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Das tapfere Blatt

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26.09.2002
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Das tapfere Blatt

Das tapfere Blatt

Ganz oben im Apfelbaum hing, ganz einsam, seit dem Herbst immer noch ein einzelnes Blatt. Schlimm zerzaust war es und dunkelbraun. Viele Vögel, die nicht nach Süden gezogen waren und im Garten lebten, hatten schon einmal auf der höchsten Zweigspitze Halt gemacht. Neugierig war das Blatt von allen befragt worden, warum es denn nicht loslassen und zu den anderen auf den Rasen fallen wolle; dorthin, wo es gemütlich gemeinsam mit seinen Blatt-Kameraden zu guter, krümeliger neuer Erde hätte werden können!

Vergeblich, das Blatt hatte sich nur krampfhaft an seinem Stielchen festgehalten und kein bisschen Kraft zum Antworten verschwendet. Ein bunter Papierdrache war flatternd vorübergezogen und hatte Anteil nehmende Blicke in die Spitze des kahlen Apfelbaums geworfen.
Wintersturm und Raureif ließ das Blatt über sich ergehen, Schneeflocken deckten es einige Tage sogar völlig zu, doch nichts und niemand konnte es dazu bringen, sich von seinem Ast zu lösen und sich entspannt auf den Laubhaufen fallen zu lassen.

Nebelwolken zogen vorbei und hinterließen Tausende kleiner nasser Tröpfchen auf seiner Oberfläche.

So ging der Winter dahin, allererste wärmere Sonnenstrahlen machten die Welt wieder ein bisschen heller.
Ein kleines Rotkehlchen hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ab und zu nach dem einsamen Blatt zu sehen, treu und unermüdlich, auch wenn es auf seine Fragen nie eine Antwort bekam.
Heute hatte es einen ersten Wurm im Schnabel, den es aus dem wieder aufgetauten Boden hatte ziehen können. Der kleine Vogel legte das braun-rote Köpfchen schief und fragte wie immer: "Wie geht es dir, einsames Blatt?"

Unerwartet ließ das Blatt ein erschöpftes Räuspern hören!

Dann folgte ein geflüstertes "Sind sie schon da? Ich kann bald nicht mehr ..."
"Wer? Was meinst du?" Der kleine Vogel hüpfte aufgeregt hin und her: Das Blatt hatte gesprochen!
"Ich will die kleinen, neuen grünen Blätter sehen", antwortete das Blatt mit ersterbender Stimme, "darauf habe ich den ganzen Winter gewartet ..."
Das Rotkehlchen schaute sich aufmerksam zwischen den Zweigen um. "Aber ja!", rief es. "Dort und da, und dahinten auch! Lauter grüne Blattspitzen, sieh doch!"
Mit letzter Kraft richtete sich das Blatt knisternd auf, es schaute um sich und seufzte zufrieden.
Und als der warme Frühlingswind eine kleine Böe vorbeischickte, löste sich das schrumpelige Apfelblatt endlich von seinem Zweig und schwebte in eins der Gartenbeete, wo gerade einige Tulpen ihre roten Blütenkelche öffneten.

 

Hallo Susafee!

wunderschön hast Du die Sehnsucht, das Ankämpfen des Blattes beschrieben, das den ganzen Winter, alles Stürme hindurch sich festhält für einen Traum...wieder einmal eine tolle, gelungene Geschichte, im übertragenen Sinn sicher auch für Erwachsene... für einen Traum durchhalten.Toll!

schöne Grüße, Anne

 

Hallo Susafee!
Ich muss schon sagen: ich bin immer wieder begeistert von deinen Geschichten.
Und wieder mit einer wichtigen Botschaft! Das machst du gaaanz toll!!
Welche Kraft man für einen Traum aufbringen kann! das ist schon erstaunlich!
Irgendwie will ich ja was konstuktives loswerden, doch mir fällt nichts ein. Mir fehlen die Worte, um ehrlich zu sein.. :shy:

Ich hab gerade irgendwie das Gefühl, diese Geschichte schon einmal gelesen zu haben. :hmm: Hab ich Hallos??

bye und tschö sagt die verwirrte shadow

 

Nanu? Schreck! Wo denn? Die hab ich erst vor ein paar Tagen erstmals zu "Bildschirm" gebracht ...
LieGrü von Susafee

 

Hi!
Ich weiß auch nicht. Kann auch gut sein, dass es eine ähnliche war. Keine Ahnung. Oder ich hab eine ähnliche Geschichte von ner Freundin oder so gehört...
Vielleicht wurde meine Vermutung durch meine Erkältung hervorgerufen?! Hoffentlich!
Vergessen wir's, okay??

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich möchte mich entschuldigen, falls du dich von mir angegriffen oder beleidigt fühlst.
Das war nicht meine Absicht.
Ich hoffe du verzeihst mir?
So das war aber auch der letzte Off-Topic-Beitrag.-

 

"Klang" das jetzt beleidigt?
Sollte nicht so sein, war höchstens etwas erschrocken oder ratlos ...

 

Hallo Susafee,
die Geschichte ist total schön, in sich rund. Das Thema gefällt mir besonders gut. Was soll ich sagen, einfach gelungen!

Gruß Ela

 

Moonshadow: nein, du halluzinierst nicht.
Susafee: Es gibt tatsächlich eine ähnliche Geschichte. Sie handelt von zwei Blättern, die im Herbst nicht vom Baum fallen wollen und sich mit aller Kraft festhalten. Sie schaffen es so bis zum Frühling und sehen das Erblühen der Natur. An einem dieser Frühlingstage kommt ein Kind und pflückt die beiden Herbstblätter ab, um sie in einem Buch zu pressen. Die Blätter sind glücklich, da sie nun mit dem Duft des Frühlings für immer in diesem Buch liegen können.

Ich weiß im Moment nicht, wer der Autor dieser Erzählung ist, versuche mich daran zu erinnern.

 

So, habe es wiedergefunden:
Die Geschichte Zwei Blätter von SaschaWausk handelt von besagten Herbstblättern.
Susafee, hast du dich von dieser Geschichte "inspirieren" lassen oder kanntest du sie tatsächlich nicht?

 

Neeeiiin, kannte sie wirklich nicht!
Da haben wir zwei Autoren wohl den ähnlichen Gedanken gehabt. Das finde ich erstaunlich, aber das gibt's. Schließlich und endlich müsste ich auch ziemlich bescheuert sein, eine so ähnliche Geschichte auf die gleiche Site zu stellen.
LieGrü von Susafee

 

Das hat bisher nur Michael Ende geschafft, mich so zu verzaubern. Dein kleines Textchen war ein richtiges Erholungsbad für meine Seele, vom passiven Fernsehen genervt. Ganz bravourös hast Du das mit dem Vergängnis gelöst. Heute hatte ich wieder so eine Diskussion, ob die Zerstörung/Krankheit nun zur Natur gehört oder nicht. Nun, Du beschreibst zwar nicht die Zerstörung, aber das Vergängnis. Aber auch davor scheinen wir Menschen Angst zu haben. Du hingegen hast das schön positiv formuliert, mit der krümeligen neuen, lebenstragenden Erde.

Danke, dass Du diese Geschichte geschrieben hast :).

FLoH.

 

Hey Susafee!

Ich glaube dir ja. :)
Habe dich bzw. deine Geschichten schon vor längerem in den Empfehlungsthread gesetzt und dachte auch nicht, dass du bei deinem Talent soetwas wie "Ideenklau" nötig hast.

 

Hi Susafee!
Süße Geschichte. Das zeigt durchhalte vermögen und hielft auch alles zu überwinden wenn man nur tapfer ist.

LG

Anaid

 

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