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Dada

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27.05.2005
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Dada

Lange hatte ich mich damit gequält und mir mein Hirn zermartert, wie ich mit meinen Eltern sprechen sollte. Ich dachte bis dato, dass meine Ausdrucksmöglichkeiten zu lapidar für die grundlegendsten Formen ihrer Konversation wären, und hatte mich deswegen lange Zeit in ein stilles, beobachtendes Schweigen gehüllt. Als ich schließlich zwei Jahre alt geworden war, da wagte ich es zum ersten Mal. Ich sagte:
“Ich will Bier!“
Diesen Satz hatte ich mir von meinem Vater abgeguckt. Er pflegte damit das Gespräch mit Mutter zu eröffnen, wenn er werktags nach Hause kam. Sie griff danach reflexartig in den Kühlschrank, um mit zwei Flaschen Bier und seinem Essen an den Tisch zu kommen. Auch heute langte sie gedankenverloren an die Tür, um sich dann plötzlich mit einem Ruck nach mir umzudrehen.
“Ich bin heute total bescheuert!“, sagte sie und fasste sich dabei an den Kopf.
Diese Geste erinnerte mich stark an ihre morgendlichen Migräne- und Übelkeitsattacken. Erstaunt blickte sie mich und meine Bauklötzchen an und setzte sich mir gegenüber auf die Knie. Weil ich gerade meinen Turm – eine läppische mathematische Fingerübung, bei der die Würfel zueinander alternierend um die Beträge der ersten sieben Primzahlen verdreht übereinander gestapelt waren – vollendet hatte, zeigte ich in einem Anflug schöpferischen Stolzes mit meiner ausgestreckten rechten Hand darauf. Weil ich aber diesen leblosen Stapel Klötzchen russischer Bauart nicht mit einem Ausdruck wie 'et voilà' verwirren wollte, beschränkte ich die zweite Artikulation meines Lebens auf ein simples:
“Da!“
Irgendwie schien Madame aber meinem Bauwerk auf diesen Ausruf hin keine Beachtung zu schenken. Ich hatte doch nicht in der Eile den falschen Ausdruck für die zeigende Angabe eines Ortes gewählt? Ich fühlte mich plötzlich etwas verunsichert, schließlich war es gerade das erste Mal, dass ich sprach. Um sicher zu gehen wiederholte ich meinen Ausspruch und unterstrich diesen mit einer etwas weiter ausladenden Geste in Richtung Turm:
“Da!“
Ich war wohl etwas zu jugendlich enthusiastisch im Gebrauch mit meiner Gestik, weil ich dabei leicht diesen Wendelstapel touchierte und der infolgedessen in sich zusammenstürzte. Meine Mutter schien selbst das nicht zu bemerken, sondern fixierte mich weiter mit ihren wissbegierigen Augen. Sie fragte mich mit einem ihrer süßlichen Kleinkinderhimmelblicke:
“Da-da?“
'Da-da?' Ich überlegte – dieses Wort war mir nicht geläufig. Sicher wieder eines dieser Fremdwörter, die sie mir gegenüber in ihrer Sprache öfter mal gebrauchten. Sie mischten einfach ein beiläufiges 'Duziduzi' oder 'Düdüdü' unter ihre Worte, und ich war wieder ganz perplex, weil sich mir das Verständnis ihrer Ausdrucksweisen völlig entzog. Ich wollte mir aber nicht sofort zu Beginn meiner Sprechkarriere Fehler oder ein Unverständnis der einfachsten Fremdwörter nachsagen lassen, so legte ich meine Stirn in tiefe Grübelfalten und tat so, als hätte meine Mutter eben nicht zu mir gesprochen.
“Dada?“, sagte sie noch einmal.
Die Ablenkungstaktik schien heute nicht zu greifen. Sie machte es mir wirklich nicht einfach, mit ihr eine vernünftige Konversation zu führen. Was zum Henker konnte dieses eigenartige 'Dada' nur bedeuten? Ich versuchte meine Unsicherheit zu überspielen und schnappte mir einen der Klötze um ablenkend den Bolero aus dem Radio zu synkopieren.
“Scha-atz? Kommst du mal?“
“Was ist denn?“
“Ich glaube, sie hat gerade gesprochen!“
“Wer? Unser kleines Schnuckiputziwacki?“
