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Das Kartoffelpufferrezept

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25.10.2004
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Das Kartoffelpufferrezept

Am Wochenende hatte ich in der Regel nicht viel zu tun. Die Sonne schien, gestochen scharfe Wolken zogen vorbei und die Vögel trällerten ihre Lieder. Dazu mischten sich ein paar Küchengeräusche meiner Nachbarn und die Düfte frisch gebrannten Toastbrotes und Kaffees. Ich saß in der Küche und schälte ein paar Kartoffeln für das Mittag. Meine Gedanken ließen sich von Kartoffelschale zu Kartoffelschale treiben. Im Nebenzimmer sprühte sich Amelie Selbstbräuner auf die Beine. Das Geräusch erinnerte mich an die große Mückenplage in Polen, an einen Urlaub, den ich lange nicht vergessen konnte wegen den Schwellungen auf meinem Körper. Wenn man eine zeitlang von Mücken und Bremsen gestochen wird, hört man auf sich zu wehren, denn es kostet nur Kraft und Nerven. Man lässt sich stechen und kratzt noch nicht einmal. Während der Gespräche am Lagerfeuer denkt man ab und zu an die Krankheiten, die solch eine gefräßige Mückenschar verbreiten könnte und man hofft, dass es gesunde Mücken sind. Es macht ja an sich nichts, wenn sie ein bisschen Blut abnehmen.
Wir hatten ein kleines, verarmtes Haus auf einem Hügel gemietet, in dem eine Familie mit ihren zwei Kindern hauste. Sie zogen kurzfristig zur Großmutter und überließen uns das Haus wie es war. Die schmutzigen Kinder beäugten uns neugierig aus sicherer Entfernung während die Eltern die wichtigsten Sachen zusammenpackten. Es gab eine große Küche, sehr einfach eingerichtet mit einem Tisch, einem Ofen und ein paar Regalen, auf denen halbkaputte Radios standen. Auf zweien konnte man nur Radio hören und ein anderes spielte nur Kassetten ab. Dahinter kam ein Wohnzimmer, nicht größer als fünfzehn Quadratmeter mit einem bunten Teppich, einer ausziehbaren Couch, einem Tisch und einem dunklen Schrank. Man hatte zur Zierde ausgetrunkene Amaretto und Baileysflaschen auf den Schrank gestellt. An den Wänden hingen Fotos, auf denen die Familie mit strahlendem Lächeln und ebenso strahlenden Hochzeitskleidern der Zukunft entgegenblickt. Das war wohl lange bevor sie anfingen Likörflaschen zu sammeln. Schlaf- und Kinderzimmer unterschieden sich kaum vom Wohnzimmer und mit all den selbstgestrickten Decken, bunten Kissen und dem Nippes war es sehr gemütlich und heimisch. Am ersten Abend machte ich einen kleinen Spaziergang hinter den Hügel. Dichter Nebel hatte sich über den Feldern gesammelt und versperrte den Blick auf das Nachbardorf. Die Luft war so herrlich erfrischend, dass ich mir eine größere Lunge wünschte, um mehr davon zu atmen. Es war ein Platz an dem Märchen über geheimnisvolle Brunnen, nächtliche Kutschen mit mysteriösen Insassen und flötende Feen erfunden wurden. Der Weg, bestehend aus zwei schwarzen, tief in den Boden gedrückten Fahrspuren, zog sich schnurgerade durch die schlafende Landschaft. Ich glaubte Tiere im Gras zu spüren, die mich mit leuchtenden Augen anstarrten und nicht wagten, sich zu bewegen. Ich fühlte jeden meiner Schritte, die sich tief in die weiche Erde drückten, wie in Zeitlupe. Bis aufs Äußerste gespannt folgte ich dem Weg und versuchte sein Ende auszumachen. Dann mischte sich ein neues Geräusch dazu. Es schien die ganze Zeit dagewesen zu sein, aber erst jetzt nahm ich es wahr. Ein Knirschen mit ein paar entfernten Klappergeräuschen und es kam direkt vom Ende des Weges, das ich immer noch nicht ausmachen konnte, aber ich fühlte, dass da etwas auf mich zukam. Ich ging wie beflügelt weiter, ohne den Blick vom Weg zu nehmen, fasziniert von der Dunkelheit, in der sich tausend Dinge vermuten ließen, Ruinen, geheime Gärten, unterirdische Verstecke aus der Kriegszeit, usw. Der Wagen, oder was auch immer es war, kam näher und ich glaubte schon die Kontur eines Pferdes zu sehen, als eine Nebelwolke mir die Sicht nahm. Der Sog, den das Unbekannte manchmal ausübt, ließ mich schneller werden, meine Füße glitten jetzt leicht, fast fliegend über das duftende Gras. Ich starrte in das Dunkel und erkannte einen leeren Heuwagen, vor dem ein kleines, krummes Pferd gespannt war. Auf dem Wagen saß eine dunkle, sackähnliche Gestalt. Die Räder holperten über die Regenlöcher und Grasbüschel. Das Pferd stolperte halb schlafend voran und hob nicht einmal den Kopf, um nachzusehen, wo es war. Die dunkle Gestalt, ein Bauer wahrscheinlich, fügte sich widerstandslos den ruckenden Bewegungen des Wagens. Jetzt war das Gefährt vielleicht noch dreißig Meter entfernt, doch die Geräusche blieben unwirklich und dumpf. Ich weiß nicht mehr wie lange ich dem Wagen entgegenlief. Es mochten Stunden vergangen sein, ohne dass ich mich ihm auch nur einen Meter näherte. Der Nebel verschwand irgendwann kaum merklich und goldenes Licht breitete sich über die Felder aus. Der Weg führte immer noch kurvenlos geradeaus. Das Knarren des Wagens wurde von Vögelrufen und Insektengezirpe überdeckt und aus der Dunkelheit lösten sich Bäume, alte Schuppen, kleine Häuser, Kirchen, Straßen und ganze Dörfer. Ich hörte das Brummen der Traktormotoren, den pfeifenden Wind, schimpfende Leute, wiehernde Pferde, Musik aus alten, kaputten Radios und hungrige Mücken. Ein paar schmutzige Kinder rannten kreischend über den Kartoffelacker und ich sang ein Lied, dessen Text ich nur noch zur Hälfte konnte.

