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Das Abhauen
Er löste sich aus ihrem Griff.
Es machte Klick. „Wo willst du hin?“, sprudelte es aus seiner Frau hervor. Sie sprang aus dem Bett, stellte sich blitzschnell, die Arme in die nackt ausladenden Hüften gestemmt, ihm in den Weg.
Seine Hand erhob sich, „Ich gehe nur etwas spazieren. Ich habe heute frei.“, und streichelte zärtlich ihre Wange. Sie funkelte ihn beschwörend an und umfasste sein Handgelenk, so daß er stillhielt.
„Erik! Du hast nicht frei. Du bist krank.“
Seine Hand glitt von ihrer Wange an seine gemarterte Stirn. „Ja, und hier drin werde ich meine Kopfschmerzen niemals los.“ Er nahm seine Frau bei den Schultern und schob sie beiseite, ging an ihr vorbei.
Verunsichert blickte sie ihm hinterher. Klick. „Liebling, bleib doch da! Wir schlafen nochmal miteinander.“ Regungslos ging er weiter. Da rief sie: „Wie willst du die Tür aufbekommen?“
Ohne sich umzudrehen sagte er: „Die Tür muss sich heute einfach öffnen.“
Er ging zum Telefon und wählte die Nummer der Überwachungsstelle. Es dauerte nicht lange, da meldete sich die Stimme des Sekretärs. „Guten Morgen, Herr Morgenfeuer. Geht es Ihnen denn heute schon wieder besser?“
„Nein, gar nicht. Ich glaube, ich muss etwas frische Luft schnappen gehn. Öffnen Sie bitte meine Tür.“
„Haben Sie Ihre Heilmittel denn schon genommen?“
„Ja.“, versicherte Erik.
„Das muss doch reichen.“
„Nein, es hilft nichts.“, antworte Erik.
„Ihre wunderbare Frau - reicht Sie Ihnen etwa auch nicht mehr?“
„Nein - Ja! Ich muss raus. Bitte.“
„Aber wozu? Sie haben bekommen, was sie wollten. Was hilft es da draußen rumzuirren? Schließlich wird es Nacht und Ihr Kämmerchen ist wieder dasselbe.“
„Sie irren sich!“, schrie Erik in den Hörer.
„Nein ich verstehe. Sie müssen ihr Kerzchen an die frische Luft bringen. Die Laterne etwas umhertragen.“
„Ich komme nicht wieder.“
„Was würde Ihre Frau dazu sagen?“
„Sie liebt mich doch gar nicht.“
„Sind Sie sicher?“
„Sie kennt mich nicht. Dazu ist sie gar nicht fähig.“
„Das ist Unsinn und das wissen Sie.“
„Es kümmert mich nicht mehr.“
Erik beendet die Verbindung. Er drehte sich um und blickte in die besorgten Augen seiner Frau, wandte sich ab und ging schweigend an ihr vorbei zur Garderobe. Sein Kopf dröhnte. Sie eilte ihm auf nackten Füßen hinterher. Nahm seine Hand, während er bereits mit der anderen den Mantel vom Haken nahm. Ihre Finger krabelten ihm panisch von seiner Handfläche aus den Arm entlang, hinauf bis zur Schulter, wo sie hilflos nach seiner Wange ausreichten. Er fasste ihren Arm und stieß ihn von sich.
„Bist du denn unglücklich mit mir, Schatz?“, fragte sie jetzt weinend.
Er sah sie an. Erkannte nun deutlich diese ihn ersticken wollende, animalische Puppe. Man konnte sie mit Wasser füllen und musste dann nur ihren Arm nach unten drücken, um sie zum weinen zu bringen. Für soetwas hatte er sich einsperren lassen! Das hatte er gewollt. Dieses Zuchthaus. Und jetzt platze ihm bald der Schädel.
Also umfasste er den wuchtigen Rahmen des an der Flurwand befestigten Spiegels an beiden Seiten mit beiden Händen und schlug den Kopf gegen sein Abbild. Bis es zersprang. Bis die orangen Geschwüre im Gesicht platzten und abfielen, daß endlich rotes Blut floss. Seine Frau schrie. Er lachte. Griff nach der Klinke. Offen! Das war ´s.