Jetzt waren es vier große Elternaugen, die mich begafften, als hätte ich gerade unseren Schäferhund verschluckt. Ich rätselte aber noch über das letzte Wortgebilde, das mir gegenüber wieder als Substitution meines Vornamens gefallen war. 'Schnuckiputziwacki'. Die Etymologie dieses Ausdrucks versperrte sich erfolgreich allen Wortstrukturen, die ich in meiner kurzen Lebensspanne bisher aufschnappen konnte.
“Sie hat gerade 'Dada' gesagt“, wiederholte meine Mutter mit einem breiten Grinsen, wobei sie meinen Vater vergnügt in die Seite stupste.
Meine grauen Zellen begannen verzweifelt die Situation zu analysieren: Meine Mutter findet den Ausdruck 'Dada' offensichtlich amüsant. Demnach konnte es also nur etwas Lustiges, etwas Zweideutiges, etwas Anrüchiges sein, oder es war schlichtweg falsch. Mein Vater fand es dagegen nicht gerade lustig, also war es sicher nicht anrüchig. Vermutlich war es also falsch oder – sehr wahrscheinlich – zweideutig. Damit befand ich mich nun wirklich in der Zwickmühle: Ich kannte keine der beiden Bedeutungen. Wie konnte ich diesen Stummel eines Gesprächs zum Glühen bringen, ohne mir dabei selbst die Finger zu verbrennen? Gerade als ich mir noch überlegte, ob ich sie nicht darauf hinweisen sollte, dass ich eigentlich um etwas Bier gebeten hatte, entgegnete mein Vater enttäuscht:
“Nein, sie spricht immer noch nicht.“
“Ich hab aber was gehört! Ganz sicher.“
“Wirklich? Vielleicht hast du es dir nur gedacht. Das mit dem Sprechen kommt schon noch! Bülülülülü.“
Alleine schon der Tonfall dieses letzten Ausdrucks meines Vaters hatte etwas Beruhigendes, Weises, unergründlich Tiefes, so dass ich ohne Kenntnis ihrer Erwachsenensprache sein Verständnis aus diesem lyrisch lautmalenden, in sich geschlossenen Einwortsatz empfinden konnte. Wegen ihres Sprachgefühls musste ich meine Eltern wirklich bewundern.
“Komm, du hörst dich fast schon so an wie unser Kinderarzt: Irgendwann einmal sprechen sie alle ...“
Es war gemein, mich an den Arzt zu erinnern. Bei unserem letzten Termin hatte ich mir kurz überlegt, diesem verständigen Manne ein paar Fragen hinsichtlich meiner weiteren infantilen und präepubertären Entwicklung zu stellen, bis dieser gelangweilt meinte, kleine Kinder gäben zunächst sowieso nur Quark von sich, wenn sie denn endlich einmal sprächen. Meine Eltern sollten sich nicht zu viel von mir als Wunderkind erwarten. Auch wäre es nicht ungewöhnlich, dass ich als Mädchen ständig gegen den Fußball meines Vaters drosch. Auf diesen Dämpfer hin beschloss ich damals, mit meinen kommunikativen Gehversuchen noch etwas zu warten.
Fieberhaft überlegte ich - damals wie heute – ob ich sie nicht mit einem sinntiefen alliterierenden Vers ihrer ungewöhnlichsten Fremdwörter im Hexameter verblüffen sollte, und so die Aussage des Arztes zu konterkarieren. Eigentlich wollte ich die Zeile mit einem 'böböböbö' beginnen, war mir aber nicht mehr ganz sicher, wie oft ich nun mit den Fingern meine Lippen dazu berühren müsste, und vor allem, wie dies in Einklang mit dem Versmaß zu bringen war, als meine Mutter meinte:
“Ach, egal! Unsere Schnuckimausi kriegt jetzt ihr Fläschili zu trinki.“
Fläschili? Also wieder das weiße Zeugs. Flaschi war dagegen ein Synonym für ihren wässrigen Kindertee. Zumindest das hatte ich bereits herausbekommen. Ich kriege also kein Bier? Ärgerlich. Manchmal bekam ich zwar indirekt etwas mit der abendlichen Muttermilch ab, aber gerade deswegen interessierte es mich brennend, wie Bier – genauso wie alles andere, womit Papa sich umgab – in Reinform schmeckte. Etwas wusste ich aber schon: Es musste bitter schmecken und die Blähungen, die man davon bekam, machten einen nachher sehr müde. Leider konnte ich bislang die genaue chemische Zusammensetzung noch nicht mit meinem Mund analysieren. Die meisten anderen Dinge in unserer Wohnung hatte ich dagegen schon einmal getestet.
