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Das Objekt

Seniors
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09.05.2004
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Das Objekt

Der Abend zog sich über den Baumwipfeln in die Länge.
Die Häuser flossen an mir vorbei, während ich nach der Nummer 34 suchte. Es war schon lange her, dass ich Leopold besucht hatte und an den genauen Weg konnte ich mich nicht mehr erinnern.
Ich passierte minutenlang unzählige Häuser und zwischen zwei kleinen Bungalows sah ich seines dann endlich aufragen, ein mehrstöckiges Gebäude, das trotz seines Alters großartig erhalten war.
Ich prägte mir den hohen Bretterzaun ein und fuhr weiter. Ungefähr zweihundert Meter von Leopolds Haus entfernt lenkte ich meinen Wagen schwerfällig in eine Parklücke und stieg aus. Ich hoffte, ich würde heute endlich das Geld von ihm zurückbekommen. Der Rost an den Radläufen machte mir deutlich, wie sehr ich es benötigte.
Ich folgte mit den Augen den letzten Sonnenstrahlen, die sich durch das Dickicht des Blätterwerks der Bäume filterten. Anschließend drehte ich mich um, ging den Weg zurück auf das Haus zu und während quietschend das Torgatter hinter mir ins Schloss fiel, drückte ich auf die Klingel.

»Ah, Alex, wie geht es dir? Ich hab deinen Wagen gar nicht kommen hören.« Leopold sah mich an, als ich jedoch zu keiner Antwort ansetzte, fuhr er fort. »Du wirst nicht glauben, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, als man mir gesagt hat, du würdest vorbei schauen.«
»Naja, eigentlich warst es ja du, der mich gebeten hat, endlich mal her zu kommen«, sagte ich und ergriff Leopolds Hand, »ist ja nicht so, dass ich dich mit meinen Besuchen überschüttet hätte.«
Leopold lächelte und verdrehte die Augen hinter den schmalen Brillengläsern. »Ja, äh, natürlich. Ach, du glaubst nicht, wie schnell einem das Gedächtnis einen Streich spielt, wenn man gezwungen ist, den ganzen Tag in diesem Haus zuzubringen. In dem einen Augenblick gehst du die Treppe hinunter, um dir etwas zu trinken zu holen und im nächsten kannst du dich nicht einmal mehr daran erinnern, wie du die Treppe gefunden hast. Manchmal, da verfluchte ich mich selbst, dass ich … naja, du weißt scho… Vorsicht, die Decke ist hier niedrig.«
Ich duckte mich und meine Stirn entging haarscharf der Kante der oberen Treppe.
»Heute würde ich das Haus anders bauen lassen, aber meine Familie hat es nicht so mit der Größe.«
Wir stiegen die beiden Treppen hinauf und, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, die hohen Stufen, zusammen mit den fünfzehn Kilo Übergewicht, ließen mich an ihrem Ende etwas schwerer atmen.
Leopold schlug mir auf die Schulter. »Na, du bist wohl auch nicht mehr der Jüngste?«
»Ganz im Gegensatz zu dir, was?« Trotz seiner annähernd fünfzig Jahre wirkte er keineswegs alt. Eher ging von ihm eine Unruhe aus, die mir fast jugendlich vorkam.
»Wenn du wüsstest.« Sein Lächeln wurde schmaler. »Ich merke weniger das Alter als die Schwerkraft. Von Elastizität kann meine Haut nur träumen. Kinder könnten aus meinem Gesicht Knetfiguren formen.«
Jetzt lachte ich.
»Aber, genug gealbert, los, komm mit. Setzen wir uns ins Wohnzimmer.«
Er führte mich durch einen langen Flur, an dessen Wände alte Bilder hingen. Nachdrucke bereits hässlicher Originale. Wir betraten einen relativ kleinen Raum. Es gab keine Couch, keinen Fernseher und kein Radio oder sonst etwas, was man in einem Wohnzimmer erwartete, dafür unzählige Bücher, die in Regalen, die bis zur Decke reichten, vor sich hin alterten.
»Liest du neuerdings viel?«, fragte ich. »Meine Güte, ich glaube, ich habe außer in einer Bibliothek noch nie so viele Bücher auf einem Haufen gesehen.«
»Ehrlich gesagt, ich lese kaum.«
Ich sah ihn an. »Aber das müssen hunderte sein!«
»Ungefähr achthundertfünfzig.«
Ich atmete laut aus. »Und wofür?«
Obwohl sein Blick auf mich gerichtet war, sah er mir nicht in die Augen.
»Ich …«, setzte er an, und selbst das kurze Wort zitterte in der Stille. »Ich sammle gerne Kunstgegenstände.« Er lachte. »Ich könnte dir nicht einmal sagen, welche Bücher in den Regalen stehen. Sie sehen alle so gleich aus, findest du nicht?«
Ich nickte. Farbsortiert bedeckten sie die hohen Wände, eine blau, die andere rot und orange, die letzte grün und schwarz.
»Es ist schön, sie um mich zu haben. Ich nehme sie nie aus dem Regal, deshalb steht die Leiter auch dort hinten in der Ecke und verstaubt. Aber manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, und glaub mir, das passiert häufig, gehe ich die Regale entlang und streiche mit den Fingern über die Buchrücken.«
Leopold fing an, seine Hände zu kneten. »Es ist ein gutes Gefühl.«
Er berührte von seinem Sessel aus ein grünes Buch und ich bemerkte, dass auf den Regalen dick der Staub lag.
»Fast entspannend.«

»Oh, das ist nicht wahr!«, schrie Leopold fast und lachte so laut, dass ich befürchtete, er würde die Nachbarn wecken.
»Doch, ich schwörs dir. Bernhard hat es mir selbst erzählt.« Jetzt musste ich auch lachen. »Er hat gesagt, er wäre einfach neben ihr aufgewacht.«
»Neben ihm, meinst du wohl.«
Langsam beruhigten wir uns wieder. »Geschieht ihm fast recht, so viele Frauen wie er bereits unglücklich gemacht hat.«
»Oder glücklich für einen Augenblick.«
Kurz herrschte die Stille im Haus, die nur von dem Ticken meiner Armbanduhr unterbrochen wurde.
»Weißt du, was ich so an dir schätze und worauf ich, das muss ich zugeben, auch ein wenig eifersüchtig bin?«, sagte Leopold und seine Gesichtszüge strafften sich, wirkten fast verbissen.
»Was?«
»Du weißt, wie man erzählt. Es ist schwer, mich zu unterhalten, und … sei ruhig, das ist es wirklich. Und dir könnte ich lange zuhören.«
»Also, das ist …«
»Nicht ewig, aber eine Zeit lang sicher.«
Ich wollte zu einem Gegenschlag ansetzen, doch er redete ungehindert weiter.
»Schreibst du eigentlich noch? Deine drei Romane haben sich doch gut, fast hervorragend verkauft.«
Ich nickte lächelnd.
»Aber dein letztes Buch ist bereits Jahre her.«
Ich hatte Mühe, das Lächeln aufrecht zu erhalten. »Ich mache so etwas wie … wie eine kreative Pause, wenn du so willst.«
»Aha.« Leopold starrte in seinen Whiskey. »Und diese Pause … wofür? Fällt dir nichts mehr ein?« Die Eiswürfel in meinem Glas klirrten.
»Nein, ähm, daran liegt es nicht, aber ich möchte nichts erzwingen.« Ich zuckte beschwichtigend die Schultern und versuchte dann nervös das Thema zu wechseln. »Und? Ist das mit deiner Agoraphobie noch immer so … so unangenehm?«, sagte ich und legte etwas zu viel Groll in meine Stimme.
Leopolds Lächeln erstarb, und ich fühlte die Genugtuung, es ihm heimgezahlt zu haben. »Nun, ich glaube, nach all den Jahren habe ich mich daran gewöhnt. Sofern das überhaupt möglich ist.« Wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.
Wieder herrschte Stille, die jedoch, Gott sei Dank, von dem Klingeln des Telefons gebrochen wurde.
Leopold seufzte erleichtert, ich ebenfalls, und er erhob sich aus dem Sessel. »Entschuldige mich kurz.«
»Was ist mit dem Dienstmädchen? Schläft sie schon?«, fragte ich. Ich erinnerte mich, dass eine Frau am Telefon gewesen war, als ich Leopold nach seiner Nachricht auf meinem Anrufbeantworter zurückgerufen hatte.
»Martha? Von wegen. Gefeuert hab ich sie«, sagte er und ich bemerkte, dass seine Hände zitterten, als er sie hinter dem Rücken verschränkte und das Zimmer verließ, »hat ge… geklaut wie eine Elster, die fette Kuh. Ent… entschuldige meine Ausdrucks… Ja, hallo?«
Ich versuchte, die Wut, die so auffällig war, dass sie beinah affektiert wirkte, in Leopolds Stimme zu ignorieren.
Bereits über zwei Stunden war ich hier und noch immer hatte er mir nicht erzählt, weshalb er mich herbestellt hatte. Ich kannte Leopold. Gut genug um zu wissen, dass er mich nicht eingeladen hatte, um mit mir zu tratschen. Um über meinen Erfolg zu reden, der ja nur bedingt vorhanden gewesen war. Ich wusste, dass all die Kleinigkeiten, der Whiskey, die Cracker, die Stille in seinem Haus, zu einem Plan gehörten, den ich noch nicht deuten konnte. Ich hoffte noch immer darauf, das Geld von ihm zu bekommen, doch je mehr Zeit verstrich, desto weniger glaubte ich daran, es je zu kriegen. Selbst darauf zu sprechen kommen würde ich nicht. Niemanden gingen meine zunehmenden Geldsorgen etwas an. Auch nicht Leopold. Schon gar nicht ihn.
Ich stand auf. Mein Rücken schmerzte vom langen Sitzen. Ich ging auf eine der Wände zu und nahm wahllos einige Bücher aus dem Regal. Draußen hörte ich Leopolds Stimme, ohne jedoch seine Worte zu verstehen.
Ich lächelte, er hatte sogar meine Romane in seinem Regal stehen. Und im Gegensatz zu den unzähligen anderen Büchern, sahen diese aus, als wären sie gelesen worden. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, meine Veröffentlichungen in der Hand zu halten, hätte mich nicht mit Stolz erfüllt. Ebenso müsste ich lügen, wenn ich sage, es hätte mich nicht gefreut zu sehen, dass mein alter Freund, der damals genauso darauf versessen gewesen war wie ich, Ruhm zu erlangen, immer noch in dem Haus seiner Eltern wohnte, das er nicht in der Lage war zu verlassen, und weiterhin nur von Berühmtheit träumte. Und, nein, ich fühlte mich nicht schlecht dabei. An meine eigene Unkreativität, die mittlerweile bereits zu einer Schreibblockade geworden war, versuchte ich nicht zu denken. Ich hatte Angst, würden meine Gedanken zu lange darum kreisen, dass ich versehentlich Leopolds Vermutungen bestätigen würde.
Ich stellte das Buch zurück und ging weiter die Wand entlang

Ich wartete mehrere Minuten auf Leopold. Seine Stimme, die immer lauter und zorniger geworden war, war vor einiger Zeit verstummt. Ich hatte Schritte gehört, die sich jedoch entfernt hatten.
»Leopold?«, rief ich, nicht allzu laut, denn plötzlich wurde ich mir der Stille um mich bewusst. »Wo bleibst du denn?« Ich hörte weder das Scharren seiner Hausschuhe, noch irgendein anderes Geräusch, das ich auf ihn schieben konnte. Ehrlich gesagt hörte ich überhaupt nichts.
Ich verließ das Zimmer und sah mich im Flur um. Der Hörer des Telefons, ein altes metallenes Ding, das aussah, als wog es mehr als die Kommode, auf der es stand, lag auf der Gabel. Leopold selbst war nicht zu sehen.
Ich fühlte mich unwohl, fast wie ein Eindringling, als ich den Flur entlang ging und durch die offen stehenden Türen in die verschiedenen Zimmer sah, doch noch länger auf Leopold warten, wollte ich nicht. Die Rollladen waren alle herab gelassen und nur das Flurlicht warf die Schatten weniger alter Möbelstücke an die Wände, deren Wuchtigkeit darauf schließen ließ, dass nicht nur das Mobiliar im Wohnzimmer seit Bau des Hauses dasselbe war.
»Leopold?«, rief ich erneut, um mein Herumschnüffeln zu rechtfertigen, sollte er mich dabei erwischen. Doch vergebens.
Ich war bei der letzten Tür angelangt. Sie war geschlossen. Ich klopfte und als niemand antwortete, öffnete ich sie.
Mir schlug ein Gestank entgegen, den ich nicht zuordnen konnte. Alt, intensiv, und trotzdem kaum in der Lage, den Staubgeruch zu überdecken. Irgendwie süßlich, gleichzeitig bitter. Eine Diele knarrte laut, als ich eintrat.
»Leopold?« Er stand mit dem Rücken zu mir vor dem Fenster und starrte in den Garten. In dem Raum war es düster, nur der Mond beleuchtete ihn schwach. »Was ist los?«
Als er noch immer nicht reagierte, sagte ich etwas lauter: »Leopold! Sag schon was!«
»Wir haben weniger Zeit, als ich gedacht habe.«
»Was?« Ich versuchte, nur durch den Mund zu atmen.
»Ich … «, begann er, ohne sich dabei umzudrehen. »Marthas Tochter hat angerufen.«
»Martha? Deine Haushaltshilfe?«
»Ja.«
»Was wollte sie denn?«
»Sie kann Martha seit drei Tagen nicht finden. Sie hat sehr nervös geklungen.«
Ich hob die Augenbrauen. »Was?«
»Sie kann Martha nicht finden!«
»Ich hab dich schon verstanden!« Ich hielt meinen rechten Handrücken unter meine Nase. »Aber ich dachte, du hättest sie gefeuert.«
»Naja«, er pausierte kurz und drehte sich um. Sein Gesicht lag im Schatten und so hatte ich nur die Stimme, um seine Gefühle zu deuten. »Das ist nicht ganz richtig so.«
»Was ist nicht ganz richtig?«
»Ich habe Martha nicht gekündigt.«
»Hat sie selbst gekündigt?« Ich wusste nicht, worauf Leopold hinaus wollte. Er sprach leise, fast, als wollte er, dass ich ihn nicht verstand, dass ich erneut nachfragte, was er mir mitteilen wollte. »Meine Güte, mach den Mund auf.«
Er schwieg weiter. Die Dunkelheit machte mich unruhig, ich fühlte mich von ihr bedrängt. Mit der Hand suchte ich nach einem Lichtschalter neben dem Türstock und flimmernd sprang eine nackte Neonröhre an.
Ich zuckte zusammen.
»Du hättest mich erst erklären lassen sollen.« Leopold kehrte mir wieder den Rücken zu.

Der Raum war fast leer. Ich weiß noch, wie ich mich geblendet fühlte von dem Strahlen der weißen Wände, das nur von wenigen roten und braunen Farbspritzern getrübt wurde. Wie sehr ich mich konzentrierte, keinen Blick auf das aus dem Augenwinkel wie ein Schatten wirkendes Gebilde zu werfen, das in einer Ecke des Raumes stand oder lag. Doch je länger ich versuchte, nicht hinzuschauen, desto schwieriger wurde es, standzuhalten.
»Sieh ruhig hin«, hörte ich Leopold sagen, doch meine Augen fingen an zu schielen, wurden von einer Verschwommenheit in die Höhlen gedrückt. »Schau hin und du wirst sehen, wer hier der wahre Künstler ist.«
Ich wollte es nicht, aber ich senkte meinen Blick. Über das, was ich zuvor nur schemenhaft wahrgenommen hatte, konnte ich jetzt nicht mehr hinweg sehen. Meine Augen wurden angezogen von einem Gebilde, das nur noch mit viel Fantasie als menschlicher Körper zu identifizieren war. Ich sah Blut, soviel getrocknetes Blut, dass es fast an Intensität zu verlieren drohte. Ich habe einen starken Magen, doch in diesem Augenblick konnte ich bereits Galle schmecken.
»Du liebst doch die Kunst, nicht wahr?«
Ich nickte reflexartig, bemerkte es jedoch nur am Rande, da meine komplette Aufmerksamkeit auf die Frau, die nackt auf dem Boden sitzend an einer Wand lehnte, vor mir gerichtet war, aus deren Schenkel und Waden, deren Oberarme und Bauchpartie Stücke ihres Fleisches herausgeschnitten worden waren.
»Kunst ist wundervoll. Ich wollte schon immer kreativ sein, war es auch. In meinem Kopf.«
Ihr Bauch war senkrecht aufgetrennt. Ich sah Innereien und glaubte, obwohl ich mir einredete, mir nicht sicher sein zu können, die herausgeschnittenen Fleischstücke erblicken zu können, wie sie wahllos in den Bauch gestopft worden waren. Die Frau musste dick, wenn nicht gar fett gewesen sein. Trotz der fehlenden Fleischteile waren ihre Beine noch immer stämmig.
»In den nächsten Tagen wird die Polizei bei mir auftauchen, da bin ich mir sicher.«
Ein Geldstück, es sah geschmolzen und unförmig aus, war tief in ihre Stirn gepresst worden. Die fette Kuh, wie eine Elster geklaut …
»Und ich bin noch nicht einmal annähernd damit fertig, es zu perfektionieren. Und da kommst du ins Spiel.«
Ich tat einige Schritte rückwärts auf die offen stehende Tür zu, versuchte dabei keinen Laut von mir zu geben. Als ich meinen Fuß aufsetzte, fühlte ich, wie die Dielen nachgaben und schnell begann ich zu reden.
»Was meinst du damit, Leopold? Hast du … sie etwa ungebracht?« Ich war mir der Dummheit meiner Frage bewusst, doch musste ich Leopold von dem Knarren unter meinen Sohlen ablenken.
Als er wieder anfing zu sprechen, machte ich einen weiteren Schritt rückwärts. »Du hast Geldsorgen, Alex. Schreibst nicht mehr, hast eine … wie nennt man das? Schreibblockade. Du stehst vor einem Problem, dem du alleine nicht mehr Herr werden kannst«, er pausierte kurz und genau in diesem Augenblick, entschloss sich das Parkett, mich zu verraten.
Leopold drehte sich um und starrte mich an. Das Neonlicht reflektierte sich schmutzig in seiner Brille, so dass ich seine Augen nicht sehen konnte. Ich hatte Angst, doch nicht so viel, wie ich unter diesen Umständen hätte haben sollen. Ich wusste, dass Leopold mit mir dasselbe tun könnte, wie mit seiner Haushaltshilfe, doch die Ruhe in seiner Stimme steckte mich an.
»Und ich habe ein Problem, dem ich nicht allein Herr werden kann.« Er nahm seine Brille ab, hauchte auf die Gläser und polierte sie mit seinem Hemd. »Wenn die Polizei kommt, und das wird sie bald, darf Martha nicht mehr hier sein. Und ich … ich kann sie nicht hier weg bringen. Wie du sicher versethst.«
Er blickte mir in die Augen und ich hielt stand. »Was willst du von mir?«
»Gib du Martha einen Platz. Als Gegenleistung gebe ich dir eine Geschichte, wie du sie noch nie gehört hast.«
Ich blickte auf Martha und je länger ich sie ansah, desto weniger erschreckte mich ihr Anblick.

***

Das lange Sitzen stört mich nicht mehr. Die Schmerzen in meinen Fingern, wenn sie sich um den Bleistift verkrampfen, stören mich nicht. Das ewige Neonlicht, zu dem ich gezwungen bin, seit ich die Rollladen meines Arbeitszimmers Tag und Nacht unten lasse, stört mich nicht. Hin und wieder drohen mir die zusammengerollten, stark nach Vanille riechenden Taschentücher aus den Nasenlöchern zu rutschen, aber auch das ist mir egal.
Ich lege Seite neunundzwanzig auf den Stapel, sehe kurz in Marthas weit aufgerissene Augen und fasse dann nach Seite dreißig.

© Tamira Samir

 

Liebe Tamira,

super! :thumbsup:

Das war die beste Geschichte, die ich seit langem auf kg.de gelesen habe.

Ein wahrer schwarzer Krimi mit

  • Hintergrund, dort wo man erzählen muss
  • richtigen Charakteren und nicht nur Typen
  • Spannung, dort wo und genau so wie es sein muss
  • einem sehr netten Lesefluss
  • ekelhafter, echt abstossender, bluttriefender Brutalität (überzeugend beschrieben)
  • ein Höhepunkt und ein grausam schönes Ende

Kleinigkeiten:
- "Ich wusste, dass Leopold mit mir dasselbe tun könnte, wie mit seiner Haushaltshilfe, " besser: "Ich hatte Angst, dass Leopold mir das gleiche Schicksal bereiten würde wie seiner Haushalthilfe."
- Warum fühlt der Erzähler diese Angst? Hier ist übrigens auch der Moment die psychotische Krankheit von Leopold zu beschreiben. Z.B.: "Leopold war eigentlich ein netter Typ, aber ich erinnere mich... es fing in der Abizeit an. Er verging sich an Stufenfreunde. Mit einer überraschenden Brutalität. Er kam in Behandlung und musste seit seiner Schulzeit hier im Haus seiner Eltern leben, durfte nie raus..."
- Beschreibung der toten Martha: also ich war ein bisschen geschockt, weil ich durch Deinen sehr zivilisierten Stil auf so viel Blut nicht vorbereitet war. Wie beschreibt man so was am besten? Dass Leopold ein Psychopath ist und die Leiche dementsprechend ekelhaft sein muss, ist klar. Aberi ch hatte das Gefühl, dass Du erzählerisch etwas schwimmst. Noch mehr oder doch weniger Details? Ich selbst weiss es nicht.

LG
WU

 

Hi Tami,

hui, eine wirklich gute und spannende Geschichte.:thumbsup:

Wie Urach schon erwähnte, alles ist am richtigen Platz. Die "nüchterne" Sprache, erzeugt dunkle, fantasieanregende Bilder.
Was mir besonders gut gefällt, sind die Dialoge und Gedankengänge, die durch Handlungen unterbrochen wurden. Sehr realitätsnah.
Das es noch blutig würde, war mir schon klar. Tami ohne Schocker ... das geht garnicht:D
Ich denke, du hättest sie auch in Horror,(mehr Grusel) posten können.

Zuerst glaubte ich, Leopold wolle seine Objekte erweitern und Alex, wäre die Zweite in seiner Sammlung.
Die Idee, dass er sie benutzt, ihr aber gleichzeitig etwas gibt, ist klasse.

Ich nehme mal an, dass die Leiche letztendlich in Alex Wohnung war.
Wie hat Alex es geschafft, sie dort hinzubringen? Mal abgesehen von der Kraft, die sie dazu benötigt hätte?
Diese Logiklücke, stört mich aber eigentlich garnicht.:)
Auch die länge der Geschichte ist genau richtig (für mich:D )
Deine KG lief wie ein Film in meinem Kopf ab.
Ich sage: gut, wirklich gut.

ganz lieben Gruß, coleratio

 

Hi Tamira!

Machen wir uns nichts vor, der Plot ist bekannt und, um mit meinem Vorredner übereinzustimmen, reißt einen nicht vom Stuhl!
Warum? Was geht besser?
Infos, denke ich. Urach hat es angedeutet. Die Krankheit des Leopold kommt mir etwas unmotiviert daher, vielleicht ein, zwei Worte dazu; das Ganze hat mir dann doch eher den Anschein einer Deus ex Machina, eines hergezogenen Motives für das Verbrechen.

Ebenso die Haushälterin. Sie taucht zwar relativ früh auf, ich hätte mir allerdings gewünscht, dass die Andeutungen schon etwas genauer wären, das Verhältnis zu Martha, vielleicht ein Satz von Alex, über die Statur oder ihre Stimme. Martha kommt mir definitiv zu spät ins Spiel.

Dazu, werte Miss Tamir, muss man einen Plot entwerfen und planen, was man zu schreiben gedenkt. ;)

Dein Stil ist angenehm entspannt, gegenüber anderen Storys von dir. Einige kleine Schnörkel, die verzeihungswürdig sind.
Die Charakterisierung der Beiden kommt mir doch ein bisschen schlecht weg. Du gehst zwar fast ausschließlich über Dialoge, doch einen klitzekleinen optischen Eindruck von Leo hätte ich schon gern gehabt. Nachdem ich von seiner Krankheit erfuhr, hatte ich immer einen im Rollstuhl Sitzenden vor mir, ohne Scheiß!

Eulenkacke, die ich dir vor die Tür schütte:

Die Häuser flossen an mir vorbei, während ich sie nach der Hausnummer 34 absuchte.

Nimm das Haus, dassie und das ab weg und ich glaube, der Satz liest sich besser.

...ließen mich an ihrem Ende etwas schwerer Atmen.

atmen

Man merkte, wie er sich zu einem Lächeln zwang.

ich würde schreiben dass er sich zu ...

zu einem Plan gehörten, den ich noch nicht in der Lage war zu deuten.

warum nicht: den ich deuten konnte?

Im Allgemeinen ist mir hier zu viel "Ich" und zu wenig "die Wohnung..." o.ä.

Später dann wird es ziemlich spannend, was für dich spricht und für den Stil.

Das Objekt ist mir zu blutrünstig beschrieben, was daran liegen kann, dass ich das von dir nicht gewohnt bin. Ich glaube eher, dass die Geschichte auch ohne auskommt.

Ansonsten nicht schlecht, hatte ich das schon gesagt?

Grüße von hier!

 

Hi Tamira,

zerpflückter Körper, zerpflückter Text. :D

»Von Elastizität kann meine Haut nur träumen. Kinder könnten aus meinem Gesicht Knetfiguren formen.«

:D

»Da fällt mir ein: weshalb warst du nicht auf dem letzten Klassentreffen? Ich habe den Saal nach dir abgesucht, aber du warst nirgends zu finden.«
Leopolds Lächeln hatte sich nun komplett zurückgezogen. »Ich …«, begann er und wischte sich immer wieder über den Mund. »Ich habe es dir doch schon gesagt, wieso.«
»Hm … nicht, dass ich … oh.« Ich hatte tatsächlich vergessen, dass mein Freund unter dieser psychischen Krankheit litt. Dass sie ihn dazu zwang, Tag und Nacht in diesem Haus zuzubringen. »Entschuldige. Das war nicht sehr taktvoll von mir.«

Mir kommt diese Einführung der Erkrankung etwas erzwungen vor. Ich denke, wenn ein Freund an einer derartigen Störung leidet, würde man das nicht einfach so vergessen. Vielleicht kann man das irgendwie eleganter lösen ...

Ich hoffte noch immer darauf, das Geld von ihm zu bekommen, doch je mehr Zeit verstrich, desto weniger glaubte ich daran, es je zu bekommen.

Wiederholung

In dem Raum war es düster, nur der Mond ließ das Gesicht Leopolds weiß leuchten.

Wie kann der Erzähler Leopolds Gesicht erkennen, wenn er doch mit dem Rücken zu ihm steht?


Im Großen und Ganzen hat mir die Geschichte gefallen. Man merkt, dass du dich in Sachen Metaphern ein wenig zurück genommen hast und hier auf einen etwas nüchteren Stil zurückgreifst, der gut zu der Geschichte passt (aber nicht, dass du jetzt nur noch so schreibst. :D).

Von der Handlung her gut, aber nicht wirklich innovativ (aber welche Geschichten sind schon innovativ?). Die Personen sind mEn gut charakteresiert, die Dialoge gelungen und glaubwürdig.

