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Das Sterben beginnt
Keiner hatte geahnt, dass das nur der Anfang war, der Anfang von etwas Großem. Etwas sehr Großem...
Samstag:
John Tess saß zufrieden hinter dem Steuer des Familienvans. Es war ein heißer Sommertag und das Fenster des Wagens war heruntergekurbelt, so dass ein kühler Luftzug hereinkam. John’s Frau Angela saß auf dem Beifahrersitz und las in einem Frauenmagazin über Sommermoden. Auf dem Rücksitz stritten sich Kevin und Sarah um Belanglosigkeiten, wie es so häufig der Fall war. John sagte schon gar nichts mehr dazu, es war halt „das Alter“, wie man immer so schön sagte. Kevin war dreizehn und Sarah sechzehn, beide hatten die üblichen Probleme und Interessen, die Kinder in diesem Alter haben und das führte oft zu Streitereien.
Auch Angela wusste inzwischen wie sie mit den Launen ihrer Kinder umzugehen hatte und las gelassen weiter in ihrem Magazin.
„Mom, sag Kevin er soll aufhören!“ ,schrie Sarah und schubste ihren Bruder zur Seite.
„Ich mach gar nichts!“, beschwerte sich dieser und boxte Sarah auf die Schulter.
Jetzt war der Punkt gekommen wo John ein kurzes Machtwort sprechen musste, Angela warf ihm dann immer diesen auffordernden Blick zu.
„Hört jetzt auf ihr zwei! Könnt ihr euch nicht mal ein paar Minuten vernünftig benehmen? Gleich sind wir zu Hause, bis dahin seid einfach mal ruhig.“
Das sollte vorerst reichen. Sarah und Kevin drehten sich beleidigt zur Seite und schauten aus dem Fenster.
Plötzlich summte es im Wagen und Sarah schrie auf. „Hier ist ‘ne Biene im Auto!“
„Reg dich ab, sie sticht dich schon nicht wenn du sie nicht bedrohst“, sagte John.
„Hau sie platt!“, schrie Kevin und fuchtelte wild um sich.
„Jetzt reicht‘s aber, seid vorsichtig, sonst wird wirklich noch jemand gestochen.“ Jetzt hatte Angela sich eingemischt und schaute von ihrer Zeitschrift auf. Die Biene schwirrte durch den Wagen und ließ sich dann auf dem Armaturenbrett nieder, ihre kleinen Flügel zuckten Angriffslustig. Angela hatte ihre Zeitschrift zusammengerollt, holte zum Schlag aus und mit einem Knall zerschlug sie das kleine Insekt. Auf dem Armaturenbrett blieb ein matschiger Fleck zurück und auch an der Zeitung klebten ein paar Überreste.
„Na toll.“, ärgerte sich John.
„Ich mach‘s ja schon sauber.“ Angela holte ein Taschentuch aus dem Handschuhfach und beseitigte den gelblichen Fleck.
„Seid mal leise, ich will das hören“, sagte John und drehte das Radio lauter.
...wurde in der afrikanischen Steppe eine riesige, monolithische, schwarze Platte gefunden Ihre Höhe beträgt 5 Meter und sie steht aufrecht in der Erde. Die Oberfläche ist glatt und es lässt sich keine Struktur erkennen. Niemand weiss woher, oder wie die Platte an diesen Ort gelangte, auch das Material ist Wissenschaftlern bisher vollkommen unbekannt. In den nächsten Tagen werden noch weitere Tests durchgeführt. Manche Leute sprechen schon von einem ausserirdischen Objekt, diese Aussage wurde von Experten aber bisher abgewiesen.
Das waren die Nachrichten, es folgt das Wetter mit...
„Verrückt. Wahrscheinlich machen die wieder viel Wind um nichts.“ John drehte das Radio wieder leiser.
„Cool, Außerirdische!“, rief Kevin von der Rückbank.
„Hast du nicht zugehört du Idiot? Son Blödsinn.“ Sarah warf ihm einen genervten Blick zu.
Sie bogen in die kleine Siedlung ein in der sie wohnten, fuhren vorbei an den weißen Bungalows mit den roten Dächern, den idyllischen Häuschen mit spießigen Vorgärten, bis sie schließlich vor ihrem eigenen Haus anhielten.
Es war ein großes Gebäude mit vielen Fenstern und an der Westseite rankte grünes Efeu.