Aber ehe ich mich versah, war ich schon wieder auf meinen Idiotenessstuhl gehievt, und Mutter schüttelte meine geschmacklose lila Blümchenschnullerflasche mit entsprechendem Inhalt. Ich hatte heute aber wirklich keine Lust, mich mit dieser blöden Pampe abspeisen zu lassen, die genauso fade wie die eigenartigen Obst- und Gemüse-Gläser schmeckte, deren Inhalt ich sonst weitestgehend nach den Prinzipien zeitgenössischer Gestaltungsweisen über unsere weiße Tapete verteilte. So legte ich mir kurz eine passende Formulierung zurecht und begann mit meinem Einwand: “A...“
Weiter kam ich nicht. Mutter erdrückte meine Argumente mit dem Schnuller und ertränkte meine Worte in Milchersatz. Ich stemmte mich dagegen und schaffte es gerade noch, die Flasche von einem tieferen Eindringen in meinen Rachen abzuhalten. Der Brechreiz war ohnehin schon ausgeprägt genug.
“Sieh her, Schatz: Unsere Kleine kann schon ganz alleine die Flasche halten!“
Ich benötigte meine ganze Konzentration, um nicht an dem Gesöff zu ersticken. Auch durfte ich wegen Papi nicht mein Marion Jones Trikot besudeln. Aus dem Wohnzimmer kam jedoch nur ein wissendes 'Ja-a' von Vater, der es schaffte, gleichzeitig Fußball zu gucken und dabei – ohne sich umzudrehen – beobachten konnte, wie ich trank. Manchmal schaffte er dieses Kunststück sogar durch die Wand. Ich bewunderte ihn dafür. Er konnte dies fast mit der gleichen schlafwandlerischen Sicherheit, wie er es schaffte, Mutters Fragen mit Dingen zu beantworten, bei denen ich immer noch keinen direkten kausalen Zusammenhang erkennen konnte, so wie in diesem Moment schon wieder:
“Schatz? Wo steckst du gerade?“
“Ja?“
“Hilfst du mir beim Spülen?“
“Fußball!“
“Bringst du dein Geschirr heraus?“
“Länderspiel, einsnull, noch zehn Minuten!“
Mutter hob mich an und nahm mich auf den Arm, als sie in unser Wohnzimmer ging. Da Vater fern sah, durfte ich nun sicher Zeuge ihrer Meisterschaft werden, Vaters Antworten direkt aus seinem Mienenmikado zu saugen oder aus der orakelhaften Modulation dieses Wortes mit seiner monströsen männlichen Bedeutungsfülle herauszuhorchen.
“Scha-atz?“
“mmmh“
Vater betrachtete regungslos den Fernsehschirm.
“Ich hab heute ein wunderbares Paar Schuhe im Kaufhaus entdeckt, so ein rotes, mit ganz raffinierten Riemchen.“
“mmmh“
“Ach, das hat mir unglaublich gut gefallen. Es würde sicher gut zu meinem Abendkleid passen, findest du nicht auch?“
“mmmh“
“Wenn es nur nicht so teuer wäre! Ich wollte es fast schon kaufen, aber dann ist mir eingefallen, dass wir dieses Jahr sehr knapp sind. Ich glaube, es ist besser, ich warte damit noch ein bisschen, bis nach dem Urlaub, oder?“
“mmmh“
Ich verstand mal wieder Bahnhof. Sie dagegen hatte alle diffizilen Nuancen seiner illustren mmmh's ausgelotet und eindeutig ihrem unmissverständlichen Sinn zugeführt. Angesichts dieser Komplexität begriff ich erneut, dass ich noch eine Menge lernen musste, um in die schwierige Sprachwelt der Erwachsenen eindringen zu können, ohne mich dabei bis auf die Knochen zu blamieren. Vermutlich las meine Mutter nur deshalb gerade Goethes Dramen, um sich später mit mir verständigen zu können, wenn ich endlich so weit war, die einfachsten Dinge zu beherrschen. Für heute aber wollte ich mich mit dem neuesten Fremdwort zufrieden geben, das ich aufgeschnappt hatte. Als ich später endlich alleine war, da wagte ich es, da sprach ich zum ersten Male eines dieser Fremdwörter aus, obwohl ich seine Bedeutung immer noch nicht kannte. Ich sagte einmal leise: “Dada.“

