Was ist neu

Das Alte

Mitglied
Beitritt
05.07.2020
Beiträge
338
Zuletzt bearbeitet:

Das Alte

[Wird veröffentlicht]

 

Hallo @Habentus

ich habe mir jetzt vor allem mal die Stelle angesehen, wo in der vorigen Version die Erzählweise gewechselt hatte. Ich finde, so ist es gut gelöst. Die Perspektive von Hannes bringst du mit ein, ohne dass ein Bruch in der Geschichte spürbar wird.

Hier noch ein paar Kleinigkeiten:

Aber Wichmann fragt sich, ob er´s wird Halten können.
Warum hast du "Halten" hier groß geschrieben?
Als hätt er´s Knirschen gehört, bei jedem Wort.
Auch hier wieder: Warum ist "Knirschen" groß geschrieben? Es heißt doch ohne die Auslassung: Als hätt er es knirschen gehört. Und nicht: Als hätt er das Knirschen gehört.

Und zum Schluss, als die Soldaten anrücken, wird es ja nicht gleich Spaten für alle geben.
Also könntest du so oder ähnlich schreiben: Und wer keinen Spaten bekommt, wird seine bloßen Hände nehmen. Nur eins ist wichtig: Graben!

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Ein weiterer Song, den zu covern sich lohnt!

Hallo @Habentus!

Habe deine überarbeitete Version gelesen und finde, dass ihr die Korrekturen und der Feinschliff gut zu Gesicht stehen!
Konnte nicht widerstehen, musste das auf meine Weise nacherzählen. Hoffe, das ist okay für dich, du kannst es als Wertschätzung anerkennen.

Gruß,
Sammis

Unten

Als er das Dorf erreicht ist es längst dunkel. Er reißt am Zügel, bringt den Gaul zum Stehen. Das Tier glänzt schweißnass im fahlen Licht des aufgehenden Mondes.
„Ruhig“, sagt er, das Pferd bläht die Nüstern, stellt sich gegen die Richtung aus der sie gekommen sind.
Wenn er spricht, der Sturmsepp, und sei es nur dies einzelne Wort, ist ihm, als wär was in seinen Hals geraten. Knirschend und rieselnd klingt es in seinem Kopf. Kratzend, ein wenig schmerzhaft.

Schummriges Licht dringt durch das dicke Glass des einzigen Fensters der Schenke. Drinnen sitzt der Wichmann. Ob Gast oder nicht sitzt er dort und zählt die Stunden.
Josef Sturm läuft auf die Tür zu, das Gewehr in der Hand. Einen Moment bleibt er stehen. Lauscht, schaut sich um, meint, da wär was. Im Zwielicht kann er sein Pferd ausmachen, das noch immer steif dasteht.

Wichmann starrt den Sturmsepp an, der in der Tür steht, Wind und Nacht hereinlässt. „Machs zu!“, sagt er.
Die Holztische sind verwaist. Den Mann treibts nur zwei, drei Mal im Jahr her. Dann säuft er für zwei, bevor er aufs Pferd steigt und verschwindet.

Wichmann grinst. Zum Lachen ist ihm nicht. Bis eben hat er den Querbalken angestarrt. Den großen, ders Dach der Schenke trägt. Aus Eichenholz ist der gehauen, massiv schaut er aus. Aber wird ers halten können? Die schweren Gedanken und vielen Fragen, auf die Wichmann längst keine Antwort mehr zu finden hofft.

Der späte Gast zieht den Hut ab, lehnt das Gewehr an den Tresen und stellt sich neben den Hocker.
Wichmann holt zwei Gläser und schenkt ein. Sie trinken, lauschen dem Wind und der Stille.
„Warst aufm Feld?“, fragt der Wichmann. Ihm ist die Erde aufgefallen, die überall am Gwand vom Sturmsepp hängt. Auch in den Haaren und dem Gesicht klebt der Dreck, und als er antwortet, hörts sich an, als hätt er Erde zwischen den Zähnen. „Meine Felder liegen brach. Das is vorbei.“

Der Mann sieht aus, als hätt er angst. Sein Gesicht ist eingefallen, die Augen finden keine Ruhe.
 „Ich hab mein Hund erschlagen“, flüstert er mit der rieselnden Stimme. „Irgendwann letzte Woche. Tag und Nacht hat er angeschlagen.“ Er schüttelt den Kopf und schaut zum Fenster. „Dann bin ich raus und hab gegraben.“

Wichmann runzelt die Stirn.

„Da is was. Unten in der Erde. Und es will raus.“

„Wovon redest du? Was soll da sein?“

Der Sturmsepp zuckt die Schultern. „Weiß ich nicht. Noch nicht. Aber es is ungeduldig.“
 Er nickt mit dem Kinn zur Flasche auf dem Tresen.
Wichmann schenkt nach, weiß nicht, was er davon halten soll.

