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Couchtag
Gute alte Zeit
Gute alte Zeit
Es gibt Tage, an denen ich von der Arbeit nach Hause komme ins Bett gehe und sofort einschlafe, und es gibt Tage, an denen liege ich abends Stunde um Stunde wach und denke traurig an die Zeit, an denen ich bis spät in die Abendstunden mit Freunden durch die Gegend gezogen bin. Wir waren die Idioten, die niemand haben wollte. Wir waren nicht gut in der Schule, wurden verprügelt und ausgelacht. Nur unsere Eltern hatten so tolle Tipps wie „Ignoriert sie, irgendwann verlieren sie die Lust, daran euch zu ärgern.“ Es ist schwer jemanden zu ignorieren, der mit einem Stock auf einen eindrischt. Wir hatten die letzte Rolle im Theater des Lebens gefunden. Aber sie war uns auf den Leib geschnitten.
Wir haben zusammengehalten. Wir waren unsere besten Freunde und haben immer alles gemeinsam gemacht, so wie man es in der Schule aus dem pädagogisch wertvollen Schulmaterialien herausfiltern kann. Einmal wollten wir uns an einem rächen. Haben ihm abends nach seinem Fußballtraining aufgelauert. Wir konnten keinen Ball geradeaus spielen, aber wir wussten aus unserer Erfahrung wo wir hintreten mussten, damit es richtig weh tut. Jörg wurde von einem Anwohner ins Krankenhaus gefahren, der ihn dort liegend nach über einer Stunde gefunden hatte. Seine Eltern stellten Strafanzeige.
Wir bekamen Hausarrest, Taschengeld gestrichen und einen tollen Vortrag „Das bringt doch auch nichts, warum vertragt ihr euch nicht einfach?“ Wir mussten ihm Schokolade ins Krankenhaus bringen und uns bei seinen Eltern entschuldigen. Er ist nach vier Tagen gestorben. An inneren Blutungen hat es geheißen.
Ich sehe uns noch heute vor mir, wie wir um ihn stolz im Kreis standen. Wir hatten Jörg zu dritt soweit gebracht, dass er sein eigenes Blut erbrechen musste.
Ich habe meine Freunde nach einiger Zeit nicht mehr gesehen. Unsere Eltern hatten uns verboten uns zu treffen. Wir hatten uns auch nichts mehr zu sagen. Heute muss ich nachdenken, um mich an ihre Namen zu erinnern. Ich habe Jahre gebraucht, um das zu verarbeiten. Jörgs Mutter hatte uns Mörder genannt, dabei waren wir doch erst 11.
Gestern, als ich meinen zehn Jahre alten Sohn bei meiner geschiedenen Ehefrau besucht habe, erzählte er mir, dass er von zwei älteren Jungs verprügelt worden ist. Er behauptete, dass sie ihn andauernd ärgerten. Ich hab ihm gesagt: „Ignoriere Sie einfach, dann werden sie dich auch in Ruhe lassen.“ Ich überlege immer noch, warum ich ihm das geraten habe, aber das ist scheinbar der Lauf der Dinge.
Wer weiß, vielleicht bricht mein kleiner Jörg aus Rache den beiden das Nasenbein.