 

Hi sarpenta,

nicht viel. Ich habe mich einfach köstlich amüsiert. Die Erwachsenen sprechen schon eine komische Sprache. ;)
Aber ich bin sicher, es wird deine Prot noch gelingen, die ihren zu erziehen.

Lieben Gruß, sim

 

hi sarpenta,

:). Prima!

Wie kann ich diese Geschichte nur der Tante meines Patenkindes unterjubeln? :hmm:

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo ihr 2!

ebenfalls nur ganz kurz!

@sim: ... sicher wird sie das - sie ist ja ganz helle ;)

@bernadette: Das mit dem unterjubeln ist ganz einfach: Ausdrucken, in Umschlag stecken und an besagte Person adressieren (mit besten Grüßen von mir ... ich muss das nämlich mit meinen Eltern und derem kleinen Enkel genauso machen)

Vielen Dank für das (wenn auch kurze) Feedback & viele Grüße,

sarpenta

 

Das ist originell, lustig, niedlich und wunderbar zu lesen. Eine süße, sehr gelungene und witzige Geschichte.

 

Hi Cruzha!

Danke, danke ... das ist mir noch nie passiert: schon drei Rückmeldungen binnen einer 3/4 - Stunde, und noch dazu allen uneingeschränkt positiv ... hmm einen Minute später hätte ich Dich noch in obige Antwort aufgenommen, aber so gibt's eben 'ne Extrawurst.

bis denn,

sarpenta

 

by the way, ... ich bin keine Frau! :D ... aber danke für die Empfehlung!

 

Hey sarpenta,

du sprichst mir geradezu aus der Seele. Diese unsägliche grässliche verniedlichte Kindersprache, als ob Kinder in der Lage wären, die besser zu verstehen als richtige Sätze... ;) Wahrscheinlich halten die uns alle für bekloppt....

Was für eine wunderbare bissige kleine Alltagsbeobachtung. Schade nur, dass dieses kluge Kind mit solchen Eltern gestraft ist.... :D

Nix auszusetzen, einfach schön.

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hallo Sarpenta.

Sehr amüsant. Wirklich. Beim erstmaligen Durchlesen habe ich die Fehler gar nicht bemerkt. Erst danach, auch nur eine Kleinigkeit. ;)

Adjektive nach "etwas" und nichts" werden gross geschrieben.

Demnach konnte es also nur etwas lustiges, etwas zweideutiges, etwas anrüchiges sein, oder es war schlichtweg falsch.

Das ist auch das Einzige, was ich an der Geschichte zu bemängeln habe. :)

Liebe Grüsse.
Schwarze Seele.

 

Hallo!

@Felsenkatze: Danke für das Lob!

@Schwarze Seele: Die Fehler sind schon ausgebügelt (auch ist der Hexameter jetzt richtig geschrieben ...) - Danke nochmal!

sarpenta

 

Hallo Angua!

