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Der Busch

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10.04.2006
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Der Busch

Ein heißer Sommertag. Das Eis rinnt über ihre Fingerspitzen und doch friert sie.
„Pistazie, Walnuss“, sagt er. „Wie kann man so was nur mögen, Anne?“
Der ausdruckslose Gesichtsausdruck, mit dem sie ihn quittiert, spricht Bände. Sie haben sich schon lange nichts mehr zu sagen. Er zündet sich eine Zigarette an und stößt Rauch durch seine Nasenlöcher aus. Sie hasst seine Art zu rauchen. Angewidert, konzentriert sie sich wieder auf ihr tropfendes Stanitzel. Er, großgewachsen, durchtrainiert, in teuren Markenklamotten und sie, zwei Köpfe kleiner, von zierlicher, aber sehr weiblicher Statur, in ihrem neuen Designerkleidchen, ergeben ein sehr hübsches Paar. Die wohlwollenden Blicke der Leute, die im Schlossgarten zwischen Rosenbeeten und gestutzten Büschen spazierengehen, berühren Anne schmerzlich. Sie zieht sich ihren Blazer über.
„Dir wird doch wohl nicht kalt sein?“, fragt er spöttisch. Sie antwortet nicht.

Stumm schlendern sie den breiten Betonweg entlang, den Duft der Rosen in der Nase.
Abrupt bleibt sie vor einem, zu einem Reh geschnittenen, Busch stehen. Sie sieht einen Blutstropfen aus der Pflanze auf den grünen, frischgemähten Rasen tropfen. Erschrocken zuckt sie zusammen. An immer mehr Stellen trieft der rote Saft herunter. Sie denkt an den Menschen, der diesem einst wunderschönen, natürlichen Lebewesen diese Wunden zugefügt hat. Sie sieht den „Künstler“ vor sich, wie er es mit der Kettensäge bearbeitet, ihm die Äste abschneidet, es verstümmelt. Ungeachtet der Schmerzen, die er ihm zugefügt, grinst er ein blutverschmiertes Lächeln, zufrieden mit sich und seinem Werk.
„Beeindruckend, nicht wahr?“ sagt Martin, der ebenfalls den Busch ansieht.
Er ist ihr Künstler, ihr Metzger. Er hat sie, das einst wilde, ungebändigte Wesen, beschnitten, zurechtgestutzt und eine leblose, hübsche Puppe geschaffen.

Eine Frau kommt auf die beiden zu. Ihre Schuhe sind so rot und spitz, wie ihre Fingernägel. Das ist eine von seinen zahlreichen Gespielinnen. Anne ist sich sicher. Auch wenn er ihr keine von ihnen vorstellt, weiß Anne, dass es sie gibt. Früher hat ihr das nichts ausgemacht, zumindest glaubt sie das. Sie ist die einzige, die er wirklich liebt. Sein Ein und Alles. Seine Kameradin. Sein willenloses Spielzeug.
Die Frau tut so, als würde sie ebenfalls den grünen Leichnam bewundern. Mit angespanntem Unterkiefer, verfolgt Anne Martins Blick, der auf dem dunklen Spalt im Ausschnitt der roten Frau, seine Ruhe findet. In der Sekunde klinkt Anne sich aus dem Geschehen aus.

Sie steht auf einer bunten Blumenwiese. Der Busch steht in seiner ursprünglichen Form vor ihr, unangetastet und wunderschön. Lichterwesen erscheinen.
„Da seid ihr! Meine Engel! Ihr seid wundervoll! Ich liebe euch!“, jubelt sie den Gestalten, in einem Singsang, zu. Sie breitet die Arme aus und dreht sich um sich selbst. Einige der Lichtergeister heben den Busch hoch und tragen in gen Himmel. Die anderen schweben um Anne herum. Glücklich tanzt sie mit ihnen und spürt deren durchdringende Wärme. Sie wispern ihr tröstende Worte zu, die ihre Augen mit Tränen füllen. Da hört sie eine Männerstimme, die ihren Namen ruft.
„Nein, noch nicht!", schreit Anne. „Ich will hier bleiben.“
Die Lichtgestalten verwandeln sich in dunkle Schatten, die sich langsam verziehen, bis nichts mehr von ihnen übrig ist.

Sie steht nackt im Schlosspark. Martin steht vor ihr mit drei uniformierten Männern.
„Schon gut, Herr Wachtmeister. Ich hab sie schon im Griff. Ist ja nicht das erste Mal.“ sagt er ruhig zu den Männern.
„Na komm schon, Anne!“
Gehorsam, wie ein kleines Mädchen, sammelt sie BH, Slip und Kleid vom Boden auf und geht zu ihm. Wortlos lässt sie sich von ihm ankleiden.
Hand in Hand gehen sie zu ihrem nagelneuen, metallfarbenen BMW und fahren nach Hause.

 

Hallo scribine,

es bricht etwas in die Fassade aus Reichtum. Vielleicht gehört die Ignoranz dazu, mit der Martin reagiert. Denn natürlich ist seine Frau behandlungsbedürftig und mit seiner Aussage verweigert er ihr die Hilfe.
Behandlungsbedürftig nicht, weil sie Fantasie hat oder sich im öffentlich zugänglichen Schlosspark auszieht. Behandlungsbedürftig auch nicht, weil sie das Blut eines Busches rot statt weiß sieht. Aber sie ist unglücklich und statt sich dem Unglück zu stellen, flüchtet sie in eine Fantasie, dissoziiert sie.
Mir persönlich sind die Charaktere zu drastisch. Natürlich müssen es die Designerklamotten sein, der Erfolg, der BMW. Und natürlich muss der Mann über alle Bedürfnisse seiner Frau hinweggehen, fremd gehen (wenigstens in ihrer Fantasie). Es gibt ja solche Männer und es gibt Kommunikationslosigkeit, in dieser Geschichte wird aber so der Eindruck vermittelt, nur dieser eine Mann sein mit seiner Ignoranz schuld am Zustand der Frau, Kommunikationsschwierigkeiten gibt es nur wegen seiner Art. Selbst postive Gedanken werden schnell ins Negative verkehrt (Sie ist die Einzige, die er liebt = Kameradin (sexuell uninteressant) = willenloses Spielzeug).
Du käuerst also nur das Klischee vom bösen verständnislosen Mann (der Gärtner ist selbstverständlich auch einer, obgleich niemand gesehen hat, ob nicht vielleicht eine Frau das Reh geschnitten hat) wieder, verantwortlich für alle Psychosen dieser Welt.

Da kannst du noch so gut schreiben. Da kannst du noch so geschickt eine hübsche analogie von der Zerstörung des Buschs zu der Zerstörung der weiblichen Seele aufbauen, in der Kernaussage bleibt deine Geschichte die Zeitung von gestern.

Sorry, sim

 

Hallo sim,
danke für diese erste Kritik, auch wenn sie negativ ausgefallen ist. Für mich persönlich ist sie aber kein Totalveriss, darüber bin ich schon mal froh. Wenigstens darf ich ihr entnehmen, auch wenn ich weiß, dass du das nur geschrieben hast, um klarzumachen, dass du den Inhalt platt findest, dass die Geschichte nicht so schlecht geschrieben ist. Außer natürlich du meinst, selbst wenn die Geschichte gut geschrieben wäre, dann kann ich mir das herausgepickte positive gleich wieder abschminken;)
Zum Inhalt: Ja, natürlich steht der Mann, als der Böse da, weil sie ihm ja die Schuld an allem gibt. Extrem sind die Charaktere, es ist überzeichnet. Aus ihrer Sicht gibt es nichts positives mehr an ihm, was nicht heisst, dass das immer schon so gewesen ist. Wahrscheinlich kommts aber so rüber, weil es ja aus ihrer Sicht geschrieben ist und sie seine positiven Seiten nicht mehr sieht. Das mit dem Gärtner, hast du ein wenig überinterpretiert. Habs jetzt nochmal gelesen und die Stelle heißt ja:

Sie denkt an den Menschen, der diesem einst wunderschönen, natürlichen Lebewesen diese Wunden zugefügt hat.
Der "Künstler" ist halt ein männliches Nomen, ich könnte da natürlich politically correct die KünstlerIn oder so schreiben, aber damit hab ich bisjetzt noch nicht so richtig angefreundet. Andererseits ist es aus Annes Sicht wohl ein Mann, weil sie ihn ja mit Martin vergleicht und sie hat einen Hass auf Männer, weil sie total verbittert ist.
Klischeehaft ist es, das war auch meine Intention. Der Beginn ist für mich ein bißchen Rosamunde-Pilcher-mäßig mit dem Bruch, dass sie halt austickt. Hab jetzt eh schon zu viel erklärt, eigentlich sollt ich lieber drauf warten, was andere Kritiker hineininterpretieren.
lg
scribine

 
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Hi scribine,

Die Geschichte ist nicht schlecht, reißt mich aber auch nicht vom Hocker.
Hauptgrund, ist, dass es sie in ähnlicher Form schon recht oft gibt. Vom Inhalt selbst, möchte ich sie gar nicht kritisieren. Ich sehe nicht nur den Mann als den Bösen, sondern auch die Mitschuld der Frau, die sich ja gar nicht vom Luxis befreien will. Das könntest du stärker herausarbeiten. So wie es in der Geschichte steht, verstehe ich sie nicht. Warum bleibt sie den noch bei ihm? Es muß etwas geben, dass für sie selbst wichtig ist.
Ansonsten finde ich, sind die Bilder etwas Klischeehaft ausgefallen. DAs könntest du eleganter beschreiben. z.B in dem du die Designerkleidung genau beschreibst und dass sie bei Valentino oder so gekauft wurde.

Es ist ein heißer Sommertag.
Den könntest du verkürzen: Ein heißer Sommertag.

Sie hatten sich schon lange nichts mehr zu sagen.
haben; der Text beginnt in der Gegenwart

Er, großgewachsen, durchtrainiert, in teuren Markenklamotten und sie, zwei Köpfe kleiner, von zierlicher, aber sehr weiblicher Statur, in ihrem neuen Designerkleidchen, ergeben ein sehr hübsches Paar.
Beistrich

Der Busch steht, in seiner ursprünglichen Form vor ihr
Beistrich gehört weg

Sie wispern ihr tröstende Worte zu, die ihre Augen mit Tränen füllen.
die tröstenden Worte sollten gerade die Tränen verhindern

L.G.
Bernhard

 
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Hallo Bernhard!
Danke fürs Lesen und deine Kritik. Du hast recht, ich denke das ist kein Meisterwerk;) Im Moment gehts mir aber auch mehr darum, überhaupt wieder ins Schreiben reinzukommen, da ich das letzte Mal mit zwölf oder so (und das ist schon ein zeitl her;)) freiwillig etwas geschrieben habe. So gesehen ist das mehr eine Fingerübung.
lg
scribine

P.S.: Ach ja, das mit den Tränen. Man kann ja sehr wohl auch aus Freude oder Rührung weinen, deswegen finde ich das nicht so absurd.

 

hallo scribine

die Thematik, von sim sehr gut zusammengefasst, finde ich auch interessant und seltsam.

stilistisch ist das hier nur leider nicht sehr gut. mal lange, beitrichlastige Sätze, dann ganz kurze Sätze, aus dem nichts wörtliche Reden, usw.

gruß

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Aris,
danke fürs Lesen.

die Thematik, von sim sehr gut zusammengefasst, finde ich auch interessant und seltsam
Na wenigstens steht die Geschichte dann ja in der richtigen Rubrik;)
Die Interpretation von Sim ist gut, bis auf die Männerfeindlichkeit. Da fand ich interessant, dass Bernhard das offensichtlich nicht so empfunden hat und die Mitschuld der Frau erkannt hat. Da sieht man wieder, wie unterschiedlich Texte interpretiert werden.
Mit den beistrichlastigen Sätzen magst du recht haben. Die kurzen gefallen mir persönlich besser. Das hätt ich wohl einheitlicher machen sollen.
"Aus dem Nichts wörtliche Reden" kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Vielleicht kannst du die Stellen, die dich besonders gestört haben auflisten, aber nur wenn dir das nicht zu mühsam ist.
lg
scribine

 

Es ist mehr der Gesamtkontext, indem du die wörtlichen Reden eingeflocht hast. Es ist nicht Ästhetisch, keine Linie zu erkennen, kein Aufbau. Die HAndlungen, die geschehen, sind nicht abgeschlossen, so dass dann die wörtliche Rede unverhofft in den Text einfällt.

Verstehst du das?

 

Hallo Aris,

ich denke, ich verstehe schon, was du meinst. Kommt wohl nicht so rüber, wie ich mir das vorgestellt habe. Muss noch viel lernen, aber dafür sind die verschiedenen Sichtweisen sehr hilfreich.
Danke für deine Erklärung.

lg
scribine

 

Hallo scribine,

ich denke auch, dass du etwas klischeehaft an die Sache rangehst. Doch die Idee mit dem Busch und der doch überraschend `fantasiebegabten´ Frau finde ich im Grunde genommen ansprechend.
Vielleicht kannst du Andeutungen einfügen, die den Mann im Nachhinein nicht gar so `schuldig´ aussehen lassen, seine Reaktionen durch leidvolle Erfahrung mit seiner Partnerin erklärt werden. (Dies wäre auch ein Aha-Effekt für den Leser - nun gut).

Versuche, Einschübe zu vermeiden:

„Ungeachtet der Schmerzen, die er ihm zugefügt, grinst er ein blutverschmiertes Lächeln, zufrieden mit sich und seinem Werk.“

(„blutverschmiertes“ empfand ich als zu stark - aber wenn es ihre Fantasie ist …)


„Abrupt bleibt sie vor einem, zu einem Reh geschnittenen, Busch stehen“

Deine wörtliche Rede halte ich nicht für zu unvermittelt (manchmal kündigst du sie auch an), ein Stil, den man doch häufig findet.

Texthinweise:

„Sie sieht den „Künstler“ vor sich“

- Keine ganzen Anführungszeichen, die nimmst du ja für die wörtliche Rede. (‚Künstler’)


„In der Sekunde klinkt Anne sich aus dem Geschehen aus.“

- In dieser Sekunde; sofort (Im selben Augenblick)

„Ich liebe euch!“, jubelt sie den Gestalten, in einem Singsang, zu“

- Nachgestelltes „zu“ vermeiden.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,
danke fürs Lesen und deine Kritik. Das klischeehafte wurde ja schon von allen hier kritisiert und das nehm ich auch zur Kenntnis. Schön find ich schon mal, dass dich die Idee mit dem Busch angesprochen hat.

(„blutverschmiertes“ empfand ich als zu stark - aber wenn es ihre Fantasie ist …)

ja, also das war schon absichtlich so drastisch. Sie sieht das alles so blutrünstig, weil sie sich ja mit dem Busch vergleicht.

Deine wörtliche Rede halte ich nicht für zu unvermittelt (manchmal kündigst du sie auch an), ein Stil, den man doch häufig findet.

Gut zu wissen, dass man das schon so macht :)

Vielen Dank auch für deine Texthinweise und Anmerkungen, sind sehr hilfreich. Werd das ausbessern. Irgendwie muß ich aber grad noch ein bißchen Gras drüber wachsen lassen, bevor ich mir den Text nochmal, mit etwas Abstand, durchlesen kann. Ist bei mir irgendwie so.

lg

scribine

 

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