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Das Privileg

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17.03.2005
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Das Privileg

Das Privileg (Nach euren Vorschlägen verbessert.)


Orenibus wanderte durch die karge Steppe von Krimm. Er war vor vier Monaten vom Dreiseetal aufgebrochen. Seitdem wanderte er durch die unendlich erscheinende Steppe. Er hungerte und ernährte sich nur gelegentlich von kleinen Eidechsen und Schlangen, und trank den Tau des Morgens. Die Schmerzen seiner Entbehrungen waren inzwischen zu einem Teil von ihm geworden. Seine bloßen Füße bluteten und sein ausgemergelter, alter Körper war übersäht mit schweren Verbrennungen von der gnadenlosen Sonne. Getrieben von einem Schmerz, der tiefer ging als jedes Leiden seines Körpers. Es war die gähnende Leere in seiner Brust die unendliche Einsamkeit in seinem Herzen. Er hatte Flüsse von Tränen vergossen um seines Leids. Seiner Suche, die niemals Erfolg zu versprechen schien und die doch sein Schicksal war und wenn auch sein Verderben. Er suchte die Erleuchtung, er hatte sie gesucht solange er denken konnte. Aber nirgendwo hatte er sie gefunden. Er sehnte sich nur nach diesem einen Augenblick der absoluten Klarheit und der unbestreitbaren Gewissheit des Verstehens.
Er wanderte immer weiter bis zu den Wanderdünen von Napal. Als er die erste Düne bestieg gaben seine dünnen und zerbrechlichen Beine nach. Als er fiel, wusste er, dass sein Ende gekommen war. Er wehrte sich nicht als er langsam vom Sand zugedeckt wurde.
Ein letztes Mal öffnete er seine rissigen Lippen und benutzte seine Stimme, die sein Leben lang nur eine Frage gestellt hatte: „Was ist die Wahrheit über unsere Bestimmung? Was ist die Wahrheit über unseren endgültigen Zweck?“ Ein letztes Mal schloss er die Augen und spürte die sengenden Strahlen der Sonne auf seiner verbrannten Haut.
Zuerst dachte er, sein gequälter Verstand spiele ihm einen Streich. Er öffnete die Augen.
Der Wüstensand, auf dem er lag und der ihn bedeckte summte eine wunderschöne und zarte Melodie. Die Sandkörner vibrierten und tanzten einen absonderlichen Tanz. Mit was für einer überirdischen Schönheit die Wüste für ihn sang. Er schloss erneut die Augen und lächelte diesmal. Für dieses wundevolle Geschenk würde er wiederum als Dank seinen Leib der Wüste übergeben.
Jäh erschütterte ein Schock seinen sterbenden Geist. Sein Körper zuckte ungewollt und die Nackenhaare standen ihm zu Berge. Er spürte eine Präsenz um sich herum. In der Luft und in dem Sand. Sie war wie eine warme Decke, die sich auf seine schmerzende Haut legte und seine Schmerzen linderte. Irgendwo in der Ferne schrie ein Adler seinen Ruf stolz in die Welt.

Höre mich, der du nach Wissen suchst!
Ich bin Mithran!
Ich bin das Licht.
Der Schöpfer allen Lebens und der Erde. Mein ist das Reich am Firmament und Mein wird das Reich auf Erden.
Frohlocke, denn du suchetest nach der Wahrheit, und siehe nun die Wahrheit: die Ich bin.
Ich bin der Anfang und das Ende. Mein Licht soll erstrahlen in den Herzen aller Menschen unter meinem Himmel.
Als mein Prophet wirst du die Wahrhaftigkeit in die Welt tragen und mir dienen als mein oberster Diener auf Erden.

Die Worte erstrahlten in seinem Kopf wie das Licht der aufgehenden Sonne und zeigten ihm die Wahrhaftigkeit und die Bestimmung aller Menschen. Er weinte vor Glück und Ehrfurcht im Angesicht all dieser Offenbarungen. Der Geist der Erleuchtung erfüllte ihn und mit Tränen überströmten Gesicht stand er auf und sah in die Mittagsonne. Er lachte vor unvergleichbarer Dankbarkeit für dieses Geschenk und spürte keine Schmerzen, als seine Augen in das unermessliche Licht seines Herrn blickten und unter dessen Macht verdorrten. Denn einen Augenblick wurde ihm ein Blick auf etwas gewährt, das unendlich größer war als er.
„Dein wird das Reich auf Erden. Heil, Mithran, dem Vater des Lichts und des Lebens“, skandierte Orenibus mit voller und kräftiger Stimme über die unendlichen Weiten der Wüste.
Als er trittfest und geschmeidig die Wüste verließ und mit seinen blinden Augen einen Weg einschlug, den nur er kannte, sah ihm ein einsamer Adler hinterher und schrie, doch diesmal lag kein Stolz darin.
Es war Angst.


Du willst Antworten?
Dann finde sie. Aber deine eigenen.
Denn wer aufhört die Antworten selbst zu suchen und sich sagen lässt was diese sind.
Der gibt das Privileg des Sehens auf und wird erblinden.

 

Hallo W.P.

Mich wundert es wirklich sehr, dass noch niemand etwas zu deiner Geschichte geschrieben hat.
Also ich kann nur sagen, dass mir deine Geschichte sehr gut gefallen hat.
Ich mag vor allem deinen Schreibstil, du beschreibst alles schön genau, so dass man sich es auch wirklich vorstellen kann.
Und endlich mal eine Geschichte, die auch eine Aussage hat

W.P.Lovecraft schrieb:
Das Privileg
Denn wer aufhört die Antworten selbst zu suchen und sich sagen lässt was diese sind.
Der gibt das Privileg des Sehens auf und wird erblinden.

Dieser Satz ist total schön. Jetzt weiß ich, warum ich Philosophie als Kurs angewählt habe. :)

Schreib auf jeden Fall weiter Geschichten für die Rubrik "Philosphisches".

Liebe Grüße
Suava :schiel:

 

Hallo Suava

Was soll ich da groß sagen?

Es freut mich riesig dass dir die Geschichte gefallen hat. Dufür hat es sich schon gelohnt sie zu schreiben.

:kuss: Danke!!

 

Hallo, W.P.Lovecraft!

Zugegeben: der Anfang deiner Geschichte hat mich schnell gefesselt - erwähnst du dort doch das Dreiseetal, das nicht eine halbe Stunde von meinem Wohnsitz entfernt ist! Das Paradies der Schützen in (grünen, oder auch schwarzen) gefliederten Hüten hat allerdings wenig gemein mit der Fantasywelt, die du beschreibst - wie ich enttäuscht feststellen musste. Betrachtet habe ich dein Werk aber trotzdem. Was wäre dazu zu sagen? Es ist fragwürdig, ob die Geschichte in der zweifachen Form, wie du sie uns präsentierst, sinnvoll ist. Ich nämlich sehe wenig Unterschied zwischen den beiden Sachen. Einmal geht dein Held durch eine Wüste, ein andermal durch ein Bergwerk, und beidesmal geschieht ihm das Gleiche. Wären die zwei Situationen im Grunde verschieden (z.B.wäre es einmal eine Gottheit, ein andernmal ein Marktweib, welches für einen findet, was derjenige sucht), könntest du sie als zwei Beispiele für den unten aufgestellten Satz nehmen. Aber wenn beides doch kaum bevölkerte Orte sind, wo man sich nur ungern aufhält, scheint mir die verdoppelung des Plots überflüssig, wenn nicht gar schädlich für die Geduld des Lesers zu sein. Mir hätte es eher gefallen, hätte ich nur eine der Geschichten gelesen! Ebenfalls ist zu bemerken, dass deine Geschichte viel zu pathetisch ist, in ihrer Art und mit dem Schlussstrich, für meinen Geschmack zumindest. Das ist meine Meinung. Ob du deine Geschichten in Zukunft so anders gestalten willst, dass sie auch mir gefallen, bleibt dir überlassen. Im Übrigen

Gruß,
A.v.M.