„Es weiß von deinem Bier“, sagte der Sturmsepp, „dass dus panscht. Und deiner Frau, die dir untreu is. Weilst se nimma besteigst, seit m Krieg.“

Der Wichmann glaubt, nicht richtig gehört zu haben, ballt die Hände zu Fäusten. „Vorsicht!“, zischt er. „Noch ein einziges Wort über meine Frau und –.“

Aber der Sturmsepp hört ihn nicht, hebt den Blick: „Stund um Stund starrst den Balken an. Überlegst, dich dran aufzuhängen, während sie oben liegt und sich nach anderen Männern verzehrt. Aber der Grund is ein anderer.“
Der Sturmsepp schaut dem Wichmann in die Augen und dem wird eiskalt. Wie kann der das wissen? „Das ist nicht richtig“, flüstert Wichmann.
Der Sturmsepp nickt und schaut weg. „Recht hast. Ich sollt nicht wissen, was dich umtreibt. Es geht mich nichts an!“ Er nimmt einen Schluck, sagt: „Ich denk, es sollt unten bleiben. Vielleicht ists noch nicht zu spät.“ Mit der Zunge fährt er sich über die rissigen Lippen, nimmt das Gewehr in die Hand und legt es auf den Tresen. Sein Glas fällt runter und zerbricht. „Nimms!“, sagt er und Wichmann schreckt zurück. Der Sturmsepp packt ihn am Arm und zieht ihn zu sich. „Wenn ich sag, dass dus Gewehr nehmen, mir auf die Brust setzen und abdrücken sollst, würdest es tun?“

Wichmann kann den Atem vom Sturmsepp riechen. Den Alkohol und was anderes.

„Kannst den Leuten sagen, dass es recht war! Dass es recht war, weil ich dich drum gebeten hab. Niemand darf hoch! Damits Graben aufhört. Sag schon?“

Wichmann versucht sich zu befreien. Er zerrt und windet sich, aber der Sturmsepp hält ihn fest.

„Also nicht“, sagt er. „Weil du nicht gesehen hast, was ich gesehen hab. Weil es nicht zu dir spricht.“ Der Sturmsepp lässt ihn los, zieht das Gewehr vom Tresen. „Es ruft nach mir!“ Wieder schaut er zum Fenster. „Ein zweites Mal wirds nicht geben. Nochmal schaff ichs nicht wegzukommen.“ Er greift in seine Tasche, legt Münzen auf den Tresen. „Dann gehts net anders.“ Joseph Sturm dreht das Gewehr um, stellt es auf die Bodendielen und legt das Kinn auf den Lauf. „Bleibts weg vom Hof!“, sagt er und drückt ab.

„Hat sich einfach so erschossen. Hier vor deinen Augen.“ Kohr schüttelt den Kopf und seufzt. Er steckt die dicken Daumen zwischen Hemd und Hosenträger und meint: „Wird nicht einfach, den hierrauszubekommen.“ Er kratzt sich am kahlen Schädel und grinst. Wichmann würde ihm gern ins Gesicht schlagen.
„Ich werd den Hannes dazuholen“, murmelt Kohr, „wir brauchen den Heuwagen.“ Mit der Stiefelspitze tippt er den Sturmsepp an, der noch immer auf dem Boden der Schenke liegt. Er runzelt die Stirn und fragt erneut: „Nix hat er dir gesagt?“

Wichmann schüttelt den Kopf.

Als sie ihn draußen haben und Kohr mit der Leich verschwunden ist, holt Wichmann einen Eimer Wasser und beginnt den Boden aufzuwischen. Er will das Blut weghaben! Das Bild in seinem Kopf, wie der Sturmsepp ihn ansieht, ehe er abdrückt, alles will er wegwischen!

„Und der schießt sich also einfach so bei dir am Tresen in den Kopf?“, fragt Schwär.

Den hat Wichmann ganz vergessen. Der Schutzmann sitzt keine zwei Meter von der Stelle entfernt, wo sich der Sturmsepp den Schädel weggeschossen hat, und schaut zu, wie er den Boden schrubbt. „So wars“, sagt Wichmann und wringt den Lappen aus.

Schwär stopft sich eine Pfeife. „Ein harter Hund war das“, sagt er und steckt die Pfeife an. „Kenn den, seit ich klein war. Hat mich als Bub mal arg verdroschen. Weil ich über sein Feld gesprungen bin.“ Er schaut Wichmann an, schüttelt den Kopf und lächelt: „Was renn ich auch über sein Feld, hm?“ Er pafft einen Zug: „Hätt jedenfalls nie gedacht, dass der sich mal wegmacht! So einer nicht. Nicht der! Und warum ausgerechnet bei dir?“
„Man kann nicht reinschauen in die Leut.“

Schwär lacht. „Nein, reinschauen kann man nicht.“ Er zieht an seiner Pfeife und meint: „Morgen reit ich zum Sturmhof.“

Wichmann hört auf zu schrubben und schaut Schwär an.
 „Den Hof willst dir anschauen?“

„Sicher! Die Sache ist mir nicht geheuer. Außerdem müssen die Tiere versorgt werden. Der Kohr hat sich angeboten. Wir reiten zusammen.“
Wichmann schweigt, hält den blutigen Lappen in der Hand. Der Balken. Seine Frau. Das bereitet ihm Kopfzerbrechen. Keiner konnte das wissen. „Ich komm mit“, sagt er.

Wissts ja, was man sich erzählt“, sagt Kohr auf halbem Weg. „Vom Hof und den Feldern und solchen Sachen.“

„Sachen?“, fragt Schwär, „was für Sachen, Kohr?“

Natürlich weiß der, was Kohr meint. Wichmann hat die Geschichten auch gehört, schon als kleiner Bub. So lang redet man hier schon über den Sturmsepp. Von den Lichtern im Wald. Von dem Flüstern und dass seine Felder sogar bei Frost gedeihen. Geschwätz! Alles Geschwätz, aber auch immer ein Fünkchen Wahrheit dabei.

Kohr treibt sein Pferd an und schließt zu Schwär auf. „Weißt schon“, sagt er, „er dort oben allein und immer übervolle Felder.“

Schwär dreht sich zu ihm. „Was willst damit sagen? Dass der Sturmsepp da irgend ein Schindluder getrieben hat? Dass er mit dem Deibel im Bunde stand und deshalb solche Ernten hatte? Glaubst auch an Nachzehrer und Aufhocker, hm? Der Sturmsepp war bestimmt kein einfacher Mensch. Aber davon abgesehen, war alles in Ordnung mit dem! Und jetzt will ich von dem Geschwätz nichts mehr hören!“


Schweigend reiten sie weiter, es hat zu regnen begonnen. Schwär wirft Wichmann einen Blick zu, der zu all dem nichts gesagt hat. Krank sieht der aus, denkt er.

Als der Sturmhof in Sicht kommt, wird den Männern mulmig zumute.

Das erste, was ihnen ins Auge fällt, ist der erschlagene Hund. Vor dem Haus liegt er im Schlamm, das Fell dreckig und verfilzt. Schwär greift nach seinem Gewehr, die beiden anderen tun es ihm gleich. Die Pferde binden sie an einem Baum an.

„Der ist kaputt“, murmelt Kohr, als sie am Hund vorübergehen. Die Tür zum Haus steht offen, Schwär macht einen Schritt darauf zu. „Ist da wer?“, ruft er. Es rührt sich nichts.
Die Männer werfen sich Blicke zu, dann gehen Schwär und Kohr hinein.
Wichmann zögert, bleibt zurück. Sein Mund ist trocken und alles in ihm schreit, dass er wegmuss. Fort von hier, so schnell es geht! An nichts anderes kann er denken, also dreht er sich um und läuft los. Nach fünfzig Schritt bleibt er stehen. Weiß gar nicht, warum? Verwundert schaut er sich um, als er plötzlich etwas hört.

Im Haus ist es finster. Kalter Rauch hängt in der Luft, auf dem Küchentisch steht ein Teller mit schimmeligem Fleisch.

„Schauen wir nach den Tieren“, sagt Kohr. Er öffnet die hintere Tür, die in den Stall führt und schaut hinein. Es ist dunkel und stickig, zunächst kann er nichts erkennen. Er macht zwei Schritte und bleibt stehen. Erdiger Geruch steigt ihm in die Nase. Nach Kartoffeln riecht es. Nach Heu und den Tieren. Kein unangenehmer Geruch.
Ein wenig Licht dringt durch Spalten in der Stallwand. Staub wirbelt in der Luft. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sieht er Umrisse auf dem Boden. Die Rinder sind tot. Aber sie stinken nicht, wie verdorrt schauen die aus. Er will umdrehen und den Stall verlassen. Den anderen Bescheid geben, als er etwas hört. Es treibt ihn zum Scheunentor hinaus.

Schwär schaut aus dem Küchenfenster. Er weiß nicht, wie lange er schon dort steht und den Blick nicht abwenden kann. Da draußen ist was. Der Wind wiegt die Bäume anders. Hin und her, als würden die tanzen. Er muss lächeln. Das ist schön, denkt er, das muss er den anderen zeigen! Doch Kohr und Wichmann sind nicht da.

