Der Bettler
Sein Gesicht ist eingefallen und eine kleine Narbe ziehrt seine rechte Wange. Die Hose ist mit mehreren Flicken zusammen gehalten und sein Atem riecht nach starkem Alkohol.
„Hast du mal einen Euro für mich?“, haucht er und seine Fahne weht mir ins Gesicht. Ich möchte schon ansetzen zu einer Lüge, da besinne ich mich eines Besseren und krame in meiner Tasche herum. Ich werde hektisch und frage mich wieso. Weil er mich mit glasigen Augen anstarrt oder, weil er seine Krücken mit festem Griff umklammert? Mein Herz klopft ein wenig schneller und meine Hände beginnen zu schwitzen. Ich versuche diese absurden Panikgefühle zu unterdrücken, während meine Hand endlich das Eurostück umschließen.
„Hier“, sage ich und achte peinlich genau darauf, dass meine Fingerspitzen nicht seine Haut berühren. Gerade möchte ich mich abwenden, da umgreift er mein Handgelenk. Ich werde starr vor Schreck.
„Währst du so gut und kaufst mir schnell eine Flasche Alkohol?“, kräzt er mit heiserer Stimme, zeigt auf das Geschäft hinter sich und legt noch zwei weitere Eurostücke in meine Hand. Seine Hand umklammert immer noch mein Handgelenk. Ich möchte gerade protestieren, da er meiner Meinung nach genug Alkohol im Blut hat. Seiner immer fester werdender Griff verleitet mich zu einer anderen Entscheidung.
„Also gut“, stammel ich und erwarte, dass er mein Handgelenk los lässt, als ich jedoch auf meinen Arm hinunter blicke, ist seine Hand längst verschwunden.
Mit zitternden Händen streife ich mit Blicken das Alkoholregal.
Wozu habe ich mich da nur eingelassen?, schießt mir durch den Kopf und ich schiele durch das Fenster des Geschäfts. Es kommt so vor, als könnte er mit seinen eindringlichen Augen direkt in mein klopfendes Herz blicken. Ich richte wieder meine Aufmerksamkeit auf das Regal und bilde mir ein, dass alle Blicke an meinem Rücken haften. Mir ist das furchtbar peinlich und mein Gesicht fühlt sich immer heißer an.
Endlich greife ich eine Flasche und gehe mit immer heftiger klopfendem Herzen zur Kasse.
Wütend funkelt er mich an.
„Was fällt dir ein, du Göre? Ich sagte Alkohol!“
Seine Augen sprühen Funken und seine Lippen sind zu einem schmalen Strich aufeinander gepresst.
„Aber ich dachte Wasser wäre besser“, stammele ich leise und zeige auf die Wasserflasche in seiner Hand. Der Bettler schreit auf und schmeißt die Wasserfalsche auf den Boden, sodass sie in tausend Teile zerbarst. Ich weiche unwirkürlich einen Schritt zurück. Der Bettler packt meinen Oberarm und zieht mich zu sich heran.
„Jetzt pass mal auf, ich brauche keinen jugendlichen Babysitter, verstanden? Wenn ich sage Alkohol, dann meine ich auch Alkohol“, zischt er und seine Fahne weht mir erneut mitten ins Gesicht.
„Dann besorgen sie sich das Zeug das nächste Mal selbst“, zische ich, mit einem kurzen Aufbäumen meiner Selbstachtung, zurück und löse mich aus seinem Griff.
Mit klopfendem Herzen, zitternden Händen und schnellen Schrittes eile ich davon.