Danke für die Nachricht! Fehler ist auch schon ausgebessert ... (ich kann leider kein Französisch)

sarpenta

 

Hallo sarpenta,

so ganz kann ich mich den lobenden Worten zuvor nicht anschließen. Aber bevor das missverstanden wird: mir hat deine Geschichte dennoch gefallen, nur kann ich mich mit dem Thema, bzw Plot nicht so ganz anfreunden. Die kg ist gut geschrieben und weiß zu unterhalten, nur irgendwie fehlt ihr das gewisse Etwas, dass sich leider nie wirklich beschreiben lässt.
Aber wie gesagt: Eigentlich: Gern Gelesen

Textkram:

präepubertären Entwicklung

genauso wie alles Andere, womit sich Papa sich umgab

Einen lieben Gruß...
morti

 

Hallo Sarpenta,

tja, was soll ich sagen. Ich mag Geschichten aus der Sicht von Kleinkindern nicht besonders. Trotzdem habe ich mich bei deiner köstlich amüsiert. Wirklich komisch, was man manchmal so vor sich hinredet! Ich schätze, dass ist für Kinder tatsächlich verwirrend.
Stilistisch hat mir deine Geschichte recht gut gefallen. Sie lässt sich flüssig lesen.

LG
Bella

 

Hallo sarpenta!

Kann mich mit deiner Geschichte leider nicht besonders anfreunden, obwohl ich zwischendurch auch gelacht habe.

Trotzdem gefällt mir die Herangehensweise an das Thema nicht. Wolltest du die berühmte-berüchtigte „Kindersprache“ von Erwachsenen aus der Sicht des Betroffenen, des Kindes, schildern, oder sie in Wirklichkeit nur aus der Sicht eines Erwachsenen persiflieren? Du hast letzteres getan. Ich hätte es aber viel interessanter gefunden, wenn du wirklich einmal versucht hättest, dich in ein Kleinkind mit seinem begrenzten Wahrnehmungsvermögen und Verständnis für seine Umwelt hineinzuversetzen und seinen Schwierigkeiten beim Verstehen der Eltern und bei der Artikulation seiner ersten Wörter auf den Grund zu gehen.

„Kindersprache“ von Erwachsenen ist meines Wissens nichts anderes, als eine sehr wichtige Hilfestellung für das Kind beim Erlernen der Artikulation von Wörtern. Deshalb fängt sie auch mit den einfachsten Silben „da-da“ und „ma-ma“ an. Natürlich sollten sie nicht lange bei dieser Form des Sprechens verbleiben und auch von Anfang an normale Sätze zu dem Kind sagen, wenn auch deutlich artikuliert.

Deine Geschichte verlässt die Sichtweise des Erwachsenen jedoch nicht. Tut mir leid, aber ich habe solche Persiflagen schon zu oft im Radio gehört, um mich darüber wirklich noch amüsieren zu können. Hättest du dich in das Kind hineinversetzt, hättest du vielleicht ungeahnte Entdeckungen gemacht (beispielsweise wie anders die Welt aus der Höhe von Kinderaugen aussieht, was nicht nur beim buchstäblichen Begreifen, sondern auch bei der Kommunikation mit riesigen Erwachsenen eine bedeutende Rolle spielt).

So, und jetzt halt ich endlich den Mund :sealed: !

Majolu

 

Hi Majolu,

ich weiss, ich bin spaet dran mit meiner Antwort ... aber immerhin ...

Es ist unmoeglich die Sprache der Eltern aus der Sicht einer zweijaehrigen zu beschreiben ohne dabei in die Sprache von Erwachsenen zu wechseln. Wenn ich hier mehrere Seiten gebrabbel schreibe, dann macht sich jeder Leser nach zwei Zeilen vom Acker - vermutlich :Pfeif:

Ein weiteres Problem ist Folgendes: Zu jeder Art von Denken verwendet man Sprache. Wie kann ich das aus der Sichtweise oder Denkweise einer zweijaehrigen eine vernuenftige Geschichte schreiben und dabei die Sprache / das Denken einer zweijaehrigen zu verwenden? Ich weiss nicht - es muesste unweigerlich klingen wie:

"Mama, mama, Durst."
Mama bueggen, mama lieb, lachen. Mama so machen. Mama sagen:
"Das heist: Ich habe Durst, Liebes."
"Ich Durst." Ich stolz. Mama sagen:
"Ich habe"
"Ich abe". Ich mehr stolz.
"Das hast Du schoen gesagt kleines" ...