Es dauert eine ganze Weile Kartoffelpuffer zu machen. Man muss sie schälen, waschen, reiben und braten, aber dann, wenn sie goldbraun auf dem Teller liegen, ist es ein wahrer Genuss. Alles was man braucht sind ein paar Kartoffeln, Eier, Mehl, Salz und Zeit und jemanden, für den man sie macht. Man muss nicht denken bei der Zubereitung, aber man tut es trotzdem und das ist wahrer Luxus.

 

Hallo Simone!

Erst einmal einige Stolperstellen für mich:

An den Wochenenden hatte ich in der Regel nicht viel zu tun
An welchen Wochenenden? Und beschreibst Du die jetzt alle, oder ein Wochenende? Mir erschiene - An Wochenenden habe ich ... An diesem Wochenende ... besser

für das Mittag
für den Mittag oder für das Mittagessen.

Meine Gedanken ließen sich von ..
Kann ich mir vorstellen, wie sich die Gedanken von einer Schale zur anderen treiben lassen, aber haben sich deine Gedanken wirklich von dir verselbständigt?

wegen der Schwellungen auf meinem Körper
das ist jetzt offtopic, aber falls gnoebel dies liest: das sind Gnubbel.

eine Z?eitlang von Mücken und Bremsen gestochen wird, hört man auf, sich zu wehren,...
Die Bremsen irritieren mich, weil sie sonst nicht vorkommen. Du waltzt dias Thema Mückenstiche weit aus, treibende Gedanken sind das wohl kaum. Und ich kann es auch nicht nachvollziehen. In Schweden haben wir manchmal auch heißhungrige Mücken, aber das Kratzen konnte ich nie vermeiden und über Krankheiten nördlich der Alpen habe ich mir auch nie Sorgen gemacht - sind doch keine Moskitos.

verarmtes Haus
vorstellbar, aber ich glaube, ein Haus kann nicht verarmen.

halbkaputte Radios standen. Auf zweien konnte man nur Radio hören und ein anderes spielte nur Kassetten ab.
Und ich hatte gedacht, auch mit einem heilen Radio kann man nur Radio hören. Meinst Du Radiorekorder oder wie die Dinger heißen?

nicht größer als achtzehn Quadratmeter
Unser erstes Wohnzimmer hatte neun Quadratmeter. Da ist 18 schon sehr groß und bestimmt nicht ärmlich.

Man hatte zur Zierde ausgetrunkene Amaretto und Baileysflaschen auf den Schrank gestellt.
Wer ist Man und woher weiß der Betrachter, dass die Flaschen zur Zierde dastehen? Ich würde schreiben: Auf dem Schrank standen .. als ob sie ...

der Zukunft entgegenblickte

strahlenden Hochzeitskleidern
Wer alles trägt sie denn. Ich habe das Bild vor Augen, dass Mutter und alle Mädchen Hochzeitskleider tragen. Ist das gemeint?

Kommafehler zähle ich nicht auf, aber z.B. würde ich hier Kommas setzen:
Das war wohl lange, bevor sie anfingen, Likörflaschen zu sammeln.

alles in allem war es sehr gemütlich und heimisch
Schmutzige Kinder, halbkaputte Radios, eine Sammlung leerer Flaschen und dann gemütlich und heimisch? Das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn Du es gemütlich haben möchtest, würde ich den Gegensatz herausstellen: Dennoch schien uns das Haus gemütlich ...

An dieser Stelle habe ich mich dann geärgert, dass Du keine Absätze in Deinem Text hast. So werden die Sinnabschnitte gar nicht deutlich und erst mitten im Satz wird mir klar, dass jetzt ein neuer Abschnitt beginnt.

