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Der einsame Empath

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21.05.2007
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Der einsame Empath

Seltsam.
Seltsam in der Straßenbahn zu sitzen, um Emotionen zu fangen.
Seltsam, bei Gerichtsverhandlungen so sein, um Menschen voller Sorge, Trauer oder banges Erwarten aufzusaugen.
Ich bin seltsam.
Da saß ich.
In Restaurants. Imbissstuben, Fastfoodläden. Allein. Lauschte und nahm auf.
Meine Hände lagen ruhig auf den Tischtüchern. Die Fingerspitzen berührten die kleinen langstieligen Vasen aus Glas. Als hätte ich selbst das Empfinden der Blumen gesucht - um es mir zu eigen zu machen.
So viel Leben. So viel Gefühl.
Ein alter Mann. Er knetete seine Mütze. Seine Unterlippe zitterte. Ich spürte seine Trauer, die er zu verbergen suchte.
Zwei junge Mädchen - mir gegenüber. Zögernd saugte die Jüngere kurz an ihrer Zigarette. Ganz kurz nur. Paff. Und dann aschte sie minutenlang ab. Sie rauchte nicht gern. Aber dennoch musste sie.
Ich spürte ihre Angst, verstoßen zu werden.

Leben.

Wie soll man leben ohne Emotionen? Was, wenn jede einzelne Erfahrung nur gestohlen ist? Mitgefühlt?

Und dann - immer mehr Menschen verstecken sich hinter Masken. Nichts zu nehmen. Nichts mehr mitzufühlen.

Experimentiere mit Alkohol. Mit Psychopharmaka, Wizz, Acid, Meskalin, THC, Sex, Gewalt, Sanftmut, Gleichgültigkeit, Tagen ohne Schlaf - nichts ändert sich.
Und so pilgere ich als moderner Vampir durch die nächtlichen Strassen.
Nicht Hämoglobin ist es, was mich Menschen aussaugen lässt. Nicht die Gier nach Blut treibt mich.
Ich bin ein modernes Produkt. Haltlos und ohne eigentliches Ziel. Gier bestimmt mein Leben.
Also spreche ich, handle ich, manipuliere ich - um auszusaugen. Um Emotionen zu fassen. Das Gefühl zu haben, am Leben zu sein.

Ich lege den Stift auf das weiße Papier - sehe meine letzten Worte an. Ich spüre es. Diese Trostlosigkeit. Direkt hinter den Augen.
Also stehe ich auf. Nehme mein Mantel.
Gehe hinaus, um ein neues Opfer zu suchen.
Jemanden zu finden, der stark für mich empfindet. Liebe. Hass.
Und während ich unter flackernden Lampen dahinschreite, fröstelnd, ohne Gefühl. Hoffe ich dass meine Sehnsucht befriedigt wird. Und spüre vages Grauen darüber, dass ich irgendwann mehr brauche. Todeserfahrungen meiner Opfer.

 

Monsignore, vielen Dank an Euch, der sich wirklich (und das läßt sich aus eurem kommentare schließen) mit der geschichte auseinandergesetzt hat!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Danjil

Seltsam in der Strassenbahn zu sitzen, um Emotionen zu fangen.
Straßenbahn
Seltsam, bei Gerichtsverhandlungen su sein, um Menschen voller Sorge, Trauer oder banges Erwarten aufzusaugen.
zu.
Da sass ich.
saß
Schamhaft saugte die jüngere leicht an ihrer Zigarette.
Wieso schamhaft. Das Wort würde ich weglassen. 1. klingt das komisch und 2. ist das eh nur ne Behauptung, nicht szenisch und eigentlich auch überflüssig weil du das ja später erklärst ;) .
Und dann aschte sie minutenlang ab.
Okay ich mag Sätze mit aktiven Verben, aber hier klingt es absolut nicht.
Und so pilgere ich als moderner Vampier durch die nächtlichen Strassen.
Der Satz gefällt mir. :thumbsup:
Nicht Hemoglobin ist es, was mich Menschen aussaugen lässt.
Hämoglobin
Ich spüre es. Diese Trostlosigkeit. Direkt hinter den Augen.
Ich leider nicht, weil du das zu "emotionslos rüberbringst".
Grauen darüber, dass ich irgendwann mehr brauche. Todeserfahrungen meiner Opfer.
Das Ende sitzt. ;) :thumbsup:

Bis auf die kleinen Anmerkungen hat mir die Geschichte gut gefallen. Ich mag gerne Vampirgeschichten und "das Pferd mal von hinten aufzuzäumen" ist eine schöne Idee. Hätte ruhig etwas länger sein dürfen.

Lg, Ph:gelb:nix

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Danjl,

mir hat's weniger gefallen. Natürlich kann man aus der Idee eine gute Geschichte machen. Es gibt etliche gute Geschichten zu dieser Idee. Aber Deine hat Pudding in den Adern. Alles wirkt ein wenig kümmerlich.
Der erste Verdünner ist natürlich der falschgeschriebene Titel. Du schreibst Emphat, lies das mal laut: Emfaat! Empath ist korrekt. Laß es einen Moderator ändern.

Seltsam, in der Straßenbahn zu sitzen, um Emotionen zu fangen.
Später werden Emotionen gefasst. Beides hört sich kraftlos an, nach wedelnden Fingerspitzen, nach Kindern, die Haschen spielen.
Seltsam, bei Gerichtsverhandlungen so sein, um Menschen voller Sorge, Trauer oder banges Erwarten aufzusaugen.
Da stimmt was nicht. das Erwarten steht im falschen Fall. Und er saugt doch nicht die Menschen auf, sondern ihre Gefühle. Die Menschen saugt er höchstens aus. Oder sind die nachher weg? Und dieses zu sein, um zu tun ... man könnte den Satz straffen:

Seltsam, bei Gerichtsverhandlungen Sorge, Trauer und banges Erwarten ...

oder

Seltsam, zu Gerichtsverhandlungen zu gehen, um ...

Experimentiere mit Alkohol. Mit Psychopharmaka, Wizz, Acid, Meskalin, THC, Sex, Gewalt, Sanftmut
Hehe. Experimente mit Sanftmut sind gefährlich wie nur was. Ich kannte einen, der kam von dem Zeug gar nicht mehr runter und ist dann Buddhist geworden.
Das Gefühl zu haben, am Leben zu sein.
Das klingt so hilflos: zu haben, zu sein! Warum nicht: Mich lebendig/am Leben zu fühlen?
Nehme meinen Mantel.
Und während ich unter flackernden Lampen dahinschreite, fröstelnd, ohne Gefühl, hoffe ich, dass meine Sehnsucht befriedigt wird.
Der Satz hebt sich selbst auf. Er fühlt gar nichts! Außer dem Frösteln, der Hoffnung und der Sehnsucht. Wenn das mal nicht drei dicke Gefühle sind, vor allem das Frösteln, das kann einen ganz verrückt machen! Aber ich merkte beim Lesen mal wieder gar nichts.

dass ich irgendwann mehr brauche. Todeserfahrungen meiner Opfer.
irgendwann mehr brauchen werde. Danach wär auch ein Doppelpunkt hübsch.

Interessant ist, daß in der Geschichte nichts passiert, um Worte wie "Opfer", "aufsaugen" oder "Vampir" zu rechtfertigen. Ich kann hineinphantasieren, daß der Held anderen etwas wegnimmt, wenn er es sich zu eigen macht (was allerdings ein Empath nicht tut), daß er sich daran berauscht oder sonstwie erfreut und stärkt. Daß er irgendwann jemanden töten wird (zumindest befürchtet, er könne es tun), um als Spezialkick dessen Tod mitzuerleben. (In Brainstorm, einem Film aus den Achtzigern, nimmt eine Heldin aus Versehen ihren Tod auf eine Art Band auf, das Gefühle 1:1 speichern und wiedergeben kann. Jemand anders spielt die Aufnahme ab und stirbt beim Mitfühlen.)
Was wollte ich sagen? Achja: In Deiner Geschichte sieht man den Helden nur rumlaufen, Leute angucken, deren Gefühle wahrnehmen oder zumindest irgendsowas denken. Das ist Alltag und tut keinem weh.
Wie saugt er denn? Wie fühlt sich das an? Mit welchem Sinn/Organ macht er sich Gefühle zu eigen? Verändern sie sich dabei? Was heißt das: Er manipuliert? Muß er die Opfer reifmachen? Wie? Schlägt er blitzschnell zu, oder verfolgt er ein gutes Opfer tagelang? Wie lange ist er satt, bevor er wieder saugen muß? Macht der alte Mann länger satt als das Girl mit der Zigarette? Warum? Was geschieht mit den Opfern? Leiden sie dabei? Muß er das von ihm durchs Saugen verursachte Leiden noch als Dreingabe mitsaugen, oder springt er rechtzeitig ab?
Da könnte doch wenigstens eine Aufsaugszene stehen. Was man da alles schreiben könnte!

Deiner Geschichte fehlt es an Wortschatz, Details und Tatsächlich Getaner Tat. Darum ist sie so schwach. Aber das sind Übungssachen.
An Deiner Stelle würde ich die Geschichte mächtig und mutig aufblähen. Pack sie mit Handlung und Spannung voll und scheuch nochmal Deine Phantasie drüber. Wenn es nachher zu viel ist, findet sich hier auch jederzeit jemand, der sie Dir wieder zusammenstreicht. :D

Lieben Gruß!
Makita.

 
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eine lange antwort lapidar oder mit nichtbeachtung abzustrafen ist unhöflich. zumal mir deine rezension gefällt.

lass mich daher auf deine antwort eingehen.
von den orthographischen fehlern abgesehen (eingeschlichen - natürlich, weil niemand setzt in einem solchen text absichtlich rechtschreiblich fehler als stilmittel) gab es einiges bedenkenswertes.

zunächst muss ich wohl das gesamtbild besser skizzieren. die geschichte ähnelt eher eine bleistiftskizze (was an sich auch betrachtenswert sein kann) und kann eventuell ausgetuscht werden (aber bedenke: nicht jede skizze überzeugt als "grosses bild")

bestimmte fragmentarische szenen sind bewußt mit bestimmten worten versehen, so will der protagonist tatsächlich emotionen "fangen", gleich einem schmetterlingsjagendem biologen, der mit seinem käscher über die wiesen hastet um sich später die ermordeten exemplare seiner verehrten lieblingstiere auf nadeln spiessen zu können. auch das "aufsaugen" von gefühlen im gerichtssaal stammt direkt aus den vorstellungen des empathen. er WILL alles aufnehmen, sich damit füllen, es anderen abnehmen.wäre er ein trinker mit strohhalm und im gericht würde er versuchen allen anwesenden ihre getränke (aus ihren in den unruhigen händen haltenden gläsern und bechern voll flüssigkeiten) auszutrinken - er würde sie genauso aufsaugen.

da er selber keine eigenen emotionen hat, ist also der umgang damit gespielt, ein experiment - er experimentiert mit den verschiedenen wirkungen auf den gegenüber. das könnte man natürlich besser ausbauen. (um solchen mißverständnissen aus dem weg zu gehen)

ich vermute der zugang zur geschichte (wenn man sie denn als solche zu betrachten gewillt ist) ergibt sich aus der eigenen emotionalen verfassung.

ähnlich dostojewskis "der idiot", dessen ganzer philosophischer grundgedanke sich nur dann entfalltet wenn man in zerrütteter gemütslage ist. (wobei ich mich bescheidenerweise gar nicht auf die selber stufe stellen will, immerhin ist dostojewski weltliteratur)

kurzum: ich könnte an der geschichte weiter feilen, lasse sie aber lieber als hingeworfenen rohentwurf, als fiebrige skizze nächtlicher wachphasen stehen.
ich KANN zudem den protagonisten nichts tun lassen, denn er fühlt sich nicht in der lage etwas zu tun. er fühlt keine klar erkennbaren beweggründe, braucht zum überleben jedoch die der anderen menschen ringsum. ich könnte die geschichte insofern ausbauen, dass sie sich an die nach innen geneigte spirale eines dorian gray orientiert, doch würde der empath dadurch an (zumindest für bestimmte leser) eindringlichkeit verlieren (fürchte ich)

 

Hallo Danjl,

der Titel hat mich auf deine Kurzgeschichte aufmerksam gemacht, und um es gleich auf den Punkt zu bringen: Sie hat mir gefallen und ich hab sie gerne gelesen. Die sprachliche Ausdrucksweise finde ich gelungen, gute Wortwahl. Die Geschichte stimmt nachdenklich, ist beinahe ein wenig philosophisch. Durch die Kürze bedarf es hier m. E. keiner weiteren Handlung. Es geht vielmehr um Emotionen/Stimmung/Momentaufnahme, und diese Dinge kamen durch die Geschichte gut bei mir an.

Fastfootläden --> Fastfoodläden

Viele Grüße
Michael

 

dann willkommen in der zielgruppe...
die idee eines fast-foot-ladens stimmt mich irgendwie heiter,aber natürlich hast du (und auch die anderen -mehr oder weniger- geneigten leser) recht - ich habe den fehler ausgebessert!
und zuletzt noch meinen dank!

 

Seltsam.
Seltsam in der Straßenbahn zu sitzen, um Emotionen zu fangen.
Warum seltsam? Für den, der empathisch begabt ist, dürfte es der Normalfall sein.

So viel Leben. So viel Gefühl.
Zu vordergründig und nicht sehr originell. Solche Formulierungen, die man in diesem oder jenem Zusammenhang schon zigmal gelesen hat, kämen wahrscheinlich dem Nicht-Begabten spontan in den Sinn, wenn er mal einen kurzen Blick auf fremde Seelenlandschaften werfen dürfte.

Insgesamt bemüht sich der Text ums Außergewöhnliche und Grenzerfahrerische, aber er erzeugt keine neue Wirklichkeit.

Gruß

B.

 

danke für die rezension

vermutlich könnte ich ihn noch weiter überarbeiten - dann würde aber vielleicht sogar eine richtige geschichte (auf jeden fall aber eine andere) daraus.


es ist wie mit öl auf leinwand - irgendwann muss man aufhören, sonst findet man immer wieder etwas das hinzugefügt oder noch ge(über-)malt werden muss.

 

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