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Der Augenblick

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27.03.2021
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Der Augenblick

Lange war ich auf der Suche nach einem Gebäude gewesen. Das Heriét Placa Hotel schien auf den
ersten Blick perfekt zu sein. Es stand etwas abgelegen am Stadtrand in einer ruhigen Gegend.
Ziemlich in die Jahre gekommen, wurde es nicht mehr oft gebucht. Doch dann war mir eine weitere
interessante Immobilie ins Auge gesprungen. Das Grand Station am alten Bahnhof hatte seinen
ganz eigenen Charme. Ein hohes Gebäude aus den 70er Jahren. Klassizistisch angehaucht, sah die
Fassade beinahe aus wie aus der frühen Kaiserzeit. Auf 8 Stockwerken hatten sich in den letzten
Jahrzehnten dort viele aberwitzige Geschichten abgespielt. Einige davon hatten es sogar in die
Spätnachrichten geschafft. Zum Glück waren es überwiegend negativ Schlagzeilen. Das erleichterte
die Sache natürlich erheblich. Ein solches Hotel wurde kaum noch gebucht. Wenig Gäste und hoch
genug war es auch noch. Ich war selbst ein paar mal dort gewesen. Doch das war lange bevor…
Ich fasste einen Entschluss und buchte ein Zimmer. Zwei Tage später. Dann war es also so weit.

Als ich am übernächsten Abend dort ankam, war es eine nasse Winternacht, wie sie im Norden
häufig vorkommen. Schneeregen, dazu ein starker Wind, als wollte etwas mich aufhalten. Doch
obwohl der Weg vom Auto zur Hotel-Lobby sich äußerst mühselig gestaltete und die Kälte mir
durch meinen langen schwarzen Mantel in jede Pore des Körpers kroch, lies ich mich von nichts
mehr davon abbringen. Der Portier starrte mich an, wie ich nass und durchgefroren durch den
Eingang stolperte. Ich nickte norddeutsch, freundlich und ohne viele Worte. Keine Reaktion. Nichts,
als würde er es ahnen.
Nachdem ich meine Zimmerkarte in Empfang genommen hatte, beschloss ich mich noch ein letztes
Mal an die schäbige Hotelbar zu setzen. In dem charmanten Stil der siebziger Jahre lag sie in einem
düsteren Raum in dem nur ein paar alte Funzeln den Raum auf eine beruhigende Art und Weise
beleuchteten, als würde es bereits dämmern. Bei dem Versuch den Barhocker etwas vom Tresen
abzurücken, stockte ich. War er am Boden verschraubt? Nein, der Boden klebte nur. Dem äußeren
Anschein nach, vermutlich seit den Siebzigern. Aber das machte jetzt auch keinen Unterschied
mehr.
Für das, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte, brauchte ich Mut. Da ich lange keinen mehr hatte,
hielt ich es für das vernünftigste, mir welchen zu machen. Mit einem beiläufigen Wink bestellte ich
zwei doppelte Jameson, ohne Eis, ohne Schnickschnack. Die wohltuende brennende Wärme, glitt
mir sanft den Rachen herunter und erfüllte beim ersten Schluck meinen ganzen Körper.
Irgendwann nach der zweiten Runde setze sich ein Mann recht nah neben mich an die enge Bar.
Auch er wirkte nass und etwas unterkühlt. Er bestellte Whiskey auf Eis. Was für ein Idiot. Während
die goldbraune Flüssigkeit vor ihm in sein Glas strömte und sich das schummrig warme Licht darin
brach, blickte er auf und bemerkte, dass ich ihn angestarrt hatte. Unhöflich grinste er mich an. Sein
dummes verschmitztes Grinsen passte zu seinem Whiskey-Geschmack. „Was für ein Wetter oder?“,
rief er lauter, als es hätte sein müssen, zu mir rüber. „So geht das schon seit Tagen. Unnötig, oder?“
Versuchte er mich zum Antworten zu bewegen. Ich nickte nur und wandte meinen Blick auf mein
Glas. Doch er lies es nicht bleiben. „Warten Sie noch auf jemanden? Sieht so aus, als wär ihr Eis
schon geschmolzen.“ Er deutete mit einem Fingerzeig auf meine Gläser. „Oh, nein, ich bin alleine.“,
entgegnete ich. Er konnte nicht wissen, welch tiefe Bedeutung dieser Satz für mich hatte.
„In einer Nacht wie dieser geht das nicht.“, beschloss mein Nachbar. „Könnten wir zwei Neue
haben?“, murmelte er dem Barkeeper entgegen. „Jameson; auf Eis natürlich.“ Bevor ich mich
dagegen wehren konnte, stand ein gut gefülltes Glas vor mir. Die Eiswürfel darin, wirkten
befremdlich.
Mein Nachbar rückte lächelnd mit seinem Hocker etwas näher. „So, nu erzählen Sie mal, wer sie
hier so alleine warten lässt.“ Es war dieser Augenblick, in dem ich mich entschied ihm zu
antworten. Wir redeten lange. Ich erzählte ihm Sachen, über die ich seit Jahren nicht mehr
gesprochen hatte. Nach einiger Zeit lachten wir sogar. Erst dachte ich, es käme durch den Alkohol,
doch dann erkannte ich, dass es die Wärme in mir war. Gegen drei Uhr wankte ich die Treppen
hinauf, statt aufs Dach, ging ich in mein Zimmer. Als mir am nächsten Morgen klar wurde, dass ich
nicht mal nach dem Namen meines neuen Freundes gefragt hatte, schien die Sonne.

