Was ist neu

Das Waidwerk der Mutter

(Vor)lese-Alter
(Vor)lesealter: 16
Mitglied
Beitritt
27.11.2020
Beiträge
18
Zuletzt bearbeitet:

Das Waidwerk der Mutter

Der Zug kam zu spät. Einem der Passagiere wurde schlecht, weswegen der Lokführer mitten in der Strecke anhalten musste. Dies hieß auch, dass es zu einer Verspätung meinerseits kam.
Seit dem Jahr 1916 war ich als Lehrerin in einem Waisenhaus tätig. Durch den Weltkrieg hatten viele Kinder ihre Eltern verloren, also entschied ich mich meine pädagogischen Fähigkeiten dort auszuüben. Wegen der Krise suchten alle verzweifelt Arbeitskräfte, weswegen ich trotz weniger Berufserfahrung aufgenommen wurde.
Zur der Zeit, war der Krieg seit zwei Jahren vorüber. Es wäre anmaßend zu meinen, dass es den Bürgern damals gut ging. Für uns im Waisenhaus hatte sich nicht viel geändert, außer dass wir immer mehr an Platzmangel litten.
Ich mochte die Arbeit, auch wenn sie verdammt anstrengend in Erinnerung blieb. Das Einzige was mich so störte, war der Weg dorthin. Das Haus lag außerhalb meiner Stadt, im angrenzenden Wald. So musste ich um sechs losfahren, wodurch es mir schwerfiel auszuschlafen.
Die Fahrt mit dem Zug dauerte mehr als eine Stunde. Als ich ausstieg fiel mir auf, dass die Bänke recht nass waren, ebenso die Bäume. Hier hatte es vor kurzem geregnet, allem Anschein nach. Ein sehr dichter Nebel bedeckte diesen Ort dazu. Sah man hier allerdings oft.
Früher fiel es mir dadurch schwer mich zu orientieren, mit der Zeit gewöhnte man sich jedoch daran.
Mich machte es nervös, dass ich gerade keine Uhr mit bei hatte. Sie lag wohl zuhause. Der Unterricht konnte vielleicht schon begonnen haben.
Im Lauf bin ich ein paar Mal in die Pfützen getreten, von denen es nach einem Regen immer viel hier gab. In meinem Kleid ist so etwas unbequem. Sportlich war ich, zugegeben, nie. Mir stieg die Wut hoch, auch wenn nicht mehr viel Ausdauer vorhanden war.
Endlich kam das Haus allmählich zum Vorschein. Es wirkte alt, doch auf eigene Art interessant. Das Gebäude fiel auf mit dieser Größe. Die schwarzen Wände wirkten irgendwie unheimlich, aber auch anziehend. Man hatte auf ihnen Muster und Porträts der Personen eingemeißelt, die dieses Waisenhaus einst gründeten. Freundlich wirkten sie nicht.
Durch den Haupteingang lief ich die Korridore hindurch zur Treppe. Diese waren lang und die Blicke der Gesichter auf den Bildern schienen mir heute auffällig.
„Sie kommen ja spät”, hörte ich unser Hausmädchen reden. „Ich habe den Kindern den Raum schon mal geöffnet”.
„Danke, Frau Wagner”, kam von mir als Antwort.
Drinnen war es wieder mal laut. Die Kinder in meiner Klasse waren im Durchschnitt acht, neun Jahre alt. Sie redeten miteinander und machten Blödsinn. Ein übliches Benehmen also.
Als sie mich sahen, wurde es ruhig.
„Guten Morgen, Frau Mayer”, begrüßten die Kleinen mich im Chor.
Während der Stunde passierte nichts Besonderes, wir machten mit denselben Aufgaben weiter, wie letztes Mal. Auffällig wirkte allerdings ein Mädchen, dass erst vor kurzem zu uns gezogen war.
Ihr Name ist Ida, sie hatte ihre Eltern ebenfalls im Krieg verloren und lebte seit daher bei ihrem großen Bruder, der Mitglied einer politischen Untergrundbewegung war. Vor nicht allzu langer Zeit wurde dieser ermordet aufgefunden. Der Täter wurde nicht gefasst, aber man ging davon aus, dass es jemand aus der Opposition sein musste.
Das Kind war sehr still und dadurch, dass sie auch für ihr Alter recht klein wirkte, leicht zu übersehen. Vom Aussehen her konnte man jedoch große Unterschiede zu den anderen erkennen. Ihr langes, bis zur Brust hängendes Haar hatte einen schwarzen Farbton, der viel dunkler schien als bei den Menschen, die in diesem Umkreis lebten. Ebenso ihre stark blasse Haut und diese großen Augenringe. Die Augenfarbe ebenso schwarz.
Sie war gerade wieder dabei, etwas zu malen. Ich näherte mich langsam, um zu sehen, was genau. Dies war in jeder Stunde der Fall. Es lag nie in ihrem Interesse am Unterricht teilzunehmen, weswegen man ihre Aufmerksamkeit wecken musste. Die Woche davor hatte ich noch ein Auge zu gedrückt, damit das Mädchen sich ruhig an das neue Umfeld gewöhnen konnte.
Der Tod des Bruders musste sie auch getroffen haben. Wunderlicherweise sah man bei ihr keine Trauer, nur pure Emotionslosigkeit. Vielleicht hatten die beiden kein gutes Verhältnis zueinander gehegt? Oder war es eine Verdrängung? Wurde sie womöglich so hart erzogen? Solche Kinder sah man ab und zu.
Ich habe schon öfters versucht den Kontakt aufzubauen, jedoch ohne Erfolg. Nach der Frage, was sie da so oft malte, wirkte ihr Gesicht ängstlich, und das auch vor den anderen.
„Ida, warum schreibst du nicht?”
Eine Antwort kam nicht. Sie packte das Bild schnellstmöglich weg und begann sich der Aufgabe zu widmen. Dabei zitterten ihre Hände, die Augen weiter aufgespreizt. Ich versuchte einen Blick auf ihr kleines Werk zu werfen, jedoch war es zu schnell verschwunden.


