Was ist neu

Das Plaid

Mitglied
Beitritt
30.12.2003
Beiträge
153

Das Plaid

Sie machen einen Bummel durch die Stadt. Die spärliche Nachmittagssonne wärmt nur mäßig. Es ist fast noch Winter. Plötzlich kommen sie an einem Reisebüro vorbei und bleiben wie gebannt stehen. In der Auslage ein Plaid! Welch ein Anblick: farbenprächtig, flauschig weich, einfach ein Traum ...
„Liebster“, flüstert sie ihm leise ins Ohr, „ich will jetzt und sofort und auf der Stelle dieses Plaid!“.
Der Laden hat geschlossen; einer Eingebung folgend macht er eine Bewegung mit dem Arm, als würde er nach etwas in der Luft greifen. Er schnippt mit den Fingern ... und reicht ihr die traumhafte Decke. Nicht zum ersten Mal hat er solche Flausen im Kopf, die zu Flusen werden ...

Während sie sich verwundert die Augen reibt und meint, es seien Fusseln vom Plaid hinein gekommen, ruft sie voller Entzücken:
„Oh, wie kommst du denn hierher?! Du kleiner Bär mit dem weichen Wuschelfell aus lauter Flusis.“ Sie fasst ihn bei den Händen und macht ein paar tänzelnde Schritte.
„Hallo Flusette“, sagt der Bär zu der Fee, „endlich treffe ich dich. Wie lange habe ich nach dir gesucht“.
Wie von Zauberhand verwandelt sich die Umgebung in einen Wald. Ein Eber blickt grimmig zu ihnen und rümpft seinen Rüssel. Lautstark entrüstet sich eine Elster.
„Lass uns von hier verschwinden“, brummt der Bär mit lachenden Augen, „ich fürchte, die Tiere rundum teilen nicht unsere Freude“.
“Sie sind alle so furchtbar ernst und gereizt“, kichert Flusette albern.
So ziehen sich Flusette und der Flusi-Bär die Decke über den Kopf und beschließen zu verreisen. Schon hört der Bär eine Stimme. Es ist das Fernweh, das zu ihm spricht. Das Plaid soll sie nach Kanada bringen, weit weg vom urbanen Leben, der Hektik.
Am Great Bear River nahe seiner Mündung in den Mackenzie machen sie Halt. Wild schäumen die Wasser des Flusses, brechen die Wellen sich gischtend am felsigen Ufer. In weitem Bogen färbt glitzernder Tröpfchennebel die Luft bunt bis zur Sonne hinauf.
Hungrig schauen sie umher, als Flusi-Bär lauschend verharrt. „Der Geist meiner Brüder spricht zu mir“, flüstert er. „Lass uns ein Stück weiter gehen“. In der Ferne sehen sie eine Gruppe Grizzly’s beim Lachsfang. Bereitwillig teilen diese ihre Beute, nachdem Flusette einen großen Topf Honig als Nachtisch bereit stellt. Es kostete sie nur ein Fingerschnipsen.
Kaum haben sie ihren Hunger gestillt, da schwebt ein trotz der Einförmigkeit seltsam erregender Sound zu ihnen herüber. „Tam, tam tam tam, tam, tam tam tam ...“. Der Flusi-Bär wird von einer inneren Unruhe erfasst.
„Ich werde gerufen“, sagt er zur Fee, „es ist der Sachem des Stammes der Satudene. Die Indianer sind in Not und bieten viel Wampum, wenn ihnen geholfen wird“.
Sie folgen dem fordernden Tam-Tam, dem Ruf der toten Gegenstände, die einmal gelebt haben, als Baum und als Tier. Bald erreichen sie eine Ansiedlung aus Rindenhütten mit doppeltem Pultdach.
Vermutlich haben die ’Baer Lakes’, wie sie genannt werden, nach ihrer letzten Jagd dem Geist ihrer Beute nicht genügend Respekt gezollt und kein Fleisch in das Feuer gelegt, um den Geist zu sättigen. Nun ruft der Schamane den Geist des Großen Bären und bittet, dass er eine Karibu- oder eine Elchherde durch das Territorium ziehen lässt. Der Lachs der Flüsse ist nur Zubrot und reicht nicht aus.
Als die Indianer den kleinen Bären sehen, nähern sie sich ihm mit aller Ehrfurcht und zeigen Gesten der Verehrung. „Ich werde von einer weisen Frau begleitet“, brummt der Flusi-Bär zum Schamanen. „Sie verfügt über einen Zauber, der euch helfen kann“.
Flusette zeigt sich als ebenbürtige Zauberin. Zum Klang der Trommel beginnt sie einen Tanz, den die Indianer noch nie gesehen haben. Aus ihrem Bauchtanz spricht der Geist des Orients. Die Fee bittet den Geist des Großen Bären um Jagdglück. Es dauert gar nicht lange, da zieht eine Elchherde am Lager vorbei.
Reich mit Muschelgeld beschenkt, nehmen Flusette und Flusi Abschied von ihren neuen Freunden. „Ich sehe an meinem ’Dach, das sich auf Rädern bewegt’ einen bösen Geist“, begründet die Fee ihren Aufbruch.

Das Plaid bringt die Beiden wieder zurück in die Gegenwart. Sie kommen einen Moment zu spät, denn der ’Böse Geist’ ist schon weiter gezogen. Doch er hat als Zeichen seines Wirkens ein Papier hinterlassen, unter dem ’ Gummi, der die Scheibe reinigt’. So wussten sie, dass die Reise länger als zwei Stunden gedauert hatte.

 

hi pied,

schoene geschichte :) ich bin nicht sicher, ob sie nicht besser in kinder stehen sollte, aber sie hat mir gut gefallen - ich habe nichts zu kritteln

glg, cherry

 

Hi cherry,
Dank für's Lesen und den freundlichen Kommentar. Mit der Rubrik, tja, das Übliche ... passt sowwohl als auch, aber hier fühl ich mich heimischer :)
LG PP

 

Hi Pied,

lass die Story ruhig mal hier in unserer "Stamm-Rubrik".

Sie machen einen Bummel durch die Stadt
Wer?

Insgesamt hat mir die Story nicht so gut gefallen, das ganze war mir zu fusselig, aber das ist Geschmackssache.

Gruß
Jörg

 

Hallo Jörg,

danke für Deine Einschätzung.
Zu Deiner Frage, wer da in der Stadt spazieren geht - offenbar ein beliebiges Pärchen mit Sinn für Humor und das Fantastische. Oder meinst Du, ich hätte ihnen Namen geben sollen, etwa Martina und Martin oder so? Mir erschien es für die Story nicht wichtig.
Und die Fusseln ... hm, erklären sich aus dem nicht geschilderten Hintergrund dieses Paares. :D

Danke für Deine Rubriken-Plädoyer :)
Gruß PP

 

Hallo Illu,

ich denke, dass Du die Geschichte schon richtig verstanden hast – lass das Gefussel mit den Flusen weg, denn das verwirrt tatsächlich, wenn ich mich in Deine Lage versetze. Es ist der typische „Insider-Effekt“ – in meinem Kopf ist das alles klar, weil es meine Kreation ist.
Ich werde mich bemühen, demnächst wieder klarer zu schreiben :D
Danke für Deine Meinung und Beurteilung.

Gruß PP

 

Hi Pied,

nein Namen musst Du dem Pärchen nicht geben, da hast du schon recht. Aber vieleicht wäre ein Satz
nicht schlecht, der erklärt, wer sie sind.

Gruß
Jörg

 

Hallo Jörg und Illu noch mal,

sagen wir, es ist ein verliebtes, etwas verrücktes Paar (die Bayern sagen vielleicht „spinnert“ dazu) an einem Nachmittag in Essen, wo sie niemand kennt. Dieses Plaid im Schaufenster ruft die beschriebenen „Merkwürdigkeiten“ im Benehmen hervor, worüber sich die Passanten mokieren :D. Doch beide sind in Gedanken weit, sehr weit weg und realisieren es nicht mehr. Aus der Albernheit der Beiden ergaben sich auch diese Wortspiele mit Flausen, Flusen, Flusi-Bär und Flusette – Ihr kennt vielleicht solche Spinner auch.
Halt mit dem traurigen Ergebnis, dass an dem Gefährt auf dem Kurzzeitparkplatz in der Kreuzeskirchstraße ein „Knöllchen“ unter dem Scheibenwischer steckt. Das freundliche Schreiben der Stadt Essen liegt bei mir – und der Tag war sicher diese 20 Euro wert bei dem Spaß, den die Zwei hatten! :)

LG PP

 

Hallo Pied Piper! (ist dein Name der legenderen Jethro Tull entlehnt?)

Eine wirklich seltsame Geschichte ist das. Mehr kann ich gar nicht dazu sagen.

Korrekturvorschläge:

- "Welch ein Anblick: farbenprächtig, flauschig weich..." Ich weiß nicht, ob das rein durchs Angucken (immer) feststellbar ist.

- "... schwebt ein trotz der Einförmigkeit seltsam erregender Sound..."
Das Wort ist meiner Meinung nach doch ziemlich anachronistisch in der Story.

Lg, kleiner Rasta-Narr

 

Hallo, kleiner Rasta-Narr,

"ist dein Name der legenderen Jethro Tull entlehnt?"
- nein, das hat eine andere Geschichte (eigentlich mehr als eine)

flauschig-weich und angucken
- im Prinzip stimme ich dir zu, es sind unterschiedliche Sinne; hier habe ich es jedoch bewusst so gewählt, weil ich denke, dass (zumindest bei vorliegenden vergleichbaren Erfahrungen) assoziativ auch 'fühlbare' Materialeigenschaften sichtbar sein können; weich und flauschig können übrigens auch formbeschreibend als Synonyme verwendet werden (ggüber hart, kantig usw. - was durchaus zu sehen ist)

Sound ... anachronistisch in der Story
- würdest du mir das, bitte, zu erläutern versuchen? Den Einwand kann ich auch nicht ansatzweise nachvollziehen, leider.

Danke für deine kritischen Anmerkungen; ja, seltsam ist sie schon, diese Geschichte - das sehe ich auch so! :)

Gruß Pied Piper

 

Hallo Pied Piper!

... dann verschieb sie verdammt nochmal nach "Seltsam" !!! - Nein, war eh nur ein Scherz.

Was ich mit - blöd ausgedrückt - anachronistisch gemeint habe, ist, dass mir das eingedeutscht-moderne "Sound" nicht gefällt, wegen der restlichen Ausdrucksform der Geschichte. Denn die Story scheint mir in einer ferneren Vergangenheit zu spielen. Altertümlich vielleicht sogar - bis aufs Reisebüro. Meine Meinung.

Lg, kleiner Rasta-Narr

 

Hallo kleiner Rasta-Narr,

die Story scheint mir in einer ferneren Vergangenheit zu spielen. Altertümlich vielleicht sogar

Es findet, genau genommen, kein Zeitspung statt, sondern ein geographischer nach Kanada hinüber. Vermittelndes Element ist die Reisedecke (das Plaid). So zumindest die Absicht.
Übrigens ist 'Plaid' so englisch wie 'Sound' und 'urban' so lateinischen Ursprungs, wie 'Hektik' dem Griechischen entstammt und 'Wampum' der Sprache der indianischen Ureinwohner entlehnt ist.
Unsere Empfindungen scheinen sich in diesem Punkt gewaltig zu unterscheiden :(

Gruß Pied Piper :)

 

Hallo Pied Piper!

Hast wohl recht. Geb dir Recht! Fand nur: Wenn man die Geschichte "schnell" durchliest, kommt sie so fern an. Du hast aber meine Einwände widerlegt, weshalb ich meine Krititk mit dem Ausdruck zurücknehme, sorry.

Lg, kleiner Rasta-Narr

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom