Das Meer geht auch bei Nacht spazieren
Die letzten Urlauber haben den Strand verlassen. Schwupp, eine Welle und die Sandburg, an der die Kinder bis eben noch gebaut haben, ist dem Sandboden gleichgemacht. Nachdem das Meer den ganzen Tag über an jedem Strand, an dem es vorbeiwogte, Kinder mit ihren Schaufeln hat sehen müssen, gelüstet es dem Meer nun nach richtigen Abenteuern. Patschnass macht sich das Meer auf den Weg in die Dunkelheit. Von einer Fähre, auf dem Weg nach Dänemark, schlittert ein Mann sturzbetrunken über die Reling. Das Meer schließt den Mann begierig in einer Welle ein. Als Austausch für den Mann peitscht das Meer einen Schwarm glitschiger Quallen an Bord, geradewegs auf den edlen Pelzmantel einer feinen Dame zu, die gerade aus einer Luke tritt, um sich ein wenig an der frischen Luft die Beine zu vertreten. Den Aufschrei der Dame noch in den Ohren rollt das Meer mit tosendem Gejohle auf die dänische Küste zu. An einer Steilküste macht es einen Salto rückwärts und turnt waghalsig gen Schweden. Auf einer Yacht im Hafen von Trelleborg findet eine Hochzeit statt, das Meer tänzelt zu den Polka-Klängen und bringt somit eine Serviererin samt einem Tablett gefüllter Champagnergläser zu Fall. Auf halbem Wege nach Polen, nahe der Insel Bornholm, hält das Meer inne und ruht sich eine Weile aus. Vor der polnischen Küste dann entert es das Boot eines Fischers und weiter geht es die Küste hinauf, vorbei an der Frischen Nehrung, vorbei an der Kurischen Nehrung. Bald darauf nach rechts abgebogen in den Rigaischen Meerbusen, den das Meer sanft streichelt. Den Finnischen Meerbusen begrabbelt das Meer schon rauer, bis es sich dann in den Bottnischen Meerbusen voller Leidenschaft ergießt. Den Sonnenaufgang erlebt das Meer zwischen den Inseln Gotland und Öland. Die wilde Nacht ist vorüber, ein neuer Tag bricht an.