Insgesamt eine gelungene Geschichte, nicht überragend (irgendwie fehlt das Besondere, das gewisse Etwas, das viele deiner anderen Geschichten auszeichnet), aber gut.

LG,

Tobias

 

Noch mal... auch wenn man mich der Fan-Tätigkeit verdächtigen wird...

eine super Geschichte, Tamira.

LG
WU

 

So, erst einmal allen vielen Dank fürs schnelle Lesen und Kritisieren!

Urach:
Freut mich sehr, wenn dir die Geschichte im Großen und Ganzen gut gefallen hat. :)

Warum fühlt der Erzähler diese Angst? Hier ist übrigens auch der Moment die psychotische Krankheit von Leopold zu beschreiben. Z.B.: "Leopold war eigentlich ein netter Typ, aber ich erinnere mich... es fing in der Abizeit an. Er verging sich an Stufenfreunde. Mit einer überraschenden Brutalität. Er kam in Behandlung und musste seit seiner Schulzeit hier im Haus seiner Eltern leben, durfte nie raus..."
Ich denke, das passt nicht richtig, denn Leopold ist ja nicht brutal, er ist ein "Künstler", in seinen Augen natürlich. Er hält sich selbst für besser als andere.
Aber der Tip mit einer Rückblende ist nicht schlecht. Auch wenn ich eigentlich kein Freund von Kindheitstraumas bin, würde sich hier etwas weiter zurückliegendes vielleicht gut tun.
Ich habe dann nur das Problem mit der Länge der Geschichte. Ich wollte sie in eine Anthologie einreichen, dafür ist sie allerdings sowieso schon zu lang. Naja, werde darüber nachdenken.
:)

Beschreibung der toten Martha: also ich war ein bisschen geschockt, weil ich durch Deinen sehr zivilisierten Stil auf so viel Blut nicht vorbereitet war. Wie beschreibt man so was am besten? Dass Leopold ein Psychopath ist und die Leiche dementsprechend ekelhaft sein muss, ist klar. Aberi ch hatte das Gefühl, dass Du erzählerisch etwas schwimmst. Noch mehr oder doch weniger Details? Ich selbst weiss es nicht.
Auch darüber werde ich nochmal nachdenken. Eigentlich schreibe ich eher unblutig. Ich hatte auch immer Angst, ins Klischee abzurutschen.


coleratio:

Zuerst glaubte ich, Leopold wolle seine Objekte erweitern und Alex, wäre die Zweite in seiner Sammlung.
Die Idee, dass er sie benutzt, ihr aber gleichzeitig etwas gibt, ist klasse.
hehe, vorher war es auch so. ;)

Wie hat Alex es geschafft, sie dort hinzubringen? Mal abgesehen von der Kraft, die sie dazu benötigt hätte?
Äh...hm... äh... hinter dir! :D
Ne, im Ernst: Irgendwie gings schon. *ggg*

Dank dir für die netten Worte!


Z-P:

Schade, dass dir die Geschichte nicht richtig gefallen wollte. Allerdings bin ich nicht sonderlich überrascht. :)
Deine Anmerkungen werde ich berücksichtigen die Tage, vor allem die RS-Fehler sind peinlich *g*

Besser gefiele mir :Er zwang sich zu einem Lächeln
Nur m.M.
Aber der Ich-erzähler weiß ja nicht, ob Leopold sich wirklich zu dem Lächeln


Hanniball:
Ja, der Plot ist bekannt. Ich dachte nur, ich versuch mich an was einfachem. Sonst lass ich es wieder ganz liegen.

Urach hat es angedeutet. Die Krankheit des Leopold kommt mir etwas unmotiviert daher, vielleicht ein, zwei Worte dazu; das Ganze hat mir dann doch eher den Anschein einer Deus ex Machina, eines hergezogenen Motives für das Verbrechen.
Eigentlich sollte die Agoraphobie nur als Grund dafür stehen, dass Leopold Alex "benutzt", um seine Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Selbst kann er das ja nicht. Ebenso die Leiche vorrübergehend verschwinden lassen.

Warum? Was geht besser?
Infos, denke ich.
Hier ebenfalls das Problem der Zeichenvorgabe. Aber da ich die Story sowieso nicht einreichen werde können, kann ich ja noch was einfügen. Vielleicht wirkt es dann nicht mehr so unmotiviert.

Dazu, werte Miss Tamir, muss man einen Plot entwerfen und planen, was man zu schreiben gedenkt.
*seufz* Ob das was hilft? Ich werde es aber zumindest versuchen.

Dein Stil ist angenehm entspannt, gegenüber anderen Storys von dir. Einige kleine Schnörkel, die verzeihungswürdig sind.
Ich weiß auch nicht, aber ich empfand meinen Stil hier nicht als meinen Stil. Fast langweilig. *g*
Ich dachte nur, dass ich auf alles, was irgendwie überflüssig erscheint, verzichten muss.

Die Charakterisierung der Beiden kommt mir doch ein bisschen schlecht weg. Du gehst zwar fast ausschließlich über Dialoge, doch einen klitzekleinen optischen Eindruck von Leo hätte ich schon gern gehabt. Nachdem ich von seiner Krankheit erfuhr, hatte ich immer einen im Rollstuhl Sitzenden vor mir, ohne Scheiß!
Und ich dachte immer, das wäre das einzige, auf das ich mich verlassen könnte. Ach, irgendwie klappt das alles nicht so, wie ich möchte. ;)
Außerdem: Ich glaube, ich beschreibe Prots nie äußerlich. Zumindest nicht absichtlich ... *nachdenk*

Im Allgemeinen ist mir hier zu viel "Ich" und zu wenig "die Wohnung..." o.ä.
Hier weiß ich leider nicht genau, was du meinst. :shy:


Potato:

Mir kommt diese Einführung der Erkrankung etwas erzwungen vor. Ich denke, wenn ein Freund an einer derartigen Störung leidet, würde man das nicht einfach so vergessen. Vielleicht kann man das irgendwie eleganter lösen ...
Nicht nur dir. Vielleicht werd ich die ganze Krankheit einfach weglassen.
Wie kann der Erzähler Leopolds Gesicht erkennen, wenn er doch mit dem Rücken zu ihm steht?
Huch! Voll erwischt!

Freut mich, wenn es zumindest etwas zu gefallen wusste! :)


Liebe Grüße und noch einmal danke fürs Lesen. Ich hoffe ihr verzeiht, dass ich so kurz angebunden war.
Tamira

 

Ok, dann hab ich das wohl falsch verstanden. Aber "zu trivial" klingt auch nicht gut. :D

Zitat:
Allerdings bin ich nicht sonderlich überrascht.
Warum?
Siehe: PN ;)


Tamira

 

Hi nochmal!

@ Urach:
Niemand verdächtigt dich, ich für meinen Teil muss aufpassen, dass ich nicht zu hart urteile, wenn ich jemandes Fan bin.

@ Tamira:


Eigentlich sollte die Agoraphobie nur als Grund dafür stehen, dass Leopold Alex "benutzt", um seine Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wenn ich's richtig gelesen habe, ist von Platzangst nirgends die Rede, sondern nur von "psychischer Krankheit" und das lässt Raum. Ich hatte den Eindruck, du "entschuldigst" Leo damit. Hab ich vielleicht falsch gelesen.

Die Infos hatte ich tatsächlich punktuell gemeint. Die Haushälterin: Nichts, wirklich gar nichts ist so überraschend, wie ein eingestreuter Satz über ein bestimmtes Thema, der sich wie nebenbei liest und auf den man am Schluss als Pointe zurückkommt. Nach dem Motto: Siehst du lieber, doofer Leser, ich hatte dir ja schon einen Hinweis auf das Ende gegeben, aber du hast ihn nicht beachtet.

Im Allgemeinen ist mir hier zu viel "Ich" und zu wenig "die Wohnung..." o.ä.

Hier weiß ich leider nicht genau, was du meinst

Die Regel show, don't tell erstreckt sich auf die toten Gegenstände. Ich meinte, du hättest - in diesem speziellen Absschnitt - vielleicht die Umgebung mitarbeiten lassen sollen ("der riesige Schreibtisch stand in der Mitte des Raumes, als sei er der Herr des Hauses" - was weiß ich:shy: ), so dass man einen Eindruck bekommt von der Szenerie.

So weit von mir.
P.S. Warum reichst du die Story nicht ein (sag mir nicht, sie wäre nicht gut genug!)

Grüße von meiner Seite!

 

Hi Hanniball nochmal


Wenn ich's richtig gelesen habe, ist von Platzangst nirgends die Rede, sondern nur von "psychischer Krankheit" und das lässt Raum. Ich hatte den Eindruck, du "entschuldigst" Leo damit. Hab ich vielleicht falsch gelesen.
Naja, nur angedeutet:
Ebenso müsste ich lügen, wenn ich sage, es hätte mich nicht gefreut zu sehen, dass mein alter Freund, der damals genauso darauf versessen gewesen war wie ich, Ruhm zu erlangen, immer noch in dem Haus seiner Eltern wohnte und aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage war, es zu verlassen.
Ach, du glaubst nicht, wie schnell einem das Gedächtnis einen Streich spielt, wenn man den ganzen Tag in diesem Haus zubringen muss.
Es wortwörtlich zu erwähnen war mir zu sehr der Holzhammer. :shy:
Die Infos hatte ich tatsächlich punktuell gemeint. Die Haushälterin: Nichts, wirklich gar nichts ist so überraschend, wie ein eingestreuter Satz über ein bestimmtes Thema, der sich wie nebenbei liest und auf den man am Schluss als Pointe zurückkommt. Nach dem Motto: Siehst du lieber, doofer Leser, ich hatte dir ja schon einen Hinweis auf das Ende gegeben, aber du hast ihn nicht beachtet.
Auch hier wollte ich nicht zu deutlich werden:
»Martha? Von wegen. Gefeuert hab ich sie«, sagte er und ich bemerkte, dass seine Hände zitterten, als er sie hinter dem Rücken verschränkte und das Zimmer verließ, »hat ge… geklaut wie eine Elster, die fette Kuh. Ent… entschuldige meine Ausdrucks… Ja, hallo?«

Naja, ich werde nochmal drüber sehen. :)

Die Regel show, don't tell erstreckt sich auf die toten Gegenstände. Ich meinte, du hättest - in diesem speziellen Absschnitt - vielleicht die Umgebung mitarbeiten lassen sollen ("der riesige Schreibtisch stand in der Mitte des Raumes, als sei er der Herr des Hauses" - was weiß ich ), so dass man einen Eindruck bekommt von der Szenerie.
Hm, ist mir gar nicht aufgefallen. War also nicht beabsichtigt! :D
Werd ich auch nochmal nachsehen diesbezüglich.


Liebe Grüße,
Tamira

P.S. Warum reichst du die Story nicht ein (sag mir nicht, sie wäre nicht gut genug!)
Sie gefällt mir nicht mehr gut genug. ;)
Außerdem wäre sie sowieso zu lang.

 

Moin Tam!

Ein kurzes Vorwort noch im Nachhinein verfasst:
Die Textarbeit ist ziemlich umfangreich geworden. Ich habe mich ausnahmslos auf alles gestürzt, was mir in irgendeiner Form aufgefallen ist. Dadurch kam natürlich ziemlich viel Kritik zustande. Der Grat zwischen intensiver Textarbeit und starker Subjektivität ist halt sehr schwer zu finden.
Schau dir deshalb einfach die zitierten Stellen noch einmal an und verändere und streiche das, was dir selber nicht gefällt.
Schließlich ist es deine Geschichte mit deinem Stil und das soll sie natürlich auch bleiben.

Der Abend zog sich über den Baumwipfeln in die Länge.
Eigentlich zieht sich doch die Abenddämmerung in die Länge. So entsteht, genau genommen, ein schiefes Bild, vergleichst du eine temporale mit einer geographischen Angabe.
Ich passierte unzählige Häuser in unzähligen Baustilen und zwischen zwei kleinen Bungalows sah ich seines dann endlich aufragen.
Unzählige Baustile erscheint etwas sehr übertrieben. Drückt sich da jemand vor einer genauen Angabe, welcher Baustil die Gegend prägt?
Ich folgte mit den Augen den letzten Sonnenstrahlen, die sich durch das Dickicht des Blätterwerks der Bäume filterten, drehte mich dann um, ging den Weg zurück auf das Haus zu und während quietschend das Torgatter hinter mir ins Schloss fiel, drückte ich auf die Klingel.
Zu viele Bilder in einem Satz, zumal die Sonnenstrahlen mit dem Drücken der Klingel nichts gemein haben, abgesehen davon, dass sie aufeinander folgen.

Mir fehlt im ersten Absatz ein Bild des Hauses. Ist es ein normales Einfamilienhaus, ein feudales Herrenhaus oder eine klapprige Bretterbude? Da es trotz des hohen Zauns noch gut sichtbar ist, muss es sich um ein ziemlich großes Haus handeln. Ich würde das vielleicht in einem Satz noch einfließen lassen.


»Ah, Alex, wie geht es dir? Ich hab deinen Wagen nicht kommen … du wirst nicht glauben, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, als man mir gesagt hat, du würdest vorbei schauen
Laut gelesen hört sich das ziemlich unrund an, vor allem für einen Gesprächsanfang.
»Naja, eigentlich warst es ja du, der mich gebeten hat, endlich mal her zu kommen«, sagte ich und ergriff Leopolds dargebotene Hand
Es ist klar, was du sagen willst, aber er bietet seine Hand dar?

Der zweite Absatz gefällt mir, der Dialog transportiert gut die Handlung. Allerdings wirkt keiner der beiden wie ein durchschnittlicher Sechzigjähriger. Tut mir Leid, das passt weder zu Leopolds Sprache noch zu Alex Sorgen um sein rostiges Auto. Die Altersangabe würde ich wirklich noch einmal überdenken.


»Oh, das ist nicht wahr!«, schrie Leopold fast und lachte so laut, dass ich befürchtete, die Nachbarn würden diese Nacht des Schlafes beraubt.
Warum so umständlich? ... dass ich befürchtete, er könnte die Nachbarn wecken?

Auch die Transvestitengeschichte passt nicht dazu, dass die beiden auf die sechzig zugehen.

Ich lächelte ob dieses Kompliments. »Also, das ist …«
Mit abgespreiztem Finger geschrieben?
»Ach, sie schläft wahrscheinlich schon«, beantwortete ich meine Frage selbst. Es musste bereits nach elf Uhr sein.
Würde ich ersatzlos streichen. Inhaltlich ist es nicht von Bedeutung und das beantwortete ich meine Frage selbst wirkt sehr hölzern.
Ansonsten wäre mein Vorschlag ein schlichtes Schläft sie schon?, wenn du Zeitangabe drinnen lassen willst.
Ich versuchte, die Wut, die so auffällig war, dass sie beinah affektiert wirkte, in Leopolds Stimme zu ignorieren und widmete mich stattdessen dem Zimmer.
Ich versuchte, die Wut in Leopolds Stimme, die so auffällig war, dass sie fast affektiert wirkte, zu ignorieren?
Die Widmung würde ich streichen, da Alex das Zimmer im Folgenden ja gar nicht beachtet.
Ich hoffte noch immer darauf, das Geld von ihm zu bekommen, doch je mehr Zeit verstrich, desto weniger glaubte ich daran, es je zu kriegen. Selbst darauf zu sprechen kommen würde ich nicht. Niemanden gingen meine zunehmenden Geldsorgen etwas an.
Das können wir dem Leser doch bestimmt etwas subtiler vermitteln, oder?
Mein Rücken schmerzte vom langen Sitzen und erst als ich ihn durchstreckte, wurde ich mir dessen bewusst.
Mein Rücken schmerzte vom langen Sitzen.
Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, meine Veröffentlichungen in der Hand zu halten, hätte mich nicht mit Stolz erfüllt. Ebenso müsste ich lügen, wenn ich sage, es hätte mich nicht gefreut zu sehen, dass mein alter Freund, der damals genauso darauf versessen gewesen war wie ich, Ruhm zu erlangen, immer noch in dem Haus seiner Eltern wohnte und weiterhin nur von Berühmtheit träumte. Und, nein, ich fühlte mich nicht schlecht dabei. An meine eigene Unkreativität, die mittlerweile bereits zu einer Schreibblockade geworden war, versuchte ich nicht zu denken. Ich hatte Angst, würden meine Gedanken zu lange darum kreisen, dass ich versehentlich Leopolds Vermutungen bestätigen würde.
Auch in diesem Absatz ist mir ein bisschen viel Tell. Meiner Meinung nach funktioniert die Geschichte bis zu diesem Punkt hauptsächlich aufgrund der guten Dialoge. Warum also verpackst du nicht zumindest einen Teil dieser Informationen im Gespräch?
So lange die beiden Prots sprechen, weiß die Geschichte wirklich zu überzeugen. Längen oder Schwächen offenbart sie hauptsächlich dann, wenn sie zu statisch wird, wenn Alex z. B. über seine Probleme sinniert.


Ich fragte mich, was er tat.
Weg!
(Dann hast du auch einen Ich-Anfang weniger.)
Er stand mit dem Rücken zu mir vor dem Fenster und starrte in den Garten. In dem Raum war es düster, nur der Mond schien schwach, halb hinter Leopold versteckt.
Liest sich so, als könne Alex den Mond bzw. einen Teil des Mondes hinter Leopolds Rücken sehen. Das dürfte rein von der Perspektive her aber sehr schwer sein.

Mit diesem "Abschlussdialog" spielt die Geschichte wieder ihre Stärke aus. Gefällt mir gut, wirklich.


Wie sehr ich mich konzentrierte, keinen Blick auf das aus dem Augenwinkel wie ein Schatten wirkendes Gebilde zu werfen, das in einer Ecke des Raumes stand oder lag.
Beim ersten Lesen ist dieses Ungetüm nicht ganz leicht zu meistern.
Außerdem: wirkende
Ich erinnerte mich an Leopolds Worte, wie er über seine Putzfrau geschimpft hatte, sie beleidigt.
Würde ich streichen, die reine Erwähnung Leopolds Worte reicht vollkommen, damit der Leser versteht.
Leopold stand mit dem Rücken zu mir, so dass ich vielleicht Glück haben könnte, dass mein Fluchtversuch nicht bemerkt werden würde.
Auch hier nimmst du dem Leser das Denken ab.


Noch zwei, drei Worte zum Abschluss:
Was ist aus Leopolds Krankheit geworden?
Davor kannst du dich nicht drücken, sonst macht der Plot keinen Sinn. Oder sollte ich die Erwähnung überlesen haben?
Such dir einfach irgendeine Psychose aus und bau sie in zwei, drei Sätzen mit ein. Möglichst in einem Dialog.

Und ja, die Geschichte gefällt mir. Sonst hätte ich sie auch nicht so umfangreich auseinander genommen.

J

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Tamira,

von mir ein dickes Lob für deine Geschichte.
Es bleibt nicht mehr viel zum Ergänzen übrig, wurde fast schon alles gesagt, aber ein zusätzlicher :thumbsup: erfreut doch jedes Schriftsteller-Herz.

Ich finde es erstaunlich, wie du es schaffst den Leser über die erste Hälfte der Geschichte zu ziehen, in der eigentlich nichts geschieht, und dennoch Spannung fiebernde Spannung erzeugst.
Fantastischer Schreibstil.
Wie von anderen bereits erwähnt, ist das Ende nicht sonderlich überraschend, aber das tut der Geschichte keinen Abbruch!

grüßlichst
weltenläufer

 

Ja ja, da guck ich mal so mir nichts dir nichts durch die Rubriken, und wen finde ich da?

Hi Tama!

Was sach ich denn mal: Ich fand, es war nicht dein bestes Werk; so zum Zwischendurchlesen ganz okay, aber vielleicht bin ich auch nicht der richtige Krimifan.

Ungefähr zweihundert Meter von Leopolds Haus entfernt lenkte ich meinen Wagen schwerfällig in eine Parklücke
Da dachte ich ja noch, dein Prot wäre eine Frau ...:Pfeif:

Die Eiswürfel in meinem Whiskeyglas klirrten.
Ich wusste, dass all die Kleinigkeiten, der Wodka, die Cracker,
:shy:

Dicken Pluspunkt gibts für die Dialoge; da hatte ich wirklich das Gefühl, du hättest das Gespräch auf Tonband aufgenommen und dann abgeschrieben. Sehr gelungen!

Das Ende? Tja, war mir irgendwie zu abrupt, erweckte den Eindruck, als wolltest du es hinter dich bringen. Der von Coleratio gebrachte Einwand hat mich persönlich schon gestört.
Und dann: Warum macht er das? Nur des Geldes wegen? Wenn ja, fehlt mir da der vorherige Hinweis. Klar, dein Prot ist arm, aber ich schätzte ihn keineswegs so ein, als würde er für Geld alles tun. Erst recht keine Leiche neben sich sitzen lassen.
Und eine Story schreiben? Ich denke, das hätte er doch auch so gekonnt, oder?

