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Der feine Herr Fischstäbchen kauft sich keine Hose und geht auch nicht mit mir essen

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10.10.2006
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Der feine Herr Fischstäbchen kauft sich keine Hose und geht auch nicht mit mir essen

… also muss ich eine andere Geschichte schreiben​

Der Typ an der Bar kaut auf seinem Zahnstocher herum, macht richtig eine Show daraus, so als gäbe es da irgendeinen Wettbewerb, so als wäre es cool auf einem Zahnstocher zu kauen, irgendwie eine olympische Disziplin oder so. Er scheint ja fast darauf zu warten, dass ich gleich ein Scheiß-Wertungskärtchen hochhalte. Wobei ich sagen muss – es wäre dann eine hohe Punktzahl. Denn es hat schon was, dieses auf dem Zahnstocher-Herumgekaue von dem Typen mit dem Zahnstocher an der Bar.
Er lässt ihn richtig wandern, nicht nur das Übliche, der schnelle Wechsel sozusagen, wenn man mit der Zunge den Zahnstocher weit herausschiebt, ihn dann wendet und das Ende, das soeben noch die Luft gekostet hat, die rauchschwangere Barluft, dann zwischen den Zähnen hält. Obwohl das nicht sehr hygienisch ist. Aber das könnte ich auch, das wäre keine hohe Punktzahl wert. Nein, der kann noch viel mehr und hat keine Hemmungen, es auch zu zeigen.
Er legt den Kopf in den Nacken, weit in den Nacken, so weit wie ihn nur ein geübter Streichholzolympionike in den Nacken legen kann und vielleicht noch eine gelenkige Nutte, aber bei der bin ich mir nicht so sicher, legt den Kopf also weit in den Nacken, so dass der Zahnstocher aus seinem Mund herausschaut. Es fehlte nur noch ein Fläggchen an diesem Zahnstocher und man könnte meinen, dass eine fremde Nation, vielleicht die Russen, das sind ja Expansionisten, dass eine fremde Nation also den Körper dieses Mannes entdeckt hätte. Entdeckt und für sich in Anspruch genommen, einen Claim abgesteckt hätte sozusagen. So weit schaut der Zahnstocher aus ihm heraus. Dann spuckt er ihn kirschkerngleich in die Lüfte, ruckt nach vorne, so dass er fast, er sitzt ja auf einem Barhocker, so dass er sich fast seinen Arsch von unten ansehen kann, schnellt dann mit irrwitziger Geschwindigkeit wieder nach oben und der Zahnstocher landet – und er balanciert ihn – auf seiner Nase!
Diese Position, er muss teilweise Fakir sein, hält er einige Minuten durch, bis es ihm dann doch zu lang wird, und er stupst den Zahnstocher kurz nach oben, und irgendwie landet er dann wieder in seinem Mund. Ging zu schnell, als dass ich ihm hätte folgen können. Wahrscheinlich hab ich gerade geblinzelt.
Ich stehe auf, gehe zu ihm an die Bar; er sitzt dort, hochkonzentriert, aber doch wahnwitzig lässig. Und ich spucke auf den Dielenboden und frage ihn betont beiläufig und rau, ich kaue dabei auf dem imaginären Zahnstocher, den wir alle in unserem Mund tragen, kaue also auf dem Zahnstocher in uns allen herum und frage ihn: „Mann, wo hast du gelernt, so mit einem Zahnstocher umzugehen?“
Und er antwortet und verstaut dabei den Zahnstocher im äußersten linken Winkel seines Mundes: „Das ist doch so leicht wie einem Baby das Trommelfell zu zerstechen.“
Als er merkt, dass ich nicht lache und ich lache nicht deshalb nicht, weil der Spruch nicht komisch wäre, und das ist er nicht, aber ich lache nicht, weil er mit fiepsiger Stimme gesprochen hat und ohne jeden amerikanischen Akzent, und als er merkt, dass ich nicht lache, sagt er: „Tschuldigung, alter HNO-Witz.“
Ich gehe weg. Ohne ein Wort zu sagen, gehe ich einfach weg. Setze mich in mein Auto, in mein flamingofarbenes Cabriolet au lait, lege die Kassette ein, die einzige verdammte Kassette, die ich besitze. „A little less conversation“ läuft. Und ich denke mir, irgendwo da draußen ist er. Der echte Mann. Der Freund fürs Leben. Der Mann, der dir zeigt, wie du ein Mann bist. So einer wie Elvis.
Ich schniefe den Rotz in meiner Nase hoch, lege einen Gang ein, drehe die Anlage voll auf und sage: „Elvis lebt.“
Dann gebe ich Gas.

 

Hey Quinn!

Zuerst wollte ich einen Verriss schreiben, aber jetzt glaube ich ja, dass das Absicht war von dir, also das, dass in der Geschichte alles ein bisschen schief ist, irgendwie geht da alles daneben.

1. Der Titel: Scheint auf den ersten Blick ein Nottitel zu sein, der einfach nur cool und ein bisschen nach Bildung klingen soll, sonst aber nichts mit der Geschichte zu tun hat. Aber wenn man weiß, dass Fisch einer deiner möglichen männlichen Vorbilder ist, macht er eigentlich doch Sinn, der Titel nämlich, für die Geschichte. :p

2. Der Ton des Erzählers - Sein Erzählfluss wird ständig durch Abschweifungen, redundante Wiederholungen und Einschübe gestört.

3. Schiefe Vergleiche:

Dann spuckt er ihn kirschkerngleich in die Lüfte
Ist er selbst der Kirschkern, ist der Zahnstocher der Kirschkern? Etwas Langes, Dünnes wie einen Zahnstocher kann man aber nicht wie etwas Rundes, Dickes in die Luft spucken.
und er balanciert ihn – auf seiner Nase!
Diese Position, er muss teilweise Fakir sein, hält er einige Minuten durch, bis es ihm dann doch zu lang wird, und er stupst den Zahnstocher kurz nach oben
Er balanciert ihn mit der Spitze auf der Nase? Aber nicht mal das würde den Fakirvergleich rechtfertigen.

4. Der Zahnstochervirtuose erfüllt die Erwartungshaltung nicht, die sein Beobachter an ihn hat. Er ist kein cooler Typ, sondern nur ein HNO-Arzt mit fiepsiger Stimme.

5. Die Figur der Erzählers kann den Männlichkeitsanspruch auch nicht ganz durchziehen:

Ich gehe weg. Ohne ein Wort zu sagen, gehe ich einfach weg. Setze mich in mein Auto, in mein flamingofarbenes Cabriolet au lait, lege die Kassette ein, die einzige verdammte Kassette, die ich besitze. „A little less conversation“ läuft. Und ich denke mir, irgendwo da draußen ist er. Der echte Mann. Der Freund fürs Leben. Der Mann, der dir zeigt, wie du ein Mann bist. So einer wie Elvis.
Ich schniefe den Rotz in meiner Nase hoch, lege einen Gang ein, drehe die Anlage voll auf und sage: „Elvis lebt.“
Dann gebe ich Gas.
Männlich: einfach weg gehen, Auto, Gas geben, Männerfreundschaft
unmännlich: Autofarbe, weinen (Rotz hochziehen), Elvis als männliches Ideal sehen ... ELVIS SOLL EIN VORBILD FÜR MÄNNER SEIN??? Nein, niemals ...

er sitzt dort, hochkonzentriert, aber doch wahnwitzig lässig.
Sehr gut!

Tja, ich glaub ja, dass das alles Absicht war von dir ...

:D
Andrea

 

Hey Andrea,

ich komme mir vor wie bei der Verleihung des Bachmannpreises in Klagenfurt. Da sind die Diskussionen über die Texte auch immer auf einem wesentlich höheren Niveau als die Texte selbst. ;)

Aber natürlich habe ich das alles so geplant, das mit dem "Männlichkeits-Mentoren" und das natürlich alles wie immer schief geht (wenn's bis jetzt noch keiner gemerkt, die Protagonisten meiner Geschichte vermasseln es grundsätzlich; durch die Bank weg, vielleicht mit ein, zwei lichten Momenten als Ausnahme). Es ist doch schon total absurd, dass jemand, der mit einem Zahnstocher Kunststückchen vorführt, nun der Inbegriff der Männlichkeit sein soll, oder? Und dann ist er HNO-Arzt! HNO-ARZT!

Ich verstehe immer noch nicht, wie es da zu Missverständnissen kommen könnte! Jemand schrieb mir sogar, der Text erinnere ihn an "Warten auf Manfred Mann!".

Dir auf jeden Fall vielen Dank für den sensiblen Umgang mit diesem Text
sich kirschkerngleich verneigend
Dein Quinn

 

Hey Quinn,

scheine ja hier nicht unbedingt im Kielwasser der Meinungen zu schwimmen, wenn ich sage: die kg hat mir gefallen. Aber das hat sie. Und ich fand sie sogar komisch. Die Beschreibung fand ich keineswegs zu lang, ich fand sie echt gelungen- und witzig oben drein. Auch hat sich kein melancholisches Gefühl eingestellt, wie bei eingen usern. Bei mir hast du die Erheiterung ausgelöst, die du vermutlich (das schließe ich jetzt mal zahnstocherspitz aus der Rubrik) beabsichtigt hast.
Auch das Elvis nicht vorkommt, finde ich eine nette Abwechslung. Ist jetzt zumindest die dritte Kg zum Elvis-Thema, die ich lese, und ich empfand diese Idee als angenehm abwechslungsreich.
jetzt fehlt eigentlich nur noch die elvis-wackelfigur im Auto deines nach der wahren Männlichkeit suchenden prots.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey weltenläufer,

ach, Humor ist halt so ne Sache. Bei der Emmy-Verleihung machen sie ja den Unterschied zwischen Comedy und Drama noch.
Und da läuft "Dr. House" unter Drama und "Mister Monk" unter Comedy.
Weiß der Geier, was die sich dabei denken (denn Dr. House ist in seinem überbordenden Zynismus so komisch wie Monk und Monk mit seinen Neurosen und seiner toten Frau so tragisch wie Dr. House). Und das Schlimmste ist, dass sie Dr. Psycho nach einer Staffel abgesetzt haben!
Worauf wollte ich nun hinaus? Ach ja, ich merke nur an diesen Geschichten, bei denen ich versuche, "humorvoll" zu sein, dass dann oft diese Reaktionen kommen: Fand ich gar nicht lustig (oder sogar: fand's depressiv).
Während ich bei anderen Geschichten, wo ich es nicht drauf anlege, dann höre, dass man sehr gelacht habe.
Ich weiß da auch nicht so recht.

Auf jeden Fall hat dir die Geschichte gefallen und das freut mich ;)

Gruß
Quinn

 

Hi Quinn!

Tja, Du hast mein Humorzentrum erwischt - sozusagen mit dem Zahnstocher durch mein Trommelfell das Zwerchfell gezahnstochert.
Die ewigen Einschübe fand ich besonders erheiternd. Auch die detaillierte Darstellung der Zahnstocherwendeszene ist mir durchaus positiv im Gedächtnis geblieben.

Tut mir Leid, aber ich hab für meine eigene Geschichte gestimmt. Aber bestimmt das nächste Mal ... :D


LG
flash

 

Hey flash,

freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Und wegen deiner Stimme ... mach dir keine Sorgen.
Ich hab ohnehin für meine Geschichte gestimmt, und mein Hund und meine neun Meerschweinchen auch.

Gruß
Quinn

 

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