 

Hallo W.P. Lovecraft,


„siehe nun die Wahrheit: die Ich bin.
Ich bin der Anfang und das Ende. Mein Licht soll erstrahlen in den Herzen aller Menschen unter meinem Himmel.“

Während des Lesens hatte ich schon gedacht, es ist aber ein seltsamer Suchender, der sich einfach sagen lässt, was die Wahrheit ist und sich zum Propheten machen lässt. Am Schluss sieht die Sache zwar anders aus, doch nur bedingt. Bei


“Die Wahrheit über deine eigene Bestimmung? Du willst sehen? Wissen?
Du willst Antworten?
Dann finde sie. Aber deine eigenen.
Denn wer aufhört die Antworten selbst zu suchen und sich sagen lässt was diese sind.
Der gibt das Privileg des Sehens auf und wird erblinden.“

wird nicht gesagt, was die Wahrheit ist, aber wo und wie man sie zu finden hat (diese Information ist also keine eigene Antwort). Wenn jeder seine eigenen Antworten findet, ist es dann noch Wahrheit im allgemeingültigen Sinn?

Inwieweit man den eigenen Erkenntnissen trauen kann, ist natürlich auch ein Problem, genauso wie die Frage, wie man festlegt, für welchen Weg man sich im Leben entscheidet. Es gibt also durchaus noch Vertiefungspotenzial der angesprochenen Thematik, ein Plus für deine Geschichte.

Was die ganzen Wanderungen mit der Erkenntnisfindung zu tun haben wird nicht deutlich, es kommt mir eher wie ein überstrapaziertes Motiv vor.


Änderungsvorschläge:


„Er hatte Flüsse von Tränen vergossen um seines Leids.“

- wegen seines

„Sie war wie eine warme Decke, die sich auf seine schmerzende Haut legte und seine Schmerzen linderte.“

- Bei der beschriebenen Hitze ist eine kühlende Decke eher angebracht.


„Heil, Mithran, dem Vater des Lichts und des Lebens.“
skandierte Orenibus“

- Lebens“, skandierte (halte ich für flüssiger).

„war es eiskalt.
Er schwankte, von dem starken Temperaturfall überrascht. Fassungslos sah er seinen Atem in einer weißen Wolke vor sich. Das war doch nicht möglich.
Er taumelte gegen eine Stollenwand. Der Stein verbrannte zischend seine Haut
...
Das Gestein unter seinen schweißnassen Fingern war eisig.“

- Hier übertreibst du mit den Temperaturschwankungen. (Sie sind auch für die Aussage ohne Bedeutung).


„an diesen Ort, unter diese Berge“
...
„zeigen: die Ich bin“

- Berge (Punkt); bin (Punkt)


Tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Leute,

Was das Dreiseetal anbelangt, so hab ich das ganz frei erfunden. Das es den Namen wirklich gibt habe ich nicht gewusst. :eek1:

Zur zweifachen Form: Dass die zwei Erzählstränge einander ähnlich sind stimmt tatsächlich. Aber das war auch beabsichtig. Ich wollte hier von Leuten schreiben die verzwefelt sind. Die Antworten wollen. (Solche gibt es heute zur Hauf. Sie haben beide eine lange, schwere Reise hinter sich. Wobei ihre Suche sie an völlig gegensätzliche Orte führt. Der eine Ort ist ein Ort an dem das Licht, die Sonne herrscht. Der andere, ein Ort wo das Licht nie scheint,an dem die Dunkelheit herrscht. Und obwohl beide an verschiedenen Orten suchen, und unterschiedliche Antworten kriegen, sind sie im Grunde in der selben Situiation. Es sind nicht die Richtigen, weil es nicht IHRE sind.
Das ist der Witz an der Wahrheit. Ich glaube (ist meine Meinung) jeder muss seine eigene finden.
Natürlich gibt es die Wahrheit im allgemeinen Sinn.
Aber auch die sollte man wenigsten für sich selbst prüfen. Schließlich ist es nur ein paar Jahrhunderte her, dass die Kirche Verkünder der Wahrheit war, dass die Erde eine Scheibe war und dass die Sonne sich um die Erde drehte.
Alles allgemeine Wahrheiten.
Meine Prots also haben sich auf ihrer Suche so abgestrampelt, dass sie überwältigt von den "Göttern" (= GURUS, POLITIKER und anderes Gezücht, nur um ein paar Beispiele der heutigen Zeit zu nennen) sind und das nicht tun. Deshalb büßen sie ihr Privileg, zu sehen, ein.
Sie werden blind. "Blinde" Fanatiker, könnte man sagen. Aber das meine Geschichte mit nur einem der beiden Prots leben könnte, sogar besser wäre stimmt. Obwohl mir die Idee mit der Marktfrau gefällt. :cool:

Danke W.P.L.
( Vor allem für die Verbesserungsvorschläge)

 

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