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Das Abhauen

TWP

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17.11.2005
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Das Abhauen

Er löste sich aus ihrem Griff.
Es machte Klick. „Wo willst du hin?“, sprudelte es aus seiner Frau hervor. Sie sprang aus dem Bett, stellte sich blitzschnell, die Arme in die nackt ausladenden Hüften gestemmt, ihm in den Weg.
Seine Hand erhob sich, „Ich gehe nur etwas spazieren. Ich habe heute frei.“, und streichelte zärtlich ihre Wange. Sie funkelte ihn beschwörend an und umfasste sein Handgelenk, so daß er stillhielt.
„Erik! Du hast nicht frei. Du bist krank.“
Seine Hand glitt von ihrer Wange an seine gemarterte Stirn. „Ja, und hier drin werde ich meine Kopfschmerzen niemals los.“ Er nahm seine Frau bei den Schultern und schob sie beiseite, ging an ihr vorbei.
Verunsichert blickte sie ihm hinterher. Klick. „Liebling, bleib doch da! Wir schlafen nochmal miteinander.“ Regungslos ging er weiter. Da rief sie: „Wie willst du die Tür aufbekommen?“
Ohne sich umzudrehen sagte er: „Die Tür muss sich heute einfach öffnen.“

Er ging zum Telefon und wählte die Nummer der Überwachungsstelle. Es dauerte nicht lange, da meldete sich die Stimme des Sekretärs. „Guten Morgen, Herr Morgenfeuer. Geht es Ihnen denn heute schon wieder besser?“
„Nein, gar nicht. Ich glaube, ich muss etwas frische Luft schnappen gehn. Öffnen Sie bitte meine Tür.“
„Haben Sie Ihre Heilmittel denn schon genommen?“
„Ja.“, versicherte Erik.
„Das muss doch reichen.“
„Nein, es hilft nichts.“, antworte Erik.
„Ihre wunderbare Frau - reicht Sie Ihnen etwa auch nicht mehr?“
„Nein - Ja! Ich muss raus. Bitte.“
„Aber wozu? Sie haben bekommen, was sie wollten. Was hilft es da draußen rumzuirren? Schließlich wird es Nacht und Ihr Kämmerchen ist wieder dasselbe.“
„Sie irren sich!“, schrie Erik in den Hörer.
„Nein ich verstehe. Sie müssen ihr Kerzchen an die frische Luft bringen. Die Laterne etwas umhertragen.“
„Ich komme nicht wieder.“
„Was würde Ihre Frau dazu sagen?“
„Sie liebt mich doch gar nicht.“
„Sind Sie sicher?“
„Sie kennt mich nicht. Dazu ist sie gar nicht fähig.“
„Das ist Unsinn und das wissen Sie.“
„Es kümmert mich nicht mehr.“

Erik beendet die Verbindung. Er drehte sich um und blickte in die besorgten Augen seiner Frau, wandte sich ab und ging schweigend an ihr vorbei zur Garderobe. Sein Kopf dröhnte. Sie eilte ihm auf nackten Füßen hinterher. Nahm seine Hand, während er bereits mit der anderen den Mantel vom Haken nahm. Ihre Finger krabelten ihm panisch von seiner Handfläche aus den Arm entlang, hinauf bis zur Schulter, wo sie hilflos nach seiner Wange ausreichten. Er fasste ihren Arm und stieß ihn von sich.
„Bist du denn unglücklich mit mir, Schatz?“, fragte sie jetzt weinend.
Er sah sie an. Erkannte nun deutlich diese ihn ersticken wollende, animalische Puppe. Man konnte sie mit Wasser füllen und musste dann nur ihren Arm nach unten drücken, um sie zum weinen zu bringen. Für soetwas hatte er sich einsperren lassen! Das hatte er gewollt. Dieses Zuchthaus. Und jetzt platze ihm bald der Schädel.
Also umfasste er den wuchtigen Rahmen des an der Flurwand befestigten Spiegels an beiden Seiten mit beiden Händen und schlug den Kopf gegen sein Abbild. Bis es zersprang. Bis die orangen Geschwüre im Gesicht platzten und abfielen, daß endlich rotes Blut floss. Seine Frau schrie. Er lachte. Griff nach der Klinke. Offen! Das war ´s.

 

Hi Bugs,

Danke für die Hinweise!

TWP schrieb:
stellte sich blitzschnell, die Arme in die nackt ausladenden Hüften gestemmt, ihm in den Weg.
Die Sperrung ist hier ganz bewusst gesetzt als Entsprechung zum Inhalt.

