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Das neue Rosa
Spätsommer. Ein sonniger Tag irgendwo im Alpenvorland. Lockerer Wald. Giovanni und Armando, die derzeit hippsten Beschicker der internationalen Catwalks spazieren in selbstentworfener Outdoor-Bekleidung - gehalten in dezentem Malve - und tauschen Gedanken aus.
Armando grummelt: "Was bitte spricht gegen Flieder?"
"Ach Mandy! Was bist du aber auch immer schwierig! Flieder war gestern. Ach was, mindestens vorgestern. Nein, nein! Wir brauchen etwas Saftiges. Etwas Köchelndes. Und lieblich sollte es auch sein.", entgegnet Giovanni in leicht kippender Stimmlage.
"Dann bleiben wir doch bei Malve. Saftig, köchelnd - leicht flockige Note."
"Flockig!" kichert Giovanni "Wo du immer nur diese superben Worte hernimmst, mein Lieber? - Nein, nein! Heute tragen wir Malve. Doch wir sprechen von morgen. Der nächste Sommer ruft und ich kann ihn sogar schon riechen. Malve. Wahrlich Yesterday. Malve - Pah!"
"Nix Yesterday! Malve ist doch absolute New School!"
"Dieses Jahr mag Malve wohl etwas Frisches gewesen sein. Aber im nächsten Jahr warten neue Herausforderungen. Wenn ich da beispielsweise nur an diesen Koreaner Mo Quel-Pak denke, läuft es mir fröstelnd über den Rücken. Brrr!"
Eine Weile starren sich die beiden verbissen an und setzen dann, ein jeder in seine jeweiligen Gedanken versunken, ihren Weg fort.
Plötzlich ruft Armando aus: "Und ... Was wäre mit ... Rosa?!"
Giovanni reagiert nahezu panisch: "Rosa? ... Also nein! Rosa ... das ist doch ... also nein, Mandy! Nein! Wirklich ..."
Armandos Blick wird verklärt.
"Ein komplett neues Rosa! Ein mehrfärbiges Rosa!"
Giovanni weicht zurück. Er beginnt ernstlich an Armandos Geist zu zweifeln.
"Mehrfärbiges Rosa. Aber sicher. Ist schon gut, Mandy. Bliebe nur mehr zu klären, woher wir um Versaces Willen dein mehrfärbiges Rosa herkriegen sollen, Cherie?"
Armando steht starr da. Sein Arm bewegt sich nach oben - er geifert ein wenig, seine Hand öffnet sich langsam und ein Finger zeigt in die Höhe.
"Sieh doch. Dort! Hängt einfach so runter, mein neues Rosa."
Giovanni ist nun wie elektrisiert und sein Blick folgt Armandos Fingerzeig. Dort - ein Stück vor ihnen - hängt Marili, ihr bevorzugtes Model. Nackt! An einem einsamen, knorrigen Ast, der durch eine Laune der Natur aus einer kleinen, von einer Graskuppe bedeckten Felswand ragt. Die Sonne bescheint ihre perfekte, zartrosa geteintete Haut, die vom erblühenden Rot eines beginnenden Sonnenbrands geheimnisvoll leuchtet.
Giovanni springt zu Armando, umarmt ihn und drückt ihm spontan einen Kuss auf die Wange.
"Das ist es! Du bist ein Genie, Mandy. Ich liebe dich!"
Armando wischt sich möglichst unauffällig die Wange sauber. "Ich weiß! Holen wir sie!"
Die Designer stürmen los. Marili vernimmt die näherkommenden Stimmen und dreht sich an ihrem Ast, um zu sehen, ob Hilfe naht. Als sie ihre Arbeitgeber erkennt, hätte sie fast vor Freude in die Hände geklatscht.
So jubelte sie nur ein klein wenig hysterisch:
"Mandy! Gio! Wie bin ich froh, euch zu sehen! Mir ist da ein blödes Malheur passiert, mir Dummerchen. Stellt euch vor, richte ich da oben meine Sonnendecke, ..."
Giovanni und Armando rennen den kleinen Weg zur Graskuppe hoch, trampeln über Marili's abgelegte Unterwäsche und ihre Liegedecke.
" ... als ich abrutsche und runterpurzle. Glücklicherweise war da dieser Ast ..."
Armando steigt vorsichtig die Felswand hinunter, während sich Giovanni auf den Bauch wirft, um notfalls mit anzupacken.
"... der mich gerettet hat. Bin ich froh, dass ich diese Food-Return-Diät gemacht habe. Aber wenn ich nur an meine Nägel denke - das wird sicher wieder ewig dauern, bis die in Ordnung ..."
Armando ist bereits fast bei der herunterhängenden Marili angelangt. Er tastet sich langsam Richtung Ast vor und greift beherzt zu.
"... sind. Und erst meine Haut. Ach, wie ich Sonnenbrand hasse. Gott sei Dank habe ich in meinem Schnucci-Täschchen ..."
Armando klettert vorsichtig mit seiner heiklen Last hoch. Giovanni hilft, so gut er kann.
"... immer ein paar Wunder-Cremchen von unserem Kosmetiker Didi. Und sicherheitshalber habe ich auch immer ein paar Pulverchen dabei, weil meine armen Nerven ..."
Armando präsentiert stolz die so Geholte. Giovanni schlägt entzückt die Hände zusammen.
"... leiden ja so leicht, wie ihr wisst. Übrigens solltet ihr euch einmal überlegen, ob ihr ins Taschengeschäft einsteigt. Wenn ich mir so vorstelle, A & G in kleinen Diamantsteinchen ..."
Giovanni flüstert ehrfürchtig: " Und was ist das Hübsches?"
Armando grinst breit.
"Petrorhagi Saxifraga - die Felsennelke. Schon sehr selten."
"... oder auch G & A, wie es euch lieber ist. Da ist sicher viel Geld drin ..."
"Unglaublich. Hängen runter, einfach so, die Schönheiten. Diese zarten hellrosa Blütenblätter mit diesen unfassbaren dunklen, rosaroten Streifen - gleich drei Stück pro Blütenblatt."
Armando wirft sich stolz in die Brust.
"Und? Sind die saftig? Köchelnd? Und lieblich?"
Giovannis Atem beschleunigt hörbar.
"Ja, ja und nochmals Ja! Sogar flockig sind sie!"
"Na, ist das nun ein neues Rosa, oder was?"
"Mehr als das, Mandy, mehr als das", schluchzt Giovanni.
"... sag ich euch. Überhaupt Leder, ja, das hat Zukunft ..."
Giovanni und Armando gehen eingehängt - die verliebten Blicke immer auf die zarte Felsennelke gerichtet - den Weg, auf dem sie hergekommen sind, zurück.
"... und ich würde verdammt gut in Leder aussehen. Die pure Erotik ... So verdammt gut ..."