Fazit: Vom Stil her durchaus ansprechend. Geniale Dialoge. Plot so lala ...

Gruß! Salem

 

Hi euch dreien, danke fürs Lesen und Kritisieren. Wie immer eben. *g*


Donnie:

Zitat:
Der Abend zog sich über den Baumwipfeln in die Länge.
Eigentlich zieht sich doch die Abenddämmerung in die Länge. So entsteht, genau genommen, ein schiefes Bild, vergleichst du eine temporale mit einer geographischen Angabe.
Aber der Abend ist ja das, was langsam ins Bild kommt. Die Dämmerung ist ja nur das, wenn Tag und Abend aufeinander treffen.
Das lass ich mal noch drin. Vielleicht.

Unzählige Baustile erscheint etwas sehr übertrieben. Drückt sich da jemand vor einer genauen Angabe, welcher Baustil die Gegend prägt?
Wird gestrichen


Zitat:
»Ah, Alex, wie geht es dir? Ich hab deinen Wagen nicht kommen … du wirst nicht glauben, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, als man mir gesagt hat, du würdest vorbei schauen.«
Laut gelesen hört sich das ziemlich unrund an, vor allem für einen Gesprächsanfang.
Die Punkte hätten ein Stocken Leopolds verdeutlichen sollen. Kommt aber scheinbar nicht gut rüber, änder ich ebenfalls.

Es ist klar, was du sagen willst, aber er bietet seine Hand dar?
Ist das falsch? er streckt sie ihm eben hin

Der zweite Absatz gefällt mir, der Dialog transportiert gut die Handlung. Allerdings wirkt keiner der beiden wie ein durchschnittlicher Sechzigjähriger. Tut mir Leid, das passt weder zu Leopolds Sprache noch zu Alex Sorgen um sein rostiges Auto. Die Altersangabe würde ich wirklich noch einmal überdenken.
Dann ... fünfzig? *g*

Warum so umständlich? ... dass ich befürchtete, er könnte die Nachbarn wecken?
Irgendwie mach ich das immer automatisch. Änder ich auch


Zitat:
Ich hoffte noch immer darauf, das Geld von ihm zu bekommen, doch je mehr Zeit verstrich, desto weniger glaubte ich daran, es je zu kriegen. Selbst darauf zu sprechen kommen würde ich nicht. Niemanden gingen meine zunehmenden Geldsorgen etwas an
.
Das können wir dem Leser doch bestimmt etwas subtiler vermitteln, oder?
Und wie? Ich bin doch bereits unglaublich weit über der Zeichenvorgabe. :(

Auch in diesem Absatz ist mir ein bisschen viel Tell. Meiner Meinung nach funktioniert die Geschichte bis zu diesem Punkt hauptsächlich aufgrund der guten Dialoge. Warum also verpackst du nicht zumindest einen Teil dieser Informationen im Gespräch?
So lange die beiden Prots sprechen, weiß die Geschichte wirklich zu überzeugen. Längen oder Schwächen offenbart sie hauptsächlich dann, wenn sie zu statisch wird, wenn Alex z. B. über seine Probleme sinniert.
Hm, aber das ist gerade das, was Alex Leopold nicht erzählen möchte. Aber vielleicht fällt mir ja was ein, wie ich es besser verpacken könnte. Ein bisschen Zeit hab ich ja noch.

Beim ersten Lesen ist dieses Ungetüm nicht ganz leicht zu meistern.
Außerdem: wirkende
Nö, wirkendes stimmt, ist ja schließlich ein einziges Gebilde. :)
Aber der Satz ist wirklich scheiße.

Davor kannst du dich nicht drücken, sonst macht der Plot keinen Sinn. Oder sollte ich die Erwähnung überlesen haben?
Naja, ich meine, Leopold hat keine Freunde, ist ein Einsiedler, was seine merkwürdige Art ein wenig bestätigen soll. Er benötigt Alex nur, um Martha einen Platz zu geben.
Ich hätte die Psychose wirklich gerne drin gelassen, aber die Story ist ja bereits jetzt weit über der Länge.

Vielen Dank nochmal für deine detailierte Kritik. :)

weltenläufer:

Freut mich doch, wenn es dir so gut gefallen hat. *g*

Ich finde es erstaunlich, wie du es schaffst den Leser über die erste Hälfte der Geschichte zu ziehen, in der eigentlich nichts geschieht, und dennoch Spannung fiebernde Spannung erzeugst.
Fantastischer Schreibstil.
Vielen Dank!

Salem:

Da dachte ich ja noch, dein Prot wäre eine Frau
Hey, mal keine Klischees hier ;)

Dicken Pluspunkt gibts für die Dialoge; da hatte ich wirklich das Gefühl, du hättest das Gespräch auf Tonband aufgenommen und dann abgeschrieben. Sehr gelungen!
:shy:

Das Ende? Tja, war mir irgendwie zu abrupt, erweckte den Eindruck, als wolltest du es hinter dich bringen. Der von Coleratio gebrachte Einwand hat mich persönlich schon gestört.
Wie gesagt: Ich wollte es nicht nur schnell hinter mich bringen, ich hatte nur noch so wenig Zeichen übrig. *g*

Und dann: Warum macht er das? Nur des Geldes wegen? Wenn ja, fehlt mir da der vorherige Hinweis. Klar, dein Prot ist arm, aber ich schätzte ihn keineswegs so ein, als würde er für Geld alles tun. Erst recht keine Leiche neben sich sitzen lassen.
Naja, so Ottonormalverbraucher ist er ja nicht. Einen kleinen Knall hat er schon. *g*
Außerdem tut er es nicht des Geldes wegen, sondern der Story. Hm, vielleicht kommt das nicht gut genug rüber.

Und eine Story schreiben? Ich denke, das hätte er doch auch so gekonnt, oder?
Nein, denn er hatte schließlich eine Schreibblokkade. Kennst du scheinbar noch nicht. :D

Fazit: Vom Stil her durchaus ansprechend. Geniale Dialoge. Plot so lala ...
Naja, ist allerdings das Äußerste an Plot, was ich zustande bringe. *g*


Ich werd mir mal ein paar Tage Zeit lassen und die Story dann euren Kommentaren betreffend nochmal überarbeiten.

Vielen Dank und liebe Grüße,
Tamira

 

Nachdem die Kritik hier schon sehr ausführlich und konstruktiv ausgefallen ist und eigentlich alles gesagt wurde, beschränke ich mich mal auf die Ermutigung:

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen und ich konnte mich gut hineinversetzen :)

Gruß Pesse

 

Jetzt hätte ich es doch benah vergessen :D :


Danke fürs Lesen und Kommentieren, Pesse!
Hat mich sehr gefreut. :)
Schön, wenn es dir gefallen hat.


Liebe Grüße
Tamira

 

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