... ich aber wieder gemein :D ...

Ich vermute, das wolltest Du nicht sagen mit: "Die Geschichte verlaesst die Sichtweise eines Erwachsenen nicht". Aber wie denkt man mit zwei Jahren?

In einer frueheren Geschichte hatte ich das bei einer 8-Jaehrigen versucht, da geht das schon eher, weil diese schon eine Sprache besitzt, mit der man arbeiten kann - siehe: http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=25170

Genug zurueck-gemeckert ... viel Spass noch hier & danke fuer die Kritk

sarpenta

 

Hallo sarpenta!

Stellenweise fand ich die Geschichte zum Schmunzeln und sie zeigt schön auf, wie manche Erwachsene (viel schlimmer noch als die Eltern sind ja meist Tanten und Omas) mit ihren Kindern reden.

Eigentlich dachte ich ja, Du hättest das Kind gewollt so gebildet dargestellt, da Du ja, wie es mir scheint, gar nicht versucht hast, die Sprache einfach zu halten, was sich unter anderem im Verwenden mehrerer Fremdwörter, sonstiger schwieriger Wörter oder mathematischer Begriffe äußert. Aus Deinen Antworten ist dann aber ersichtlich, daß Du eher nicht wußtest, wie Du das Denken eines so kleinen Kindes darstellen könntest.

Wie kann ich das aus der Sichtweise oder Denkweise einer zweijaehrigen eine vernuenftige Geschichte schreiben und dabei die Sprache / das Denken einer zweijaehrigen zu verwenden? Ich weiss nicht - es muesste unweigerlich klingen wie:

"Mama, mama, Durst."
Mama bueggen, mama lieb, lachen. Mama so machen. Mama sagen:

Nein, so müßte es nicht klingen. Solange ein Kind keine Worte für die Dinge hat, existieren nur Bilder und Gefühle. Zudem muß ich aber auch sagen, daß das, was Du beschreibst, nicht nach einer Zweijährigen klingt – Zweijährige können schon mehr und trinken auch keine Milch mehr aus dem Fläschchen.
Ein Denken in Gefühlen und Bildern kann man eigentlich nicht in Worten aufschreiben, zumindest nicht, wenn man die Ich-Form verwendet, da es sonst wieder ein Denken in Worten wäre bzw. in Deinem Fall auch ist. Deshalb kann ich Dir dafür nur einen Erzähler in dritter Person empfehlen, der nah am Kind dran ist und so die Gefühle des Kindes in Worten beschreiben kann.

Ein paar Kleinigkeiten noch:

»wobei sie meinem Vater vergnügt in die Seite stupste.«
– meinen Vater

»Wie konnte ich diesen Stummel eines Gesprächs zum glühen bringen,«
– zum Glühen

»“Ich hab' aber 'was gehört! Ganz sicher.“«
– ohne Apostrophe

»… Ausdrucks meines Vaters hatte etwas beruhigendes, weises, unergründlich tiefes,«
– etwas Beruhigendes, Weises, unergründlich Tiefes

»sein Verständnis aus diesem lyrisch lautmalenden in sich geschlossenen Einwortsatz empfinden konnte.«
– lautmalenden, in

»Eigentlich wollte ich die Zeile mit ein 'böböböbö' beginnen,«
– das »ein« entweder streichen oder »einem« draus machen

»Unsere Schnuckimausi, kriegt jetzt ihr Fläschili zu trinki.“«
– ohne Beistrich nach Schnuckimausi

»Flaschi dagegen war dagegen ein Synonym für ihren wässrigen Kindertee.«
– zweimal »dagegen«

»genauso wie alles Andere, womit sich Papa sich umgab«
– alles andere
– ein »sich« zuviel

