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Der dunkle Wein des Madiran

Monster-WG
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10.09.2014
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Der dunkle Wein des Madiran

Dieser Wein ist rau und grob, beinahe brutal.
Als Robert hier war, hat auch Lotta ihn probiert – und ausgespuckt. „Ich denke, du hast Weinverstand?“, hat sie gesagt, „Und dann trinkst du so was?“
Was konnte ich darauf antworten? Natürlich hatte sie recht.
Sie ist verstimmt, weil der Wein wirklich Ecken und Kanten hat – und ich bin beleidigt, weil sie mich vor Robert wie einen Trottel dastehen lässt. Wieso putzt sie mich in seiner Anwesenheit runter?
Hätte sie nicht sagen können: „Wow, ein echter Herrenwein!“ und gut wär’s gewesen – aber nein, sie muss den Finger in die offene Wunde legen. Solche Situationen zu schaffen, hat sie besonderes Talent.
Okay, der Wein ist zu jung. Ein wilder Kerl aus dem Vorland der Pyrenäen, das Gegenteil eines samtigen Burgunders – doch nach einigen Jahren wird er nicht nur runder, sondern erlangt eine beeindruckende Größe. Vielleicht reißt sich deshalb die ganze Welt um ihn; er gehört in die Kategorie ‚Must unbedingt have’. Ich hätte reifen Wein im Keller, muss mich selbst fragen, warum ich den Madiran raufgeholt habe. Aber eigentlich weiß ich es schon.
Es ist meine Eitelkeit. Ich wollte wieder mal angeben, zeigen, welche Schätzchen ich habe. Statt irgendeinen genussversprechenden Roten zu köpfen, musste es dieser Exot sein. “Irouléguy, Domaine Arretxea“ sage ich beiläufig.
Robert sieht mich verwundert an und meint: „Hubby, wär’s nicht besser, den noch paar Jahre liegen zu lassen?“, und ich muss kontern: „Ach, wollte nur mal sehen, wie weit er schon ist.“
Das war schon blöd genug, aber ich muss noch hinzufügen: „Macht nichts, hab ja genug davon.“
„Dir geht’s wirklich zu gut“, grummelt Robert, ich will ihn besänftigen und sage: „Nee, das nun nicht gerade, nur: Bordeaux hat jeder – den aber nicht!“
Wir haben bald aufgehört, zu politisieren, er müsse früh raus, sagte er. War sein letzter Besuch bei uns. Liegt schon viele Jahre zurück. Im gleichen Jahr ging Lotta.

Ich drehe am Dimmer der Schreibtischlampe, weich und milde wird das Licht, Lebenslicht! fährt es mir durch den Kopf. Ich kann bestimmen: hell oder dunkel, ein oder aus – nur so als Idee. Oder ich zerdeppere alles mit dem Hammer.
Solche Gedanken überkommen mich in letzter Zeit häufig. Ich merke, dass ich mich verändere, langsam, aber fortwährend. Seit Roberts letztem Besuch wird mir das klar. Weiß nicht, ob sich nur unangenehme Eigenschaften verstärken, oder auch die positiven. Schließlich soll man im Alter gütig und weise werden, mild und nachsichtig.
Sich selbst gegenüber nachsichtig? Oder doch eher grüblerisch, pessimistisch, an manchen Tagen depressiv.
Was soll dieses freudlose Siechen, der stumpfsinnige Tagesablauf? Zwar könnte ich machen, was mir einfällt, Geld hätte ich. Ein Trip nach New York, oder doch lieber Ladakh? Gott bewahre.
Ohne Lotta dimmt sich das Licht beinahe von selbst.

Dunkle Eiche, darauf die alte Briefwaage, Drehscheibentelefon, ein schwerer Brieföffner – Überbleibsel einer vergangenen Zeit, Deko für den matt glänzenden PC.
Vergangene Zeit? Nicht ganz, ich leb’ ja noch!
Und ich schreibe. Nach einigen Kurzgeschichten nun mein erstes Buch. Es handelt nur von mir, von Jugendsünden und Erwachsenwerden, geschäftlichem Erfolg und verratener Freundschaft. Das Drama mit Lotta bleibt ausgespart, das würde mich beim Schreiben nur verbittern. Wozu Frauen fähig sind! Da könnte ich ins Glas beißen, auch wenn sich der Mund mit Blut füllt statt mit Wein.

Je nun, sie hatte ihren Teil bekommen, hundertmal mehr als ihr zustünde. Es war ein scheußliches Ping-Pong – des einen Triumph war des anderen Schmach. Da wurde gefetzt und niedergemacht; vom Honorar der Anwälte hätten wir uns ein Schloss kaufen können. Unterm Strich blieb Verbitterung, auch Verwunderung, wie idiotisch sich erwachsene Menschen verhalten können. Ja, das galt auch für mich.
Wie oft hatte Lotta gesagt, dass mein Geld für sie keine Rolle spiele. Nur der Mann Hubertus würde ihr imponieren und nur wegen seiner Vorzüge und Fähigkeiten liebe sie ihn.
Weil aber mein Anwalt gerissener war als der Gegenspieler, vergaß sie ihre Beteuerungen und beschimpfte mich: Was ich mir einbilde, wie ich sie schikaniere, schließlich habe ich sie nicht auf dem Sklavenmarkt gekauft. Ist eine Frau aus Litauen weniger wert als eine deutsche? Und ich brauche mich nicht zu wundern, nur weil sie sich genommen habe, was ihr zustünde. Schließlich wäre es ihr gutes Recht, sich mit meinem Geld freizukaufen!
Ich greife zum Korkenzieher. Das kann sie nicht gemeint haben, der Anwalt hat ihr das eingeflüstert. Lotta ist anders.
Werden echte Gefühle als gefälschte dargestellt? Spielt jeder – sogar ich – nur eine Rolle, des eigenen Vorteils oder verletzter Gefühle wegen?

Ich werde noch verrückt, muss dieses Buch schreiben; meine letzte Chance, etwas Sinnvolles zu tun. Beim Schreiben werden sich die Gedanken ordnen. Und auch, wenn es kein Schwein lesen will, dann tu’ ich es eben für mich, basta.

Zu Ostern ist es so weit, dass ich allen Ernstes sage: „Das Werk ist vollendet“.
Das hallt merkwürdig in den hohen Räumen. Dass es gestelzt wirkt, nehme ich hin.
Ist doch einerlei, es hört ja niemand.

Bald kommen mir allerdings Zweifel, mir fehlt Lottas Urteil.
Die Selbstsicherheit ist weg und ich beginne, am Text herumzuoperieren.
Meine damals aufregenden Erlebnisse erscheinen jetzt immer läppischer und fader. Ich könnte sie anreichern mit tollen Begebenheiten, die ich irgendwann aufgeschnappt habe. Und das Gerede um Authentizität – da pfeif’ ich drauf! Wäre immer noch meine Geschichte, nur etwas ausgeschmückt. Die Leute wollen Sensationen. Es muss krachen und spritzen, Champagner, Blut, Sperma. Hauptsache Action.
Alles Blödsinn, einen Bestseller hab ich nicht im Sinn. Ich hantiere mit Worten, stelle um und tausche aus. Wie ein Maurer mit zu dünnem Mörtel die Steine nicht ordentlich in die Reihe bekommt, so verschiebe ich Sätze und Abschnitte; die Wand wird krumm, die Schreiberei strapaziert mich.
Etwas fehlt, das ich nicht genau benennen kann. Etwas Großes, Tiefes, Edles oder Tragisches – jedenfalls mehr als ein mit Vollgas gelebtes, aber flaches Leben.
Im Grunde genommen hab ich nur gekauft und verkauft, erst Zigarren und Wein, später Immobilien. Hab kein Menschenleben gerettet, niemandem geholfen, keinen Frevel verhindert – und eine Familie, für die ich mich hätte aufopfern können – hehe, die hätte mir gerade noch gefehlt!
Aber dann bin ich doch nach Vilnius gefahren.

Durch das ständige Grübeln entsteht das merkwürdige Gefühl, Termiten im Kopf zu haben, irre zu werden. Eine Cohiba wäre gut, doch die hat der Arzt verboten. Also muss kühler Wein her! Den gieße ich in hohem Strahl ins Glas, damit sich der leichte Rote mit dem Beerenduft wie ein magischer Trank mit tausend Luftbläschen vermählt und champagnergleich über die Zunge bizzelt. Der Sex der alten Herren – mit einem schiefen Lächeln strecke ich mich. Wie konnte sich dieser Wahnsinn mit Lotta entwickeln, hochschaukeln, aus dem Ruder laufen?

Der Lemberger ist ausgetrunken, doch ich fühle mich unzufrieden und verspannt. Der Wein war nett, mehr nicht – jetzt muss stärkeres Kaliber her.
Der Keller ist mein Stolz; es gibt Weine für jede Gemütslage, allerdings kann ich mich nicht entscheiden. Vielleicht ein Spanier, oder einer von der Rhône? Doch dann fällt mein Blick auf den Madiran – ich weiß noch, wie ich die Karte nahm und auf ein Kaff tippte, irgendwo zwischen Bordelais und Pyrenäen.
„Ich fahr’ mal ’ne Woche nach Maumusson“, sagte ich und wusste, dass Lotta sowieso zu Hause bleiben würde.
Dann düste ich dahin, mit dem großen Schlitten – achtzehn Stunden am Stück, kein Problem. Nur einmal hatte ich Sekundenschlaf, als mich die Motorradfahrer überholen wollten. Aber die sind ja für ihre gute Reaktion bekannt. Lotta hätte einen Nervenzusammenbruch gekriegt.

Fürs Dekantieren fehlt die Zeit, trotzdem ist der Wein großartig; nach neun Jahren hat er die Kratzbürstigkeit verloren und ein wundervolles Bukett entwickelt. Ich versuche, einen philosophischen Gedanken zu formen über Alter und Reife von Mensch und Wein, leider gerät mir alles zu platt.
Man sagt, bei Texten sei es auch so – die sollten ebenfalls etwas liegen, und obwohl sie allein dadurch nicht besser werden, gewinnt der Autor Distanz und erkennt bei erneutem Annähern gute und schlechte Seiten seines Werkes. Ich komme nicht umhin – Lotta muss mit ins Buch.
In dunklem Lila hockt dieser Koloss von einem Wein im Glas. Soviel Substanz sollte mein Text haben! Ich schwenke das Glas um und um, violette Schlieren haften am Inneren, eine betäubende Wolke von Schwarzbeer-Kirsch, Gewürzbasar und Eichenfass steht über meinem Schreibtisch. Ich trinke in kleinen Schlucken, bin in Gedanken wieder dort unten, sitze unter gigantischen Zedern und bekomme Appetit auf Ente mit Trüffeln. Und auf Leben.
Aber dieser Zug ist abgefahren. Mir bleibt die Tastatur des PC.
Mit Lotta war das besser, viel besser. Nur hat es keinen Sinn, daran zu denken. Und vielleicht vermisse ich sie nur, weil ich sie nicht mehr habe?
Ich weiß es nicht. Wäre sie da, würde ich zurückrudern in meinem verletzten Stolz, jetzt wäre ich bereit einzusehen, dass ich verrückt war, im Suff, im Erfolg, in meiner Rolle als Hans Dampf in allen Gassen.
Einmal geriet sie in Rage und hat mich ‚Egomane’ genannt. Ich weiß nicht, ob sie recht hat, doch möglich wär’s. Aber wie sonst hätte ich überleben können?

Ich fühle mich nicht gut, bleibe oft im Bett. Meine Freunde sind nicht mehr, aus verschiedenen Gründen. Alle Welt hat sich zurückgezogen. Nachdem Lotta gegangen war, fiel die Temperatur im Haus ganz empfindlich. Plötzlich Stille. Keine Musik, mal ein Zischen beim Espressomachen, das Summen der Mikrowelle – aber sonst? Ein Totenhaus.
Einmal hatte ich Dvoȓák aufgelegt. Jessas, da stiegen mir die Tränen in die Augen – so viel Schönheit, so viel Hoffnung, wie die Musik anschwillt, immer kraftvoller emporschwingt, mich herausreißen will aus meinem Trübsinn – aber ich umklammere mein Glas und heule. Alleinsein ist eine harte Disziplin.
Lotta war laut, oft zu laut. Ständig am Plappern, am Telefonieren, Schlagermusik, Stilettostakkato, Haarföhn.
Doch diese Stille quält.

Jetzt, wie der Wein Luft bekommt, dehnt er sich aus. Ich sehe die Reben hinter weißen Feldsteinmauern, mit wilden Brombeeren und Berberitzen, Maulbeerbäumen und Ginster. Im ganzen Raum wabert sein herrlicher Duft. Er kriecht in mich, mit jedem Schluck, knetet Herz und Seele. Wie ungestüm verliebt zu sein – ich denke an unser erstes Treffen in Vilnius und gieße andächtig nach, sitze in diesem verschnörkelten Kaffeehaus, mit seinen befrackten Obern und den verschnörkelten Törtchen. Eine große schöne Frau kommt herein, Haar wie Strandhafer, strahlende Augen, obwohl es ein regnerischer Tag ist. Ich glaube an ein Versehen, als sie auf mich zugeht. Aber nein, das ist mein Date!

Wir hatten uns beschwatzen lassen von ‚neuer litauischer Küche’, Restaurant „Avantgarde“ – unbedingt probieren!
Es war grauenhaft, glücklicherweise brach sie das Menü ab. Der Oberkellner fiel aus allen Wolken, zieh uns der Unkenntnis, und sie kochte für uns zu Hause etwas Schönes. Weiß gar nicht mehr, was das genau war, ich aß mit hungrigen Augen. Und es sprühte Gold, als wir feststellten, dass wir nicht nur bei Tageslicht fantastisch zusammen passten. Sie faszinierte mich, in ihren schönen Armen, zwischen ihren festen Schenkeln.

Der Wein füllt mich aus mit seiner geballten Kraft und Wärme. Winzer hätte ich werden sollen – etwas erschaffen aus Reben und Erde! Alles bestimmen, einen Wein keltern nach den eigenen Vorstellungen, als Kopie des eigenen Charakters. Mit einem Schuss Spiritualität die Kraft des Bodens verbinden mit dem Universum, um der kosmischen Unendlichkeit etwas irdisch Fortwährendes zur Seite zu stellen. Aber vielleicht würde der Charakter zerbrechen – wenn die Natur alle Bemühungen zunichte macht durch Hagel und Frost, durch Dauerregen oder Dürre – nur ein furchtsamer, demütiger Mensch bliebe übrig?

Die Beine werden schwer, doch vom Nabel aufwärts fühle ich mich federleicht.
Ich gieße den restlichen Wein ins Glas, leider gerät etwas Depot mit hinein. So ziehe ich den letzten Schluck durch die Zähne, und es knirscht ein wenig. Ich denke an die Erde des Weinbergs – Erde, zu der auch ich werde. Ich könnte sogar das Wann bestimmen. Das schwarze Eisen des Brieföffners schimmert. An schlimmen Tagen stelle ich mir vor, wie es sich blutrot überzieht – so dunkel wie der Wein des Madiran.

Nein. Ich werde von Lotta schreiben. Von mir natürlich auch, nichts werde ich auslassen, keinen meiner Fehler, und ihre Zickigkeit auch nicht.
Sie wird das Buch lesen, mich anrufen, und dann fahren wir los. In Nimes werden wir übernachten und in Maumusson unter Riesenzedern sitzen, getrüffelte Ente essen und dazu reifen Madiran trinken. Das wird ganz wunderbar, ich weiß es.

 

Hi josefelipe,

ich sag dir mal ganz schnell, dass mir dein Text gut gefallen hat. Auffällig ist für mich dabei, dass diese Reflexionen übers Schreiben nicht köstlich geklungen haben, oder besser: nicht wie, wenn es sich da einer hätte einfach machen wollen, indem der über etwas schreibt, was er eh gerade tut. Das kann ja schiefgehen, wenn es nicht gelingt, diese Auseinandersetzung mit dem Schreiben (und Erinnern) bedeutsam genug erschienen zu lassen, dass man diese Auseinandersetzung mitmachen will.