„Ich geh mal dort raus“, sagt Schwär und schon ist er zur Tür hinaus.

Wichmann sieht den Sturmsepp stehen.

„Willst erfahren“, sagt der, „woher ichs wusst, hm?“ Wichmann kann ihn hören, obwohl der den Mund geschlossen hält. Obwohl der Sturmsepp gut dreißig Meter entfernt steht, kann er ihn hören. Obwohl der längst tot ist. „Willst wissen, wies is erlöst zu sein, Wichmann? Deswegen bist hergekommen mit den anderen.“

Erlöst?, denkt Wichmann. Hat er nicht gesagt, wir sollen uns fernhalten?
Wegen dem Sturmsepp is er mitgekommen. Weil der Dinge wusste, die keiner weiß. Nur darum gings ihm. Aber mit einem Mal, will ers gar nicht mehr wissen! Weg will er. Nur noch weg von hier! Der Wichmann rennt los, stolpert, fällt hin, rappelt sich auf und rennt weiter. Zu den Pferden!, denkt er. Dann sieht er Schwär auf sich zukommt. „Wir müssen weg!“, ruft er ihm entgegen.
Als er ihn erreicht, holt Schwär aus und schleudert ihm einen Stein gegen den Schädel. Wichmann fällt, bleibt liegen. Auf dem Boden atmet er noch zwei Mal.

Schwär schaut auf den Toten hinunter. Er geht um das Haus herum und stellt sich neben Kohr an den Rand einer gewaltigen Grube.

Lange vor heute ist was ins Moor gefahren. Lange bevor sich der Mensch aufgerichtet hat und ins Tal gekommen ist. Vor den Gletschern, dem Wasser, den Kriegen. Verborgen hat es gewartet, gelauert. Bis es vor fünf Tagen zu dem Josef Sturm gesprochen hat. Jetzt will es raus, nach oben.

Schwär bittet im Dorf um Hilfe und die Männer machen sich auf den Weg. Frauen und Kinder werden ausgesandt, bis zum Ende der Woche graben annähernd einhundert Menschen aus den umliegenden Ortschaften.
Je tiefer man kommt, desto mehr ergibt ihr Tun Sinn. Man versteht.
Manche sterben mit der Schaufel in der Hand. Aber das ist in Ordnung. Von Westen nähern sich Soldaten. Auch sie werden verstehen.

Die Grube gedeiht. Tiefer und tiefer.
Vielleicht schon morgen, meint man.
Dann trifft ein Spaten auf Metall und es beginnt!

 

Hallo @Sturek danke fürs erneute Vorbeischauen. Hast recht, habe deine zwei Hinweise mit der Groß- und Kleinschreibung geändert. Generell hab ich gemerkt, dass in der Überarbeitung und Kürzung noch mal neue Fehler entstanden sind, die ich jetzt nach und nach noch ausbessere. Danke für den Hinweis.
Generell gekürzt habe ich auch noch mal!

Noch hierzu:

Und zum Schluss, als die Soldaten anrücken, wird es ja nicht gleich Spaten für alle geben.
Also könntest du so oder ähnlich schreiben: Und wer keinen Spaten bekommt, wird seine bloßen Hände nehmen. Nur eins ist wichtig: Graben!
Das ist gar nicht so wörtlich gemeint, sondern eher in dem Sinne, was zu erwarten ist.
Andererseits was genau passiert, wenn die Soldaten ankommen, ist ja gar nicht so klar. Der Wichmann zB hat sich ja auch auf seine Art gewehrt. Vlt. passiert das bei einigen der Soldaten auch? Weiß man eben nicht. Es geht bei der Formulierung aber auch eher darum aufzuzeigen, dass die Masse der Soldaten wohl ebenfalls unter den Einfluss geraten wird. Ganz unabhängig von der Anzahl der vorhandenen Spaten.

Hallo @Sammis
meine Antwort kommt leider etwas verspätet! Aber vielen Dank, dass du meinem Text die Ehre erweist, ihn auf deine Art zu Papier zu bringen! Du hast ihn auf jeden Fall noch mal deutlich gekürzt und gerafft. Ich würde (und habe :) ) ihn anders schreiben, aber ich sehe auf jeden Fall auch bei deiner Version eine Daseinsberechtigung! Danke also dafür. Vlt. schaue ich mir sogar die eine oder andere Stelle bei einer weiteren Überarbeitung bei dir ab? Hat mich auf jeden Fall sehr gefreut und zum Schmunzeln gebracht!
Bei mir ist es zeitlich gerade wieder eng, aber Anfang kommender Woche werde ich mich auf jeden Fall auch wieder bei deinen Buchkapiteln revanchieren :)

Viele Grüße
Habentus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom