Mitglied
- Beitritt
- 25.01.2008
- Beiträge
- 36
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Das Bild
Frederik ging aufgeregt durch die drei Räume der Galerie.
"Es hat keinen interessiert, überhaupt keinen. Sie sind nicht einmal davor stehen geblieben. Ich frage mich, ob es überhaupt jemand gesehen hat, ich meine so richtig, mit den Augen. Haben wir es überhaupt hingehängt?" Ruckartig wandte er sich noch einmal um.
Er war an der Balkontür stehen geblieben. Nervös zupfte er nun ohne recht hinzuschauen an der Schnurmechanik der Jalousie. Die Lamellen drehten sich und gaben kurzzeitig ein nichts sagendes Draußen zur Sicht frei, das zum raschen Zudrehen der Lamellen bewegte. Hohe Mauern, die dem kahlen Innenhof, der gelegentlich nach Bedarf verschönert wird, nur wenig Raum lassen.
Die Galeristin nickte verständnisvoll. Sie war immer sehr charmant, hübsch auch, verstand alles, so schien es Frederik zumindest.
Frederiks Bilder gingen gut. Ein bisschen dekorativ, ein ganz klein bisschen ironisch, mehr wollte die Provinz nicht, mehr verstand sie auch gar nicht.
"Und in das Gästebuch hat auch keiner etwas darüber geschrieben", grummelt Frederik weiter.
Morgen kommt sogar ein Artikel heraus. Die Galeristin hatte ihn noch am vormittag mit der Volontärin der Lokalzeitung besprochen, nichts Feuilletonistisches oder gar Negativkritk, eher so die informative Ebene. Das Gesamtwerk und der mühsame Schaffensprozess sollten positiv herausgestrichen werden. Die Differenz zu einem Freizeitmaler.
Frederik holte sein Atemspray heraus. Erschöpft ließ er sich auf eine Chaiselongue aus weißem Leder und Metall fallen. Überall standen Kekse und Sekt. Er rieb sich die Füße, rieb sich die Augen, dann wieder die Füße. Er wollte nicht laufen, er wollte nichts sehen. Das Bild sollte doch sein ästhetisches Programm darlegen, sollte sein ganz persönliches, künstlerisches Manifest sein!
"Du übertreibst, Frederik. Du hast es gar nicht recht mitbekommen, du musstest ja…".
Ja was, auf den Trost jetzt war er gespannt. Sie setzte sich neben ihn, schlug ihre langen Beine übereinander. Was wollte er, fragte sie sich. Er hatte sie, er verdiente Geld, und das bei einer wahrhaft nur mäßigen Begabung. Im Übrigen dank ihres unermüdlichen und wahrlich grenzenlosen Einsatzes. Gelangweilt sah sie an sich herunter. Sie sollte die Ringe und das Collier abnehmen, der Abend war vorbei.
"Du hast dauernd das Gästebuch durchgeblättert. Du hast die bewundernden Gäste weder vor den Bildern stehen sehen, noch hast du ihnen die Gelegenheit gegeben, sich für diesen Kunstgenuss in Form eines Eintrags zu bedanken."
Er betrachtete sein Bild, die Agonie der großen metamorphotischen Melusine, so hatte er es genannt. Eine Meerjungfrau, deren Schwanz sich gerade zu Beinen zu spalten begonnen hatte, setzte ihrem Leben eine Ende, in dem sie sich an einer goldenen Kordel aufhängt, den Leib wie zu einem Haken gekrümmt.
Er hätte bei der abstrakten Malerei bleiben sollen.