Neben der Garage gab es ein kleines Tor, durch das man in den Garten gelangte.
Josh parkte den Van in der Einfahrt und stieg aus um die Einkaufstüten aus dem Kofferraum zu holen.
„Hilfst du mir tragen, Sarah?“
Ein vorwurfsvolles „Warum immer ich?“ war die Antwort.
Als Angela die Wagentür öffnete blieb sie plötzlich wie erstarrt stehen. Auch Kevin, der gerade aus dem Auto gesprungen war, hielt für einen kurzen Moment die Luft an, dann hörte man ein lautes „Boah, krass! Gedärme!“
John und Sarah ließen die Einkäufe stehen, um zu sehen was los war. Sie starrten auf eine tote Katze, die auf dem Bürgersteig vor dem Haus lag. Ihr Bauch war aufgeplatzt und die Innereien quollen heraus.
„Scheint überfahren worden zu sein, das arme Ding“, bemerkte Angela.
Sonntag:
Sie entstehen immer wieder von allein, durch die Kreuzung imkerlich bewirtschafteter Bienenvölker mit gelegentlich zugesetzten Königinnen aus europäischer Abstammung und Drohnen dominanter, wild lebendender Bienenvölker afrikanischer Abstammung. Sowohl diese Hybride, als auch nur die wild lebenden Bienen, werden wegen ihrer Angriffslust oft auch als „Killerbienen“ bezeichnet.
John starrte auf den Bildschirm. Erst letztens hatte er einen Bericht darüber gesehen, wie sie diese Biester aus einem Haus in Denver entfernt hatten. Es erstaunte ihn immer wieder, wie diese kleinen Lebewesen solch einen Schaden anrichten konnten.
Blut. Blut, oh nein. John hielt sich die Nase, auf seinem Hemd waren zwei große dunkelrote Flecken. Nasenbluten.
Schnell rannte er in die Küche und hielt sich ein Taschentuch unter die Nase, aus der immer mehr Blut lief, das er warm auf seinen Fingern spürte.
Er ging zum Kühlschrank und öffnete das Eisfach, griff sich ein Paar Eiswürfel und wickelte sie in ein Tuch, das er sich in den Nacken legte. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken herunter.
Langsam kam der rote Fluss aus seiner Nase zum Stillstand. Er ging zur Spüle und wusch sich das Gesicht und die Hände. Hoffentlich ging das Blut in der Wäsche raus, das war eins seiner Lieblingshemden.
Angela und die Kinder saßen draußen im Garten, die Sonne schien und es wurde langsam Abend. Ein Paar Vögel flogen zwitschernd durch die Luft und jagten nach den vielen kleinen Insekten, die umherschwirrten.
Inzwischen war es dunkel geworden, Kevin und Sarah waren im Haus und nur John, Angela und ihr Hund Snoopy, ein Golden Retriver, saßen noch im Garten bei dem Schein von Kerzenlicht. Alles war friedlich und still. Snoopy lag unter dem Gartentisch und schlief. John starrte in die undurchdringbare Dunkelheit zwischen den Sträuchern und Pflanzen die am Rande des Gartens neben dem kleinen Schuppen wuchsen. Angela las wieder in einer Zeitschrift, auf dem Titelbild waren die Themen aufgelistet: Schlank in zehn Tagen, Kinder bringen Glück- Die Geschichte einer Großfamilie und Der neue Trend: Wahrsagen, Horoskope und Co, Wahrheit oder Schwindel?
„Wahrsagen ist eigentlich nur eine Deutung von Ereignissen, berichtet Expertin Regina Chertock, Viele Dinge die in der Zukunft passieren. werden mit ganz normalen Geschehnissen in der Gegenwart, die natürlich als relativ gesehen werden muss, gedeutet.“ Angela las den Artikel laut vor und schüttelte dann den Kopf. „Also ich glaube nicht an diesen ganzen Hokus Pokus“, sagte sie.
„Ist doch nur Geldmacherei“, meinte John und trank den letzten Schluck seines kühlen Biers.
„Ich geh mal ins Haus und seh fern:“
Morgen begannen Johns Ferien. Zwei Wochen weg vom Bürostress.
Sarah stand unter der Dusche und ließ das kühle Wasser über ihren Körper laufen. Ihre dunkelbraunen Haare waren fast schwarz wenn sie nass waren und hingen ihr bis über die Brüste. Die Seife roch gut und der Schaum prickelte angenehm auf der Haut.
Als sie aus der Dusche stieg, betrachtete sie sich im Badezimmerspiegel. Sie drehte sich, ihr Körper war schlank und sportlich, ihre Haut leicht gebräunt. Das Haar das sonst wellig war, hing glatt und nass von ihrem Kopf. Plötzlich entdeckte sie einen roten Fleck auf ihrer Schulter.
Sie ging näher an den Spiegel, es musste ein Stich oder so etwas sein. Vielleicht von einer Mücke.
Montag:
„Ich werde heute das Efeu beschneiden“, sagte John am Frühstückstisch.
„Na endlich, es wird auch Zeit, sonst wächst es wieder in die Fensterrillen“, bemerkte Angela und nahm einen großen Bissen von ihrem Marmeladenbrötchen. Rote Erdbeermarmelade tropfte auf den Tisch.
Snoopy schnüffelte gierig und suchte den Fußboden nach Krümeln ab.
John holte die Leiter und die Heckenschere aus dem kleinen Schuppen, hinten im Garten. Es war wieder ein sehr sonniger Tag.
Er stellte die Leiter an die Hauswand und stieg bis ganz nach oben. Das Efeu war grün und dicht gewachsen, so dass die Arbeit bestimmt bis zum Nachmittag dauern würde.
Die Schneiden der Heckenschere waren noch neu und scharf, gingen durch die Verzweigungen als wäre es Butter. John liebte diese Arbeit, so entspannend, fast meditativ.
Am Boden hatte sich bereits ein beachtlicher Haufen grüner Blätter angesammelt und Snoopy kam neugierig und stupste seine hinein, in der Erwartungen vielleicht auf ein kleines Tierchen zu stoßen, das sich dort versteckte. Immer ausgelassener sprang er umher und plötzlich passierte es. Er stieß vor Übermut an die Leiter, so dass diese zu schwanken begann. John schrie kurz auf und ließ vor Schreck die Heckenschere fallen. Es gab ein merkwürdiges Geräusch, als würde man zähes Fleisch mit einem stumpfen Messer schneiden, dann folgte ein wehleidiges Jaulen.
„Oh nein! Snoopy!“, schrie John und sprang von der Leiter zu dem Hund, der am Boden lag, die langen spitzen Klingen der Gartenschere ragten aus seinem Kopf.
Angela und Kevin kamen angerannt um zu gucken was passiert war und blieben vor schreck stehen, starrten auf das grausame Szenario.
Kevin kam als erster wieder zu Besinnung, rannte schreiend zum Haus und rief nach Sarah.
„Oh John, wie- wie ist das nur passiert?“, stammelte Angela, mit Tränen in den Augen.
„Er hat-an der Leiter gewackelt, sie stand nicht ganz gerade und dann-„
Kevin kam mit Sarah zurück, die aufschrie, als sie ihren geliebten Hund in einer Blutlache am Boden liegen sah, mit einer Heckenschere die aus seinem Kopf ragte.
„Nein! Nein!“
Angela umarmte sie.
„Hey, er atmet“, bemerkte Kevin plötzlich leise. Und tatsächlich, Snoopy öffnete sein Maul, versuchte nach Luft zu schnappen, während kleine Blutbläschen aus seiner Schnauze kamen. Es war ein Röcheln, das voller Schmerz und Leid war.
„Wir müssen ihn töten“, sagte John.
„Nein!“, schrie Sarah wieder auf. Kevin saß nur mit offenem Mund da.
„Er leidet nur noch, er würde nicht durchkommen.“ John rannte zum Schuppen und kam kurze zeit später mit einem Spaten zurück. „Ein Schlag auf den Kopf und er hat es hinter sich. Angela, geh doch mit den Kindern ins Haus.“
„Ich will aber hier bleiben“, beschwerte sich Kevin.
„Na gut, wir haben keine Zeit für Diskussionen.“ Angela ging mit der verstörten Sarah ins Haus.
John hob den Spaten und schwang ihn über den Kopf, dann ließ er ihn heruntersausen. Dabei traf er aber nicht genau den Kopf.
„Dad, er lebt immer noch!“, schrie Kevin mit Tränen in den Augen.
Ohne zu zögern holte John ein weiteres Mal aus, der Spaten zischte durch die Luft und dann gab es ein Geräusch als fiele eine Wassermelone auf den Boden.
Der Kopf des Hundes gab unter dem Spaten nach, Blut spritzte in einer sprudelnden, dunkelroten Fontäne aus dem Maul, landete auf Johns Beinen und in Kevins Gesicht. Er schrie weinend auf.
Der Weg neben dem Haus hatte sich zu einem roten Fluss verwandelt, aber jetzt war es vorbei. Der tote Körper von Snoopy lag auf den warmen Steinen, in der Hitze der Mittagssonne und die ersten Fliegen kamen um sich an diesem Leckerbissen zu bedienen.
Dienstag:
Sie standen hinten im Garten, zwischen den Blumenbeten und dem Geräteschuppen. Aus der Erde ragte ein kleines Holzkreuz mit der Aufschrift „Snoopy“. Sarah weinte, Angela starrte auf die Erde. Alle waren fassungslos, das Ereignis hatte einen Schatten auf die unbeschwerten Sommertage geworfen. Sarah und Kevin hatten sogar aufgehört, sich zu streiten.
John ergriff als erster wieder das Wort: „Gehen wir ins Haus und essen etwas. Sarah du hast seit gestern Mittag nichts mehr gegessen, das ist nicht gut. Danach sieht schon alles ganz anders aus.“
Wenige Minuten später saßen sie zusammen in der Küche, obwohl draußen die Sonne schien.
Sarah hatte sich mit einem Sandwich auf ihr Zimmer zurückgezogen.
„Angela, mach mal das Radio an“, sagte John.
...die Nachrichten mit Jane Collins.
Guten Tag an alle Zuhörer von Double U6, ich bin Jane Collins und das sind die Nachrichten um siebzehn Uhr. Seit einigen Tagen berichten wir bereits von dem schwarzen Monolithen, der mitten in der Wildnis Afrikas gefunden wurde. Noch immer konnten Wissenschaftler seine Herkunft nicht bestimmen. Das Material des Monolithen scheint unzerstörbar zu sein, selbst Diamantbohrer und modernste Lasertechnik konnten es nicht durchdringen. Wir halten sie aber auf dem Laufenden wenn es Neuigkeiten geben sollte.
Eine weitere Meldung erreichte uns gerade aus Los Angeles, demnach ist die Sterberate von Haustieren in den letzten zwei Tagen über 60% gestiegen. Das komische daran ist, dass diese Sterblichkeit auf keinerlei Virus oder Epidemie zurückzuführen ist, jedenfalls keinen der den Wissenschaftlern bekannt wäre. Viele Haustierbesitzer berichteten davon, dass ihre Tiere durch Unfälle starben. Es wurde versucht Tiere komplett zu isolieren, aber selbst diese starben plötzlich auf merkwürdige Art und Weise, rannten wie wild gegen die Wand und zertrümmerten ihre Schädel, erstickten an Erbrochenem oder bissen sich selbst tot. Wissenschaftler sind bisher ratlos und immer mehr Gerüchte kommen auf, dass das Verhalten der Tiere mit dem Monolithen zu tun hat. Über neue Erkenntnisse werden wir in jedem Fall berichten. Es folgen weitere Nachrichten im Überblick...
Angela stand im Bad, wusch ihre Hände, nahm mehr und mehr Seife die nach Sommer duftete und Blumen. Schrubbte ihre Hände mit der Bürste, doch das ungute Gefühl konnte keine Seife abwaschen.
Mittwoch:
„Sarah, wie geht es mit deinem Mückenstich? Juckt er noch?“, fragte Angela, während sie in der Zimmertür stand.
Sarah lag noch im Bett, schien sich aber schon etwas von ihrem Schock erholt zu haben.
„Ja, ich glaube es ist stärker geworden. Seit gestern.“, antwortete sie schläfrig.
„Lass mich mal sehen.“ Angela ging zu Sarahs Bett und betrachtete ihre Schulter. Die Stelle mit dem Stich war tatsächlich ein bisschen mehr geschwollen und rot, die Mücken waren wirklich schlimm zu dieser Jahreszeit. Wenn es wirklich ein Mückenstich war, aber was sollte es sonst sein?
„Hast du auch wirklich nicht gekratzt?“
„Nein. Kaum, nur ein bisschen wenn es zu stark gejuckt hat.“
„Wenn es morgen nicht besser wird sollten wir damit zum Arzt gehen, bis dahin creme die Stelle gut ein.“
Kevin fuhr mit dem Fahrrad durch die Wohnsiedlung. Mister Anderson, ihr Nachbar, versuchte gerade seinen alten Wagen zu starten, dabei kam schwarzer Rauch aus dem Auspuff, wie ein Geist aus einer Flasche.
Die Collman Zwillinge zogen mit Einmachgläsern und Käschern durch ihren Vorgarten und fingen Käfer und Schmetterlinge. Der Asphalt war heiß und die Sonne stand hoch am Himmel, langsam kam Kevin ans Ende der Siedlung. Rechts führte die Hauptstrasse in die Stadt und links kam man aufs Land, die Häuser verschwanden langsam und wichen grünen Wiesen voller Blumen, die im leichten Wind ihren Duft versprühten.
Kevin fuhr in Richtung des kleinen Waldes, der schon von Weitem zu erkennen war.
Die Bäume raschelten geheimnisvoll als Kevin sein Fahrrad in der Wiese liegen ließ und auf sie zuging. Mit großen Schritten stieg er über Gestrüpp und Dornen und trat dann in den Wald. Die Bäume veranstalteten ein Spiel aus Licht und Schatten, das Blau des Himmels trat stellenweise durch das Geäst. Kevin ging weiter, ließ sich von dem Rauschen der Blätter treiben, ging über eine kleine Lichtung und stand dann am Ufer eines kleinen Baches über dem die Mücken im Licht schwirrten.
Er trat näher an das Wasser, so dass er sein eigenes Spiegelbild sehen konnte. Mit einem kleinen Stock stocherte er im Schlamm und betrachtete dann, wie er daran herunterlief. Immer tiefer stocherte er und plötzlich fing der Bach an zu blubbern. Kleine Bläschen stiegen auf, zerplatzten an der Oberfläche. Anfangs noch klar und durchsichtig, doch nach und nach färbten sie sich rot. Der ganze Bach wurde mit einem Mal dunkel und trüb. Kevin zog den Stock heraus und betrachtete ihn, er war dunkelrot gefärbt. Wie Blut. Das Wasser hatte sich in Blut verwandelt, floss durch den Bach wie durch eine Arterie und verströmte einen leichten kupfernen Geruch.
Kevin ließ den Stock fallen, als wäre er heiß, dann sprang er auf und rannte so schnell er konnte zurück. Durch den Wald, über die Wiese, stieg auf sein Fahrrad und fuhr so schnell wie er noch nie gefahren war.
„Kevin, ganz ruhig. Du hast dir das bestimmt nur eingebildet. Der Tod von Snoopy hat uns allen zu schaffen gemacht, jeder verarbeitet das auf seine Weise.“ John hatte einen Arm um seinen Sohn gelegt, Angela kam herein und brachte ihnen einen Tee.
„Aber es war Blut“, versuchte Kevin seine Eltern zu überzeugen.
„Weißt du was, schlaf erst mal eine Nacht drüber und morgen fahren wir zusammen zu dem Bach und sehen nach. Vielleicht gibt es ja auch eine andere Erklärung dafür, rote Erde die sich gelöst hat, so was kann durchaus passieren.“ Kevin sah seinen Vater an, ein bisschen erleichtert über diese Erklärung, aber seine Zweifel blieben.
In dieser Nacht schlief er schlecht.
Donnerstag:
Eigentlich wollte Angela heute mit Sarah zum Arzt, denn der Stich auf ihrer Schulter war immer noch nicht besser geworden und John wollte mit Kevin zu dem Bach um ihn zu überzeugen, dass es eine logische Erklärung für sein Erlebnis gab.
Aber es kam alles anders, nach dem Frühstück fing es an.
„In den Nachrichten haben sie gesagt, dass die Haustiersterberate noch weiter gestiegen ist. Ob das wirklich mit diesem Monolithen zusammenhängt?“, fragte Angela.
„Mom, glaubst du etwa auch an diesen Quatsch?“ Sarah war wieder fast die Alte und half dabei, das Frühstücksgeschirr abzuräumen.
„Na irgendwas muss doch an der ganzen Sache dran sein. Ist es nicht komisch, dass das alles angefangen hat als dieser komische Stein aufgetaucht ist?“
„Das stimmt, schon Merkwürdig“, meinte John, der plötzlich von Kevin unterbrochen wurde, der mit großen Augen aus dem Fenster in den Himmel starrte.
„Da sind Vögel!“, schrie er aufgeregt.
Und wirklich, der Himmel verdunkelte sich und eine riesige Schar von Vögeln zog vorüber. Ihr Krächzen und Zwitschern verschwamm zu einem unwirklichen Geräusch und plötzlich knallte etwas auf das Dach des Hauses. Ein Geräusch als würden riesige Hagelkörner vom Himmel fallen, aber es war kein Hagel, es waren Vögel.
Es regnete Vögel.
„Oh mein Gott“, sagte Angela leise.
Vögel aller Art rutschten vom Dach und landeten auf dem Rasen, manche zuckten noch andere blieben regungslos liegen.
„Sarah, mach schnell die Fenster zu!“, rief John.
Sie rannte nach oben. Im Badezimmer lagen zwei Vogelkadaver. Schnell schloss sie das Fenster.
Sie eilte weiter in ihr Zimmer, gerade wollte sie das Fenster schließen, da wurde ihr schwarz vor Augen.
Langsam legte sich der Vogelregen. John hatte den Fernseher eingeschaltet.
„Überall berichten sie von solchen Ereignissen“, rief er in die Küche hinüber.
„Kommt mal und seht euch das an, in New York laufen Tausende von Ratten durch die Strassen.“
Gebannt starrten sie auf die unglaublichen Bilder, die sie da sahen.
„Wie Ratten die das sinkende Schiff verlassen“, sagte John.
„Wo ist eigentlich Sarah?“, fragte Angela plötzlich.
Sie rannte nach Oben und fanden Sarah bewusstlos auf dem Boden.
„Ihr Mückenstich?“, sagte John.
Angela zog Sarahs T-Shirt zur Seite, der Mückenstich war sehr rot angeschwollen und es schien fast so als würde er sich ausbreiten.
„Wir müssen sofort zum Arzt mit ihr!“ John hob sie auf und trug sie nach unten.
Angela hatte den Wagen vorgefahren. Überall in der Einfahrt lagen tote Vögel.
Wenig später waren sie auf dem Weg ins Krankenhaus. Ihre Wohnsiedlung war kaum noch wieder zu erkennen. Die Vorgärten waren übersät mit Vögeln, am Straßenrand lagen tote Katzen und Hunde und vor dem Haus der Collmans stand ein Krankenwagen.
„Fahr schneller!“, trieb Angela ihren Mann an.
Sie fuhren in Richtung Stadt und je näher sie dem Krankenhaus kamen, desto dichter wurde der Verkehr.
Plötzlich klingelte Angelas Handy.
„Nicht das noch, meine Schwester.“ Sie nahm ab.
Eine Zeitlang sagte sie nichts, starrte nur geradeaus auf die Strasse. Dann sagte sie: „Was? Oh nein, July! Warum?“
Wieder eine Zeitlang schweigen, dann legte sie auf.
„Was ist los Schatz?“
„Mein Vater ist- mein Vater ist tot. Er...ist die Treppe- er ist die Treppe runtergefallen und hatte einen Genickbruch.“
Langsam liefen ihr Tränen über die Wangen. Sarah lag regungslos auf dem Rücksitz.
„Opa ist- tot?“, fragte Kevin und schluckte.
„Oh nein“, sagte John. „Es ist als würde die Welt untergehen.“
Freitag:
Edward hatte jetzt schon fast eine Woche die komische Steinplatte erforscht und immer noch waren die Untersuchungen keinen Schritt vorangekommen.
Doch heute entdeckte er etwas Ungewöhnliches. Es wurde langsam dunkel und die meisten Forschungsteams hatten sich schon zurückgezogen.
Da war doch eben ein Leuchten gewesen, ein kurzes Aufblitzen. Edward ging näher an den Monolithen bis er sein Spiegelbild sehen konnte. Er starrte auf die schwarze Platte. Da war eine Innschrift.
Hatten sie die bisher etwa übersehen? Nein, unmöglich. Aufgeregt rannte er zu den Zelten, das war der große Durchbruch.
...wurde am heutigen Freitag eine Innschrift am Monolithen entdeckt. Wie diese Inschrift in die Platte gelangte, ist den Wissenschaftlern unbekannt, da das Material als undurchdringlich galt. Nach näheren Untersuchungen wurde festgestellt, das die Worte aus dem Aramäischen stammen. Die Übersetzung der Innschrift lautet:
Und am siebten Tage ruhte Gott und betrachtete sein Werk und er sah, dass es schlecht war.