er behauptete, dass sie ihn andauernd ärgerten. Ich hab ihm gesagt: „Ignoriere Sie einfach, dann werden sie dich auch in Ruhe lassen.“ Ich überlege immer noch, warum ich ihm das geraten habe, aber das ist scheinbar der Lauf der Dinge.

Wer weiß, vielleicht bricht mein kleiner Jörg aus Rache den beiden das Nasenbein.

 

hi shannara,

eben dachte ich, komm lies mal vor dem insbettgehen einen philosophischen text und landete bei deiner geschichte. ich dachte, he, endlich mal philosophie, die du verstehst, aber nachdem ich die geschichte ganz gelesen habe, denke ich, sie wäre besser in der rubrik "alltag" aufgehoben. was meinst du?

gruss kardinal

 

Hmm, ja das scheint mir logisch, danke für den Hinweis. kann mal jemand verschieben?

 

Shannara,

ich mag deine Geschichte. Du verbindest hier geschickt zwei Elemente: die Transformation vom Opfer zum Täter und Kritik daran, dass sich auch in der Folgegeneration noch nichts geändert hat.

Was mich etwas irritiert, ist der Anfang. Was hat die Langeweile und die verschwendete Zeit vor dem Fernseher mit der Geschichte zu tun? Sicher, dein Erzähler erinnert sich an seine Freunde, doch erscheint mir dieser Vorspann etwas zu lang.

Wir waren Idioten, die niemand haben wollte.
Gefällt mir sehr gut, weil es sehr treffend formuliert ist.
Einmal wollten wir uns an einem Rächen.
rächen
An inneren Blutungen hat es geheißen.
An inneren Blutungen, hat es geheißen.
Unsere Eltern hatten uns verboten uns zu treffen. Aber wir hatten uns nichts mehr zu sagen.
Da ich davon ausgehe, dass die Freunde sich nichts mehr zu sagen hatten und nicht die Eltern, ist der zweite Satz kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung des ersten. Das Wort "aber" passt folglich nicht. Vorschlag: "Wir hatten uns ohnehin/sowieso nichts mehr zu sagen."
Dein Stil gefällt mir sehr gut, er ist flüssig und nicht zu detaillastig. Besonders der letzte Satz ist sehr stark.
Wer weiß, vielleicht bricht mein kleiner Jörg den beiden aus Rache das Nasenbein.
Die Wiederholung des Namens "Jörg" ist übrigens gut gewählt und sehr aussagekräftig.

Gruß, Saffron.

 

Hmm, danke für die Korrektur. Hast wohl recht. Mir fällt so etwas immer erst zu spät auf.

Mit dem Anfang, da muss ich dir zustimmen. Der ist lang und hat nichts direkt mit dem Thema zu tun. Es ist eins zum anderen gekommen und es fällt mir immer schwer im nachhinein noch etwas inhaltliches zu verändern. Werd mich noch mal dran setzen.

 

Hallo Shannnara,

deine Geschichte hat mir eigentlich sehr gut gefallen. Ich konnte mir deinen Prot. auch als Jungen sehr gut vorstellen. Selbst seine Wut, die ihn gegen die anderen Jungen antreten liess kam unterschwellig sehr gut rüber.
Gut fand ich auch die Erwähnung dessen, dass er seine Freunde jetzt nicht einmal mehr genau beim Namen nennen kann.
Das Ende fand ich sehr bewegend - obwohl dein Prot. es eigentlich besser wissen müsste gibt er seinem Sohn die gleichen blöden Ratschläge, die schon bei ihm nichts geholfen haben. Ich denke, dass viele Eltern die Fehler ihrer Eltern wiederholen, auch wenn man sich immer vornimmt gerade solche Dinge anders zu machen.

Den Anfang - ganz ehrlich - den würde ich streichen. Ich hätte fast nicht mehr weitergelesen, weil mich dieser Einstieg wirklich genervt hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass es einigen Lesern so geht und manche daher eine echt gute Story verpassen.

LG
Bella

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom