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Der Aussteiger

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08.11.2005
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Der Aussteiger

Tief sauge ich den Rauch in meine Lunge. Die Zigarette schmeckt nicht, aber der pelzige Geschmack auf der Zunge stört mich nicht. Wieder fällt der Blick auf die Narbe an meinem Arm. Bis heute weiß ich nicht genau, was diesen tiefen Schnitt verursacht hat. Ob es ein Stein oder eine Scherbe war, die an jener Stelle im Feld gelegen hatte, auf jeden Fall war die Haut nie wieder richtig verheilt. Eine Träne hinterlässt einen warmen Faden auf meiner Wange. Jener Abend hatte mein Leben verändert. Ich hätte es ihr nicht erzählt und, wenn doch, hätte ich niemals alles ausgepackt.

Leicht juckte meine Stirn. Es war ziemlich warm, obwohl es schon stockfinster war. Meine Kappe klebte bereits vor Schweiß. Dennoch behielt ich sie auf dem Kopf. Ich ging niemals ohne Kopfbedeckung joggen. Ich hatte noch nicht einmal die Felder erreicht und war schon ziemlich außer Atem. Mindestens ein BigPack hatte ich an dem Tag geraucht, heute würde ich nur die kurze Runde schaffen.

Ein leichtes Schmunzeln flog über mein Gesicht, als ich an den Grund dachte warum ich wieder mit Rauchen angefangen hatte. Nadja war eine Verführerin. Dieses kleine polnische Mädchen hatte mich vom ersten Tag an verzaubert. Ich liebte alles an ihr. Ihre tiefdunklen Augen, die pechschwarzen Haare, das freche Lächeln und ihre Art an ihr Leben heranzugehen. Sie ließ sich niemals aus der Ruhe bringen und nahm die Dinge wie sie kamen. Selbst ihre verhöhnende Art, wenn ich zum Sport ging, während sie mit einer Tüte Chips und einer Decke vor dem Fernseher blieb, war für mich nur ein Grund sie noch mehr zu lieben. Es gab nichts, was ich für diese Frau nicht getan hätte. Selbst mit dem Rauchen hatte ich für sie wieder begonnen. Sie fand es doof nach einer gemeinsamen Nacht alleine im Bett zu rauchen.

Endlich hatte ich den Stadtrand erreicht und überwand die Brücke über die Schnellstrasse. Ich mochte es nicht in der Stadt zu laufen. Ich kam mir lächerlich vor, wenn ich mich keuchend und schwitzend an den Passanten vorbei schob. Zudem hatte Nadja sich oft über meinen Laufstil lustig gemacht. Sie meinte, so könne ich mich doch nicht auf der Strasse zeigen.
Der Boden wurde weicher. Es hatte viel geregnet in den letzten Tagen und die Landwirte hatten viel Erde auf den Feldweg getragen. Ich mochte das, so lief es sich angenehmer. Automatisch erhöhte ich die Geschwindigkeit.
Weiter hinten kreiste ein Lichtpegel. Wahrscheinlich brachte noch ein Landwirt seine Ernte ins Lager. Das war Abends oft so. Ich lief immer hier, zweimal die Woche. Immer Montags und Donnerstags, immer um zehn Uhr Abends. Da kam sowieso nur Frauenkram im Fernsehen.

An der ersten Kreuzung bog ich ab. So lief ich parallel zur Stadt und hatte wenigstens ein bisschen Licht. An diesem Tag war es noch dunkler als sonst, einzig mein weißes Shirt wurde von den entfernten Lichtern hinter der Schnellstrasse erhellt.
Erneut erhöhte ich die Geschwindigkeit. Die Lichtkegel waren in meine Richtung gebogen und ich wollte nicht überholt werden. Sicher wollte der Fahrer zum Aussiedlerhof. Ich musste vorher wieder zur Stadt abbiegen. Mit etwas Tempo würde ich längst in die entgegengesetzte Richtung unterwegs sein, bevor der Fahrer mich und meinen komischen Laufstil sehen konnte.
Die Lichter näherten sich schnell. Zu schnell für einen Traktor. Ich verlangsamte meinen Lauf und blieb am Feldrand stehen. Ich würde kurz durchschnaufen und das Auto vorbeilassen. Ich zog meinen Mp3-Spieler und versuchte beschäftigt auszusehen, während mich der Lichtpegel zunehmend erfasste. Der Wagen verlangsamte seine Fahrt und blieb vor mir stehen.
Überrascht trat ich einen Schritt auf das Auto zu und beugte mich zu dem geöffneten Fenster. Mein Herz übersprang einen Schlag, als ich in die bösartig grinsenden Gesichter blickte.
„Schnapp dir die Sau“, schrie der Fahrer und die Hand seines Nebenmannes krallte sich in mein Shirt. Erschrocken warf ich mich zurück, taumelte ein paar Schritte in das Feld und geriet ins stolpern. Beinahe im gleichen Moment war ich wieder auf den Beinen und rannte los. Quer durch das Feld. Hinter mir hörte ich die Türen aufgehen. „Bleib stehen du feiger Nazi“, rief einer meiner Verfolger.

Sie hatten mich wieder gefunden. Schon vor ein paar Monaten wollten sie mich erwischen. Ein paar Wochen bevor ich Nadja kennen gelernt habe. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits aus der Partei ausgestiegen, aber auf der Liste der Antifa stand ich immer noch. Mit mehr als zwanzig Leuten haben sie meine damalige Wohnung belagert. Die Polizei konnte nichts machen. Angeblich würden sie doch nur ein Bier trinken. Mehrere Tage hatte ich das Haus kaum verlassen und mir letztendlich eine neue Wohnung gesucht.

Bei der ersten Begegnung mit Nadja hatte ich der Szene bereits endgültig den Rücken gekehrt. Ein paar der alten Jungs traf ich noch hin und wieder, aber sie akzeptierten meinen Ausstieg. Immerhin waren wir schon seit der Schulzeit befreundet. Nadja wusste nichts von meiner Vergangenheit.

Ich musste alle Konzentration aufwenden um auf dem unebenen Boden nicht zu fallen. Langsam schwanden meine Kräfte und das Keuchen hinter mir wurde lauter. Nach einer kurzen Verfolgung packte mich eine Hand und riss mich zu Boden. Im Sturz ergriff ich seinen Arm und zog ihn mit mir. Hart schlugen wir auf. Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Arm. Dennoch brauchte ich nur einen kurzen Moment um wahrzunehmen, dass wir die anderen Verfolger ein Stück hinter uns gelassen hatten. Sie johlten.

Als sich mein Peiniger auf mich werfen wollte, schlug ich ihm meinen Ellenbogen ins Gesicht. Ein dumpfer Schlag und er sackte benommen zurück. Sofort war ich über ihm und trommelte ihm meine Faust auf den Schädel. Da war es wieder. Dieses unglaubliche Gefühl, dieser unbeschreiblich Adrenalinschub. Ich hatte mich lange nicht mehr geprügelt, doch es war sofort wie immer. Wieder und wieder krachten unsere Knochen aufeinander. Es mag seltsam klingen, aber ich genoss den Moment. Die anderen waren vergessen, diesen einen würde ich bestrafen.

Dann waren sie über mir. Es hagelte Tritte und Schläge. Ich schaffte es auf die Beine zu kommen und ging den nächsten an. Erschrocken über meine Gegenwehr wich er zurück. Ein harter Gegenstand donnerte mir in den Rücken und ich sackte zusammen. Handlungsunfähig lag ich am Boden und versuchte mich möglichst gut vor den hasserfüllten Attacken zu schützen. Wie lange sie auf mich einschlugen weiß ich nicht mehr. Irgendwann ließen sie von mir ab und verschwanden.

Mehrere Stunden lag ich regungslos im Feld und heulte. Einzig begleitet von dem leisen Brummen meines Mp3-Spielers. Er lag irgendwo neben meinem Kopf und spielte unablässlich „Touch me“, mein Jogginglied.

Als die Schmerzen langsam von mir wichen stand ich auf und schleppte mich nach Hause. Den Spieler ließ ich liegen.

Nadja machte sich bereits Sorgen. Liebevoll versorgte sie meinen geschunden Körper. Sie stellte viele Fragen. Ich schwieg. Über eine lange Zeit hinweg schwieg ich. Erst nach vielen Jahren erzählte ich ihr den wahren Grund des Überfalls. Es war der letzte Abend unserer bis dahin so harmonischen Beziehung. Ich weiß nicht ob es meine Vergangenheit als Parteimitglied war oder die Tatsache, dass ich es ihr so lange verschwiegen hatte.

Mein Herz ist gebrochen, für immer !

 

Hallo BecksBoy,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de.

Hui, da hast du dir aber einen provozierenden Einstieg für deine erste Geschichte gesucht, denn da werden die Reaktionen wohl ziemlich hochgehen.

Zuerst einmal in Kürze das formelle:

Ob es ein Stein oder eine Scherbe war, die an jener Stelle im Feld gelegen hatte, auf jedem Fall war die Haut nie wieder richtig verheilt.
Jeden

Eine Träne hinterlässt einen warmen Faden auf meiner Backe.
Auch wenn man es umgangssprachlich so nennt, würde ich dir dennoch vorschlagen dies zu ändern, denn die Backen sind das Gesäßfleisch. Falls die Träne also nicht wirklich über seinen Hintern perlt, solltest du "Wange" schreiben. ;)

Ich denke mal, der Text wird nicht sehr begeistert von den Kritikern aufgenommen werden, da du meines Erachtens eine ziemliche Verschiebung nach rechts in deinem Text legst. Warum?
Nadjy wird dem Leser als blöde Schlampe präsentiert - Sie macht sich über den Prot lustig, nimmt ihn nicht ernst und weiß das was er für sie tut nicht zu schätzen.
Die AntiFa wird von dir als uninformierter Sauhaufen dargestellt, die zudem noch über die Maßen gewaltbereit sind.
Die Rechten dagegen -

Ein paar der alten Jungs traf ich noch hin und wieder, aber sie akzeptierten meinen Ausstieg.
Ziemlich umgänglich...


Als ich die Geschichte anlas, dachte ich noch "Oh, bitte nicht schon wieder so eine Moralpredigt, in der der arme Aussteiger von den bösen Nazis zusammengedroschen wird, weil er jetzt eine ausländische Freundin hat."
Aber, dass dies jetzt nicht passiert ist, stört mich irgendwie. :D Gleichzeitig empfinde ich es aber auch als positiv.

Um zu verdeutlichen, was ich meine:
Zu deinem Text würde es einfach passen, wenn der Prot auch mit den "alten" Kumpels Stress bekäme, weil dann die Moral wäre: "Man versucht sein Bestes und ist zu persönlichen Opfern bereit, stößt aber nur auf allseitige Ablehnung".
So, wie es da jetzt steht, lässt sich im Prinzip ein "Selbst wenn es jemand ernst meint, wird er nicht ernst genommen und kann deshalb gleich besser in der Szene bleiben" herauslesen.

Da ich dir nicht unterstellen möchte, dass dies deine Absicht war, würde ich dir einfach nur raten den Text noch einmal kurz zu überdenken und zu überarbeiten.


Dein Schreibstil war mir an einigen Stellen etwas zu bildlich:

Ein leichtes Schmunzeln flog über mein Gesicht
Da lässt sich doch viel besser "Ich musste grinsen" sagen. Nicht so umständlich. ;)

Ansonsten fand ich die Geschoichte formell sehr gut zu lesen, inhaltlich zu provokant. Sie könnte sich ein bisschen mehr aus sich selbst heraus erklären.