»Die meisten anderen Dingen in unserer Wohnung hatte ich dagegen schon einmal getestet.«
– Dinge ohne n

»gleichzeitig Fußball zu gucken und dabei – ohne sich um zu drehen – beobachten konnte,«
– zusammen: umzudrehen

»mit seiner monströsen männlichen Bedeutungsfülle heraus zu horchen.«
– zusammen: herauszuhorchen

»“Ich hab' heute ein wunderbares Paar Schuhe im Kaufhaus entdeckt, so ein rotes, mit ganz rafinierten Riemchen.“«
– »hab« ohne Apostroph, raffinierten

»findest Du nicht auch?“«
du


Liebe Grüße,
Susi :)

 
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Liebe Susi,

ein Bussi fuer Deine Kritik ... Danke!

Ich muss aber trotzdem nocheinmal zurueckschreiben - aehem.
Was ich als Antwort auf Majolu's Posting schrieb war wohl nicht so geglueckt. Um es praeziser zu formulieren: Mit den Gedanken und Worten einer Zweijaehrigen ist es nicht moeglich eine "vernuenftige" Geschichte zu schreiben. Um eine gute Geschichte zu schreiben, muss ich immer ein Minimum an sprachlichen Faehigkeiten voraussetzen. Die Memoiren einer Zweijaehrigen will ich keinem zumuten.
Ich habe bewusst die Kleine in der Geschichte besonders eloquent auftreten lassen, um die Dummheiten der Erwachsenen besser kontrastieren zu koennen.

Nun weiter: Soweit ich das weiss, ist es sogar empfohlen, so lange wie moeglich zu stillen, d.h. bis zu 24 Monaten etwa. Ich lasse mich da gerne von Expertinnen belehren ...

Wenn ich einen Erzaehler in der dritten Person verwende verliere ich viel von den Kontrast zwischen dem, was das Kind bereits kann und weiss, und der Art, wie sie von den Erwachsenen behandelt wird. Auch kann die kleine nicht mehr kommentieren was um sie herum geschieht. Damit gehen notgedrungen die meisten Gags verloren ...
Deswegen wuerde ich gerne diese Perspektive und die Sichtweise der Person beibehalten. Wenn ich das aendere muss ich die Geschichte komplett neu schreiben.

Ich will hier nicht Deine Kritik kritisieren oder mich rechtfertigen. Ich wollte nur sagen, dass ich die momentane Konstellation fuer meine Erzaehlabsicht immer noch am besten halte, aber angefangen habe darueber nachzudenken. Diese Geschichte werde ich dahingehend nicht umstellen, allerdings werde ich vielleicht eine neue Geschichte mit aehnlichem Inhalt schreiben.

Hinsichtlich dem Textkram gibt es hier scheinbar nur Analphabeten wie mich ... und eine Hueterin der rechten Schreibung: Susi ;)

Ich besser' das gleich noch alles aus ...

Frohe Ostern!

sarpenta.

Nachtrag:

»Unsere Schnuckimausi, kriegt jetzt ihr Fläschili zu trinki.“«
– ohne Beistrich nach Schnuckimausi
Einen Beistrich konnte ich bei mir am Bildschirm nicht sehen. Ich hab jetz einfach Mal das Komma geloescht ... :D

 

Hallo sarpenta!

Trotz Häferls Vorarbeit: Ich hab da noch was.

"Sie griff danach reflexartig in den Kühlschrank um mit zwei Flaschen Bier" - Komma nach Kühlschrank (oder fällt das unter 'neue Rechtschreibung'?).

"Auch heute langte sie gedankenverloren an die Tür," - Ich würde "nach der Tür" sagen.

"setzte sich mir gegenüber auf die Knie." - Wieder ein Ausdruck, den ich nicht kenne? Bei uns setzt man sich gewöhnlich auf sein Hinterteil. Ich würde "ließ sich auf ihre Knie nieder" vorschlagen.

"eine läppische mathematische Fingerübung, bei der die Würfel zueinander alternierend um die Beträge der ersten sieben Primzahlen verdreht übereinander gestapelt waren" - Das betrachte ich als Herausforderung. Ich bin mir aber nicht sicher, es verstanden zu haben. Ist der Satz so richtig?