Dichter Nebel ... Die Luft war so herrlich erfrischend
Kann ich als Mensch mit Atemproblemen überhaupt nicht unter einen Hut bringen.

Es war ein Platz an dem Märchen ... erfunden wurden
Ein schöner Satz, Ort statt Platz wäre vielleicht besser und das wurden ist fehl am Platze, oder wurden diese Märchen dort wirklich erfunden? Vielleicht spielen könnten statt wurden.

Der Weg, bestehend aus ... Fahrspuren
Der Weg war nur an den zwei Fahrspuren zu erkennen (bei dichtem Nebel?) aber er bestand bestimmt nicht aus zwei Fahrspuren, wie sollte man dann auf ihm gehen können?!

Den nächsten Sätzen würde ich einige Kommas gönnen, dann sind sie besser zu lesen. (Aber das gilt wohl für die ganze Geschichte).

Ich ging wie beflügelt weiter
Nacdem Du vorher schon aufs äußerste gespannt warst und jetzt etwas möglicherweise Unheimliches auf Dich zukommt, bist Du beflügelt? Diese Stimmung scheint mir nicht zu passen.

Heuwagen, vor den

Die Lichtverhältnisse sind ja phantastisch: Dunkelheit und Nebel wechseln sich ab und die Dunkelheit ist so hell, dass Du auf dreißig Meter Einzelheuten erkennen kannst.

Die Räder holperten über die Regenlöcher und Grasbüschel
Ich denke, es gab zwei Fahrspuren?

ein Bauer wahrscheinlich,
Also das nehme ich dem Prot nicht ab, dass er nach der bisherigen Beschreibung noch glaubt, da käme ein Bauer.

Der Nebel verschwand irgendwann kaum merklich
Das meinst Du wohl nicht, denn so würde der Satz bedeuten, dass der Nebel weitgehend blieb.

Der Weg führte immer noch kurvenlos geradeaus
Habe ich das übersehen, dass er das vorher auch schon tat?

Auch der Schluß leidet unter dem fehlenden Absatz. Dass Du die Kartoffelpuffer für Amelie machst, kann ich mir denken, aber warum das Denken bei der Zubereitung wahrer Luxus ist, das verstehe ich nicht so recht.

Am Ende Deiner kleinen Geschichte stelle ich fest: Ja, Deine Gedanken haben sich von Kartoffelschale zu Kartofelschale treiben lassen. Einige sind dabei anscheinend untergegangen. Ich vermute, Du hast grosse Erfahrung im Kartoffelpuffer machen, denn ich hätte beim Schälen und Reiben einiges von meinen Fingern eigebüßt, wenn meine Gedanken sich so herumgetrieben hätten.

Meine Einwände betreffen ja weitgehend die Form. Vom Inhalt her habe ich Deine Geschichte gerne gelesen, auch wenn mir einige Stimmungen unwahrscheinlich scheinen. Was macht der Prot mit seinen Gedankenfetzen? Gleich wieder vergessen? Beim Kartoffelpufferessen erzählen? Nachsinnen, was ihm diese Gedanken sagen wollen?

Wäre vielleicht interessant, wenn man darüber noch etwas läse.

Lieben Gruss

Jo

 

Hallo Jo,

Danke fürs Lesen und für deine Mühen.

Ich habe einige Stolpersteine beseitigt, andere leider nicht gefunden: die Fahrspuren zB, oder der gerade Weg, der wirklich als gerade beschrieben wurde, oder die Mücken und Bremsen, usw.

Freut mich, daß es trotzdem Spaß gemacht hat. Sicher ist das nur ein kleines Stück abschweifen, beim Kartoffelschälen- deswegen unter seltsam, vielleicht auch nur ein Anfang für eine richtige Geschichte. Die Sache mit dem Luxus kann ich nicht mal erklären- nur ein Gefühl, was manchmal aufkommt.

Liebe Grüße,
Simone

 

Hallo Simone

Bevor ich zum Text direkt komme:
Füge bitte unbedingt Absätze in diesen Wortmonolithen ein. Das liest sich am Bildschirm total schwer. Danke :)


Der Text:
Also eine wirklich Geschichte erzählst du ja nicht. Da gibt es einen Prot der beim Kartoffelschälen ins Träumen von seinem letzen Urlaub gerät.
In seinen Erinnerungen wandert er eher beschreibend als handelnd irgendwelche Traumpfade entlang und plötzlich ist der Text auch schon zu ende.

Also ich weiß nicht. Zumindest die herrliche Belanglosigkeit der letzten paar Zeilen und der Hauch von Tiefe im letzten Satz konnte mir ein Lächeln abrringen.
Dazu kommt, dass sich der Text angehm flüssig(weil schnell lesbar) liest.

Also insgesamt mEn doch gar nicht so schlecht :)


lg
hagen

 

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