Gruß, Zensur

 

Erst nach vielen Jahren erzählte ich ihr den wahren Grund des Überfalls. Es war der letzte Abend unserer bis dahin so harmonischen Beziehung. Ich weiß nicht ob es meine Vergangenheit als Parteimitglied war oder die Tatsache, dass ich es ihr so lange verschwiegen hatte.

Mein Herz ist gebrochen, für immer !

Hallo BecksBoy,

und herzlich willkommen hier.
Für mich versaust du es mit diesem Ende leider ein bisschen. Das ist eine Auflösung, die die Geschichte nicht braucht und die ihr vor allem etwas von der Unmittelbarkeit nimmt. Es mag für den Prot wichtig sein, dass die Beziehung daran nach so vielen Jahren in die Brüche gegangen ist, für die Geschichte ist es irrelevant, es sei denn, du hättest sie doppelsträngig im Damals und Heute geschrieben.
Gut finde ich, dass letztlich nicht klar ist, wer deinen Prot vermöbelt, die Vergangenheit kann ihn aus beiden Richtungen eingeholt haben.
Schade finde ich, dass es so eine kurze Geschichte ist. Einstieg und Ausstieg in die Szene, Gedankengänge, Reiz der Szene, Empfindungen, das wird nur über den kurzen Moment transportiert, in dem die körperliche Gewalt genossen wird. Dadurch entsteht der Eindruck, das wäre alles gewesen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo erstmal!

Es freut mich, dass ich es endlich geschafft habe mich hier einmal anzumelden. Ich bin schon lange heimlicher Leser :)

@Zensur: danke für das Lesen der Geschichte und die umfangreiche Kritik. Die aufgezeigten Fehler habe ich korrigiert.

Zensur schrieb:
Ich denke mal, der Text wird nicht sehr begeistert von den Kritikern aufgenommen werden, da du meines Erachtens eine ziemliche Verschiebung nach rechts in deinem Text legst. Warum?
Nadjy wird dem Leser als blöde Schlampe präsentiert - Sie macht sich über den Prot lustig, nimmt ihn nicht ernst und weiß das was er für sie tut nicht zu schätzen.
Die AntiFa wird von dir als uninformierter Sauhaufen dargestellt, die zudem noch über die Maßen gewaltbereit sind.
Die Rechten dagegen - Ziemlich umgänglich...

Mit den meisten Vorwürfen/Kritiken hatte ich gerechnet. Das von dir empfundene Bild von Nadja als „blöde Schlampe“ finde ich schade. An ihrer Beschreibung werde ich wohl noch arbeiten müssen. Vielmehr beschreibe ich eine Frau, die mich persönlich auch faszinieren würde. Ein bisschen Ironie bzw. gegenseitiges Verarschen gehört für mich zu einer guten Beziehung. Zumal sie die Wunden des Prots liebevoll versorgt und sogar noch eine harmonische Beziehung über viele Jahre mit ihm führt, obwohl er nichts zu den Vorkommnissen sagen will.

Zur Antifa und den handelnden Charakteren sage ich doch so gut wie gar nichts ? Fakt ist für mich, dass dort Gewaltbereitschaft gegen Andersdenkende herrscht. Ob sie seinen Ausstieg nicht mitbekommen haben (wer trägt schon ein „Aussteiger“-Schild mit sich herum) oder ihm seine Vergangenheit trotz einer späteren Absage an Rechts nicht verziehen haben, habe ich offengelassen. Eine Wertung nehme ich auch nicht vor, da nicht die Antifa, sondern die Vergangenheit des Prots und der Umgang mit ihr gegenüber Nadja die Ursache für das heutige Leid sind. Der gewaltsame Überfall ist lediglich der Grund für den Prot es ihr irgendwann zu erzählen und somit das "Unglück" auszulösen.

Über die Aussage mit den „alten Jungs“ habe ich bereits beim Schreiben lange nachgedacht. Deine Empfindung der umgänglichen Rechten sehe ich nicht. Der Prot. trifft hin und wieder „ein paar“ der Leute, mit denen er vor dem Ausstieg zu tun hatte. Mit diesen Leuten war er bereits in der Schulzeit befreundet und nur diese Leute akzeptieren seinen Ausstieg. Über den Rest der Partei spreche ich nicht. Hätte ich jede Aussage sofort in einem Nebensatz relativiert, hätte ich meine eigene Geschichte in ihrer (absichtlich gewählten) Provokation beschnitten.

Zur Gewaltbereitschaft: der Prot. ist die einzige Figur deren Gefühle ich näher beleuchte. Er hat bereits Erfahrungen mit Gewalt gemacht und empfindet das Gefühl beim Einschlagen auf einen Gegner sogar als Faszination bzw. Gefühl von Macht. Da seine letzten gewaltsamen Auseinandersetzungen bereits länger zurück liegen, kann man sie (wenn man so will) in seine Vergangenheit als Rechter interpretieren. „Zum letzten Mal hatte ich mich in meiner Zeit als Nazi geprügelt“ – empfinde ich als zu plump.

Zensur schrieb:
Als ich die Geschichte anlas, dachte ich noch "Oh, bitte nicht schon wieder so eine Moralpredigt, in der der arme Aussteiger von den bösen Nazis zusammengedroschen wird, weil er jetzt eine ausländische Freundin hat."
Aber, dass dies jetzt nicht passiert ist, stört mich irgendwie. :D Gleichzeitig empfinde ich es aber auch als positiv.

Das freut mich. Ähnliches habe ich von Freunden auch schon gehört. Mir wurde auch davon abgeraten, die Geschichte Leuten zu präsentieren, die mich nicht kennen. Ehrlich gesagt hatte ich auch ein bisschen Magengrummeln.

Zensur schrieb:
Um zu verdeutlichen, was ich meine:
Zu deinem Text würde es einfach passen, wenn der Prot auch mit den "alten" Kumpels Stress bekäme, weil dann die Moral wäre: "Man versucht sein Bestes und ist zu persönlichen Opfern bereit, stößt aber nur auf allseitige Ablehnung".
So, wie es da jetzt steht, lässt sich im Prinzip ein "Selbst wenn es jemand ernst meint, wird er nicht ernst genommen und kann deshalb gleich besser in der Szene bleiben" herauslesen.

Würde es zu meinem Text besser passen oder würde es in höherem Maße den Anspruch einer moralischen Korrektheit erfüllen ? Der Prot. ist ja nicht wegen seiner Liebe ausgestiegen, sondern bereits vorher und aus eigenem Trieb. Dennoch war er lange Zeit Mitglied der Szene und muss nun für seine Fehler der Vergangenheit büßen. Zumal es eine politische Gesinnung ist, die er, aus welchen Gründen auch immer, falsch gewählt hat. Wäre er voll und ganz von der Sache überzeugt gewesen, wäre er wohl nicht ausgestiegen und hätte auch später wahrscheinlich nichts mit einer Polin angefangen.

Gegenbeispiel: ein Raucher der jahrelang ein Päckchen pro Tag raucht und dann auf Anraten seines Arztes aufhört, ist auch nicht davor geschützt, dennoch an Lungenkrebs oder einem Blutgerinnsel zu sterben. Welches von beiden ihn im Endeffekt tötet ist doch egal. Ich habe in meiner Geschichte das unpopulärere genommen. Würdest aufgrund solcher Geschichten (die es sicher gibt) auch zu dem Schluss kommen, dass das Aufgeben der Raucherei sinnlos ist ? Blödes Beispiel, ich hoffe es verdeutlicht meinen Gedankengang.

Das Thema Ausstieg sehe ich persönlich mehr als heikel. Wenn ein Stadtbekannter Nazi auf einmal mit langen Haaren und normalen Klamotten vor mir steht "hy, ich bin nicht mehr rechts" ... bleibt irgendwo ein fader Beigeschmack.

Zensur schrieb:
Dein Schreibstil war mir an einigen Stellen etwas zu bildlich:
Da lässt sich doch viel besser "Ich musste grinsen" sagen. Nicht so umständlich. ;)

Ansonsten fand ich die Geschoichte formell sehr gut zu lesen, inhaltlich zu provokant. Sie könnte sich ein bisschen mehr aus sich selbst heraus erklären.


Werde ich berherzigen. Danke für die vorurteilsfreie Herangehensweise an das Thema und die vielen sehr guten Denkanstösse.

 

Noch ein zweites Mal "Hi BecksBoy",

freut mich, dass du so ausführlich auf die Kritik eingegangen bist. :)

Mit Themen des Ausstieges erzählst du mir nichts Neues und ich bin auch recht aufgeschlossen gegenüber solchen Geschichten/Ideen, vor allem da ich Leute aus beiden Szenen kenne/kannte. Bin also kein kleiner Frischling bei solchen Gedankengängen. ;)

Die politische bzw. gesellschaftliche Korrektheit wollte ich deiner Geschichte keineswegs aufzwingen, sondern eher (wie sim dies schon direkt herausgelesen hat) den Konflikt ein wenig verschärft sehen. Also dies:

Zitat von sim
Gut finde ich, dass letztlich nicht klar ist, wer deinen Prot vermöbelt, die Vergangenheit kann ihn aus beiden Richtungen eingeholt haben.
Gerade dies liest man nämlich leider doch heraus. Besagte Stelle ist die hier:
„Bleib stehen du feiger Nazi“, rief einer meiner Verfolger.
Wenn du das "Nazi" durch (zum Beispiel) "Arschloch" ersetzt wird tatsächlich nicht mehr deutlich, wer ihn denn nun zusammenschlägt. Obs die Rechten sind, oder die AntiFa, die ihn belagert hatte.
So wie die Geschichte sich allerdings jetzt noch gestaltet, lässt du die Rechten und ihre Reaktion eben vollkommen unter den Tisch fallen (ausser den alten Freunden, denen seine und ihm ihre Einstellung egal ist/sind), die Linken dagegen werden präsentiert. ;)


Zu Nadja: Der Eindruck der "Schlampe" (ok, es war überspitzt wiedergegeben, genau wie mit den Linken in meiner Kritik - Wollte nur eben die unterschiedliche Beleuchtung verdeutlichen). entsteht für mich dadurch, dass die "Neckereien" einen mE recht bösartigen Ausdruck erhalten, wenn sie sagt "So kannst du dich doch draußen nicht zeigen" oder sie später mit ihm Schluss macht, nur weil er rechts war, obgleich er ihr über Jahre hinweg zeigt, dass er die Einstellung nicht mehr hat. Sie erscheint also ziemlich oberflächlich und unsympathisch, da in ihren Meinungen festgefahren.

Gruß, Zensur

P.S. Welche Leute könnten deine Geschichte besser und vorurteilsfreier beurteilen, als Leute die dich überhaupt nicht kennen? Jeder Freund und Bekannte wird gleichzeitig DICH mit kritisieren... und deshalb manches unausgesprochen lassen. :)

 

Hallo Sim, auch dir dankeschön. Das mit dem Ende verstehe ich noch nicht ganz. Würdest du den letzten Satz "ich weiss nicht, ..." weglassen ? Ich beginne doch in der Gegenwart, in der der Prot noch einmal alles Revue passieren lässt.
Das mit dem offenlassen der Richter hast du, wie zensur auch bemerkt, falsch verstanden. Durch die Benutzung des Wortes "Nazi" ist ziemlich klar, wer in dem Auto sitzt. Über eine Korrektur in "Arschloch" werde ich nachdenken. Es ist auf jedem Fall eine gute Option.
Gedanken und Emotionen in der rechten Szene spielen meiner Meinung nach in dieser Geschichte eine eher untergeordnete Rolle. Über soetwas in die Richtung habe ich mir vor Jahren auch schon einmal Gedanken gemacht, aber nicht für diese Geschichte.

Zensur schrieb:
...oder sie später mit ihm Schluss macht, nur weil er rechts war, obgleich er ihr über Jahre hinweg zeigt, dass er die Einstellung nicht mehr hat. Sie erscheint also ziemlich oberflächlich und unsympathisch, da in ihren Meinungen festgefahren.

Speziell in dem Punkt hast du recht. Das ist etwas unglücklich, vielleicht finde ich eine bessere Version.

Zensur schrieb:
P.S. Welche Leute könnten deine Geschichte besser und vorurteilsfreier beurteilen, als Leute die dich überhaupt nicht kennen? Jeder Freund und Bekannte wird gleichzeitig DICH mit kritisieren... und deshalb manches unausgesprochen lassen. :)

Inhaltlich hast du recht. Deswegen habe ich mir schon lange vorgenommen, hier einmal etwas zu veröffentlichen. Menschlich können mich Freunde einfach besser einschätzen. Gerade mit dem gewählten Verlauf dieser Geschichte laufe ich immer die Gefahr in einer falschen politischen Ecke zu landen.

 

Hallo BecksBoy,

in der Tat schaffst du einen Rahmen, einen, dessen Beginn ich zum Ende der Geschichte allerdings wieder vergessen hatte.
Das scheint mir ein Problem des Aufbaus zu sein.
Was ist also Thema deiner Geschichte? Der Ausstieg aus der Neonaziszene oder der Verlust der Freundin?
Wenn es der Ausstieg aus der Neonaziszene ist, dann ist der Rahmen zwar nicht ummöglich, aber überflüssig.
Wenn es der Verlust der Freundin ist, dann ist die Verfolgungs- und Prügelszene in der Geschichte zu gewichtet.
Für beides gilt, die Trennung bleibt für den Leser genau so unverständlich wie für den Protagonisten selbst. Er hat nicht so genau begriffen, warum sie ihn verlassen hat, also kann er es auch nicht erzählen. Nur, solange er es nicht erzählen kann, sollte er es auch nicht tun.

Natürlich hängen Trennung und "Szene" irgendwie zusammen, das wie aber bleibt im Dickicht.
Hinzu kommt, dass gemeinsames Leben und die Vergangenheit in der Partei sich anscheinend nie berührt haben. Keine daraus resultierenden Konflikte, die die Beziehung belasteten, kein Hängenbleiben im Selbstwertgefühl des Protagonisten? Wie erlebt er seine Vergangenheit und seinen Ausstieg psychisch? Hat er damit abgeschlossen? Warum wird es dann Thema zwischen seiner Freundin und ihm?

Gedanken und Emotionen in der rechten Szene spielen meiner Meinung nach in dieser Geschichte eine eher untergeordnete Rolle.
Diese Aussage legt nahe, dass es dir um den Bruch der Partnerschaft geht. Dann nimmt der andere Teil für mich zu viel Raum ein.
Es gibt mE also zwei Möglichkeiten. Entweder der Prot packt auch beim Leser alles aus, was er an dem Abend der Freundin erzählt hat oder aber er zeigt mehr von dem Konflikt den er bei der Trennung mit seiner Freundin hat, taucht etwas mehr in die Schwierigkeiten der Beziehung ein.
Auch wenn er sie zum Ende als "harmonisch" beschreibt, was ich seinem Empfinden sogar glaube, scheint es mir psychologisch nicht zwingend zu sein, dass sie ihn verlässt, weil er ihr von diesem einen Joggingerlebnis erzählt.
Den Eindruck ereckst du aber.

Vielleicht ist die Geschichte deshalb für mich noch so unstimmig.

Lieben Gruß, sim

 

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