Die Stunde war nun vorüber. Ich wollte gerade rausgehen, um etwas Luft zu schnappen, doch vor dem Ausgang fand mich meine Kollegin auf, die mir Bescheid gab, dass mich die Direktorin sucht. Hoffentlich nicht wegen meiner Verspätung...
Ihr Büro lag in der obersten Etage, davon gab es im Gebäude vier. Auf den Treppen sah ich wieder unsere Putzfrau, welche dabei war, die Kinder zu ermahnen, die dort rannten.
Aus den Fenstern wirkte der Himmel immer noch grau, doch nun waren auch Wolken zu sehen. Es wird wohl wieder regnen.
Die Tür der Direktorin befand sich genau in der Mitte des Korridors. Diese fiel stark auf durch das besonders dunkle Holz, dass aber einem auch rötlich schien, ähnlich wie Wein. Dazu eine goldfarbene Klinke. Wenn man es mit den anderen verglich, wirkte diese viel eleganter.
Als ich eintrat, saß sie vor ihrem Schreibtisch. Meine Chefin, Frau Krause, war dabei irgendwelche Papiere zu lesen und trug wie gewöhnlich ihre alte Lesebrille, die so aussah, als würde es nur noch eine Berührung brauchen, um zu zerfallen. Die Direktorin selbst war auch nicht mehr die Jüngste.
„Ich habe eben nach ihnen rumgefragt”, sprach sie plötzlich, ohne mich anzusehen.
„Mir wurde es gerade mitgeteilt. Tut mir leid heute verspätet aufgetaucht zu sein...”
„Nicht allzu schlimm. Passiert ja sehr selten. Ich wollte nicht deswegen mit ihnen sprechen.”
„Sondern?”, fragte Ich verwundert.
„Vielleicht haben Sie es noch nicht mitgekriegt, aber einer unserer Kollegen hat letztens gekündigt. Sein Zimmer steht nun frei, also gäbe es jetzt wieder Platz. Hätten Sie Interesse einzuziehen?” - nun bekam ich den Blick von ihr.
Ich war etwas zu aufgewühlt, um gleich eine Antwort zu geben.
„Es wäre praktisch, da ihr Weg hierher so weit ist. Ebenso könnten Sie auch bei uns in der Kantine essen. Was sagen Sie dazu?”
„Bin am überlegen.” - Warum dachte ich noch nach? Das Angebot klang perfekt.
„Sie müssen bedenken, dass es demnächst zu einer Isolation des Waisenhauses kommt… Wir hatten diese Jahre Glück, dass die Grippe in unser Dorf nebenan nicht eintrat, weil dort auch kaum jemand lebt. Ebenso gab es wenige Opfer aus ihrer Stadt.” - Frau Krause stand auf und bewegte sich näher zu mir.
„Da hatten wir mit ihnen eine Ausnahme gemacht und Sie eingestellt. Nun wurden aber auch in diesen Kreisen kranke gemeldet. Wir können es nicht riskieren. Es wird eine Ausgangsperre geben”.
Ah ja, die spanische Grippe. Als ob der Krieg nicht ausgereicht hätte. Die Tode schienen nicht aufzuhören, aber an so einem Ort wie diesem, bekam man nicht viel mit von der Außenwelt. Wobei es auch Gerüchte gab, dass es sogar von der Presse verheimlicht wurde, während der Kriegszeit.
„Nun gut, ich hole mir meine Sachen und zieh hier morgen ein”.
Ich wohnte bei einer Freundin von mir. Es ergab sich nie die Gelegenheit auszuziehen, aber nun war sie verheiratet und brauchte mehr Platz. Das Angebot kam jetzt also sehr gelegen.
„Ausgezeichnet! Dann erwarte ich Sie Morgen”.
Im Grunde hätte man mich auch zwingen können einzuziehen, wenn es nicht zu einer Kündigung kommen sollte. Doch wie ich meine Chefin kannte, mochte sie so etwas nicht.
Frau Krause versuchte eher ihre Mitmenschen zu überzeugen, sodass diese das Gefühl bekamen nicht gezwungen zu sein, obwohl das trotzdem der Fall war. Die Kinder mochten sie tatsächlich.


Der nächste Morgen verlief ruhiger. Ich hatte mich den Abend davor von meiner Freundin verabschiedet. Wir beiden fanden es traurig, da wir schon einander gewöhnt waren. Nun konnte ihr Mann einziehen.
Viel Gepäck war nicht mit bei. Man musste mir das Zimmer nicht zeigen bei meiner Ankunft, da ich das Gebäude gut genug kannte.
Nach Arbeitsschluss traf ich unseren Gärtner.
„Guten Tag, Cornell”, begrüßte ich ihn.
„Hallo, sind nicht Sie die Lehrerin des Mädchens, dass letztens hier einzog? Ida war glaube ich ihr Name …"
„Ja, ist etwas passiert?”
„Nun, einer der Jungs hat sich ihr gegenüber sehr mies verhalten. So ein kleiner, blonder...auch aus Ihrer Klasse.”
„Ich denke, dass ich verstehe, wen Sie meinen.” Das konnte Ludolf gewesen sein, ein Problemschüler von uns. Er machte sich gerne über andere lustig und ging manchmal damit echt weit.
„Der Junge hat ihre Mütze geklaut und diese dann in die Pfütze geschmissen, dann trampelte er darauf noch rum."
„Wie reagierte Ida darauf?”
„Sie hatte Angst vor ihm und konnte nichts machen. Als ich auf sie zukam, rannte er schon weg.”
„Danke, ich werde das klären. Wo ist sie jetzt?”
„Immer noch im Hinterhof.”
Dieser befand sich von hier aus um die Ecke.
Malend saß Ida auf den Stufen, die zum Hintereingang führten. Selbst wirkte sie nicht irgendwie traurig wegen dem Vorfall. Die nasse Mütze lag neben ihr.
„Geht es dir gut? Mir wurde soeben erzählt was passiert ist.” Ich hatte das Gefühl, dass dieses Kind mich ignoriert, doch dann erklang ihre zitternde Stimme: „Alles so wie immer.”
„Ich werde mir den Jungen vorknöpfen, du musst keine Angst haben.”
Darauf kam keine Antwort. Sie machte mit ihren Kritzeleien weiter.
„Darf ich sehen, was du so gemalt hast?”, fragte ich vorsichtig.
Man spürte ihre Scheu, doch Ida schien sich zu bewältigen. Nun war das Heft in meinen Händen.
Ich entdeckte dort Bilder von einem Mädchen und einem Jungen.
Sie schienen miteinander zu spielen. Man sah auch andere Kinder, diese wirkten allerdings nicht so glücklich wie die beiden. Eher sogar traurig.
„Wer sind denn diese zwei hier?” Ich versuchte fröhlicher zu wirken. Das Mädchen vertraut mir wohl jetzt etwas mehr.
„Das bin ich und mein Freund.”
„Ach ja? Lebt er auch hier? Oder kennst du ihn von früher?” Mich würde es wundern, man sah sie immer allein.
„Er wohnt auch in diesem Haus, doch weiß es keiner. Er zeigt sich nicht gerne.”
„Wie heißt er denn? Ich müsste ihn schon kennen, als Lehrerin.”
„Können Sie nicht, er versteckt sich vor allen und spielt nur mit mir. Sein Name ist Reno.”
Verstehe, ein imaginärer Freund. Ida musste sich wohl sehr einsam fühlen. Aber was für ein Bild sah ich auf der letzten Seite? Die beiden waren darauf nun ängstlich. Über ihnen sah man eine große Figur, doch schwer zu erkennen.
„Was passiert hier?”
„Das hier oben, ist die Mutter von Reno. Er hat Angst vor ihr. Und ich ehrlich gesagt auch… Ein Monster, meinte er...”
In meinen Augen war hier nichts Monströses.
„Und das soll seine Mutter sein?”
Daraufhin verschloss sie sich wieder.


In meinem Zimmer war nun alles fertig. Bei mir bedurfte es Zeit, um mich daran zu gewöhnen nun hier zu leben. Draußen wütete ein Regen, wie vorhergesehen. Störend war das nicht, und so bin ich eingeschlafen.

Mitten in der Nacht weckte mich etwas. Man hörte nicht mehr wie die Regentropfen auf mein Fenster fielen. Im Raum wirkte eine sehr ruhige Atmosphäre, doch es kam mir so vor, als wäre da ein Geräusch. Was für eins, blieb vorerst unklar.
Mit der Zeit wurde es lauter. Wie lange dies dauerte, konnte ich nicht verstehen und mein Körper erstarrte.
Es war ein Summen, begleitet von einer unangenehmen Vibration. Letztendlich wurde es so laut, dass mich ein Zittern packte. Wer oder was gab so etwas von sich?
Meine Kraft verschwand. Selbst wenn ich den Mut gehabt hätte aufzustehen, um mich umzusehen, würde mich mein Organismus verraten. Der Blick von mir hing an der Wand, wie festgeklebt.
Morgens erfassten mich starke Kopfschmerzen. Wie ein Traum wirkte dieses Ereignis nicht. Sogar mein Bett fühlte sich nass an, wegen dem Schweiß. Doch mich beschäftigte die Frage, woher der Ton kam. Das Fenster blieb nachts immer zu, also war es unwahrscheinlich, dass dieses Geräusch von draußen stammt, bei dieser Lautstärke und Intensivität.
Nun, bald würde meine Arbeit beginnen. Mir machte das alles zwar zu schaffen, aber ich konnte mich nicht ablenken lassen.
Fertig für den Tag ging es nach unten zur Kantine. Alle waren wach und frühstückten.
Die Lehrerinnen haben einen eigenen Tisch, aber bevor ich mich zu ihnen setzen konnte, musste meine Klasse geprüft werden. Da die kleineren Kinder mehr dazu geneigt sind Probleme zu verursachen, stehen ihre direkt neben uns.
Sie sahen noch sehr müde aus, genau wie ich. Der Zettel, auf dem die Namen eingetragen waren, lag bereits vor mir. Zuerst war zu prüfen, ob überhaupt alle erschienen.
Nun musste ich feststellen, dass ein Schüler fehlte. Es war Ludolf, was auch nicht wunderlich war, nach dem was gestern passierte. Jedoch hatte dieser noch nie Angst gehabt sich blicken zu lassen, egal wie schlimm seine Taten waren.
Im nächsten Moment zuckte mein Körper. Unser Hausmädchen, Frau Wagner, rannte schreiend zu uns. Daraufhin stand Frau Krause auf und bewegte sich ihr entgegen.
„Warum schreien Sie so? Ist etwas passiert?”
„Ihr müsst mitkommen!” Daraufhin folgten wir ihr, gemeinsam mit den anderen. Sie war geschockt und konnte nicht richtig reden. Ich bekam dadurch Angst.
Frau Wagner führte uns zur Jungen-Toilette. Da gab es noch Hoffnung, dass sich jemand dort wieder nur einen Streich erlaubt hat. Allerdings war die Putzkraft des Hauses an so etwas gewöhnt, sie hätte deswegen nicht so eine Panik verursacht.
Wir gingen rein. Jemand machte dabei das Licht an und hustete.
Unter unseren Füssen war eine dunkle Flüssigkeit. Es schien wie Blut, vermischt mit Dreck. Solche Spuren sah man auch am Waschbecken und Spiegel. In dem nächsten Zimmer trat ein abstoßender Gestank hervor. Das Bild von dort, werde ich lange nicht vergessen können.
Ludolf lag tot auf dem Boden. Tiefe Schnittwunden waren am Bauch zu sehen. Mehr schockierte jedoch dieses tiefe Loch in der Brust. Sein Herz wurde entfernt. Die Pfütze aus seinem Blut, bedeckte einen großen Teil vom Boden des Raums. Seine Augen waren noch geöffnet, sie sahen uns direkt an.
Auf der Wand bemerkte ich plötzlich ein komisches Muster. Lauter Kreise, nebeneinander gerichtet. Aus ihnen wurden viele Linien nach oben und unten gezogen, wenn auch nicht akkurat. Der Täter musste es eilig gehabt haben. Doch wozu machte man so etwas? Dazu noch mit seinem Blut?
Frau Wagner fing an zu weinen. Mich überwältigte meine Übelkeit.


Die Direktorin gab uns allen Frei nach diesem Schock. Die Kinder wurden vorerst in ihre Zimmer geschickt, natürlich beaufsichtigt.

Unter uns lief ein Mörder herum. Dabei hatte man das Gefühl einander zu kennen und vertrauen zu können.
Wir schickten nach Hilfe. Wegen der Spanischen Grippe war es riskant jemanden von außerhalb reinzulassen, jedoch sah unsere Chefin den Notfall ein.
Die Ermittler waren nun angekommen. Sie versperrten den Tatort und untersuchten die Leiche. Ein anderer Teil dieser, befragte das Personal. Als ich dran war, kam das Gefühl der Unsicherheit. Die Blicke von ihnen durchbohrten mich.
Im Zimmer angekommen, legte ich mich gleich hin und versank in meinen Gedanken. Ohne es zu merken, überwältigte mich der Schlaf.
Diese Nacht ging es wieder los. Ich wachte auf, sehr verschwitzt. Die Ruhe machte mich wahnsinnig, komischerweise. Dann kam der erste Laut, der so verstörend war, dass ich in das Kissen biss.
Dieses Geräusch war anders als damals. Kein Summen, sondern ein scharfes Kratzen. Es kam von oben.
Ich hätte aufstehen und mich beschweren gehen sollen, fand jedoch wieder nicht den Mut. Langsam holten mich die Kopfschmerzen wieder ein.
Morgens waren sie immer noch da. Es war sehr kühl draußen, aber das half mir etwas. Im Hof standen die Ermittler, mit meinen Kollegen. Sie wirkten aufgewühlt.
Es hatte auch einen Grund. Noch ein Kind wurde ermordet, wie ich nun sah. Dieses Mal war es ein Mädchen, aus einer höheren Klasse, doch getötet auf gleiche Weise. Die Schnittwunden am Bauch und das fehlende Herz, wie bei Ludolf. Anders als bei ihm jedoch, saß ihr Körper beim Baum. Ihr Blick war auf die Erde gerichtet. Man erkannte es nicht gleich, doch da war dasselbe Bild wie gestern. Ein trauriger Anblick. Die Ermittler beobachteten mich…
Der Unterricht wurde ganz eingestellt, was allerdings nicht hieß, dass wir nichts zu tun hätten. Wir verbrachten Zeit mit den Kindern in ihren Zimmern.
Im Flur tratschten die anderen über mich. Sie meinen, ich wäre verantwortlich für diese Taten. “Es ist verdächtig, dass die Morde losgingen, seitdem die Tante da hierhergezogen ist.” Nun, man konnte es verstehen. Das würde auch erklären, warum die Ermittler mich so stark beobachten. Sie scheinen seit unserem Gespräch diesen falschen Verdacht zu haben.
Es gab noch etwas zu klären. Ich musste erfahren, wer nachts diese Laute von sich gab. Über mir war die letzte Etage des Hauses, wo die Direktorin auch ihr Büro hat. Dort angekommen klopfte ich an die Tür des Zimmers, die schon sehr alt wirkte. Nichts passierte.
Alle Arbeiter müssten um diese Uhrzeit schon bei sich sein. Anscheinend ignorierte mich jemand.
Dann sah ich plötzlich Frau Krause neben mir stehen.
„Suchen Sie etwas?”
„Ja, ich höre nachts ständig Geräusche von diesem Zimmer. Ich wollte dieses Anliegen klären.”
„Hier wohnt aber niemand. Wir nutzen diesen Raum für unseren Kram, da im Keller nicht mehr so viel Platz ist.” Diese Worte haben mich geschockt.
„Es kann jedoch sein, dass jemand wieder vergessen hat das Fenster dort zu schließen und ein Waschbär durchgeklettert ist, der Krach macht. So einen Fall hatten wir schon mal. Wir könnten gleich nachsehen.”
Sie ging in ihr Büro, um die Schlüssel zu holen. Nachdem die Tür geöffnet wurde, gingen wir rein.
Im Zimmer war es dunkel, die Lampe war kaputt. Das Licht aus dem Flur reichte aber um zu erkennen, dass dort außer Kisten, Schränken und ein paar Schulbänken nichts war. Wegen dem Staub musste ich niesen.
„Nun, hier scheint nichts zu sein. Das Fenster ist auch zu. Die Geräusche müssen wohl von wo anders herkommen, Frau Mayer.”
Dabei hätte ich schwören können, dass diese Töne hier verursacht wurden.
In dieser Nacht war es absolut sicher, denn es passierte wieder. Mich riss ein Beben aus dem Schlaf. Als würde jemand über mir die Möbel verstellen. Vielleicht hat Frau Krause sich entschieden dort aufzuräumen, nach unserem Besuch. Um diese Uhrzeit? Blödsinn.
Was mir richtige Angst einjagte, waren die Geräusche danach. Wer auch immer dort oben war, er oder sie klopfte zu mir nach unten, dabei in einem sehr langsamen Rhythmus.
„Nein, ich muss jetzt wirklich hoch und wen auch immer ich dort treffe, dazu anhalten damit aufzuhören.” Doch ich fand die Kraft nicht.

Die Nacht verging wieder sehr anstrengend. Die Kopfschmerzen waren wieder da und ich merkte im Spiegel, dass meine Augenringe immer dunkler wurden. Mit der Zeit wirkte alles herum nur noch grau. Diese Tode waren so grausam, dass man sie nicht mehr aus den Gedanken bekam. Ständig verfolgten mich diese Bilder... Es waren noch Kinder.
Dazu meine Nachtgeschichten. Irgendwer beobachtete mich, seit meiner Ankunft. Ich überlegte bereits das Waisenhaus zu verlassen, doch die Kinder brauchten mich, gerade nach solchen Vorfällen. Sie hatten leider zu viel mitbekommen. An einem Ort, der ihnen als Zuflucht dienen sollte. Einige haben sich verändert seitdem.
Die meisten im Haus schliefen noch, nicht mal die Sonne war schon aufgegangen. Ich ging runter in den Garten, um etwas zu mir zu kommen. Plötzlich kamen komische Laute aus der Hütte in dem Cornell sein Werkzeug lagert.
Näher gekommen konnte man ihn auch dort, durch den Türspalt, erkennen. Der Gärtner wirkte eigenartig, darum musste ich einfach rein.
Er stand in einer gebeugten Pose vor mir, verschwitzt. In seinen Händen hielt er den Kopf eines reglosen Mädchens. Anhand ihrer Wunden war es klar, dass sie ein weiteres Opfer ist. An der Wand dasselbe Muster, mit Blut gezeichnet. Er verkehrte mit der Leiche Oral.
Mein Schrei war so laut, dass Cornell sich erschreckte und mich mit panischem Blick ansah. Draußen waren schon einige Arbeiter rausgekommen. Diese hörten mich und rannten zu uns. Als sie es sahen, waren alle geschockt für einen Moment. Dann wurden die Männer wütend und schlugen auf ihn ein, fluchend.
Er gab schnell nach und fiel zu Boden. Sein Hosenstall war immer noch offen. Bis Hilfe kam hielten sie ihn fest und als er verhaftet wurde, mit seinem stark blutenden Gesicht, schrie er:
„Ich habe sie nicht getötet! Glaubt mir!”
„Halt ja dein Maul! Sei froh noch zu leben, Bastard! Wir haben gesehen wo dein Ding war!”, schrie einer der Männer.
Cornell...der Gärtner, den ich fast jeden Morgen begrüßt habe. Nicht zu fassen, dass er zu so etwas fähig war. Als hätte man nur eine Maske von ihm gesehen.
Heißt das, dass nun alles vorbei ist? Man konnte froh darüber sein, aber dieses arme Mädchen...
Ich kannte sie nicht persönlich, da mein Aufgabenfeld nur bei den kleinen lag. Fast volljährig war die Arme, also hätte sie das Haus bald verlassen können. Wie auch bei den Kindern hatte man ihr das Leben geraubt, dass noch nicht mal richtig begann, und dazu noch erniedrigt. Cornell soll von mir aus verrotten.


In dieser Nacht hatte ich Angst zu Bett zu gehen. Vielleicht kam es mir aber wirklich nur vor, durch diese Ereignisse?
Liegend durchflogen meine Gedanken den Kopf. Ich blickte in einem Moment zur Tür und erstarrte.
Die Tür stand ein wenig offen. Mich beobachtete ein großes Auge.
Es blinzelte überhaupt nicht und änderte seine Größe ab und zu, ähnlich einem Herz, dass pulsierte. Die meiste Zeit regte sich das Ding jedoch nicht, wie ein Blick eines Krokodils. Im Zimmer war es sehr dunkel, doch das Auge war hell. Trotz all dem, auch irgendwie menschlich, aber das konnte nicht der Fall sein.
Das Wesen machte die Tür nun ganz auf. Ich konnte nicht mehr viel erkennen, außer seinen komischen Armen. Sie bewegten sich unnatürlich und erinnerten an Tentakeln, nur mit Händen, deren Finger sich in verschiedener Richtung bewegten und ihre Länge änderten. Mir fiel auch auf, dass dieses Wesen keinen Hals hatte. Es wirkte etwas wie eine Kugel und hatte mehrere Beine, wie bei einem Insekt.
Die Bewegungen verliefen schnell, außer dem Blick, der wie Stein blieb, wäre da nicht das Pulsieren. Dazu nahmen die Augen verschiedene Größen voneinander an. Trotzdem sah ich die schwarze Figur wie in einem Nebel.
Nachdem die Finger sich hin und her gebogen haben, zeigte einer von ihnen auf mich und wurde länger, dabei schaute die Kreatur mich weiter an. Danach entfernte sie sich.
Das Wesen drehte sich mit dem Rücken zu mir, ganz langsam. Das Gesicht schwamm, über seinen Körper, zum hinteren Teil des Kopfes. So trafen sich unsere Blicke wieder. Irgendetwas sagte mir, dass ich folgen musste.
Aufgestanden und die Lampe gezündet, überwältigte mich ein Zittern, aus Angst. Im Flur wartete das Ding auf mich. Als ich näher kam sprang es auf, von Wand zu Wand. Beim Landen ertönten glitschige Geräusche, ähnlich wie bei einem nassen Frosch. Seine Augen beobachteten mich weiterhin dabei.
Wir bewegten uns nun die Treppe immer weiter runter, bis zum Keller. Dort war überhaupt nichts mehr zu sehen und keiner würde etwas mitkriegen, falls etwas passieren sollte. Will es wirklich, dass ich ihm dahin folge?
Das Wesen sprang in die Finsternis. Zu sehen waren wieder nur die Augen, bis mein Lampenlicht kam. Es war wie eine Hypnose, sonst hätte ich mich so etwas nicht getraut. Meine Atmung verschnellerte sich, dazu Herzrasen.
Nun waren wir in einem großen Raum angekommen. Die Luft war kalt und etwas feucht.
Überall stand viel Zeug rum, schmutzig von Staub und Spinnennetzen. Ratten haben sich vor mir erschreckt.
Vorne war allerdings etwas mehr Platz, dort wartete es auf mich. Als ich mich hin tastete sprang das Wesen wieder auf und blieb hängen, auf einem Hacken. Ob dieser echt war, konnte man so nicht sagen. Wie die Figur, wirkte auch dieser verschwommen.
Dabei ging eine kleine Lampe an, die gerade ausreichte, um eine Wand mit gelblichem Licht zu beleuchten. Es flackerte allerdings. Dort sah ich wieder dasselbe Zeichen, wie bei den Mordopfern.
Es veränderte seine Körperform und wirkte letztendlich wie ein großer Mantel, wenn nicht seine “Tentakel” wären.
„Was bist du?”
„Ich bin nur ein weiteres Kind...unsere Mutter wird bald kommen...”
Seine Stimme klang, als würden mehrere Personen gleichzeitig sprechen.
„Warum hast du mich hierhergeführt? Willst du mich umbringen, wie die anderen Opfer?”
„Sie wird die Herzen einfordern...als Opfergabe...und ein lebendiges Kind...”
Dann fiel es mir auf. Einer der Kreise, in diesem Bild, das hier viel akkurater gezeichnet wurde, erinnerte einen Kopf mit langen Haaren. War das seine “Mutter?”
Ich erinnerte mich plötzlich an das eine Bild von Ida und dem was sie mir erzählte. Dieses Wesen musste Reno sein.
„Du meinst doch nicht...”
„Das Kind, dass mir half...alle einzusammeln.”
„So etwas würde sie nie tun!” Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das kleine Mädchen half diese Kinder zu töten, gar etwas aus deren Körpern rauszunehmen.
„Wieso sollte Ida dir helfen wollen?”
„Der tyrannische Bruder...er starb durch meine Hand...seither...war ich an ihrer Seite...”
„Du hast sie als Instrument ausgenutzt und dich als Freund ausgegeben.”
Es antwortete nicht.
„Warum hast du mich beobachtet?”
Daraufhin ging das Licht aus. Das meiner Lampe ebenso.
Ich musste mich durch den dunklen Keller raustasten. Reno war entweder verschwunden oder wartete, bis ich in eine Falle trat.

Zu meiner Erleichterung, auch wenn ich höllische Angst hatte, blieb alles ruhig. Die restliche Nacht passierte nichts.
Am nächsten Tag war es sehr laut unter meinem Fenster. Die Uhr zeigte, dass es fast Mittag war, doch ich lag noch im Bett. Erst durch diese Geräusche bekam ich meine Augen auf.
Ein Blick durch das Fenster und meine Müdigkeit war verschwunden. Vor dem Eingang sammelte sich ein großer Haufen von Menschen.
Die Leute wirkten panisch als ich rauskam. Nicht weit von mir stand Frau Krause, völlig durcheinander.
„Was ist passiert?”
„Es wurde noch ein Kind gefunden...nicht weit von hier, im Wald.”
„Dann war der Mörder doch nicht Cornell.”
„Sie wirken nicht besonders überrascht, Frau Mayer.”
„Was soll das heißen?”
„Egal...Ida ist verschwunden.”
„Was?!”
„Zuletzt sah man, wie sie den Zug in die Stadt nahm. Laut Zeugen trug sie einen stinkenden Beutel bei sich. Und wo waren Sie heute?”
„Beschuldigen Sie mich an all dem?!”
Frau Krause sah mich bloß traurig an.
Etwas weiter vorn suchten die Kommissare etwas. Ich musste mich heimlich aus dem Staub machen, ohne aufzufallen. Wahrscheinlich ist ihr Ziel meine Person.
Wenn Reno nicht log, will er Ida opfern. In ihrem Beutel scheinen die Herzen zu sein.
Ich bewegte mich mit Abstand zum Weg, versteckt durch die Bäume, zum Zug. Warum musste sie ausgerechnet in die Stadt? Mir blieb nichts anderes übrig als ihr zu folgen.
Mein Herzrasen hörte nicht mal beim Einstieg auf. Bald würde man meine Abwesenheit merken und mich suchen. Es mangelte ihnen zwar an Beweisen, doch hatte ich Bedenken, dass sie mir glauben würden. Vor allem nicht die Geschichte mit Ida und dem Wesen. Also würde es auch nichts bringen, gar ein Versuch zu wagen, mit ihnen darüber zu sprechen.
Angekommen rannte ich aus dem Zug. Wie so oft waren hier viele Leute unterwegs, doch etwas war anders. Mein Herz verspürte einen komischen Druck und es begann langsam zu regnen.
Ich vernahm Bewegungen auf den Gebäuden. Das betraf nicht nur die Dächer, auch auf Wänden und hinter den Fenstern. Durch das Wetter konnte ich sie immer deutlicher erkennen. Eine ganze Horde Figuren, die so aussahen wie Reno.
Mittlerweile erschienen diese auch auf den Straßen. Außer mir sah sie jedoch niemand. Die Wesen waren sehr aufgewühlt, als würden sie sich vorbereiten auf etwas. Oder versuchen zu fliehen...
Mich bemerkte keiner von diesen Wesen und mir schien auffällig, dass einige komische Behälter trugen, oder Beutel mit Kästen. Waren da auch Herzen drinnen? Diese Gruppe von ihnen bewegte sich in eine Richtung.
So folgte ich der Masse, bis zum Zentrum der Stadt. Sie sprangen hin und her und auch durch die Menschentrauben hindurch, wodurch mir der Weg schwerfiel, da sich die Sicht verschlimmerte. In einigen Momenten sah es so aus, als müsste ich durch schwarze Löcher gehen.
Nun waren wir angekommen. Alle versammelten sich vor der Bank oder flohen davon. Auf dem riesigen Haus schien Ida zu stehen und irgendwo in die Ferne zu schauen. Ich musste unbedingt da rauf.
Drinnen machten die Arbeiter Augen, als sie mich rennen sahen. Durch die Treppe gelang ich immer weiter nach oben, bis eine Leiter zum Vorschein kam, die auf das Dach führte. In diesem Moment schien mich niemand mehr zu sehen, und so stieg ich hinauf.
Verwundert, dass die Tür nicht verschlossen war, überraschten mich, oben angelangt, diese Wesen wieder. Wie eine Meute von Insekten sprangen oder krabbelten sie auf dem Gebäude herum.
Ida stand am Rand. So bewegte ich mich langsam zu ihr, um einen Schreck zu vermeiden. Zu schreien wäre auch sinnlos, aber wenn es gelingen würde näher zu kommen...

Doch kam es nicht dazu. Etwas veränderte sich. Der Druck auf meinem Herz wurde stärker. Diese Monster wurden noch unruhiger, und schon bald war klar warum.
Vor uns erschien ein Nebel, den sie sehr hastig mieden. Dort war etwas und genau davor hatten alle Angst.
Es kam mir so vor, als würde drinnen eine Menschenmenge nach Hilfe greifen. So viele Arme waren da, aber gehörten diese nur einer Kreatur, die sie bis zur Erde ausstreckte. Sah aus wie eine große Raupe, und schwebte durch die Luft, die man wegen ihrer Bewegungen zischen hörte. Es fiel auch auf, dass dieses Ungeheuer eine große menschliche Brust besaß, wie ebenso eine Vagina. Am Kopf waren lange schwarze Haare zu sehen.
Sie griff nach den kleinen dunklen Figuren und nahm diese näher zu sich. Ihre Brust stoß dabei eine Art Muttermilch heraus, die irgendwie anziehend auf sie wirkte, gegen ihren Willen. Womöglich allein schon wegen dieses Geruchs. Man sah, dass ihre Augen sich noch weiter vergrößerten als sonst, und die Wesen still wurden nach den ersten Schlücken davon.
Dann schoben sich die Brüste auseinander und zwischen ihnen war nun ein großes Maul zu sehen, dass die kleinen Monster verschlang, mit einem Bissen. Die Kreatur verkrampfte sich und aus ihrer Vagina kamen neue Wesen heraus. Das musste Reno mit “Mutter” meinen.
Einige von ihnen öffneten nun ihre Behälter und zeigten ihre Herzen, doch reichte ihr das wohl nicht und das Ungeheuer fraß ihre “Kinder” mit den Organen zusammen. Schrecklich sich vorzustellen, was mit all den Leuten passiert ist, denen sie einst gehörten. Ob das wohl auch Kinder waren? Durch die Opfergaben konnte die Mutter nun sogar mehr Nachwuchs zeugen.
Es bewegte sich immer mehr in unsere Richtung wodurch uns der Nebel miteingeschlossen hat. Die Kreatur guckte uns jetzt direkt an, so konnte ich das Gesicht erkennen. Große Augen, mit einem Blick, der noch schrecklicher wirkte als bei Reno und den anderen. Zwei schwarze Punkte sahen uns verspannt an. Ein Mund war nicht vorhanden und die Haut kreideweiß. Mit dieser Größe könnte sie das Gebäude unter uns leicht zerstören.
Ich erinnerte mich an das Muster, dass nicht weit von den Leichen immer zu sehen war. Es musste ein Bild dieses Ungeheuers sein, kein Zweifel. Die Kreise sollten zusammen eine Raupe darstellen und die Linien ihre Arme. An einem Ende waren es die Haare.
Ida trug weiterhin die Herzen bei sich. Das Monster öffnete wieder das Maul und wollte nach dem Mädchen greifen, als sich plötzlich einer ihrer Kinder einmischte.
Es entriss ihr den Beutel und guckte sie einen Moment lang an, dann folgte ein Sprung direkt in das Maul seiner Mutter. Daraufhin beachtete die Kreatur uns nicht mehr und schwebte Richtung Himmel, wo es hinter einem Loch verschwand, dass sich dort bildete.


Wir mussten zurück in das Waisenhaus. Ida erzählte mir auf dem Rückweg, dass es Reno war, der die Opfer umgebracht hat. Um weiterhin befreundet zu bleiben und Schutz von ihm zu bekommen, sollte sie die Herzen für ihn aufbewahren.
Ida war so verblendet, dass der Vorschlag sich freiwillig als Preis für sein Leben herzugeben, nicht verkehrt vorkam, da er ihr einziger Freund war. Das war wohl der Grund, warum die Kreatur die anderen trotzdem aß. Es wollte anscheinend auch ein lebendiges Kind.
Sie erzählte auch, dass es Reno war, der sich dennoch selbst geopfert hat, um sie zu retten.
Ich brachte das Kind wieder heim. Die Morde hörten auf und der Verdacht auf mich schien vorerst erloschen zu sein.
Trotzdem wagte ich nicht, jemanden von all dem zu erzählen. Für die Zukunft blieb es weiterhin ein Geheimnis. Jedoch kommt mir manchmal das Gefühl, als würde ich diese Wesen irgendwie noch spüren. Woher kam ihre Mutter?

 

Hi @Proof

Ich wünsche dir ein frohes neues, konnte erst jetzt antworten.

An dem Abend, wo ich dein Kommentar bekam, war der Text schon korrigiert (vor allem die Zeitform) aber komischer Weise sahst du wohl noch die alte Version, obwohl ich sie noch am Tag änderte.

Trotzdem haben mir deine Kommentare geholfen, ich bedanke mich dafür.

Die Sprache in diesem ganzen Absatz mit dem Monster, und dann „wir mussten zurück“, nach diesem Erlebnis, als wären sie irgendwo was trinken gegangen - das ist mir alles etwas zu trocken, zu analytisch für die ungeheure Situation.
Ich werde in Zukunft versuchen mehr Gefühl reinzubringen. Liegt mir wirklich schwer.

o. Die Stelle saugt Atmosphäre aus der Geschichte. Warum so eine krasse Geschmacklosigkeit? Sex und Gewalt allein bringen keine Härte, genau wie Vulgärsprache. Und für Härte ist das hier sowieso die falsche Geschichte. Fällt für mich raus, muss nicht sein.
Deine Reaktion darauf ist gesund. Mir ging es hier nicht um die Härte, sondern um den Schock der anderen Figuren. Sie verlasten sich dadurch eher auf ihr Gefühl dabei, als Logik. Genau das brauchte ich, da das nun mal kein direkter Beweis ist. Vulgär klingt der Satz für mich nicht.

Gruß
Becker

 

@Nicolaj Becker

Vulgär klingt der Satz für mich nicht.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was du meinst. Ich meinte nicht vulgäre Ausdrucksweise oder sowas. Die Geschichte hat so klassische Spukhaus-Atmosphäre, da wirkt diese Szene für mich deplatziert. Horror und Grusel kommen ja in unterschiedlichen Tonlagen daher, manches kann man gut mischen, anderes nicht. Dass die Figur sich da an der Leichte vergeht … Hast du The Others gesehen? Oder ganz allgemein, Herrenhaus, Geräusche in der Nacht, Sepia-Fotografien … und dann wird meinetwegen einer Hostel-mäßig mit der Bohrmaschine bearbeitet. Im Genitalbereich. Das passt da nicht rein für mich, wirkt wie ein Fremdkörper. Es gibt Spielarten von Horror, da gehört das dazu, aber für mich schert das hier zu weit aus.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom