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Das Kanzlerklo
Es war der Tag, an dem Heinz P. gefeuert wurde. Einen Tag lang war er Redaktionsleiter gewesen. Vom erkrankten Chef hatte er noch den Auftrag erhalten, irgend einen Aufmacher auf der Titelseite zu bringen, der sich auf den Bundeskanzler bezog. Es sollte etwas sein, was bisher noch nie über den Kanzler geschrieben wurde, aber natürlich der Wahrheit entsprechen musste. Bei der Redaktionskonferenz war nichts Erhellendes herausgekommen, Heinz P. musste den Auftrag also allein ausführen. So kam es zu der dummen Geschichte, die ihn den Job kostete. Am nächsten Tag titelte die Zeitung:
Zwei Rollenhalter im Kanzlerklo!
Der Text zur Schlagzeile hatte den ganzen Journalisten gefordert. Das Foto zeigte einen souveränen Kanzler in Nahaufnahme, der lässig lächelnd an einem Seil zog. Aus der Denkmalsenthüllung war eine WC-Spülung geworden. Natürlich war das Kanzlerklo mit einem Spülknopf ausgestattet, aber davon gab´s kein Foto im Archiv. Beim Klopapier musste Heinz P. spekulieren: Zweilagig? Dreilagig? Oder gar vierlagig? Er fand heraus, dass nicht der Kanzler selbst das Papier aussuchte. Das Telefongespräch mit dem Hausmeister des Kanzleramts brachte die Bestätigung: der Politiker wischte mit zweilagigem Papier, seine Gattin benutzte - in der Regel - vierlagiges. Es waren also zwei Klopapierrollen neben der Schüssel angebracht! Jetzt erfuhr Heinz P., dass der Kanzler im Sitzen pinkelte. Eine geschickte Taktik, denn damit zog er natürlich zahlreiche Wählerinnen auf seine Seite. Bis zu fünf Mal täglich suchte der Regierungschef das Amtsklo auf, war aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren. Zu den längeren Sitzungen nahm er stets etwas zu lesen mit. Bei seinem engen Terminkalender musste schließlich jede beschissene Minute genutzt werden! So bereitete er sich einmal akribisch auf einen Staatsbesuch in London vor. Aus einer Ausgabe des „Spiegel“ war ihm auf dem Weg zum Stillen Örtchen „Asterix bei den Briten“ heraus gerutscht.
Heinz P. hatte alles in allem erstklassig recherchiert und sein Text füllte dann doch noch den Platz eines Leitartikels. Am Tag darauf ließ ihn der genesene Chefredakteur in sein Büro zitieren. Zwei Minuten später stand er auf der Straße. Er hatte - wohl in Gedanken - neben das Wort „Gattin“ den Namen der inoffiziellen Freundin des Kanzlers gesetzt. Ein unverzeihlicher Fehler.