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Déjà vu
Seit fünf Minuten saß ich wie apathisch auf meinem alten Schreibtischstuhl, die Augen starr auf den Bildschirm gerichtet. Noch immer stand seine Nachricht da, als würde sie auf eine Antwort warten. Doch ich konnte nicht antworten.
„Es fühlt sich nicht richtig an. So hab ich mir das mit uns nicht vorgestellt. Irgendwie funktioniert unsere Beziehung nicht.“
Ich konnte meine Augen noch immer nicht abwenden. In meinem Kopf schwirrten gefühlte 2000 Fragen, aber eine von ihnen schien als Mittelpunkt zu fungieren, um die alle anderen nur kreisten. Warum ausgerechnet jetzt? Warum dieser Zeitpunkt? Warum nicht persönlich oder zumindest am Telefon? Warum macht er es über das Internet kaputt?
Ich fühlte mich, als müsste ich jetzt weinen, total wütend werden oder ihm zumindest eine Antwort schicken, aber ich fühlte nichts. Maximal innere Leere, aber ich weiß nicht, ob das nicht nur die Auswirkung der Bauchschmerzen war, die mir diese Nachricht bereitete. Plötzlich hörte ich wieder diese kurze Klicken. Das Klicken, das vor knapp zehn Minuten meine Beziehung beendete. Diesmal schrieb er: „Denkst du nicht auch?“
Genau in diesem Moment spürte ich die Wut, auf die ich vor Sekunden noch gewartet habe. Ich malte mir aus, wie ich ihn anschrie, konnte die Wut in mir fühlen, wie sie immer stärker wurde. Dann wurde mir bewusst, dass Schreien in diesem Fall wohl nichts bringen würde. Er war ja sowieso nicht da. Allgemein war er nie für mich dagewesen. Nicht bei meinen Theateraufführungen, nicht mal bei meinem Geburtstag. Ich geriet immer mehr in Rage, dachte an all die Dinge, die mich verletzt hatten. Mein Geburtstag spielte dabei die vorderste Rolle. Damals brachte er mir nur schnell ein Geschenk vorbei. Er klingelte, ich öffnete und sah eine Horde von Freunden hinter ihm, darunter auch seine Ex-Freundin. Ich nahm sein Geschenk und ließ die Tür ins Schloss fallen. Schon damals war ich verwirrt über seine Art gewesen, hatte mir aber niemals ernsthaft Gedanken gemacht. Ich wusste, dass er kein Beziehungsmensch war und die Tatsache, dass er bereit war, es für mich zu versuchen, bedeutete mir Alles.
Jetzt war mir bewusst, dass ich meine Zeit verschwendet hatte. Mittlerweile waren 15 Minuten seit unserer Trennung verstrichen und ich hatte noch immer nicht geantwortet. Wenn ich nicht antwortete, war es nicht passiert, bildete ich mir ein. Ich könnte morgen in der Schule zu ihm gehen, ihn küssen und wenn er mich auf seine Nachricht ansprechen würde könnte ich noch immer sagen: „Was?! Bei mir ist nichts angekommen!“ Mein Gesichtsausdruck würde ihn vielleicht umstimmen und er würde bei mir bleiben. Ich verstrickte mich immer mehr in diesem Netz irrwitzigen Glaubens, bis mir irgendwann bewusst wurde, dass jede dieser Vorstellungen alles nur noch verschlimmern würden.
Wieder ein Klicken. „Schatz, es tut mir Leid. Ich war grade in der Küche und mein Kumpel war am PC. Das war nicht ernst gemeint. Ist alles okay bei dir? Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel.“
Zum ersten Mal hatte ich die Kraft, ihm zu antworten. Ich schrieb „Alles okay!“ und schaltete mich auf „offline“. Danach stand ich auf, ging zum Fenster, öffnete es und zündete mir eine Zigarette an.
Drei Tage später war es wirklich vorbei. Aus denselben Gründen, nur dieses Mal demütigte er mich, indem er vor seinen Freunden mit mir Schluss machte. Doch dieses Mal war ich vorbereitet. Ich sagte: „Ach ja? Hm, blöd gelaufen, aber ich hab selbst vor drei Tagen aufgehört dich zu lieben. Also ist alles okay.“