Kritik gibt's aber auch, wär ja langweilig ohne. Nämlich: Diesen Dialog am Anfang finde ich noch nicht ganz überzeugend. Das war mir irgendwie zu breitgetreten. Schon den Einstieg finde ich nicht so richtig gut. Mich würde es eventuell mehr packen, wenn du zuerst mit dem letzten Besuch rauskommst: "Es war Roberts letzter Besuch bei uns. -- Blabla blablabla -- Im gleichen Jahr ging Lotta." So was in der Art vielleicht? Und dann zwischendurch etwas kürzen:

Sie ist verstimmt, weil der Wein wirklich Ecken und Kanten hat – und ich bin beleidigt, weil sie mich vor Robert wie einen Trottel dastehen lässt. Wieso putzt sie mich in seiner Anwesenheit runter?
Hätte sie nicht sagen können: „Wow, ein echter Herrenwein!“ und gut wär’s gewesen – aber nein, sie muss den Finger in die offene Wunde legen. Solche Situationen zu schaffen, hat sie besonderes Talent.
Das ist mir einfach ein bisschen viel. Ich behaupte mal gewagt: Nimm, welchen du willst, aber einer dieser Sätze würde reichen.

Im Folgenden finde ich das nicht mehr so, da hat das Suchende mit seinen Wiederholungen ihren Sinn. Naja, gut: Nachdenken könnte man vielleicht darüber, ob auch hier:

Ich merke, dass ich mich verändere, langsam, aber fortwährend. Seit Roberts letztem Besuch wird mir das klar. Weiß nicht, ob sich nur unangenehme Eigenschaften verstärken, oder auch die positiven. Schließlich soll man im Alter gütig und weise werden, mild und nachsichtig.
Sich selbst gegenüber nachsichtig? Oder doch eher grüblerisch, pessimistisch, an manchen Tagen depressiv.
Was soll dieses freudlose Siechen, der stumpfsinnige Tagesablauf?
zwischendurch was raus könnte.

Und ich schreibe. Nach einigen Kurzgeschichten nun mein erstes Buch.
Hier wäre ich an sich auch für eine kleine Abkürzung, nämlich: "Und ich schreibe, nun mein erstes Buch.[/QUOTE] Dass er zuvor andere Sachen geschrieben hat, ergibt sich aus "nun", was das war - ernst gemeinte Briefe, Zeitschriftenartikel, Kurzgeschichten ... - ist im Grunde nicht so wichtig.

Das Drama mit Lotta bleibt ausgespart, das würde mich beim Schreiben nur verbittern.
Wie gut, dass er sich anders entschließt, denn das habe ich hier gedacht: Ausgerechnet das kannst du doch nicht weglassen aus deinem Buch!

Die Selbstsicherheit ist weg und ich beginne, am Text herumzuoperieren.
Was mir gerade auffällt: Ich habe den Zeitraum nicht so richtig vor Augen. Eher sehe ich jemanden vor mir, der sich diese Gedanken am Stück macht.

Aber dann bin ich doch nach Tallinn gefahren.
Die Frau kommt aus Litauen, aber sie treffen sich in Tallinn. Das geht natürlich, ist aber so eine nahe Differenz, dass sie auch ein bisschen irritiert. Ob die Frau nicht doch besser ganz woanders herkommen oder sie sich halt einfach in Vilnius treffen sollten? (Dafür spricht die neue litauische Küche.)

Der Lemberger ist ausgetrunken
Ich dachte: Nur Schwaben trinken Lemberger ... ?

Ja, soweit mal. Den einen oder anderen Kürzungsvorschlag hätte ich zwar noch. Aber so richtig aufdringlich ist keiner davon, ich akzeptiere das im Grunde alles, wie es ist.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Erzbischof,

erst einmal den dicksten Hund an die Kette legen:

Die Frau kommt aus Litauen, aber sie treffen sich in Tallinn. Das geht natürlich, ist aber so eine nahe Differenz, dass sie auch ein bisschen irritiert. Ob die Frau nicht doch besser ganz woanders herkommen oder sie sich halt einfach in Vilnius treffen sollten? (Dafür spricht die neue litauische Küche.)
Manometer! Hat mit meiner zunehmenden Zerstreutheit zu tun. Ich schaue extra bei Google nach – und verwechsle dann doch die Hauptstädte. Äußerst peinlich!
Zitat von josefelipe
Und ich schreibe. Nach einigen Kurzgeschichten nun mein erstes Buch.
Hier wäre ich an sich auch für eine kleine Abkürzung, nämlich: "Und ich schreibe, nun mein erstes Buch.
Dass er zuvor andere Sachen geschrieben hat, ergibt sich aus "nun", was das war - ernst gemeinte Briefe, Zeitschriftenartikel, Kurzgeschichten ... - ist im Grunde nicht so wichtig.
[/QUOTE]
Lieber erdbeerschorsch, halte mich für widerspenstig, aber meine Version überzeugt mich mehr. Nichtsdestotrotz geht’s um Kleinigkeiten, und wenn Du sagst ...
Den einen oder anderen Kürzungsvorschlag hätte ich zwar noch. Aber so richtig aufdringlich ist keiner davon, ich akzeptiere das im Grunde alles, wie es ist.
... dann lass ich alles, wie es ist. Ich glaube nicht, dass die angesprochenen Sachen die Geschichte sehr verändern, gar verbessern würden – durch die Kommentare angestoßen hab ich ja schon einiges geändert.

Ich danke Dir für Deinen Post und freue mich auch in Zukunft auf Deine Meinung.
Schöne Grüße!
José


PS:

erdbeerschorsch: schrieb:
Ich dachte: Nur Schwaben trinken Lemberger ... ?
Ha noi, des tun andere auch. Dort heißt er Blaufränkisch (Österreich), Kékfrankos (Ungarn). Aber warum sollte der Prot kein Schwob sein?

 

Hallo José
Chutney hat mir nach der Korrektur meines letzten Textes geraten, mir mal deinen anzuschauen. Sie findet wohl, dass wir Alten uns kennenlernen sollten.
Vielleicht ist ja da auch wirklich eine Gemeinsamkeit. Das Rückblickende. Dafür muss man ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.
Aber jetzt zum Text.
Ich habe beim Lesen eine Entwicklung durchgemacht. Am Text habe ich nichts zu mäkeln. Ich mag deine Formulierungen. (Auch die kritisierten) Sie sind sehr eigen und originell und geben dem Text die Note, die du ihm geben willst.
Aber genau das war mein Problem am Anfang. Die Note. Weinkenntnis ok, aber muss das so wichtig gemacht werden, dass eine Unstimmigkeit gleich zur „Wunde“ wird? Das war mir zu viel.
Ich fand den Prot irgendwie aufgeblasen, konnte ihn nicht richtig mögen. Fand ihn auch zu egozentrisch. Als wären alle Menschen in seinem Leben Randfiguren. Er erzählt sie distanziert.
Und nun meine Entwicklung: Diese Distanz ist seine Art der Nähe. Er kann nicht aus seiner Haut. Distanz auch zu den wirklichen harten Sachen in seinem Leben. Er fühlt sie so, wie er sie beschreibt. Das sind natürlich Lesergefühle pur. Nicht unbedingt die, die du auslösen wolltest, aber das ist ja egal.
Ich mochte deine erzählende Figur nicht. Das Resümierende hat mir nicht gefallen. Gefühle nur um sie zu beschreiben, nicht um sie zu spüren. Aber je weiter die Geschichte fortschritt, desto näher ist er mir gekommen, desto mehr habe ich das Gefühl bekommen, ihn zu sehen.
Und am Ende mochte ich die Geschichte. Und auch deinen gequälten Erzähler.
Herzlichen Gruß
wander

 

Hola wander,

vielen Dank für Dein Resüme.

[QUOTE:wander:]Chutney hat mir nach der Korrektur meines letzten Textes geraten, mir mal deinen anzuschauen. Sie findet wohl, dass wir Alten uns kennenlernen sollten.
[/QUOTE]

Hola Chutney!
Das war eine gute Idee; so lernt man Leute kennen. Dass wander in meiner Altersklasse rangiert, konntest Du jedoch nicht wissen – jedenfalls hat er’s in seinem Profil nicht ausgeplaudert – oder sind da seherische Fähigkeiten im Spiel?

Na, es ist nun mal so:

wander: schrieb:
Vielleicht ist ja da auch wirklich eine Gemeinsamkeit. Das Rückblickende. Dafür muss man ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.
Ohne Frage. Wir Alten müssen zusammenhalten – die Jugend kennt keine Gnade!

Gleich über Deine anfängliche Bemerkungen über Eigenart, Note usw. habe ich mich gefreut:

Ich habe beim Lesen eine Entwicklung durchgemacht. Am Text habe ich nichts zu mäkeln. Ich mag deine Formulierungen. (Auch die kritisierten) Sie sind sehr eigen und originell und geben dem Text die Note, die du ihm geben willst.
Das ist für mich beim Schreiben der wichtigste Punkt.
Einen Satz weiter jedoch komme ich ins Schlingern:
Text: schrieb:
Hätte sie nicht sagen können: „Wow, ein echter Herrenwein!“ und gut wär’s gewesen – aber nein, sie muss den Finger in die offene Wunde legen.
wander: schrieb:
Aber genau das war mein Problem am Anfang. Die Note. Weinkenntnis ok, aber muss das so wichtig gemacht werden, dass eine Unstimmigkeit gleich zur „Wunde“ wird? Das war mir zu viel.
Ich glaube, hier gibt’s ein Missverständnis. Wir kennen die Gefahr, dass ein Autor stets in Versuchung ist, etwas von seinem ungeheuren Wissen in den Text einzuarbeiten, um so noch ein bisschen mehr zu brillieren. Das bewirkt jedoch das glatte Gegenteil, die Sympathie des Lesers ist verscherzt.
Ich bin auch an anderer Stelle bemüht, nicht den Schlauberger heraushängen zu lassen, weil das abschreckt. Bei der Weingeschichte hab ich’s auf ein (mir so erscheinendes) Minimum geschrumpft, so dass eine Unstimmigkeit, den Wein betreffend, nicht das dramatische Wort ‚Wunde’ auslösen konnte.
‚Wunde’ sollte wie eine Achillesferse auf seine charakterlichen Mängel hinweisen (Lotta kennt ihn gut).
Text: schrieb:
Es ist meine Eitelkeit. Ich wollte wieder mal angeben, ...
Fazit: Ich hab’s ungeschickt angestellt. Dass Du es anders verstanden hast, als ich es beabsichtigte, ist mein Fehler und basta.
Ich fand den Prot irgendwie aufgeblasen, konnte ihn nicht richtig mögen. Fand ihn auch zu egozentrisch. Als wären alle Menschen in seinem Leben Randfiguren.
Wie oft liest man das (Fette)! Kein verdammter Prot hat die Pflicht zu gefallen. Ich finde, Du siehst den Kerl so, wie er ist. Auch Lotta:
Einmal geriet sie in Rage und hat mich ‚Egomane’ genannt. Ich weiß nicht, ob sie recht hat, doch möglich wär’s.

Und jetzt wird’s für mich richtig spannend:
wander: schrieb:
Und nun meine Entwicklung: ...
Was Du hier schreibst, lieber wander, hat mir Freude gemacht. Okay – der Prot hat mitgespielt:
Text: schrieb:
... jetzt wäre ich bereit einzusehen, dass ich verrückt war, im Suff, im Erfolg, in meiner Rolle als Hans Dampf in allen Gassen.
wander: schrieb:
... je weiter die Geschichte fortschritt, desto näher ist er mir gekommen, desto mehr habe ich das Gefühl bekommen, ihn zu sehen.
Und am Ende mochte ich die Geschichte.
Klasse! Bin top zufrieden. Vielen Dank.
... mochte ... ... ich auch deinen gequälten Erzähler.
Einen besseren Abschluss gibt es nicht!
Und auch das ist Goldes wert:
Am Text habe ich nichts zu mäkeln.
Da wir nicht im Verband der Gefälligkeitskommentatoren (anderer Foren!:D) organisiert sind, bilde ich mir auf Dein Urteil etwas ein!

Schöne Grüße!
José

 

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