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Das letzte Gebet
Heute war es soweit. Das sollte der Tag seines letzten Gebets sein. Nicht ganz überraschend, aber trotzdem gegen seinen Willen, hatte der Hohe Rat in zurück beordert. Vielleicht hätte er sich doch an seinen Auftrag halten sollen. Zunächst hatten Sie ja gezögert und ihn gewähren lassen. Aber dann hatte er es übertrieben. Deshalb konnten sie es nicht länger dulden und er musste sich auf eine hohe Strafe gefasst machen.
Eigentlich war er nur als Beobachter abkommandiert. Seit langer Zeit hielt er sich auf dem dritten Planeten dieses kleinen Sonnensystems auf, der langsam um den kleinen gelben Zwergstern kreiste. Seine Aufgabe bestand darin, Daten über die sich langsam entwickelnde "Intelligenz" zu sammeln und diese an den Hohen Rat zu melden. Schon seit Hunderten von Sonnenumkreisungen erfüllte er seine Aufgabe mit Bravour. Es gab Phasen mit langsamer und mit schnellerer Entwicklung. In immer kürzeren Abständen meldete er deswegen neue Ereignisse an seinen Heimatplaneten. Und je mehr er sich mit diesen Primaten befasste, desto mehr fand er Gefallen an diesen einfach gestrickten und leicht zu beeinflussenden Wesen. Wie leicht, sie zu beeinflussen waren, das hatte er in den letzten Jahrzehnten am Beispiel zweier globusumspannenden, verheerenden Kriege deutlich sehen können.
Diese Leichtgläubigkeit brachte ihn auf die Idee, neben dem Beobachten, auch kleinere Experimente mit den Bewohnern des Planeten anzustellen und in Interaktion mit ihnen zu treten. Erst ein ganz klein wenig. Dann traute er sich immer mehr. Und nun war die Technik des Planeten soweit fortgeschritten, dass er in der Lage war ihre, für ihn immer noch altertümliche, Medientechnik zu nutzen. Es war leicht für ihn gewesen diese Humanoiden nach seinem Willen zu beeinflussen. Schließlich hatte er auf der Schule des hohen Rates eine Auszeichnung für seine Arbeit "Einfache Manipulation des Geistes durch Religion" erhalten. Und so kam es, dass sich in einer Zeit der mehr oder weniger offenen Auseinandersetzung der beiden großen Machtblöcke des Planeten, rund um den Globus eine eigene Anhängerschaft um ihn scharrte. Er genoss jeden Augenblick, in dem ihm diese Barbaren huldigten und seinen melodiösen Predigten lauschten.
Doch die Einmischung in die Entwicklung dieser Spezies musste dem Hohen Rat auch ohne seine nun plötzlich ausbleibenden Meldungen auffallen. Und so kam es zu dem Moment, den er so sehr befürchtet hatte. Er hätte ihn gerne noch herausgezögert. Aber es gab keine Möglichkeit mehr, die Heimkunft hinauszuschieben ohne nicht eine noch größere Strafe des Hohen Rates befürchten zu müssen. Um seine Anhängerschaft nicht zu sehr zu traumatisieren, sollte seine Rückkehr und das damit verbundene Verschwinden als sein irdisches Ableben inszeniert werden. Mittlerweile war Eile geboten, denn der leblose Körper, der an seiner Stelle zurück bleiben musste, konnte nicht länger konserviert werden. Es war schwierig genug gewesen jemanden zu finden, der ihm ähnelte und dessen Tod nicht auffallen würde. So kam er auf diesen armen Burschen, der, als Lenker einer der mit fossilen Brennstoff betriebenen Lasttransporter, auf den Straßen eines der nördlichen Kontinente an einem Herzstillstand gestorben war.
In die Meditation versunken und tief atmend konzentrierte er sich auf die heiligen Worte, die er als erstes verkünden würde. Dann gab er einen Seufzer von sich. Er erhob sich und überprüfte den Sitz seiner Soutane. Der weiße, eng anliegende Anzug gab seinem wabbeligen Körper den notwendigen Halt. Die bunten, kristallinen Speicherchips mit den Aufzeichnungen, die er in all der Zeit gesammelt hatte, waren zur Tarnung schmückend als Ornamente an seinem Gürtel und der Vorderseite seiner Predigerkluft dekoriert.
Er hatte sich nach all den Jahren immer noch nicht ganz an die Schwerkraft dieses Planeten gewöhnt und sein breiter Anti-G-Gürtel half ihm trotz seines enormen Gewichtes und seines Umfanges aufrecht zu stehen. Dank seiner zusätzlichen Gelenke in den unteren Gliedmaßen war er zusätzlich in der Lage gewesen leichte Schwankungen durch Wippbewegungen der Körpermitte auszugleichen.
Er legte sich den weiten, rot gefütterten Umhang auf die Schultern und setzte sich eine dunkle Perücke auf, die seine Stirnausbuchtung versteckte, in der sein riesiges für seine Rasse typisches Vorderhirn Platz fand.
Bevor es losging trank er ein letztes Glas vergorenen Getreides. Eines berauschenden Getränkes dieser einfachen Rasse, dass er sich als einziges Laster angeeignet hatte. Dann griff er seinen weißen, edel verzierten, mit Metalldrähten bespannten Insignienstab.
Noch einmal prüfte er den Sitz der dunklen Gläser, die seine empfindlichen Augen vor dem gleißenden Licht schützten, dass er nutzte um ihn wie einen erleuchteten Heiligen aussehen zu lassen. Dann betrat er den riesigen Tempel, der mit mehreren Tausenden Gläubigen bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Für einen Moment war es totenstill. Als er mit seinem Priesterstab den ersten melodischen Ton erklingen ließ setzte die frenetische Freude seiner Anhänger ein. Er genoss die laut schallenden Rufe "Elvis! Elvis!" als er die ersten Worte seines Gebetes sang: "Love me, tender...".