'et voila' - Da fehlt noch der Akzent: et voilà

"Die Ethymologie" - Etymologie

"meine geschmacklose lila Blümchenschnullerflasche" - Soso, daher stammen also die Blumen.

"wie die eigenartigen Obst- und Gemüse-Gläser schmeckte, die ich sonst weitestgehend nach den Prinzipien zeitgenössischer Gestaltungsweisen über unsere weiße Tapete verteilte." - Die Gläser? Wohl eher deren Inhalt.

"begann mit meinem Einwand: "A..."." - Der Punkt hinter den Anführungszeichen ist zuviel.

"oder aus der orakelhaften Modulation dieses Wortes mit seiner monströsen männlichen Bedeutungsfülle herauszuhorchen." - Okay, diesen Satzteil habe ich schlicht und einfach nicht kapiert. Oder fehlen da Kommas (hinter Wortes und Bedeutungsfülle)?

Aber ernsthaft: Der Text ist klasse. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Grüße
Chris

 

Hallo Chris!

Nochmal vielen Dank fuer Deine Muehe.

Trotz Häferls Vorarbeit: Ich hab da noch was.
Was? Nicht einmal mehr auf Haeferl ist verlass? :D

Das Komma ist eingebaut, aber hier:

"Auch heute langte sie gedankenverloren an die Tür," - Ich würde "nach der Tür" sagen.
klingt fuer mich persoenlich das "nach der Tuer" etwas umgangssprachlicher als der Rest. Ich hab's daher mal gelassen. Ich werde aber die naechsten Tage nochmal an die Stelle hingucken.

"setzte sich mir gegenüber auf die Knie." - Wieder ein Ausdruck, den ich nicht kenne? Bei uns setzt man sich gewöhnlich auf sein Hinterteil. Ich würde "ließ sich auf ihre Knie nieder" vorschlagen.
Ich wollte damit beschreiben, dass sie sich a) auf die Knie nieder laesst und b) gleichzeitig mit ihrem Hintern auf ihre Fersen setzt. Ist'n bischen kompliziert - ich weiss :D
Ich frag' jetzt mal noch jemand anderen, ob man das so verstehen kann. Wird'n bischen dauern. "niederlassen" waere eine gute Alternative.

"eine läppische mathematische Fingerübung, bei der die Würfel zueinander alternierend um die Beträge der ersten sieben Primzahlen verdreht übereinander gestapelt waren" - Das betrachte ich als Herausforderung. Ich bin mir aber nicht sicher, es verstanden zu haben. Ist der Satz so richtig?
Ja - zwei nach rechts, drei nach links, fuenf nach rechts ... ist'n ziemlicher Klugscheisser, die Kleine ...

"Die Ethymologie" - Etymologie
Ups, dass ist richtig peinlich fuer einen, der Griechisch LK hatte ...

"meine geschmacklose lila Blümchenschnullerflasche" - Soso, daher stammen also die Blumen.
:rotfl:
Du hast mich heute aber voll erwischt!

"wie die eigenartigen Obst- und Gemüse-Gläser schmeckte, die ich sonst weitestgehend nach den Prinzipien zeitgenössischer Gestaltungsweisen über unsere weiße Tapete verteilte." - Die Gläser? Wohl eher deren Inhalt.
Richtig!

"oder aus der orakelhaften Modulation dieses Wortes mit seiner monströsen männlichen Bedeutungsfülle herauszuhorchen." - Okay, diesen Satzteil habe ich schlicht und einfach nicht kapiert. Oder fehlen da Kommas (hinter Wortes und Bedeutungsfülle)?
Da fehlt kein Komma (so hoffe ich). Das mmmmh ist ein Wort mit einer monstroesen maennlichen Bedeutungsfuelle. Man(n) hat das als passende Antwort zu allem, wofuer er sich eigentlich nicht interessiert :D

Aber ernsthaft: Der Text ist klasse. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Danke!

:kuss:

Beste Gruesse,

sarpenta

 

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