Bugs schrieb:
Erschließt sich mir nicht und hat bei mir nicht gezündet - zumal es im Text keine Argumente für diesen Schluss gibt ( oder Argumente, die mir nicht aufgefallen sind).

Ja, der Text ist nicht ausgerichtet auf dieses Ende, deshalb verstehe ich, wenn es sich nicht erschließt. Es ist die letztendliche Erkenntnis des Mannes, der seine Frau natürlich länger kennt als der Leser. Ob der Text, so wie er jetzt ist, einen Reiz besitzt, bin ich mir nicht sicher.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi TWP

Ich dachte schon, du wärst nicht mehr da.
Für mich hat der Text einen Reiz. Hat mich ein wenig an "1972" erinnert. Es klingt nach totaler Kontrolle des Staates. Aber vielleicht solltest du doch mehr Hintergrund reinbringen.
Den Namen "Morgenfeuer" finde ich übrigens genial. Den Titel auch.

Gruß

 

Moin TWP!
Leider bleibt mir deine Geschichte ziemlich unverständlich. Ich denke schon, dass du etwas damit beabsichtigt hast, aber was ... keine Ahnung.
Im Grunde weiß ich nciht mal, was da eigentlich los ist. Du lieferst ja keine Hintergrundinfos. Schade, denn so werde ich die Geschichte einfach wieder vergessen.

Lieben Gruß
moon

 

Hi Aris.

Nein, bin noch voll da, war nur still.
Ja, es gibt so einen autoritären Kontroll-Aspekt in der Geschichte. Er soll aber nur ein wenig durchscheinen und als Rahmen dienen, um im Zentrum ganz Erik als Person zu haben, so daß der Text zwischen Science-Fiction und Surrealismus aufklafft. Ich hab ihn nochmal überarbeitet; vielleicht wird jetzt manches deutlicher.

@moonshadow: Versuchs jetzt nochmal.

Danke für eure Worte!

 

Morgen Lukas!

Erstmal Danke fürs Lesen und für dein Kompliment. Jetzt zu den Hüften!

die nackt ausladenden Hüften gestemmt
Wieso können Hüften nicht "nackt ausladen"? Also in meinem Hirn ergibt das echt Sinn. Mir ist die Grammatik ja gewiss nicht egal, aber wenn der "Schwachsinn" gut klingt, den Inhalt verdeutlicht und allgemein verständlich ist, finde ich solche "Overkills" OK.
Hier dachte ich: das wird ein guter Text.
Wurde es ein guter Text?

 

Hallo ash,

Ein bisschen habe ich den Eindruck, du hast den Text mit einer anderen Idee begonnen als abgeschlossen. Natürlich bleibt das Thema die Gefangenschaft in einer Beziehung, der die Offenheit abhanden gekommen ist. Die Gefühle, der Reiz alles, was man sich erträumt hat, erstickt einen und die Fantasien, die damit verbunden waren, erfüllen sich nicht.
Ich denke, dass es vielen so geht. Auf der Suche nach Liebe würden sie viele Opfer geben für den einen Menschen, dessen Liebe sie niemals in Zweifel stellen müssen, weil er sie permanent neu beweist.
Und ich denke, dass viele nicht überlegen, dass diese devote Demut ihnen irgendwann die Luft zum Atmen nimmt, denn auch ihr wohnt ja eine latente Forderung inne: Verlass mich nicht.
So eine Kette kann Kopfschmerzen verursachen.
Unnötig fast, aber natürlich ein erlaubter Kniff zur Unterhaltung bei solchen Thema, der SF-Weg einer kontrolierenden Gesellschaftsordnung, welche die Erfüllung des Traums ermöglicht und letztlich so perfide überwacht, dass aus der Glückeligkeit kein Entkommen ist.
Genau das aber gab mir das Gefühl des Ideenwechsels des Schreibens, war da doch die Frage, möchtest du nun den Horror einer kontrollierenden Gesellschaft aufzeigen oder den Horror einer oberflächlich alles gebenden Partnerschaft? Oder stand diese kontrollierende Gesellschaft von Beginn an als das Opfer für dich fest, welches der Prot bereit war zu geben, wenn er nur die Frau findet, die ihn so gnadenlos liebt, dass es Zweifel weckt?
Der entsteht ja schon in der Ausgangssituation. Wenn ich weiß, jemand liebt mich nur, weil ich es mal gewünscht habe, weil ein Wunscherfüllungssystem es ihm befohlen hat, dann sind die Zweifel vorprogrammiert. Viele Beziehungen gehen genau daran kaputt, dass jeder weiß, die Liebesbeweise des anderen herbeimanipuliert zu haben.

