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Beschreibung des Ortes. Beschreibung und Wortfindung einer Stimmung oder einer Situation.
Das Weihnachtsgeschenk
Es war in einer Nacht, in der das silberne Licht des tief stehenden Vollmondes die weißen Kristalle des Pulverschnees zum Leuchten brachte. Die Sterne funkelten wie geschliffene Diamanten am Firmament. Kein Wölkchen dämpfte das Spiel der Lichter, das die Eiszapfen zum Glühen brachte. Es war klirrend kalt, selbst der kleine Tümpel versteckte sich unter einer dicken, spiegelnden Eisschicht. An dessen flach auslaufenden Ufersaum ragte steif gefrorenes, zum Teil abgeknicktes Schilfgras in den Lichtern nächtlichen Himmel empor. Nahe am Teichufer, an dem sich ein ausgetretener Wanderpfad schlängelte, stand eine alte Holzbank, auf der ein junger Mann Platz genommen hatte. Sein Atemnebel und Zigarettenrauch, hüllten ihn zuweilen so ein, dass sein Gesicht nicht mehr zu erkennen war. Er stand auf und begann schnell und ruckartig auf der Stelle zu laufen. Seinen Zigarettenstummel schnippte er in weitem Bogen hinter sich in den Schnee, und dann stellte er seinen Mantelkragen über seine kalten, roten Wangen auf. Die schwarze Pudelmütze zog er sich tiefer in die Stirn. Daraufhin schlug er sich mit den Händen kräftig gegen die Oberarme.
Neben ihm auf der Sitzbank lag eine große, graue Leinentasche, die stark ausgebeult war und einen Gegenstand enthielt. Obenauf lag ein kleines Sträußchen bunter Blumen. Er schlüpfte mit steifen Fingern in seine Lederhandschuhe und setzte sich. Er schaute auf eine silberne Armbanduhr.
Danach wanderte sein Blick den schmalen Pfad entlang bis zur alten knorrigen Weide, die ihn dann die weitere Sicht auf die Wegbiegung verwehrte.
"Wann kommt sie endlich?", flüsterte er.
Noch einmal stand er auf und spähte mit zusammengekniffenen Augen in Richtung der Weide. Und aus dem breiten Schatten des Baumes löste sich eine Gestalt, die sich immer schneller werdend auf den wartenden Mann zubewegte. Es war ein Mädchen in seinem Alter mit kunstvoll geflochtenem Haaren. Sie war ganz in Weiß gekleidet und trug Ohrenschützer aus weißem Fell. Ein gleichartig gearbeiteter weißer Muff verbarg ihre Hände. Als sie den Mann erreicht hatte, umarmte er sie und ihre Lippen berührten sich.
"Hast du meine Überraschung dabei?", fragte sie.
"Aber natürlich mein Liebes."
"Wundervoll, ich fühle mich hier wie die Schneekönigin im Märchen."
Er lächelte. Daraufhin öffnete er die Leinentasche und dabei fielen ihm die Blumen hinab in den Schnee. Mit einer schnellen Bewegung hob er diese auf und überreichte diese dem Mädchen, das anfing zu lachen, als sie das inzwischen gefrorene Sträußchen entgegennahm.
Der Mann setzte sich wieder und schlüpfte aus seinen Schuhen, um sich schwarz glänzenden Schlittschuhe anzulegen, die er aus der Leinentasche entnommen hatte. Kaum waren diese fest an seinen Füßen und die Schnürsenkel straff gebunden, forderte er das Mädchen auf.
"Komm setze dich, ich helfe dir."
Das Mädchen setzte sich auf die Bank und der junge Mann griff zum wiederholten Mal in seine Leinentasche und beförderte daraus ein zweites Paar Kufen hervor, die aus weißem Leder gearbeitet waren. Das Mädchen entfernte ihre Schuhe und er zog ihr die Schlittschuhe über ihre Füße. Danach stand sie auf und er nahm ihre Hand und storchbeinig tippelten beide zum Eisspiegel des Teiches. Dort angekommen, griff der Mann in seine Jackentasche und entnahm daraus ein kleines Musikgerät. Er stellte es auf das Eis und brachte es zum Spielen.
"Schwanensee von Peter Tschaikowsky" jauchzte sie, "mein Weihnachtsgeschenk mit dir tanzend im Mondschein auf dem Eis. Welch wundervolle Idee. Ich liebe dich."