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Das Lachen
Der Wunsch ihrer Schwester
oder
Das verlorene Lachen
Katherine von Weicken mochte es nicht, wenn man ihr wiedersprach. Sie duldete kein schlechtes Benehmen und mahnte ihre Dienstboten zur Sauberkeit und
Höflichkeit. Katherine war eine Frau, die nichts aus der Fassung bringen konnte. Die Paparazzies verloren schnell an ihr die Interesse, denn sie machte
nie etwas Unanständiges oder Verbotenes.
Doch heute war Katherine von Weicken, nicht die Katherine von Weicken, die jeder kannte. „Lass ihn nicht herein, Melly! Sag ihm, dass ich nicht da bin oder noch besser, dass ich sehr krank bin!“ . Melly, das Zimmermädchen, runzelte ihre Stirn. So hatte sie ihre Chefin noch nie erlebt. „Aber Frau von Weicken. Er wartet bereits im Foyer auf sie!“. Katherine stieß einen spitzen Schrei aus. Dann sank sie in ihren weichen Ohrensessel hinab. Schon nach ein paar Sekunden, hatte sie sich wieder gefasst und befahl mit einer kalten Stimme, die jeder von ihr gewöhnt war: „Dann lass ihn hereinkommen!“ Fast im selben Augeblick kam er herein. Er hatte das Gesprächbelauscht, denn er lächelte spöttisch als er Melly herausschickte. „Nun Katherine“, räusperte er sich während er sich auf den zweiten Sessel setzte und aus einem goldenen Etui eine Zigarre rausholte: „Die Zeit ist um. Du kennst das Testament... Ich habe sie natürlich gleich mitgebracht!“ Katherine sah ihn mit einen vernichtendem Blick an: „Ich habe gehofft du hast es vergessen, Joseph!“. Dieser lachte, während er an einer dicken Zigarre zog. „Das hättest du wohl gerne. Nein, deine Nichte erwartet dich schon. Und bevor du mich jetzt beschimpfen willst, denke daran. Es war ihr letzter Wille, ihr Testament, nicht meines. Es ist ja nur für drei Jahre!“. Er lachte wieder. Doch als er Katherines Gesicht sah, fügte er hinzu: „Denk daran, über Tote redet man nicht schlecht. Selbst du nicht!“. Er stand auf und drückte die Zigarre in einem goldenen Aschenbecher aus. „Wir sehen uns spätestens in drei Jahren. Auf Wiedersehen!“. „Hoffentlich nicht!“, murmelte sie.
Katherine schaute aus dem Fenster. Ihr gepflegter, französischer Garten machte ihr immer wieder Freude, wenn sie ihn ansah. Dort die schönen grünen... Dann sah sie sie. Dort auf ihrem perfekten Rasen stand sie. Was heißt stand? Sie wirbelte dort herum, tanzte und lachte dort, auf ihrem perfekten, tiefgrünen Rasen. Zwischen dem Hibiskus. Uns das schlimmste war, sie hatte sie sofort gesehen. Diese Ähnlichkeit. Diese verdammte Ähnlichkeit, die dieses Miststück mit ihr hatte. Katherine von Weicken stöhnte. Dies war der schrecklichste Tag in ihrem Leben. Ein Tag, der weder perfekt, noch normal war. Schrecklich! War es wirklich Susans letzter Wunsch gewesen, dass ihr Kind drei Jahre bei ihr wohnte? Ihr das Leben zerstörte? Sie stampfte aus dem Zimmer. Melly rannte ihr entgegen: „Oh sie ist ja so entzückend, so ein kleiner Goldschatz!“. „Ich erinnere mich weder daran dich nach deiner Meinung gefragt zu haben, noch dir erlaubt zu haben hier rumzuschreien!“, entgegnete Katherine während sie zum Garten marschierte. Jetzt würde sie es diesem Gör aber mal zeigen. Sie würde ihr vorrechnen, wie teuer dieser kostbare Rasen war, auf dem sie gerade herumtrampelte. Was erlaubte die sich eigentlich? Herzukommen, ihr Leben durcheinander zu bringen, ihr Imperium zu zerstören und dann wieder nach drei Jahren gehen um sie in ihrer zerstörten und liebevollen aufgebauten Welt alleine zu lassen? In dem Chaos, was sie anrichten würde. Nein, so ging das nicht. Dieses verdammte Miststück. „Tante Kathi! Schau mal!“, rief das Miststück. Tante Kathi? Katherine stutzte. Tante Kathi... Eigentlich klang das gar nicht so schlecht.
Jetzt kam sie. Sie hatte ihre Haare, dieselben Augen. Sie kam auf sie zugerannt... Auf ihrem Rasen! Plötzlich umarmten sie zwei kleine Kinderhände. „Ich bin froh hier zu sein, Tante Kathi. Onkel Joseph war soo streng zu mir! Du siehst mehr lieb aus als er!“. „Lieber aus, heißt das!“, verbesserte Katherine sie. Plötzlich stutzte sie. Hatte dieses Gör gerade gesagt, sie sähe lieb aus? Hatte das überhaupt schon mal jemand zu ihr gesagt? Sie konnte sich daran jedenfalls nicht erinnern. Luisa lachte und nahm ihre Hand: „Wusstest du, dass es dort ein Vogelnest gibt?“. Katherine von Weicken lachte plötzlich. Sie wusste nicht warum, aber sie lachte. Sie wusste nicht, dass sie auf ihrem französischen Rasen stand, zum ersten Mal und auf einer Tulpe herumtrampelte. Sie wusste auch nicht, dass Lachen so befreiend wirkte. Und sie wusste nicht, dass sie von ihren Dienstboten beobachtet wurde. „Lacht sie wirklich?“, flüsterte Melly. Die anderen nickten: „Ja, sie lacht zum ersten Mal seit zwanzig Jahren!“