Du siehst, dein Text löst eine Reihe an Gedanken aus, was ja nicht das Schlechteste ist, was man einem Text attestieren kann.
Allerdings fürchte ich, ich habe auf Grund meiner Tätigkeit, meines Wissens um Kommunikation mehr in den Text gelesen, als er beinhaltet. Das spricht gegen diesen Text, denn selbst, wenn du dir alle diese Gedanken selbst gemacht haben solltest, zeigen die Reaktionen, dass dir nicht jeder folgen kann.

Was hilft es da draußen rumzuirren?
Sprache muss in das ambiente passen. Die ansonsten sehr offizielle Modulation des Sekretärs wird kaputtgemacht, wenn du ihn hier im alltagsdeutsch eine Silbe verschlucken lässt.

Lieben Gruß und frohe Weihnachten, sim

 

Hallo Sim,

Vielen Dank für deine Kritik. Tatsächlich wusste ich, als ich den Text zu schreiben begann, noch nicht wie er endet. Ein wirklicher Ideenwechsel fand bei mir jedoch nicht statt. Was ich noch wollte, war eine autoritäre Instanz einbringen, die den Protagonisten in seiner ihn ungeliebten Situation festhalten will. Der Sekretär kann demnach auch als ein Alterego von Erik gelesen werden, das ihn hindern will. Ein innerer Schweinehund eben. Das ist sein eigentlicher Zweck. Die fiktionale Gesellschaft nur ein oberflächlicher Rahmen, der mir nicht bedeutsam war, sondern unterhaltend wirken soll.

Daß der Text deine Gedanken in dir anregt, finde ich gut. Ich erkläre nicht immer gern selbst. Das mögen zwar einige nicht oder finden es schwach, aber es ist mein eigener Anspruch an Literatur, dem ich da Rechnung tragen muss. Ich mag es nicht vorgekaut. Nur gut geschnitten.

Was hilft es da draußen rumzuirren?
Zunächst stand dort "umherirren", und ich hab es dann geändert, um es schärfer klingen zu lassen. Ich finde es passt auch zu den darauf folgenden Wörtern "Kämmerchen" und "Kerzchen".

Einen netten Gruß und einen schönen zweiten Weihnachtsfeiertag, wünscht dir

Ash

 

Hi TWP!

Na ja, bei mir ist das nicht so weit her gewesen mit der emotionalen Wirkung. Zugegeben, die Dialogszene am Telefon hast du gut rübergebracht ( so ein sturer, aalglatter Beamter kann einen zur Verzweiflung/Weißglut treiben, vor allem wenn er am Drücker sitzt ).
Nur - wenn du den Anspruch erhebst, dass der Text zum Nachdenken anregt, dann wirkt er nicht ( außer bei sim, der für sein Leben gerne tiefenpsychologische Analysen macht *stichel* :D ).

Wenn ich ihn als Zukunftsszenario lese, lässt mich das x-te Überwachungsstaat-Szenario abwinken, vor allem wenn es noch so unplausibel dargestellt ist. Ein Mann lässt sich freiwillig für eine Gummipuppe einsperren? Wo liegt denn da der Sinn? Warum sollte eine äußere Kontrollinstanz notwendig erscheinen und vor allem: Wie sollte er zu einer Puppe, die emotional keine Gefühle erwidern kann und noch dazu strohdoof ist, solche Bindungssehnsucht und gleichzeitig Bindungsfurcht entwickeln?

Liest man den Text dagegen als tiefenpsychologische Parabel auf einengende Beziehungen, dann wirkt er zu aufgesetzt. Es ist kaum möglich, von allein auf diese Interpretation zu kommen, weil niemand auf die Idee käme, seinen Partner mit einer Puppe zu vergleichen und den Beamten mit einem "Alter Ego".

Um wirklich berühren zu können, ist die Aussage vielleicht auch zu platt. Da wird ein klischeehaftes Eheproblem in eine Parabel verpackt, ohne dass diese irgendeinen neuen Aspekt beleuchten würde, den ich in jeder beliebigen Seifenoper nicht auch zu sehen kriege.

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo Megabjörnie,

Danke für deine Kritik.

Wenn ich ihn als Zukunftsszenario lese, lässt mich das x-te Überwachungsstaat-Szenario abwinken, vor allem wenn es noch so unplausibel dargestellt ist. Ein Mann lässt sich freiwillig für eine Gummipuppe einsperren? Wo liegt denn da der Sinn? Warum sollte eine äußere Kontrollinstanz notwendig erscheinen und vor allem: Wie sollte er zu einer Puppe, die emotional keine Gefühle erwidern kann und noch dazu strohdoof ist, solche Bindungssehnsucht und gleichzeitig Bindungsfurcht entwickeln?
Du unterschätzt die Puppe. Für mich ergibt das Sinn, aber ja, hier sollte ich einige Dinge verdeutlichen.

