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Der Fleck
Jede Nacht liege ich mit geöffneten Augen in meinem Bett und höre Schritte im Haus,
die knarrenden Dielen, das ächzende Holz. Ich spüre dass er nach mir sucht, mich wundert nur, dass er mich noch nicht gefunden hat. Dass er im Schlaf meinem Leben noch nicht den Garaus gemacht hat, grenzt an ein Wunder. Es war jetzt der dritte Umzug dieses Jahr, und in jedem Haus in dem ich bis jetzt wohnte, bildete sich dieser eigenartige Fleck an der Küchenwand. Dieser immer größer werdende Fleck. Ein wässriger, milchiger Fleck, so als würde Wasser aus den Wänden heraus in die Küche dringen wollen. Doch diesmal war der Fleck noch größer, noch wässriger und vor allem er roch schlimmer. Er roch nach Schimmel, Verwesung. Der Gestank erfüllte meiner Meinung nach das ganze Haus, aber Freunden die mich ab und zu besuchten fiel er komischerweise überhaupt nicht auf. Weder der Geruch noch der Fleck selbst. Auch die Malerfirma die ich angeheuert hatte befand die betroffene Wand für sauber. Nichtsdestotrotz lies ich die Küche streichen, gab ein Vermögen aus, nur um am nächsten Morgen wieder denselben Fleck an der Wand zu haben. Wieder wurde er größer, färbte die neue Farbe der Wand grau ein, wieder stank er bestialisch. In dieser Nacht schlief ich unruhig, wälzte mich im Bett hin und her. Wurde von Albträumen geplagt.
In meinen Träumen nahm der Fleck die ganze Küchenwand ein, färbte sie grau, pulsierte und sein Geruch brachte mich an den Rand des Wahnsinns. Ich kann Stimmen hören, die scheinbar aus dem Inneren des Flecks nach außen dringen. Flüstern. Er möchte dass ich ihn berühre, aber ich bin mir sicher dass ich das nicht tun sollte. Er wird mich in hineinsaugen, mein Bauchgefühl hat mich noch nie getäuscht.
Ich fühlte mich wie gerädert als ich am nächsten Morgen erwachte und der Geruch der aus der Küche drang, kam mir mehr als bekannt vor. Er raubte mir jeglichen Appetit auf mein Frühstück. Als ich die Schlafzimmertür öffnete, führte mich mein Weg als aller erstes in die Küche. Zuerst hielt ich vor der geschlossenen Tür inne, doch ich verbrannte fast innerlich vor Neugier. Wird er noch da sein, hab ich mir alles nur eingebildet. Langsam öffnete ich die Tür, und betrat den Raum. Der Fleck war immer noch da, größer geworden. Breitete sich zwischen Kühlschrank und den Hängeschränken aus. War grau, wuchs, aber er pulsierte nicht wie in meinem Traum.
Ich entschloss mich eine Baufirma anzurufen, (wie auch schon bei den zwei anderen Häusern). Ich entschied mich jedes mal für eine andere Firma, den jedes Mal lies ich die Wand aufreißen um zu sehen was sich hinter den Wänden verbarg. Nichts, jedes Mal einfach gar nichts. Auch diesmal. Die Bauherren sahen keinen Grund die Wand aufzureißen, denn sie sahen keinen Fleck. Sie konnten den Fleck nicht sehen, der mich jetzt schon in drei Häuser verfolgt hatte. Doch er existierte, an meiner Küchenwand. Die folgende Nacht war schlimmer als die erste. Zuerst hörte ich die Geräusche nur im Traum, doch als ich die Augen aufschlug, stellte ich schweißgebadet fest, dass diese Geräusche real waren. Ein Geräusch als würde sich eine Tapete von der Wand lösen, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Darauf eine schier endlose, lange Zeit der Stille. Dann Schritte, knarrende Dielen, ein Keuchen. Erfüllt mit panischer Angst, entschied ich mich mein sicheres Bett zu verlassen und der Sache auf den Grund zu gehen. Er war hier. Es war zu eindeutig. Langsam glitt ich unter meiner warmen Bettdecke hervor, ein Messer immer griffbereit unter dem Kopfkissen, immer in der Hoffnung es niemals benutzen zu müssen. Diesmal hatte ich die Hoffnung aufgegeben. Meine rechte Hand umklammerte den hölzernen Griff des Messers, die linke umfasste die Türklinke der Schlafzimmertür. Langsam öffnete ich die Tür meines schützenden Zimmers und verlies schleichend den Raum. Immer noch hörte ich das schwere Atmen, das dumpfe Geräusch fremder Schritte, und das Holz des Parkettbodens, welches unter den Schuhen nachgab. Da sich mein Schlafzimmer im Obergeschoss des Hauses befand, riskierte ich einen Blick vom Treppengeländer aus nach unten, während der Druck, mit dem ich dass Messer umklammerte, die Blutzufuhr meiner Hand abschnitt.