C.Kipp

 

Hallo @Kippi ,
und herzlich willkommen hier. Da ist etwas mit der Formatierung schiefgelaufen und so ist der Text schlecht lesbar. Wenn du unter dem Text auf "bearbeiten" gehst, kannst du das ändern.
Viel Spaß noch im Forum!

Gruß, Chutney

 

Hola @Kippi,

hast die Ouvertüre gut gemacht, Spannung kommt auf und Neugier.

… buchte ein Zimmer. Zwei Tage später. Dann war es also so weit.
Als ich am übernächsten Abend dort ankam, …
Das Fette ist Ballast.

… sah die Fassade beinahe aus wie aus der frühen Kaiserzeit.
eine nasse Winternacht, wie sie im Norden häufig vorkommen.
Entweder Einzahl oder Mehrzahl.
lies ich mich
als wär ihr Eis
Er deutete mit einem Fingerzeig auf meine Gläser.
Das Kursive wäre entbehrlich.

Tjo, Kippi – eine übersichtliche Geschichte. Muss ja nicht immer der Eiffelturm sein. Und ein bisschen Zuwendung tut oft Wunder.
Trotzdem hakt es bei mir an dieser Stelle:

„In einer Nacht wie dieser geht das nicht.“, beschloss mein Nachbar.
Hat der die gleichen Absichten, ist er Hellseher? Ich hab auch nicht erfahren, dass das Wetter so arg war, dass es so eine dringende Sache nicht zugelassen hätte – andrerseits ist der geringste Anlass willkommen, wenn man noch selbst im Zweifel ist.

Bei der Schreibweise des Hotels (Heriét Placa Hotel) bin ich orientierungslos. Wo schreibt man das so?

Dein Text ist kurz, mein Komm ebenfalls. Zum Anwärmen gerade richtig. Lass mal gucken, was noch so alles über uns hereinbricht.
Von meiner Seite: Willkommen und schöne Grüße!
José

 

Hallo @Kippi,

beim ersten Lesen, vielleicht lag es daran, dass ich noch nicht ganz interessiert war, habe ich nicht ganz verstanden was das alles soll, aber beim erneuten Überfliegen habe ich es dann verstanden, und ich mag deine Geschichte sehr, glaube aber, dass sie noch besser sein könnte. Ich probiere mal hier nicht zu stark zu Spoilern, da ja einige Kommentare als erstes lesen, aber ich hoffe Du verstehst trotzdem was ich meine ;)
Zunächst einmal mag ich deinen Stil, er ist flüssig, angenehm und nicht kompliziert. Ich zumindest hatte Bilder im Kopf und das ist es ja, was man als Schreiber möchte. Besonders toll an der Geschichte finde ich, dass sie subtil ist. Man weiß lange nicht genau, worum es in der Geschichte eigentlich geht, und wenn man es dann merkt, wirkt es sehr gut. Ich finde nur, dass es nicht ganz so subtil sein müsste. Auf keinen Fall vorhersehbar machen, aber so wie es ist, habe ich das Gefühl, dass, wenn man noch ein paar mehr kleiner Andeutungen oder Gedanken bekommen hätte, dann würde das Ende viel stärker sein.
Mein anderer Punkt ist, dass ich denke, dass eine bessere Charakterisierung der Hauptfigur nicht nur schön gewesen wäre, sondern auch die Handlung und damit das Ende ebenfalls sehr verstärkt hätten. Jetzt ist alles offen und der Leser kann Theorien aufstellen und Dinge hineininterpretieren, wobei die meisten wohl einfach Einsamkeit als die eine große Ursache nennen würden. Wenn man wissen würde, warum die Figur ausgerechnet diese Art von Hotel, und überhaupt ein hohes Hotel gesucht hat, da gibt es doch andere Möglichkeiten?, würde meiner Meinung nach das Ende besser und die Geschichte runder wirken lassen.

Gegen drei Uhr wankte ich die Treppen
hinauf, statt aufs Dach, ging ich in mein Zimmer.
Das ist ja im Prinzip der Satz, wo jedem klar sein sollte, was los ist und gleichzeitig das Ende. Inhaltlich finde ich es gut, aber dieser Satz wird dem meiner Meinung nach nicht gerecht. Hier darf die Auflösung nicht unauffällig zwischen Kommas liegen, sondern sollte auffällig sein um besser einschlagen zu können, und wenn nur mit einem Punkt nach “hinauf“.
Ist aber nur meine Meinung...

Ein letzter Punkt ist der Titel, denn mir ist nicht genau klar, welcher Augenblick genau der eine sein soll. Allgemein finde ich, gibt es bestimmt noch bessere Titel hier. Aber es funktioniert natürlich auch so.

Ich freue mich auf jeden Fall auf mehr von dir!

Viele Grüße!
Max

 

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