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Das erste Mal ins Klo
Premierenprämie
Premierenprämie
Seit einigen Wochen ist Jonny so gut wie trocken, aber fürs große Geschäft kommt er zu mir gelaufen und verlangt nach einer Windel: "Mama, ich Kacke machen..." Das passiert bis zu dreimal am Tag, und so ist trotz guter Fortschritte der Windelkonsum derselbe geblieben wie vorher. Der Unterschied ist lediglich, dass Jonny jede Windel höchstens fünf Minuten trägt, eben, bis das Geschäft hineingedrückt ist. Irgendwie ärgert mich das. Die häufigen Gänge zum Drogeriemarkt, den lästigen Transport der Windelpakete und das Geld, was man dafür ausgibt, das alles würde ich mir endlich gerne sparen. Deshalb ist Jonny seit langem versprochen, dass er ein großes Geschenk bekommen soll, wenn er das erste Mal ins Klo gemacht hat, und zwar nicht nur "gepieschert". Es ist kein Problem für ihn, auf die Klobrille zu klettern, und jedesmal wenn er Wasser gelassen hat, sagt er triumphierend: "Ich reingefallen nicht, Mama!" Nein, mein Schatz - aber du könntest doch mal etwas hineinfallen lassen! "Ich Eschenk ich ins Lo ekackt, Mama?" Ja, Jonny, das weißt du doch, ich hab´s dir doch versprochen. Ein großes Geschenk. Was wünschst du dir denn? "Ein doßes Tutata, Mama!" Also gut. Ein großes Feuerwehrauto.
Vor ein paar Tagen ist es endlich passiert. Jonny musste fast jede Stunde ein mittelgroßes Geschäft machen, immer so, dass die Windel ein kleines bisschen verschmutzt wurde und ich sie wegwerfen musste. Bestimmt fünfmal. Gegen Abend kletterte er auf die Toilette, strullte hinein, und danach - huch! - machte es "pffft" und "plumps". Premiere! Jonny war total überrascht: "Ich ins Lo ekackt, ich ins Lo ekackt! Ich Eschenk auspacken!"
Da ging mir auf, dass ich schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte. Ich hatte gar kein Geschenk! Oh je! Ich sagte Jonny schnell, ich müsse das Geschenk natürlich erst besorgen. Morgen, morgen, da gehe ich los und kaufe dir dein großes Feuerwehrauto! Jonny sah mich ernst und erwartungsvoll an: "Morgen Mama Eschenk aufen. Morgen." Seine Augen leuchteten, ich nahm ihn in den Arm und gratulierte ihm - und mir - zum großen Ereignis.
Am nächsten Tag brachte ich die Kinder in den Kindergarten und gönnte mir als erstes ein kinderfreies, eisiges Bad in der unbeheizten Wakenitz. Während ich zwischen den Holzstegen meine Bahnen zog, plante ich meine route durch die Stadt. Spielwaren gab es in verschiedenen Kaufhäusern, die ich in einer gewissen Reihenfolge besuchen würde. Die richtig schönen Läden mit dem handgefertigten Holzspielzeug kamen wegen der hohen Preise nicht in Frage.
Mir war so klapperkalt, dass ich nach kurzem Überlegen beschloss, mir ausnahmsweise für 50 Cent eine Marke für sechs Minuten Warmwasser unter der Dusche zu leisten - so als kleine Entschädigung für die Unterkühlung. Allerdings war mir danach noch genauso kalt. Das legte sich während meiner nun folgenden Geschäfte-Odyssee.
Bei Klappenburg gab es kein Feuerwehrauto; es ging herrlich schnell, das festzustellen.
Nächste Station: Wollwert. Ein vielfältiges Angebot! Mir fiel allerdings auf, dass um so mehr technische Raffinessen enthalten waren, je preisgünstiger das Feuerwehrauto war: Fernbedienung, Blaulicht, Sirene mit verschiedenen Heultönen, Lautsprecher und Mikrofon, damit das Kind richtige Durchsagen machen konnte - alles Mögliche, was nur mit Batterie funktionierte, scheußliche Geräusche von sich gab und schnell kaputt gehen würde. Herrliche Aussichten: "Mama, Batterie alle is! Neue Batterie wir aufen, Mama!" Ganz oben im Regal gab es aber das ganz robust wirkende Feuerwehrauto der bekannten Marke Spielbeweg, das zwar blinken, aber nicht heulen konnte. Ich untersuchte den Karton genau und fand alles sehr ansprechend - bis auf den Preis: 49 Euro und 90Cent. Für ein Feuerwehrauto! Und nicht einmal zum Geburtstag, sondern einfach so zwischendurch - für "das erste Mal ins Klo"!
Nein, das war einfach zu viel des Guten. Ich würde wohl eher nervtötende Geräusche in Kauf nehmen müssen und großes Gemecker, wenn die Batterie zu Ende ginge.
So zog ich weiter zu K-Stadt, wo ich beinahe ein Löschfahrzeug zum Selber-Zusammenschrauben gekauft hätte (für 17 Euro, was immerhin 34 Mark gewesen wären, da spürt man erst richtig, wie viel das ist!), wenn ich nicht im letzten Moment gesehen hätte, dass die Leiter nicht ausziehbar war und nicht einmal Sprossen hatte. Sie war im Grunde nur eine dicke Plastikstange. Wie sollten denn da die Feuerwehrmänner hochkommen? Wer denkt sich denn sowas aus? Ich sah Jonnys vorwurfsvolles Gesicht schon lebhaft vor mir: "Männer tapptapp nicht machen, Mama!" Das Auto war ungültig. Keine müden Cent wert.
Schließlich ging ich zu Zuckermann, einem edlen großen Spielwarengeschäft in der Kaiserpassage. Seit einer guten halben Stunde war ich jetzt unterwegs, in einer Viertelstunde wollte ich das Ergebnis in der Tasche haben, mehr Zeit sollte nicht für dieses Vorhaben draufgehen. Zu Hause wartete ein Wäscheberg auf mich, der Staub quoll mir listig von überallher entgegen, der Herd gähnte mich an: "Koch was, koch was!" und im Hinterkopf nagte die fast unmöglich erscheinende Idee, mich für ein halbes Stündchen mit der Geige zurückzuziehen, die allerdings von einer scharfen Stimme in meinem Inneren "Du denkst immer nur an dich!" bereits gedeckelt wurde.
Ich sah neben all den komplizierten, batteriebetriebenen billigen Fabrikaten hier mein favorisiertes Spielbeweg-Modell wieder. Es überzeugte mich absolut. Die vielen Kleinteile, die dazugehörten, würde ich erst einmal irgendwo verwahren, bis Klein-Jonny groß genug wäre, um sie anzuwenden. Stabil, groß und einfach, das gefiel mir. Die Leiter hatte selbstverständlich vernünftige Sprossen. Preis: 67 Euro und 90 Cent. Konnte das wahr sein?
Die Viertelstunde neigte sich ihrem Ende zu. Im Nu war ich wieder bei Wollwert, wo ich ohne Zögern den Karton für neunundvierzigneunzig aus dem Regal zerrte, bezahlen ging und nach Hause fuhr, hoch zufrieden, achtzehn Euro gespart zu haben.
Welch eine Prämie: Ein Neunundvierzigneunzig-Feuerwehrauto für "das erste Mal ins Klo" - aber fünfzig Cent für eine Warmdusche nicht ausgeben wollen! So verhält es sich also mit mütterlichen Verhältnismäßigkeiten!
Tröstlich ist der Gedanke, dass ich das Geld schon in acht Wochen wieder erwirtschaftet haben werde, weil Jonny jetzt ja keine Windeln mehr braucht. Jedenfalls nicht tagsüber.
Und ich werde hundertmal warm duschen. Jawohl!