Schritt für Schritt stieg ich die Stufen hinab und hielt inne als ich den Flur erreicht hatte. Nirgends brannte Licht und ich hatte auch nicht vor eines einzuschalten. Wie ein Spion der sich an eine Wand pressen musste, um von seiner Zielperson nicht entdeckt zu werden, schlich ich geradewegs in die Richtung in der sich die Küche befand. Die Tür war geöffnet und bestialischer Gestank drang aus dem Raum. Ich hatte die Tür vor dem zu Bett gehen geschlossen, da war ich mir sicher. Ich setzte einen Fuß so ruhig wie möglich vor den anderen, noch fünf Schritte bis zur Küche, noch vier, noch drei. Dann trat ich in irgendetwas nasses, glitschiges. Ich nahm schnell den letzten Schritt um in der Küche innezuhalten, doch eine lange Atempause war mir nicht gegönnt. Mein Blick fiel auf die Stelle hinter dem Kühlschrank, die vom Mond beschienen wurde. Doch anstatt des Flecks, prangte ein riesiges Loch in der Wand, aus dem ein furchtbarer Geruch drang. Ich spürte dass ich einer Ohnmacht nahe war, doch ich musste bei Bewusstsein bleiben.
In diesem Moment umklammerte ich das Messer mit beiden Händen, als ich mich erhob und mich auf den Fleck zu bewegte. Ich wollte nachsehen, ich wollte ihn berühren, ich wollte mich vergewissern nicht wahnsinnig zu sein. Ich legte das Messer beiseite und mit der einen Hand berührte ich die Öffnung, während ich mir der anderen die Nase zuhielt. Das Loch war real, der Fleck war verschwunden. Ich hätte hineinkriechen können, um der ganzen Sache auf den Grund zu gehen. Allerdings hätte ich mich auch gleich selbst umbringen können.
Als ich meine Hand aus dem Loch schließlich zurückzog, hörte ich dass hinter mir die Tür geöffnet wurde, und das Knarren der Diele vernahm ich jetzt genau hinter mir. Als ich herumfuhr, blickte ich in die Dunkelheit. Dennoch konnte ich in ihr eine Bewegung ausmachen. Das Knarren wurde lauter, der ächzende Atem ebenfalls.
Es bewegte sich auf mich zu, nicht schnell. Ich hätte versuchen können zu fliehen, doch ich blieb wie versteinert an der selben Stelle stehen. Als das Ding das Fenster passierte, durch dass der Mond hindurch fiel, wurde der Gestank schlimmer. Das Geräusch mehrerer, summender Fliegen drang an mein Ohr und dann traf das Licht auf das Wesen das mich verfolgte. Urplötzlich hielt es an der Position inne und mein Blick blieb wie eine Mücke an einem Fliegenfänger hängen. Dieses Etwas war mit grauem, stinkendem Schleim übersät. Alter, flüssiger Zement tropfte von seinen Händen, die Augen von altem Gips bedeckt. An seinen Füßen trug es Schuhe die vollkommen mit Beton überzogen waren. „Endlich“, keuchte das Monster, während etwas glibberige, graue Masse aus seinem Mund hervorgurgelte. Dabei verzog es seine Fratze zu einem widerlichen Grinsen.
Dann setzte es sich wieder in Bewegung und stapfte auf mich zu. Mein Herz versuchte meinen Brustkorb zu durchbrechen. Ich nahm meinen letzten Funken Verstand zusammen und rammte das Messer mit aller Kraft in den Kopf des Monsters. Dickflüssiges, grauschwarzes Blut quoll aus der frischen Wunde hervor.
„Mich nocheinmal töten bringt nichts, Sohn.“
“Vater?“, brachte ich hervor, bevor seine grauen, matschigen Hände meinen Hals erreichten.