Es ist kaum möglich, von allein auf diese Interpretation zu kommen, weil niemand auf die Idee käme, seinen Partner mit einer Puppe zu vergleichen und den Beamten mit einem "Alter Ego".
Wirklich nicht? Zumindest wenn man weiß, "dies ist eine Parabel", sollte man doch darauf kommen können.

Um wirklich berühren zu können, ist die Aussage vielleicht auch zu platt. Da wird ein klischeehaftes Eheproblem in eine Parabel verpackt, ohne dass diese irgendeinen neuen Aspekt beleuchten würde, den ich in jeder beliebigen Seifenoper nicht auch zu sehen kriege.
Ja, es ist nichts Neues. Obwohl du dir widersprichst, da du meintest, niemand würde darauf kommen, seinen Partner mit einer Puppe zu vergleichen.

 

Hey TWP,

bei mir wirkt der Text emotional. Habe auch mit den nackt ausladenden Hüften üüüüberhaupt kein Problem und teile diesbezüglich deine Meinung, zumal es auch zehn mal besser klingt, als nackten, ausladenden Hüften. (=> bäähh!)

Da ich nicht an dem berühmten Zwang leide, alles bis ins Detail interpretieren und aufschlüsseln zu müssen, kann deine Geschichte ihre Wirkung bei mir wohl etwas besser entfalten, als bei anderen.

Nicht, dass sie mich total umhaut und zu extatischen Begeisterungsstürmen hinreißt, aber ich finde sie ganz ehrlich gut!

 

Ich gebe dir ja Recht, dass dein Vorschlag grammatikalisch "richtiger" ist, als der des Autors. Nur bin ich - übereinstimmend mit allen ernst zu nehmenden Sprachwissenschaftlern im deutschsprachigen Raum - der Ansicht, dass Grammatik etwas rein deskriptives ist, oder sich zumindest so verstehen sollte. Wie sagt Professor König sinngemäß? - Alles, womit man im Alltag nicht negativ auffällt, ist korrektes Deutsch.
Dass sich die Grammatik in vielen Bundesländern als "normativ" durchgesetzt hat (=> wissenschaftlich totaler Unfug!) liegt wohl an der nie enden wollenden Denke eines eigenartigen Bildungsbürgertums, dass seine Eitelkeit durch Besserwisserei und Regelkunde stillen muss.

Hinsichtlich der Hilfen, die mir ein Text zu seiner Interpretation anbietet, bin ich offensichtlich etwas gelassener als du. Dies heißt nicht, dass ich ihn nicht interpretiere. Nur leide ich nicht an dem Zwang, jedes Detail einer Geschichte bis ins Letzte aufdröseln zu müssen, wenn die Gesamtbotschaft des Textes bei mir schon angekommen ist. Dass sie bei dir nicht ankam, dafür kann ich nichts.
Allerdings tröstet es den Autor vielleicht, wenn er liest, dass es auch Leser gibt, die sein Werk zu verstehen glauben und es gut finden. Daher meine Wortmeldung, die aber eher dazu dienen sollte, denn Schrieber aufzubauen, als dir gegen den Karren zu fahren.

Würde mir nun jemand ein leckeres Bohnengericht kochen, hätte ich auch nichts dagegen.

Was bedeutet "alla mohl"?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Makani. Danke für deine Worte. Es freut mich, daß dir die Geschichte gefällt und du auch meine so gewagte Satzstellung nachvollziehen kannst. Selbst wenn sie in diesem Text einmalig bleibt...

Lukas schrieb:
Allerdings stehen jene Hüften im Text weit auf einsamer Flur . Ihre aussergewöhnliche grammatische Beschaffenheit steht zu nichts formal ähnlichem im Text in Zusammenhang, und ihre zwingende Notwendigkeit falsch zu sein, wurzelt nur im Gusto des Autors, der Sinn und Zweck, der Bezug zum Textganzen stellt sich für den Leser nicht her, wenn er gewillt ist, jenem "Zwang" zu folgen, einen Text verstehen zu wollen.
Was redest du da? Wieso willst du der Konstruktion soviel Gewicht geben? Sie fällt kaum auf. Und was, sag es mir, ist unverständlich an ihr? Es sind Hüften, die betont NACKT ausladen.

 

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